NEUNTES KAPITEL
TREIBGUT UND BEUTE

Gandalf und der König und seine Begleitung ritten davon; sie wandten
sich nach Osten, um die zerstörten Wälle von Isengart zu umgehen. Aber
Aragorn, Gimli und Legolas blieben zurück. Sie ließen Arod und Hasu-
fel frei laufen, damit sie nach Gras suchen konnten, und kamen und setz-
ten sich dann zu den Hobbits.
»Gut, gut«, sagte Aragorn. »Die Jagd ist vorüber, und endlich treffen
wir uns dort wieder, wohin zu kommen keiner von uns je vorgehabt
hatte.«
»Und nun, da die Großen fort sind, um wichtige Angelegenheiten zu
erörtern«, sagte Legolas, »können die Jäger vielleicht die Lösungen ihrer
kleinen Rätsel erfahren. Wir haben eure Spur verfolgt bis zum Wald, aber
es gibt noch manches, dessen Wahrheit ich gern erfahren würde.«
»Und es gibt auch noch viele Dinge, die wir über euch wissen wollen«,
sagte Merry. »Einiges haben wir von Baumbart gehört, dem Alten Ent,
aber das ist bei weitem nicht genug.«
»Alles zu seiner Zeit«, sagte Legolas. »Wir waren die Jäger und ihr
solltet als erstes einen Bericht über euch geben.«
»Oder als zweites«, sagte Gimli. »Es würde besser gehen nach einer
Mahlzeit. Ich habe eine Kopfwunde; und der Mittag ist schon vorbei. Ihr
Faulenzer könntet zur Besserung meiner Gesundheit beitragen, wenn ihr
für uns etwas von der Kriegsbeute findet, von der ihr gesprochen habt.
Essen und Trinken würden einen Teil meiner Rechnung gegen euch beglei-
chen.«
»Dann sollst du es haben«, sagte Pippin. »Wollt ihr hier essen oder in
größerer Behaglichkeit in den Überresten von Sarumans Wachhaus — dort
drüben unter dem Torbogen? Wir haben hier draußen getafelt, um ein
Auge auf die Straße zu haben.«
»Weniger als ein Auge!« sagte Gimli. »Aber ich will in kein Orkhaus
gehen; und auch kein Ork-Fleisch anrühren oder irgend etwas, was sie in
den Klauen gehabt haben.«
»Dazu würden wir euch nicht auffordern«, sagte Merry. »Von Orks
haben wir selbst genug gehabt, das reicht auf Lebenszeit. Aber es gab
noch viel anderes Volk in Isengart. Saruman hat Verstand genug bewahrt,
um seinen Orks nicht zu trauen. Er hatte Menschen, die seine Tore be-
wachten: einige seiner treuesten Diener, nehme ich an. Jedenfalls wurden
sie bevorzugt und bekamen gute Verpflegung.«
»Und Pfeifenkraut?« fragte Gimli.
»Nein, das glaube ich nicht«, lachte Merry. »Aber das ist eine andere
Geschichte, die bis nach dem Essen warten kann.«
»Dann laßt uns gehen und etwas essen!« sagte der Zwerg.
Die Hobbits gingen voran; sie durchschritten den Torbogen und kamen
zu einer breiten Tür auf der linken Seite am oberen Ende einer Treppe.
Die Tür führte unmittelbar in eine große Kammer, die weitere kleine
Türen an der gegenüberliegenden Wand hatte und einen Herd und
Schornstein an einer Seite. Die Kammer war aus dem Gestein herausge-
hauen; und sie mußte einst dunkel gewesen sein, denn ihre Fenster gingen
nur auf den unterirdischen Gang. Aber jetzt drang Licht herein durch das
zerstörte Dach. Auf dem Herd brannte ein Holzfeuer.
»Ich habe ein bißchen geheizt«, sagte Pippin. »Das munterte uns auf
bei dem Nebel. Es waren wenig Scheite da, und das meiste Holz, das wir
finden konnten, war naß. Aber es ist ein mächtiger Zug im Schornstein:
er scheint durch den Felsen ins Freie zu führen und ist zum Glück nicht
verschüttet. Ein Feuer ist nützlich. Ich werde euch etwas Brot rösten. Es
ist nämlich drei oder vier Tage alt, fürchte ich.«
Aragorn und seine Gefährten setzten sich an ein Ende des langen
Tisches, und die Hobbits verschwanden durch eine der inneren Türen.
