NEUNTES KAPITEL
DIE LETZTE BERATUNG
Es wurde Morgen nach dem Tag der Schlacht, und er war schön, mit
leichten Wolken, und der Wind hatte nach Westen gedreht. Legolas und
Gimli waren früh auf, und sie baten um Erlaubnis, in die Stadt hinaufzu-
gehen; denn sie waren begierig, Merry und Pippin zu sehen.
»Es ist gut, zu erfahren, daß sie noch am Leben sind«, sagte Gimli.
»Denn sie haben uns große Mühen verursacht bei unserem Marsch durch
Rohan, und ich hätte es nicht gern, daß all diese Mühen umsonst waren.«
Zusammen kamen der Elb und der Zwerg nach Minas Tirith, und das
Volk, das sie vorbeigehen sah, wunderte sich, solche Gefährten zu sehen;
denn Legolas war über alles menschliche Maß schön von Angesicht, und
er sang mit heller Stimme ein Elbenlied, während er ging; aber Gimli
schritt stolz neben ihm einher, strich sich den Bart und schaute sich neu-
gierig um.
»Da sind einige gute Steinmetzarbeiten hier«, sagte er, als er die Wälle
betrachtete. »Aber manches ist weniger gut, und die Straßen hätten bes-
ser angelegt werden können. Wenn Aragorn zu seinem Recht kommt,
dann werde ich ihm die Dienste der Steinmetzen des Berges anbieten, und
wir werden diese hier zu einer Stadt machen, auf die man stolz sein
kann.«
»Sie brauchen mehr Gärten«, sagte Legolas. »Die Häuser sind öde, und
es gibt hier zu wenig, das wächst und froh ist. Wenn Aragorn zu seinem
Recht kommt, soll ihm das Volk des Waldes Vögel bringen, die singen,
und Bäume, die nicht sterben.«
Schließlich kamen sie zu Fürst Imrahil, und Legolas blickte ihn an und
verneigte sich tief. Denn er sah, daß hier wirklich einer war, der Elben-
blut in den Adern hatte. »Heil, Herr«, sagte er. »Es ist lange her, seit das
Volk von Nimrodel die Wälder von Lórien verließ, und dennoch kann
man sehen, daß nicht alle von Amroths Hafen aus nach Westen über das
Meer gesegelt sind.«
»So heißt es in der Überlieferung meines Landes«, sagte der Fürst,
»doch seit unzähligen Jahren ist niemals einer des schönen Volkes dort
gesehen worden. Und ich wundere mich, jetzt einen hier inmitten von
Leid und Krieg zu sehen. Was suchet Ihr?«
»Ich bin einer der Neun Gefährten, die mit Mithrandir von Imladris
aufbrachen«, sagte Legolas. »Und mit diesem Zwergen, meinem Freund,
kam ich mit dem Herrn Aragorn. Doch nun möchten wir unsere Freunde
Meriadoc und Peregrin sehen, die in Eurer Obhut sind, wie uns gesagt
wurde.«
»Ihr werdet sie in den Häusern der Heilung finden, und ich will Euch
dort hinbringen«, sagte Imrahil.
»Es wird genug sein, wenn Ihr uns einen schickt, der uns führt, Herr«,
sagte Legolas. »Denn Aragorn sendet Euch diese Botschaft. Er möchte zu
dieser Zeit die Stadt nicht wieder betreten. Dennoch ist es nötig, daß die
Heerführer sogleich eine Beratung abhalten, und er bittet, daß Ihr und
Eomer von Rohan sobald als möglich hinunter kommt zu seinen Zelten.
Mithrandir ist schon dort.«
»Wir werden kommen«, sagte Imrahil; und sie trennten sich mit höf-
lichen Worten.
»Das ist ein edler Herr und ein großer Führer der Menschen«, sagte
Legolas. »Wenn Gondor in diesen Tagen des Niedergangs noch solche
Männer hat, dann muß sein Glanz groß gewesen sein in den Tagen seines
Aufstiegs.«
»Und zweifellos ist die gute Steinmetzarbeit die ältere und wurde bei
der ersten Bebauung hergestellt«, sagte Gimli. »So ist es immer mit den
Dingen, die die Menschen beginnen: es gibt Frost im Frühling oder Dürre
im Sommer, und ihre Hoffnungen schlagen fehl.«
»Doch selten schlägt ihre Saat fehl«, sagte Legolas. »Sie liegt im Boden
und vermodert, und zu unerwarteten Zeiten und an unerwarteten Orten
geht sie dann auf. Die Taten der Menschen werden uns überdauern.«
»Und am Ende wird nichts dabei herauskommen, als daß es hätte noch
besser sein können«, sagte der Zwerg.
»Darauf wissen die Elben keine Antwort«, sagte Legolas.
Nun kam der Diener des Fürsten und führte sie zu den Häusern der
Heilung; und dort fanden sie ihre Freunde im Garten, und es war ein
fröhliches Wiedersehen. Eine Weile gingen sie spazieren und unterhielten
sich und erfreuten sich für kurze Zeit an dem Frieden und der Ruhe des
Morgens hoch oben in den luftigen Ringen der Stadt. Dann, als Merry
müde wurde, setzten sie sich auf die Mauer und hatten nur den grünen
Rasen der Häuser der Heilung im Rücken; und weit südlich vor ihnen
war der Anduin, in der Sonne glitzernd, wie er hinausfloß, selbst für
Legolas außer Sicht, in die weiten Ebenen und den grünen Dunst von
Lebennin und Süd-Ithilien.
Und jetzt schwieg Legolas, während die anderen redeten, und er blickte
hinaus gegen die Sonne, und als er schaute, sah er weiße Seevögel den
Fluß herauffliegen.
»Schaut!« rief er. »Möwen! Sie fliegen weit landeinwärts. Ein Wunder
sind sie für mich und eine Beunruhigung für mein Herz. Nie in meinem
ganzen Leben habe ich welche gesehen, bis wir nach Pelargir kamen, und
dort hörte ich sie in der Luft kreischen, als wir zum Kampf um die Schiffe
ritten. Da blieb ich stehen und vergaß den Krieg in Mittelerde; denn ihre
klagenden Stimmen sprachen zu mir vom Meer. Das Meer! Ach, ich habe
es noch nicht erblickt. Doch tief im Herzen unserer ganzen Sippe liegt die
Meeressehnsucht, an die zu rühren gefährlich ist. Ach, diese Unglücks-
möwen! Keinen Frieden werde ich wiederfinden unter Buche oder Ulme.«
»Sage das nicht«, sagte Gimli. »Denn unzählige Dinge gibt es noch in
Mittelerde zu sehen und große Werke zu vollbringen. Doch wenn sich
das ganze schöne Volk zu den Häfen aufmacht, wird die Welt langwei-
liger für jene, deren Schicksal es ist, hierzubleiben.«
»Fürwahr, langweilig und öde!« sagte Merry. »Du darfst nicht zu den
Häfen gehen, Legolas. Es wird immer einige Leute geben, große oder
kleine, und selbst ein paar kluge Zwerge wie Gimli, die dich brauchen.
Zumindest hoffe ich das. Obwohl ich irgendwie das Gefühl habe, daß uns
das Schlimmste an diesem Krieg noch bevorsteht. Wie sehr wünschte ich,
daß alles vorbei und gutgegangen wäre!«
»Seid nicht so trübsinnig!« rief Pippin. »Die Sonne scheint, und hier
sind wir zusammen, zumindest für ein oder zwei Tage. Ich möchte mehr
über euch alle hören. Komm, Gimli! Du und Legolas, ihr habt eure selt-
same Fahrt mit Streicher schon ungefähr ein dutzendmal heute morgen
erwähnt. Aber ihr habt mir nichts davon erzählt.«
»Hier mag die Sonne scheinen«, sagte Gimli, »aber es gibt Erinnerun-
gen an jenen Weg, die ich nicht aus der Dunkelheit wieder zurückrufen
möchte. Hätte ich gewußt, was vor mir lag, dann glaube ich, daß ich um
keiner Freundschaft willen die Pfade der Toten eingeschlagen hätte.«
»Die Pfade der Toten?« sagte Pippin. »Ich habe gehört, daß Aragorn
das sagte, und ich fragte mich, was er damit meinen könne. Wollt ihr uns
nicht etwas erzählen?«
»Nicht gern«, sagte Gimli. »Denn auf jenem Weg bin ich beschämt
worden: Gimli, Glóins Sohn, der sich für zäher gehalten hatte als Men-
schen und mutiger unter der Erde als jeder Elb. Und keins von beiden bin
ich gewesen; und nur der Wille von Aragorn hat mich auf diesem Weg
gehalten.«
»Und die Liebe zu ihm auch«, sagte Legolas. »Denn alle, die ihn ken-
nenlernen, lernen ihn auch auf ihre Weise zu lieben, selbst die kühle Maid
der Rohirrim. Es war am frühen Morgen des Tages, ehe du dort hinkamst,
Merry, daß wir Dunharg verließen, und eine solche Angst lag auf dem
ganzen Volk, daß keiner es sehen wollte, als wir gingen, nur Frau Éowyn,
die jetzt verwundet unten in dem Haus liegt. Dieser Abschied war
schmerzlich, und es schmerzte mich, es zu sehen.«
»Ach«, sagte Gimli, »ich hatte nur Mitgefühl mit mir selbst. Nein, von
dieser Fahrt will ich nicht sprechen.«
Er schwieg; aber Pippin und Merry waren so begierig, mehr zu hören,
daß Legolas schließlich sagte: »Ich werde euch genug erzählen, damit ihr
Ruhe gebt; denn ich spürte den Schrecken nicht und fürchtete mich nicht
vor den Schatten der Menschen, da ich sie für machtlos und schwach
hielt.«
Rasch erzählte er ihnen dann von dem Geisterweg unter dem Gebirge
und der dunklen Zusammenkunft bei Erech, und dem großen Ritt von
dort aus, dreiundneunzig Wegstunden nach Pelargir am Anduin. »Vier
Tage und Nächte und bis hinein in den fünften ritten wir von dem
Schwarzen Stein«, sagte er. »Und siehe! in der Dunkelheit von Mordor
wuchs meine Hoffnung; denn in jener Düsternis schien das Schattenheer
stärker zu werden und schrecklicher auszusehen. Manche sah ich reiten,
manche laufen, doch alle kamen mit derselben großen Schnelligkeit
voran. Stumm waren sie, doch ihre Augen funkelten. Im Hochland von
Lamedon überholten sie unsere Pferde und fegten an uns vorbei und hät-
ten uns hinter sich gelassen, wenn Aragorn es ihnen nicht verboten
hätte.