»Der Vorratsraum ist da drinnen, und zum Glück über der Fluthöhe«,
sagte Pippin, als sie zurückkamen, beladen mit Tellern, Schalen, Bechern,
Messern und Eßwaren aller Art.
»Und du brauchst nicht die Nase zu rümpfen über das Futter, Herr
Gimli«, sagte Merry. »Das ist kein Orkzeug, sondern Menschennahrung,
wie Baumbart es nennt. Wollt ihr Wein oder Bier? Da ist ein Faß drinnen
— sehr annehmbar. Und das hier ist erstklassiges gepökeltes Schweine-
fleisch. Oder ich kann euch ein paar Schinkenscheiben abschneiden und
sie braten, wenn ihr wollt. Es tut mir leid, daß es kein Grünzeug gibt: die
Lieferungen waren in den letzten Tagen sozusagen unterbrochen. Als
nächsten Gang kann ich euch nur Butter und Honig zu eurem Brot anbie-
ten. Seid ihr damit zufrieden?«
»Allerdings«, sagte Gimli. »Die Rechnung ist beträchtlich ermäßigt.«
Die drei waren bald mit ihrer Mahlzeit beschäftigt; und ohne die ge-
ringste Scham machten sich die beiden Hobbits zum zweiten Mal ans
Essen. »Wir müssen unseren Gästen Gesellschaft leisten«, sagten sie.
»Ihr seid heute überaus höflich«, lachte Legolas. »Aber wenn wir nicht
gekommen wären, würdet ihr euch vielleicht schon gegenseitig wieder
Gesellschaft leisten.«
»Mag sein, und warum auch nicht?« sagte Pippin. »Wir wurden
schlecht verköstigt bei den Orks und hatten schon vorher tagelang wenig
genug gehabt. Es ist lange her, daß wir nach Herzenslust essen konnten.«
»Es scheint euch nicht geschadet zu haben«, sagte Aragorn. »Tatsäch-
lich seht ihr nach blühender Gesundheit aus.«
»Freilich, das tut ihr«, sagte Gimli und sah sie über den Rand seines
Bechers scharf an. »Tatsächlich, euer Haar ist doppelt so dick und lockig
wie damals, als wir uns trennten; und ich könnte schwören, daß ihr beide
etwas gewachsen seid, wenn das bei Hobbits eures Alters möglich ist.
Dieser Baumbart hat euch jedenfalls nicht hungern lassen.«
»Das hat er nicht«, sagte Merry. »Aber Ents trinken nur, und trinken
ist nicht genug, um einen zufriedenzustellen. Baumbarts Getränke mögen
nahrhaft sein, aber man hat das Bedürfnis nach etwas Handfestem. Und
selbst lembas sind nicht so übel zur Abwechslung.«
»Habt ihr von den Wassern der Ents getrunken?« fragte Legolas.
»Dann, glaube ich, ist es wahrscheinlich, daß Gimlis Augen ihn nicht ge-
trogen haben. Seltsame Lieder sind von Fangorns Getränken gesungen
worden.«
»Viele seltsame Geschichten sind über das Land erzählt worden«, sagte
Aragorn. »Ich bin nie hineingekommen. Erzählt mir doch mehr davon
und von den Ents.«
»Die Ents«, sagte Pippin, »die Ents sind — nun ja, die Ents sind vor
allen Dingen ganz anders. Aber ihre Augen, ihre Augen sind sehr
merkwürdig.« Er versuchte es noch mit ein paar tastenden Worten und
gab es dann auf. »Na, ja«, meinte er dann, »einige habt ihr ja schon aus
der Ferne gesehen — jedenfalls haben sie euch gesehen und berichtet, daß
ihr unterwegs wart — und ihr werdet noch viele andere sehen, nehme ich
an, ehe ihr von hier aufbrecht. Ihr müßt euch selbst ein Bild von ihnen
machen.«
»Nun, nun«, sagte Gimli. »Wir beginnen die Geschichte in der Mitte.