Auf seinen Befehl blieben sie wieder zurück. >Selbst die Schatten der
Menschen gehorchen seinem Willen<, dachte ich. >Sie werden seinem
Zweck vielleicht doch noch dienen.<
An einem hellen Tag ritten wir, und dann kam der Tag ohne Morgen-
dämmerung, und wir ritten immer noch weiter und überquerten Ciril und
Ringló; und am dritten Tag kamen wir nach Linhir, oberhalb der Mün-
dung des Gilrain. Dort kämpften Menschen aus Lamedon um die Furten
mit üblem Volk aus Umbar und Harad, das den Fluß heraufgesegelt war.
Aber Verteidiger und Feinde gleichermaßen gaben die Schlacht auf und
flohen, als wir kamen, und sie riefen, der König der Toten sei über ihnen.
Nur Angbor, Herr von Lamedon, hatte den Mut, uns zu erwarten; und
Aragorn bat ihn, sein Volk zu sammeln und hinterherzukommen, falls
sie es wagten, wenn das Graue Heer vorüber war.
>In Pelargir wird Isildurs Erbe euch brauchen<, sagte er. So überquerten
wir den Gilrain und trieben Mörders Verbündete in wilder Flucht vor uns
her; und dann rasteten wir eine Weile. Aber Aragorn stand bald wieder
auf und sagte: >Seht! Schon wird Minas Tirith angegriffen. Ich fürchte,
es wird fallen, ehe wir ihm zu Hilfe kommen.< So saßen wir wieder auf,
ehe die Nacht vergangen war, und ritten weiter, mit aller Schnelligkeit,
die unsere Pferde ertragen konnten, über die Ebenen von Lebennin.«
Legolas hielt inne und seufzte, und er wandte seinen Blick nach
Süden und sang leise:
Silbern strömen die Wasser von Celos nach Erui
In den grünen Gründen Lebennins!
Hoch wächst dorten das Gras. Der Wind weht von der See,
Wiegt die weißen Lilien,
Läutet die goldenen Glocken von Molos und Alfirin
In den grünen Gründen Lebennins.
Der Wind weht von der See!
»Grün sind jene Felder in den Liedern meines Volkes; aber nun waren
sie dunkel, graue Wüsten in der Schwärze vor uns. Und über das weite
Land, achtlos Gras und Blumen niedertretend, jagten wir unsere Feinde
einen Tag und eine Nacht lang, bis wir endlich am bitteren Ende zum
Großen Strom kamen.
Dann glaubte ich im Grunde meines Herzens, daß wir uns dem Meer
näherten; denn weit war das Wasser in der Dunkelheit, und unzählige
Vögel kreischten an den Ufern. Ach, dieses unselige Wehklagen der
Möwen! Hatte die Herrin mir nicht gesagt, ich solle mich vor ihnen
hüten? Und jetzt kann ich sie nicht vergessen.«
»Ich für mein Teil achtete ihrer nicht«, sagte Gimli. »Denn nun gerie-
ten wir endlich im Ernst in eine Schlacht. Dort in Pelargir lag die Haupt-
flotte von Umbar, fünfzig große Schiffe und unzählige kleinere Fahr-
zeuge. Viele von denen, die wir verfolgten, hatten die Häfen vor uns er-
reicht und brachten ihre Furcht mit; und einige der Schiffe hatten abge-
legt und versuchten, flußabwärts zu entkommen oder das jenseitige Ufer
zu erreichen; und viele der kleineren Fahrzeuge wurden in Brand gesteckt.
Aber die Haradrim, die jetzt bis zum Ufer getrieben waren, stellten sich
nun zum Kampf, und sie waren verbissen in ihrer Verzweiflung; und sie
lachten, als sie uns anschauten, denn sie waren noch immer ein großes
Heer.
Aber Aragorn hielt an und schrie mit lauter Stimme: >Nun kommt!
Beim Schwarzen Stein rufe ich euch!< Und plötzlich rollte das Schatten-
heer, das zuletzt zurückgeblieben war, wie eine graue Flut heran und fegte
alles vor sich weg. Schwache Schreie hörte ich, und undeutlich Hörner
blasen, und ein Murmeln wie von unzähligen fernen Stimmen: es war wie
das Echo irgendeiner vergessenen Schlacht in den Dunklen Jahren vor
langer Zeit. Bleiche Schwerter wurden gezogen; und ich weiß nicht, ob
ihre Klingen noch scharf waren, denn die Toten brauchten keine anderen
Waffen mehr als Furcht. Keiner wollte ihnen Widerstand leisten.
Zu jedem Schiff kamen sie, das an Land gezogen war, und dann fuhren
sie über das Wasser zu denen, die dort ankerten; und alle Seeleute wurden
wahnsinnig vor Angst und sprangen über Bord, abgesehen von den Skla-
ven, die an die Ruder gekettet waren. Unbekümmert ritten wir mitten
zwischen unsere fliehenden Feinde und trieben sie vor uns her wie Blätter,
bis wir zum Ufer kamen. Und dann schickte Aragorn zu jedem der gro-
ßen Schiffe, die noch übrig waren, einen der Dúnedain, und sie sprachen
den Gefangenen, die an Bord waren, Mut zu und sagten ihnen, sie sollten
ihre Angst abschütteln und würden frei sein.
Ehe dieser dunkle Tag endete, war kein Feind mehr da, der uns Wider-
stand leistete; alle waren ertrunken oder nach Süden geflohen in der
Hoffnung, ihr eigenes Land zu Fuß zu erreichen. Seltsam und wunderbar
fand ich es, daß Mordors Pläne vereitelt wurden durch solche Gespenster
der Furcht und Dunkelheit. Mit seinen eigenen Waffen wurde es überwäl-
tigt.«
»Seltsam fürwahr«, sagte Legolas. »In jener Stunde sah ich Aragorn
an und dachte, ein wie großer und entsetzlicher Gebieter er mit seiner
Willensstärke hätte werden können, wenn er den Ring für sich genommen
hätte. Nicht umsonst fürchtet Mordor ihn. Aber edler ist seine Seele, als
Sauron sich vorstellen kann; stammt er denn nicht von Lúthiens Kindern
ab? Niemals wird dieses Geschlecht aussterben, wenn auch unzählige
Jahre vergehen.«
»Die Augen der Zwerge vermögen nicht so weit vorauszusehen«, sagte
Gimli. »Doch fürwahr gewaltig war Aragorn an jenem Tag. Siehe! Die
ganze schwarze Flotte war in seiner Hand; und er erwählte das größte
Schiff für sich und bestieg es. Dann ließ er eine große Menge Trompeten,
die dem Feind abgenommen worden waren, erschallen, und das Schatten-
heer zog sich zum Ufer zurück. Dort standen sie stumm, kaum sichtbar,
abgesehen von einem roten Schimmer in ihren Augen, in denen sich der
Brand der Schiffe spiegelte. Und Aragorn sprach zu den Toten Menschen
mit lauter Stimme und rief:
>Höret nun die Worte von Isildurs Erben! Euer Eid ist erfüllt. Geht zu-
rück und sucht niemals wieder die Täler heim! Scheidet dahin und findet
Ruhe!<
Und daraufhin trat der König der Toten vor das Heer und zerbrach sei-
nen Speer und warf ihn auf den Boden. Dann verneigte er sich tief und
wandte sich ab, und rasch zog sich das ganze graue Heer zurück und ver-
schwand wie ein Nebel, der von einem plötzlichen Wind zurückgetrieben
wird; und mir schien, als erwache ich aus einem Traum.
In jener Nacht ruhten wir, während andere arbeiteten. Denn viele Ge-
fangene wurden auf freien Fuß gesetzt und viele Sklaven freigelassen, die
zum Volk von Gondor gehörten und bei Überfällen ergriffen worden
waren; und bald sammelten sich auch viele Mannen aus Lebennin und
Ethir, und Angbor von Lamedon kam herbei mit allen Reitern, die er auf-
bieten konnte. Jetzt, da die Angst vor den Toten ausgeräumt war, kamen
sie, um uns zu helfen und Isildurs Erben zu sehen; denn das Gerücht über
diesen Namen hatte sich wie ein Lauffeuer im Dunkeln verbreitet.
Und das ist nahezu das Ende unserer Geschichte. Denn an jenem
Abend und in jener Nacht wurden viele Schiffe bereitgemacht und be-
mannt; und am Morgen lief die Flotte aus. Lange her scheint es jetzt zu
sein, doch war es erst am Morgen des vorgestrigen Tages, des sechsten,
seit wir von Dunharg losritten. Doch immer noch war Aragorn von der
Angst getrieben, die Zeit sei zu kurz.
>Es sind zweiundvierzig Wegstunden von Pelargir bis zu den Anfurten
von Harlond<, sagte er. >Doch nach Harlond müssen wir morgen kommen
oder völlig scheitern.<
An den Rüdem waren jetzt freie Männer, und tapfer mühten sie sich
ab; doch langsam kamen wir den Großen Fluß hinauf, denn wir kämpften
gegen die Strömung, und obwohl sie unten im Süden nicht stark ist, hat-
ten wir keine Hilfe durch den Wind. Schwer wäre mir ums Herz gewesen,
trotz unseres Sieges in den Häfen, wenn Legolas nicht plötzlich gelacht
hätte.