Ich möchte einen Bericht in der richtigen Reihenfolge haben, der mit dem
seltsamen Tag beginnt, an dem unsere Gemeinschaft zerbrach.«
»Du sollst ihn bekommen, wenn Zeit dafür ist«, sagte Merry. »Aber
zuerst einmal — wenn ihr mit Essen fertig seid — sollt ihr eure Pfeifen
stopfen und anzünden. Und dann können wir eine Zeitlang so tun, als
seien wir alle wieder heil und sicher in Bree oder in Bruchtal.«
Er zog einen kleinen ledernen Tabaksbeutel heraus. »Wir haben hau-
fenweise Tabak«, sagte er. »Und ihr alle könnt mitnehmen, soviel ihr
wollt, wenn wir aufbrechen. Heute morgen haben wir etwas Bergungsar-
beit geleistet, Pippin und ich. Eine Menge Sachen schwimmen hier herum.
Pippin war es, der zwei kleine Fässer fand, die aus irgendeinem Keller
oder Vorratshaus heraufgeschwemmt worden waren, nehme ich an. Als
wir sie öffneten, stellten wir fest, daß sie ein so gutes Pfeifenkraut ent-
hielten, wie man es sich nur wünschen kann, und ganz unverdorben.«
Gimli nahm etwas, rieb es zwischen den Handflächen und schnupperte.
»Es fühlt sich gut an und riecht gut«, sagte er.
»Es ist auch gut!« sagte Merry. »Mein lieber Gimli, es ist Langgrund-
Blatt! Die Hornbläser-Brandmarken waren auf den Fässern, so deutlich
wie nur was. Wie es hierher kam, ahne ich nicht. Für Sarumans persön-
lichen Bedarf, nehme ich an. Ich wußte gar nicht, daß es so weit ins Aus-
land verschickt wurde. Aber jetzt kommt es uns gut zustatten, nicht
wahr?«
»Würde es«, sagte Gimli, »wenn ich eine Pfeife dafür hätte. Leider
habe ich meine in Moria oder noch früher verloren. Gibt es keine Pfeife
unter all eurer Beute?«
»Nein, leider nicht«, sagte Merry. »Wir haben keine einzige gefun-
den, nicht einmal hier in den Wachtstuben. Saruman hat diese Köstlich-
keit offenbar für seinen Eigenbedarf zurückgehalten. Und ich glaube
nicht, daß es Zweck hätte, an den Türen von Orthanc zu klopfen und ihn
um eine Pfeife zu bitten. Wir müssen uns in die Pfeifen teilen, wie es
gute Freunde in einer Notlage tun sollten.«
»Einen Augenblick mal«, sagte Pippin. Er fuhr mit der Hand in das
Bruststück seiner Jacke und holte einen kleinen, weichen Beutel an einer
Schnur heraus. »Ich trage ein paar Schätze auf der bloßen Haut, die für
mich so kostbar sind wie Ringe. Hier ist einer: meine alte hölzerne Pfeife.
Und hier ist noch einer: eine ungebrauchte. Ich habe sie einen weiten
Weg mitgeschleppt, obwohl ich nicht weiß warum. Ich hatte wirklich
niemals erwartet, irgendwo auf der Fahrt Pfeifenkraut zu finden, wenn
mein eigenes alle war. Aber jetzt ist sie also doch sehr nützlich.« Er hielt
eine kleine Pfeife mit einem breiten, flachen Kopf hoch und gab sie
Gimli. »Gleicht das die Rechnung zwischen uns aus?« fragte er.
»Ausgleichen!« rief Gimli. »Höchst großmütiger Hobbit, ich stehe
tief in deiner Schuld.«
»Na, schön, ich gehe wieder in die frische Luft, um zu sehen, was Wind
und Himmel treiben«, sagte Legolas.
»Wir kommen mit dir«, sagte Aragorn.
Sie gingen hinaus und setzten sich auf die Steinhaufen vor dem Torweg.
Sie konnten jetzt weit ins Tal hinabblicken; der Nebel hob sich und
wurde vom Wind davongetragen.