>Hinauf mit deinem Bart, Durins Sohn!< sagte er. >Denn so lautet das
Sprichwort: Oft wird Hoffnung geboren, wenn alles ist verloren.' Aber
welche Hoffnung er von ferne sah, wollte er nicht sagen. Als die Nacht
kam, verstärkte sich nur die Dunkelheit, und unsere Herzen waren heiß,
denn fern im Norden sahen wir ein rotes Glühen unter der Wolke, und
Aragorn sagte: >Minas Tirith brennt.<
Doch um Mitternacht wurde tatsächlich die Hoffnung neu geboren.
Seekundige Männer aus Ethir schauten nach Süden und sprachen von
einem Witterungsumschlag, der mit einem frischen Wind vom Meer kom-
men würde. Lange vor Tagesanbruch wurden an den Masten der Schiffe
Segel gesetzt, und unsere Geschwindigkeit nahm zu, bis die Morgendäm-
merung den Schaum an unserem Bug weiß werden ließ. Und so kamen
wir, wie ihr wißt, in der dritten Stunde des Morgens bei schönem Wind
und entschleierter Sonne an, und wir entrollten die große Fahne in der
Schlacht. Es war ein großer Tag und eine große Stunde, was immer
danach kommen mag.«
»Was immer folgen mag, große Taten werden nicht im Wert vermin-
dert«, sagte Legolas. »Eine große Tat war der Ritt auf den Pfaden der
Toten, und groß wird er bleiben, wenn auch keiner mehr in Gondor wäre,
um in kommenden Tagen davon zu singen.«
»Und das mag sehr wohl geschehen«, sagte Gimli. »Denn Aragorns
und Gandalfs Gesichter sind ernst. Ich frage mich, was für Beschlüsse sie
in den Zelten da unten fassen. Denn für mein Teil wünschte ich wie
Merry, daß mit unserem Sieg der Krieg jetzt vorüber sei. Doch was immer
noch zu tun ist, ich hoffe daran teilzuhaben, um der Ehre des Volks vom
Einsamen Berg willen.«
»Und ich um des Volks des Großen Waldes willen«, sagte Legolas,
»und um der Liebe zum Herrn des Weißen Baumes.«
Dann schwiegen die Gefährten, aber eine Weile saßen sie noch an dem
hochgelegenen Platz, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, wäh-
rend die Heerführer berieten.
Als sich Fürst Imrahil von Legolas und Gimli getrennt hatte, schickte
er sogleich nach Éomer, und mit ihm ging er hinunter aus der Stadt, und
sie kamen zu Aragorns Zelten, die auf dem Feld aufgeschlagen waren
nicht weit von der Stelle, wo König Théoden gefallen war. Und dort be-
rieten sie zusammen mit Gandalf und Aragorn und Elronds Söhnen.
»Ihr Herren«, sagte Gandalf, »hört die Worte des Truchsessen von
Gondor, ehe er starb: Für einen Tag magst du auf den Feldern des Pelen-
nor siegen, aber gegen die Macht, die sich jetzt erhebt, gibt es keinen
Sieg. Ich heiße Euch nicht verzweifeln, wie er es tat, sondern über die
Wahrheit in diesen Worten nachzudenken.
Die Steine des Sehens lügen nicht, und nicht einmal der Herr von
Barad-dûr kann sie dazu bringen. Er kann vielleicht kraft seines Willens
auswählen, welche Dinge schwächere Gemüter sehen sollen, oder er kann
bewirken, daß sie die Bedeutung dessen, was sie sehen, mißverstehen.
Dennoch ist nicht daran zu zweifeln, daß Denethor, als er große Streit-
kräfte sah, die in Mordor gegen ihn aufgestellt wurden, und noch weitere,
die zusammengezogen wurden, das sah, was wirklich ist.
Unsere Kraft hat kaum ausgereicht, um den ersten großen Angriff ab-
zuschlagen. Der nächste wird größer sein. Dieser Krieg ist dann letztlich
ohne Hoffnung, wie Denethor erkannt hat. Der Sieg kann nicht mit Waf-
fen errungen werden, ob Ihr hier bleibt und eine Belagerung nach der an-
deren erduldet, oder hinausmarschiert, um jenseits des Flusses überwältigt
zu werden. Ihr könnt nur zwischen zwei Übeln wählen; und die Vernunft
würde Euch raten, jene Festungen zu verstärken, die Ihr habt, und dort
den Angriff zu erwarten; denn so wird die Zeit vor Eurem Ende ein
wenig verlängert.«
»Dann möchtet Ihr also, daß wir uns nach Minas Tirith oder Dol
Amroth oder Dunharg zurückziehen und dort sitzen wie Kinder auf
Sandburgen, wenn die Flut kommt?« fragte Imrahil.
»Das wäre kein neuer Rat«, sagte Gandalf. »Habt Ihr nicht das und
wenig mehr in all den Tagen von Denethor getan? Nein! Ich sagte, das
wäre vernünftig. Ich rate nicht zur Vernunft. Ich sagte, der Sieg könne
nicht mit Waffen errungen werden. Ich hoffe immer noch auf den Sieg,
aber nicht durch Waffen. Denn in den Mittelpunkt all dieser Überlegun-
gen tritt nun der Ring der Macht, Barad-dûrs Grundstein und Saurons
Hoffnung.
Über dieses Ding, Ihr Herren, wißt Ihr alle nun genug, um unsere Lage
und die von Sauron zu verstehen. Wenn er ihn wiedererlangt, ist Eure
Tapferkeit umsonst, und sein Sieg wird rasch und vollständig sein: so
vollständig, daß niemand dessen Ende voraussehen kann, solange diese
Welt besteht. Wird der Ring vernichtet, dann wird er stürzen; und er
wird so tief stürzen, daß niemand voraussehen kann, ob er sich jemals
wieder erhebt. Denn er wird den größten Teil der Kraft verlieren, die ihm
innewohnte, als er begann, und alles, was mit dieser Macht vollbracht
oder unternommen wurde, wird verfallen, und er wird auf immerdar ver-
stümmelt sein und zu einem bloßen Geist des Bösen werden, der sich in
den Schatten selbst verzehrt, aber nicht wieder wachsen oder Gestalt an-
nehmen kann. Und so wird ein großes Übel der Welt beseitigt sein.
Andere Übel gibt es, die kommen mögen; denn Sauron selbst ist nur
ein Diener oder Sendung. Doch ist es nicht unsere Aufgabe, alle Zeit-
räume der Welt zu lenken, sondern das zu tun, wozu wir fähig sind, um
in den Jahren Hilfe zu leisten, in die wir hineingeboren sind, das Übel in
den Feldern auszumerzen, die wir kennen, damit jene, die später leben,
einen sauberen Boden zu bestellen haben. Auf das Wetter, das sie haben
werden, können wir keinen Einfluß ausüben.
Nun, Sauron weiß all das, und er weiß, daß das kostbare Stück, das er
verloren hat, wiedergefunden wurde; aber er weiß noch nicht, wo es ist,
oder jedenfalls hoffen wir das. Und daher ist er jetzt in großem Zweifel.
Denn wenn wir das Ding gefunden haben, dann gibt es unter uns einige,
die stark genug sind, es zu handhaben. Auch das weiß er. Denn vermute
ich richtig, Aragorn, daß du dich ihm in dem Stein von Orthanc gezeigt
hast?«
»Das tat ich, ehe ich von der Hornburg ritt«, antwortete Aragorn. »Ich
glaubte, daß die Zeit reif sei und der Stein zu eben diesem Zweck zu mir
gekommen war. Es war damals zehn Tage her, daß der Ringträger von
Rauros aus nach Osten ging, und Saurons Auge, fand ich, sollte von sei-
nem eigenen Land abgelenkt werden. Allzu selten ist er herausgefordert
worden, seit er in seinen Turm zurückkehrte. Hätte ich allerdings voraus-
gesehen, wie schnell er darauf mit einem Angriff antworten würde, hätte
ich es vielleicht nicht gewagt, mich zu zeigen. Knapp war die Zeit, die
mir gegeben war, um euch zu Hilfe zu kommen.«
»Aber wie ist das?« fragte Éomer. »Alles ist vergeblich, sagt Ihr,
wenn er den Ring hat. Warum sollte er glauben, daß es nicht vergeblich
sei, uns anzugreifen, wenn wir ihn haben?«
»Er ist noch nicht sicher«, sagte Gandalf, »und er hat seine Macht
nicht dadurch aufgebaut, daß er abwartete, bis seine Feinde sich in Sicher-
heit wiegen, wie wir es getan haben. Auch könnten wir es nicht in einem
Tag lernen, die ganze Macht auszuüben. Tatsächlich kann der Ring nur
allein von einem Herrn verwendet werden; und er wird erwarten, daß
eine Zeit des Haders kommt, bis einer der Großen unter uns sich zum
Herrn aufwirft und die anderen unterdrückt. In dieser Zeit könnte ihm
der Ring helfen, wenn er rasch handelte.
Er beobachtet. Er sieht viel und hört viel. Seine Nazgûl sind noch un-
terwegs. Vor Sonnenaufgang sind sie über dieses Feld geflogen, obwohl
wenige der Müden und Schlafenden sie bemerkt haben. Er erforscht die
Zeichen: das Schwert, das ihn seines Schatzes beraubt hat, ist neu ge-
schmiedet; die Winde des Glücks drehen sich zu unseren Gunsten; und
dann die unerwartete Niederlage bei seinem ersten Angriff; die Vernich-
tung seines großen Heerführers.
Sein Zweifel wird wachsen, während wir noch hier reden. Sein Auge
ist jetzt auf uns gerichtet und fast blind für alles andere, was in Bewe-
gung ist. Wir müssen dafür sorgen, daß es so bleibt. Darin liegt all unsere
Hoffnung. Dies also ist mein Rat. Wir haben den Ring nicht. Aus Klug-
heit oder großer Torheit ist er fortgeschickt worden, um vernichtet zu
werden, damit er uns nicht vernichtet. Ohne den Ring können wir seine
Streitmacht nicht mit Gewalt niederwerfen. Aber um jeden Preis müssen
wir sein Auge von seiner wahren Gefahr ablenken. Den Sieg können wir
nicht mit Waffen erringen, aber mit Waffen können wir dem Ringträger
die einzige Unterstützung bieten, wie gering die Aussichten auch sein
mögen.