»Nun wollen wir es uns hier ein wenig gemütlich machen!« sagte Ara-
gorn. »Wir werden am Rande des Verderbens sitzen und schwätzen, wie
Gandalf sagt, während er anderswo beschäftigt ist. Ich verspüre eine
Müdigkeit wie selten zuvor.« Er zog seinen grauen Mantel um sich, der
sein Panzerhemd verbarg, und streckte seine langen Beine aus. Dann legte
er sich auf den Rücken und entließ von seinen Lippen eine dünne Rauch-
fahne.
»Schaut!« sagte Pippin. »Streicher der Waldläufer ist wieder da.«
»Er ist nie weg gewesen«, sagte Aragorn. »Ich bin Streicher und auch
Dúnadan, und ich gehöre sowohl zu Gondor wie zum Norden.«
Sie rauchten eine Weile schweigend, und die Sonne schien auf sie nie-
der; sie schickte ihre Strahlen schräg in das Tal hinein aus weißen Wol-
ken hoch im Westen. Legolas lag still, schaute mit ruhigen Augen zur
Sonne und zum Himmel hinauf und sang leise vor sich. Schließlich setzte
er sich auf. »Nun aber los«, sagte er. »Die Zeit vergeht, und der Nebel
verzieht sich, oder würde es tun, wenn ihr seltsamen Leute euch nicht in
Rauch hülltet. Wie ist es mit der Geschichte?«
»Nun, meine Geschichte beginnt damit, daß ich im Dunkeln aufwachte
und mich von oben bis unten gefesselt in einem Orklager wiederfand«,
sagte Pippin. »Laßt mich mal überlegen, was ist heute für ein Tag?«
»Der fünfte März nach der Auenland-Rechnung«, sagte Aragorn. Pip-
pin rechnete an den Fingern nach. »Erst vor neun Tagen!« sagte er*.
»Mir scheint es ein Jahr her zu sein, daß wir gefangengenommen wurden.
Na ja, obwohl die Hälfte davon wie ein böser Traum war, nehme ich an,
daß es drei sehr entsetzliche Tage waren, die folgten. Merry wird mich
berichtigen, wenn ich irgend etwas Wichtiges vergesse — ich will nicht auf
Einzelheiten eingehen: die Peitschen und der Schmutz und der Gestank
und all das. Es läßt sich nicht erinnern.« Dann begann er mit einem
Bericht über Boromirs Kampf und den Orkmarsch vom Emyn Muil bis
zum Wald. Die anderen nickten, wenn die verschiedenen Punkte mit ihren
Mutmaßungen übereinstimmten.
»Hier sind einige Schätze, die ihr habt fallen lassen«, sagte Aragorn.
»Ihr werdet froh sein, sie zurückzubekommen.« Er lockerte sein Gehänge
unter dem Mantel und zog die beiden in ihren Scheiden steckenden Dol-
che heraus.
* Nach dem Auenland-Kalender hatte jeder Monat 30 Tage.
»Na!« sagte Merry. »Ich hatte nie erwartet, sie wiederzusehen! Ich
habe ein paar Orks mit meinem gekennzeichnet; aber Uglúk hat sie uns
dann abgenommen. Wie er starrte! Zuerst glaubte ich, er würde mich er-
dolchen, aber dann warf er die Dinger weg, als ob er sich daran verbrannt
hätte.«
»Und hier ist auch deine Brosche, Pippin«, sagte Aragorn. »Ich habe
sie gut aufgehoben, denn sie ist ein sehr kostbares Stück.«
»Ich weiß«, sagte Pippin. »Es war schmerzlich, sich von ihr zu trennen;
aber was hätte ich sonst tun können?«
»Nichts sonst«, antwortete Aragorn. »Einer, der in der Not nicht einen
Schatz wegwerfen kann, ist in Fesseln. Du hast recht daran getan.«
»Das Durchschneiden der Stricke an deinen Handgelenken, das war
sehr pfiffig«, sagte Gimli. »Glück hast du dabei gehabt; aber du hast die
Gelegenheit mit beiden Händen ergriffen, könnte man sagen.«
»Und hast uns ein hübsches Rätsel aufgegeben«, sagte Legolas. »Ich
fragte mich, ob dir wohl Flügel gewachsen seien!«
»Leider nicht«, sagte Pippin. »Aber ihr wußtet nichts von Gri-
schnákh.« Ihm schauderte, und er sagte nichts mehr, sondern überließ es
Merry, von diesen letzten grauenhaften Augenblicken zu erzählen: den
grapschenden Händen, dem heißen Atem und der entsetzlichen Kraft in
Grischnákhs haarigen Armen.
»All das über die Orks von Mordor oder Lugbúrz, wie sie es nennen,
beunruhigt mich«, sagte Aragorn. »Der Dunkle Herrscher weiß schon zu
viel, und seine Diener auch; und offensichtlich sandte Grischnákh nach
dem Streit irgendeine Botschaft über den Fluß. Das Rote Auge wird nach
Isengart schauen. Aber jedenfalls ist Saruman jetzt in die Grube gefallen,
die er selbst gegraben hat.«
»Ja, welche Seite auch immer gewinnt, seine Aussichten sind
schlecht«, sagte Merry. »Alles begann für ihn schiefzugehen von dem
Augenblick an, da seine Orks in Rohan den Fuß auf die Erde setzten.«
»Wir haben den alten Schuft flüchtig gesehen, oder jedenfalls deutete
Gandalf das an«, sagte Gimli. »Am Rand des Forstes.«
»Wann war das?« fragte Pippin.
»Vor fünf Nächten«, sagte Aragorn.
»Laßt mich mal überlegen«, sagte Merry. »Vor fünf Nächten — jetzt
kommen wir zu einem Teil der Geschichte, von dem ihr nichts wißt. Wir
trafen Baumbart am Morgen nach der Schlacht; und in jener Nacht waren
wir in Quellhall, einem seiner Enthäuser. Am nächsten Morgen gingen
wir zum Entthing, das heißt zu einer Versammlung der Ents, und das war
das Sonderbarste, was ich je in meinem Leben gesehen habe. Das Thing
dauerte den ganzen Tag und noch den nächsten; und wir verbrachten die
Nächte bei einem Ent mit Namen Flinkbaum. Und dann spät am Nach-
mittag des dritten Tages ihres Things gerieten die Ents plötzlich in Zorn.
Es war erstaunlich. Der Wald war so voller Spannung, als ob sich ein Ge-
witter in ihm zusammenballe: dann entlud sich alles auf einmal. Ich
wünschte, ihr hättet ihr Lied hören können, als sie marschierten.«
»Wenn Saruman es gehört hätte, wäre er jetzt hundert Meilen weit
weg, und wenn er auch auf seinen eigenen Beinen hätte rennen müssen«,
sagte Pippin.
»Wärs noch so ehern, noch so stark, stark bis ins tiefste Knochenmark,
Wir stürmen es, wir dringen ein, zerbrechen Tor und Mauerstein.

Es war noch sehr viel länger. Ein großer Teil des Liedes hatte keine
Worte und war wie eine Melodie von Hörnern und Trommeln. Es war
sehr aufregend. Aber ich glaubte, es sei nur eine Marschmusik und nicht
mehr, nur ein Lied — bis ich hierher kam. Jetzt weiß ich es besser.«
»Wir kamen über den letzten Kamm nach Nan Curunír herunter, nach
Einbruch der Nacht«, fuhr Merry fort. »Da hatte ich zum ersten Mal das
Gefühl, daß der Wald selbst hinter uns herging. Ich glaubte, ich träumte
einen entischen Traum, aber Pippin hatte es auch bemerkt. Wir hatten
beide Angst; aber erst später fanden wir mehr darüber heraus.
Es waren die Huorns, so nennen die Ents sie jedenfalls in der >Kurz-
sprache<. Baumbart wollte nicht viel über sie sagen, aber ich glaube, es
sind Ents, die fast wie Bäume geworden sind, jedenfalls dem Aussehen
nach. Sie stehen hier und dort im Wald oder am Waldsaum, schweigend
und eine endlose Wache über die Bäume haltend; aber tief in den dunkel-
sten Tälern gibt es Hunderte und aber Hunderte von ihnen, glaube ich.