Wie Aragorn begonnen hat, so müssen wir fortfahren. Wir müssen
Sauron in sein letztes Wagnis treiben. Wir müssen seine versteckte Streit-
macht herauslocken, damit er sein Land entblößt. Wir müssen sofort los-
marschieren, um uns ihm entgegenzustellen. Wir müssen uns zum Köder
machen, auch wenn sich sein Rachen über uns schließen sollte. Er wird
sich ködern lassen, voll Hoffnung und Gier, denn er wird glauben, in die-
ser Voreiligkeit den Stolz des neuen Herrn des Ringes zu erkennen. Und
er wird sagen: >So! Er wagt sich zu früh und zu weit vor, laß ihn heran-
kommen, und siehe! dann werde ich ihn in einer Falle haben, aus der er
nicht entkommen kann. Dort will ich ihn zerschmettern, und was er in
seiner Unverschämtheit genommen hat, wird mein sein auf immer.<
Wir müssen offenen Auges in diese Falle gehen, mit Mut, aber wenig
Hoffnung für uns selbst. Denn, Ihr Herren, es mag sich sehr wohl erwei-
sen, daß wir selbst in einer finsteren Schlacht fern der lebenden Lande
vollends vernichtet werden; so daß wir selbst dann, wenn Barad-dûr nie-
dergeworfen werden sollte, kein neues Zeitalter erleben werden. Doch das,
glaube ich, ist unsere Pflicht. Und besser so, als nichtsdestoweniger ver-
nichtet zu werden — und das werden wir gewiß, wenn wir hier sitzen
bleiben —, und wenn wir sterben, zu wissen, daß es kein neues Zeitalter
geben wird.«
Sie waren eine Weile stumm. Schließlich sprach Aragorn: »Wie ich be-
gonnen habe, werde ich fortfahren. Wir sind jetzt so weit gekommen, daß
Hoffnung und Hoffnungslosigkeit einander ähnlich sind. Schwanken be-
deutet den Untergang. Laßt keinen jetzt Gandalfs Ratschläge verwerfen,
dessen lange Mühen gegen Sauron endlich die Probe bestehen sollen.
Ohne ihn wäre alles schon lange verloren gewesen. Dennoch erhebe ich
noch nicht den Anspruch, irgend jemandem einen Befehl zu erteilen. Die
anderen sollen sich entscheiden, wie sie wollen.«
Dann sagte Elrohir: »Vom Norden kamen wir mit diesem Ziel, und von
Elrond, unserem Vater, brachten wir eben diesen Rat. Wir werden nicht
umkehren.«
»Was mich betrifft«, sagte Éomer, »so weiß ich wenig von diesen
dunklen Dingen; aber das brauche ich auch nicht. Ich weiß, und das ist
genug, daß mein Freund Aragorn mir und meinem Volk Beistand leistete,
und so will ich ihm helfen, wenn er ruft. Ich werde gehen.«
»Und ich«, sagte Imrahil, »halte den Herrn Aragorn für meinen
Lehnsherrn, ob er den Anspruch erhebt oder nicht. Sein Wunsch ist mir
Befehl. Ich werde auch gehen. Doch für eine Weile stehe ich auf dem
Platz des Truchsessen von Gondor, und es liegt mir ob, zuerst an dessen
Volk zu denken. Die Vernunft muß immer noch beachtet werden. Denn
wir müssen uns auf alle Möglichkeiten vorbereiten, gute wie schlechte.
Nun, es mag sein, daß wir siegen, und solange noch Hoffnung darauf be-
steht, muß Gondor geschützt werden. Ich möchte nicht siegreich zurück-
kehren in eine Stadt in Schutt und Asche und in ein in unserem Rücken
verwüstetes Land. Denn wir hören von den Rohirrim, daß an unserer
Nordflanke immer noch ein Heer steht, das noch nicht in den Kampf ein-
gegriffen hat.«
»Das ist richtig«, sagte Gandalf. »Ich rate Euch nicht, die Stadt ganz
unbemannt zu lassen. Tatsächlich braucht die Streitmacht, die wir nach
Osten führen, nicht so groß zu sein, daß sie einen ernstlichen Angriff auf
Mordor durchführen kann, solange sie groß genug ist, es zum Kampf her-
auszufordern. Und sie muß bald ausrücken. Daher frage ich die Heerfüh-
rer: welche Streitmacht können wir aufstellen und in spätestens zwei
Tagen ins Feld führen? Und es müssen kühne Mannen sein, die willig ge-
hen und ihre Gefahr kennen.«
»Alle sind erschöpft und sehr viele leicht oder schwer verwundet«,
sagte Éomer, »und wir haben schwere Verluste an Pferden erlitten, und
das ist schlecht zu ertragen. Wenn wir bald reiten müssen, kann ich nicht
hoffen, auch nur zweitausend anzuführen und ebenso viele für die Vertei-
digung der Stadt zurückzulassen.«
»Wir brauchen nicht nur mit jenen zu rechnen, die auf diesem
Schlachtfeld kämpften«, sagte Aragorn. »Eine neue Streitmacht ist unter-
wegs von den südlichen Lehen, da nun die Küsten befreit sind. Viertau-
send schickte ich vor zwei Tagen auf den Marsch von Pelargir durch Los-
samach; und Angbor der Furchtlose reitet ihnen voran. Wenn wir in
zwei weiteren Tagen aufbrechen, werden sie nahe sein, wenn wir gehen.