Es steckt eine große Kraft in ihnen, und sie scheinen imstande zu sein,
sich in Schatten zu hüllen: es ist schwierig, sie gehen zu sehen. Aber sie
bewegen sich. Sie können sehr rasch gehen, wenn sie wütend sind. Man
steht still und schaut sich vielleicht das Wetter an oder lauscht dem
Rascheln des Windes, und dann plötzlich merkt man, daß man mitten in
einem Wald von großen, umhertappenden Bäumen steht. Sie haben noch
Stimmen und können mit den Ents reden — darum werden sie Huorns ge-
nannt, sagt Baumbart —, aber sie sind sonderbar und wild geworden. Ge-
fährlich. Ich würde einen mächtigen Schreck bekommen, wenn ich sie
träfe und keine echten Ents da wären, die auf sie aufpassen.
Nun ja, in der frühen Nacht krochen wir eine lange Schlucht hinunter
in das obere Ende des Zauberer-Tals, die Ents mit all ihren raschelnden
Huorns hinter sich. Wir konnten sie natürlich nicht sehen, aber die ganze
Luft war erfüllt von Knarren. Es war sehr dunkel, eine wolkige Nacht. Sie
gingen sehr schnell, sobald sie die Berge verlassen hatten, und machten
ein Geräusch wie ein brausender Wind. Der Mond kam nicht durch die
Wolken, und nicht lange nach Mittemacht stand ein hoher Wald rings
um die Nordseite von Isengart. Es waren keine Feinde zu sehen, und auch
keine Wachtposten. Ein Licht schimmerte aus einem hohen Fenster im
Turm, das war alles.
Baumbart und noch ein paar Ents krochen weiter, ganz herum bis in
Sichtweite der großen Tore. Pippin und ich waren bei ihm. Wir saßen auf
Baumbarts Schultern, und ich spürte die bebende Gespanntheit in ihm.
Aber selbst wenn sie aufgerüttelt sind, können Ents sehr vorsichtig und
geduldig sein. Sie standen still wie Bildsäulen, atmend und lauschend.
Dann gab es mit einemmal einen unerhörten Aufruhr. Trompeten er-
schallten, und die Wälle von Isengart hallten wider. Wir glaubten, wir
seien entdeckt worden und die Schlacht würde beginnen. Aber nichts der-
gleichen. Sarumans ganzes Heer zog ab. Ich weiß nicht viel über diesen
Krieg oder über die Reiter von Rohan, aber Saruman scheint vorgehabt zu
haben, den König und alle seine Mannen mit einem entscheidenden
Schlag fertigzumachen. Er entblößte Isengart. Ich sah den Feind gehen:
endlose Reihen marschierender Orks; und Gruppen von ihnen ritten auf
großen Wölfen. Auch Abteilungen von Menschen waren dabei. Viele
von ihnen trugen Fackeln, und in ihrem Schein konnte ich ihre Gesichter
sehen. Die meisten waren gewöhnliche Menschen, ziemlich groß und dun-
kelhaarig und grimmig, aber nicht besonders böse aussehend. Doch gab es
ein paar andere, die waren entsetzlich: mannshoch, aber mit Bilwißgesich-
tem, bläßlich, tückisch und schlitzäugig. Wißt ihr, sie erinnerten mich
sofort an jenen Südländer in Bree; nur war er nicht so offensichtlich ork-
ähnlich wie die meisten von diesen.«
»Ich dachte auch an ihn«, sagte Aragorn. »Wir mußten in Helms
Klamm mit vielen von diesen halben Orks fertigwerden. Es scheint jetzt
klar zu sein, daß jener Südländer ein Späher von Saruman war; aber ob er
mit den Schwarzen Reitern zusammenarbeitete oder für Saruman allein,
das weiß ich nicht. Es ist bei diesem üblen Volk schwer festzustellen,
wann sie miteinander verbündet sind und wann sie einander betrügen.«
»Nun, von all den verschiedenen Arten zusammen müssen es allermin-
destens zehntausend gewesen sein«, sagte Merry. »Sie brauchten eine
Stunde, um aus den Toren herauszukommen. Einige gingen die Straße
hinunter zu den Furten, und einige schwenkten ab nach Osten. Eine
Brücke ist dort unten gebaut worden, etwa eine Meile entfernt, wo der
Fluß in einem sehr tiefen Bett strömt. Ihr könntet es von hier sehen, wenn
ihr aufstündet. Sie sangen alle mit rauhen Stimmen und lachten und
machten einen scheußlichen Lärm. Ich fand, die Sache sah sehr schlecht
aus für Rohan. Aber Baumbart rührte sich nicht. Er sagte: >Meine Auf-
gabe heute nacht ist Isengart, mit Fels und Stein.<
Aber obwohl ich nicht sehen konnte, was im Dunkeln geschah, glaube
ich doch, daß Huorns sich nach Süden aufmachten, sobald die Tore wie-
der geschlossen waren. Ihre Aufgabe waren die Orks, nehme ich an. Sie
waren am Morgen schon weit unten im Tal; jedenfalls war dort ein
Schatten, durch den man nicht hindurchsehen konnte.
Sobald Saruman sein ganzes Heer fortgeschickt hatte, kamen wir zum
Zuge. Baumbart setzte uns ab und ging zu den Toren und begann an der
Tür zu hämmern und nach Saruman zu rufen. Es kam keine Antwort
außer Pfeilen und Steinen von den Wällen. Aber Pfeile nützen nichts ge-
gen Ents. Sie tun ihnen natürlich weh und machen sie wütend: wie Stech-
fliegen. Aber ein Ent kann mit Orkpfeilen vollgesteckt sein wie ein
Nadelkissen und nimmt doch keinen ernstlichen Schaden. Sie können zum
Beispiel nicht vergiftet werden; und ihre Haut scheint sehr dick zu sein
und zäher als Borke. Es bedarf eines sehr starken Axthiebes, um sie
ernstlich zu verletzen. Äxte mögen sie nicht. Aber es müßten sehr viele
Axtschwinger auf einen Ent kommen: ein Mann, der einmal auf einen
Ent einhaut, hat niemals Gelegenheit zu einem zweiten Hieb. Ein Faust-
schlag von einem Ent zerknüllt Eisen wie dünnes Blech.
Als Baumbart ein paar Pfeile in sich hatte, kam er allmählich in Fahrt
oder wurde ausgesprochen >hastig<, wie er sagen würde. Er gab ein ge-
waltiges hum-hom von sich, und noch ein Dutzend Ents kam mit langen
Schritten heran. Ein wütender Ent kann einem Angst machen. Ihre Fin-
ger und ihre Zehen krallen sich einfach am Felsen fest; und sie reißen ihn
auf wie Brotkrusten. Es war, als sähe man die Arbeit von großen Baum-
wurzeln in hundert Jahren, alles in ein paar Augenblicke zusammenge-
drängt.
Sie schoben und zogen und rissen und schüttelten und hämmerten; und
knall-bums, klirr-krach, nach fünf Minuten lagen die riesigen Tore zer-
stört am Boden; und einige Ents fraßen sich schon in die Wälle hinein
wie Kaninchen in eine Sandgrube. Ich weiß nicht, was Saruman glaubte,
was da vor sich ging; aber jedenfalls wußte er nicht, wie er damit fertig-
werden sollte. Seine Zauberei mag natürlich in letzter Zeit nachgelassen
haben; aber jedenfalls glaube ich, daß er nicht viel Schneid hat,
nicht viel echten Mut allein in einer mißlichen Lage ohne einen Haufen
von Hörigen und Maschinen und Dingen, wenn ihr wißt, was ich meine.