Überdies wurden viele aufgefordert, mir den Fluß hinauf mit allen Fahr-
zeugen zu folgen, die sie sammeln konnten; und bei diesem Wind werden
sie bald da sein, tatsächlich sind schon mehrere Schiffe nach Harlond ge-
kommen. Ich schätze, daß wir siebentausend Mann zu Pferde und zu Fuß
hinausführen können und dennoch die Stadt in besserem Verteidigungs-
zustand als zu Beginn des Angriffs zurücklassen.«
»Das Tor ist zerstört«, sagte Imrahil, »und wo gibt es jetzt die Sach-
kenntnis, es wieder aufzubauen und neu einzusetzen?«
»In Erebor in Dáins Königreich gibt es diese Sachkenntnis«, sagte
Aragorn. »Und wenn nicht alle unsere Hoffnungen scheitern, dann
werde ich zur rechten Zeit Gimli, Glóins Sohn, entsenden, um Handwerker
von dem Berg zu erbitten. Aber Männer sind besser als Tore, und kein
Tor wird gegen unseren Feind standhalten, wenn Männer es verlassen.«
Das war schließlich das Ergebnis der Beratungen der Herren: daß sie
am zweiten Morgen nach diesem Tag mit siebentausend aufbrechen wür-
den, wenn sie zusammengebracht werden könnten; und der größere Teil
dieser Streitmacht sollte Fußvolk sein wegen der üblen Lande, in die sie
gehen würden. Aragorn sollte etwa zweitausend, die er im Süden um sich
gesammelt hatte, stellen; aber Imrahil sollte dreieinhalbtausend stellen;
und Éomer fünfhundert der Rohirrim, die zwar keine Pferde hatten, aber
selbst kriegstauglich waren, und er selbst sollte fünfhundert seiner besten
Reiter zu Pferde anführen; und eine weitere Schar von fünfhundert sollte
da sein, mit denen Elronds Söhne reiten sollten und die Dúnedain und die
Ritter von Dol Amroth: insgesamt sechstausend zu Fuß und tausend zu
Pferde. Aber die Hauptstreitmacht der Rohirrim, die noch Pferde hatte
und kampffähig war, etwa dreitausend unter dem Befehl von Elfhelm,
sollten an der Weststraße dem Feind auflauern, der in Anórien war. Und
sogleich wurden schnelle Reiter nach Norden entsandt, um alle Nachrich-
ten zu sammeln, die sie erhalten konnten; und nach Osten, um über Osgi-
liath und die Straße nach Minas Morgul etwas zu erfahren.
Und als sie ihre ganzen Streitkräfte zusammengezählt und sich überlegt
hatten, welche Fahrten gemacht und welche Wege eingeschlagen werden
sollten, da lachte Imrahil plötzlich laut auf.
»Gewiß«, rief er, »ist das der größte Witz in der ganzen Geschichte von
Gondor: daß wir mit siebentausend ausreifen, kaum so viel wie die Vor-
hut von Gondors Heer in den Tagen seiner Macht, um das Gebirge und
das unzugängliche Tor des Schwarzen Landes anzugreifen! So könnte ein
Kind einen gepanzerten Ritter mit einem Bogen aus Schnur und grüner
Weide bedrohen! Wenn der Dunkle Herrscher so viel weiß, wie Ihr sagt,
Mithrandir, wird er dann nicht eher lächeln als sich fürchten, und uns mit
seinem kleinen Finger zerquetschen wie eine Fliege, die ihn zu stechen
versucht?«
»Nein, er wird versuchen die Fliege zu fangen, und den Stich auf sich
nehmen«, sagte Gandalf. »Und es sind Namen unter uns, von denen jeder
einzelne mehr wert ist als tausend gepanzerte Ritter. Nein, er wird nicht
lächeln.«
»Und wir auch nicht«, sagte Aragorn. »Wenn das ein Witz sein soll,
dann ist er zu bitter, als daß man über ihn lachen könnte. Nein, es ist der
letzte Zug bei einem großen Wagnis, und für die eine oder andere Seite
wird er das Ende des Spiels bringen.« Dann zog er Andúril und hob es
hoch, und es glitzerte in der Sonne. »Du sollst nicht wieder in die Scheide
gesteckt werden, bis die letzte Schlacht ausgefochten ist«, sagte er.
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