Sehr anders als der alte Gandalf. Ich frage mich, ob sein Ruhm nicht die
ganze Zeit hauptsächlich seiner Klugheit zuzuschreiben war, sich in
Isengart niederzulassen.«
»Nein«, sagte Aragorn. »Einstmals war er so bedeutend, wie sein
Ruhm besagte. Sein Wissen war groß, sein Verstand scharf und seine
Hände wunderbar geschickt; und er hatte Macht über die Gedanken von
anderen. Die Weisen konnte er überreden, und die kleineren Geister
konnte er einschüchtern. Diese Macht besitzt er gewiß noch. Es gibt nicht
viele in Mittelerde, von denen ich behaupten würde, daß man sich auf sie
verlassen könnte, wenn man sie allein mit ihm reden ließe, nicht einmal
jetzt, da er eine Niederlage erlitten hat. Vielleicht Gandalf, Elrond und
Galadriel, da jetzt seine Bosheit aufgedeckt ist, aber sehr wenig andere.«
»Auf die Ents kann man sich verlassen«, sagte Pippin. »Er scheint
ihnen einmal um den Bart gegangen zu sein, aber niemals wieder. Und
jedenfalls hat er sie nicht verstanden; und er beging den großen Fehler,
daß er sie bei seinen Berechnungen außer acht ließ. Er hatte sie nicht ein-
geplant, und es war keine Zeit, einen Plan aufzustellen, nachdem sie sich
an die Arbeit gemacht hatten. Kaum hatte unser Angriff begonnen, fin-
gen die paar in Isengart zurückgebliebenen Ratten an, durch jedes Loch
zu entwischen, das die Ents gemacht hatten. Die Ents ließen die Menschen
gehen, nachdem sie sie verhört hatten, zwei oder drei Dutzend allein an
diesem Ende. Ich glaube nicht, daß viele Orks, große oder kleine, entka-
men. Jedenfalls nicht den Huorns: ein ganzer Wald von ihnen stand zu
jener Zeit rund um Isengart, zusätzlich zu denen, die das Tal hinunter ge-
gangen waren.
Als die Ents einen großen Teil der südlichen Wälle in Schutt verwan-
delt hatten und der Rest seiner Leute sich aus dem Staube gemacht und
ihn verlassen hatte, floh Saruman voller Schrecken. Er scheint am Tor ge-
wesen zu sein, als wir ankamen: Ich nehme an, daß er zuschaute, wie sein
prächtiges Heer ausrückte. Als sich die Ents ihren Weg nach drinnen
bahnten, verschwand er eiligst. Zuerst entdeckten sie ihn nicht. Aber die
Nacht hatte sich ausgebreitet, und die Sterne schienen sehr hell, hell ge-
nug für die Ents, um etwas zu sehen, und plötzlich stieß Flinkbaum einen
Schrei aus: »Der Baummörder, der Baummörder!« Flinkbaum ist ein sanf-
tes Geschöpf, aber er hat einen um so wilderen Haß auf Saruman, als sein
Volk grausam unter Orkäxten zu leiden hatte. Er sprang vom inneren Tor
aus den Weg hinunter, und er kann rennen wie der Wind, wenn er aufge-
rüttelt ist. Eine blasse Gestalt eilte davon zwischen den Schatten der Säu-
len, und sie hatte die Stufen zur Turmtür schon fast erreicht. Aber es war
sehr knapp. Flinkbaum war so wütend hinter ihm her, daß nur ein oder
zwei Schritte fehlten, um ihn zu packen und zu erwürgen, als er durch die
Tür schlüpfte.
Als Saruman wieder heil in Orthanc war, dauerte es nicht lange, bis er
einige seiner wertvollen Vorrichtungen in Gang setzte. Zu dieser Zeit
waren viele Ents in Isengart: einige waren Flinkbaum gefolgt, und andere
waren vom Norden und Osten hereingekommen; sie streiften jetzt umher
und richteten eine Menge Schaden an. Plötzlich stiegen Feuer und verpe-
stete Dünste auf: überall in der Ebene begannen die Schlote und Schächte
zu spucken und zu speien. Mehrere Ents wurden angesengt. Einer von
ihnen. Buchenbein hieß er, glaube ich, ein sehr großer und stattlicher Ent,
geriet in einen Strahl von flüssigem Feuer und brannte wie eine Fackel:
ein entsetzlicher Anblick.
Das brachte sie zur Raserei. Ich hatte geglaubt, sie seien vorher schon
richtig aufgerüttelt gewesen; aber ich hatte mich geirrt. Jetzt sah ich, wie
es wirklich war. Erschütternd war es. Sie schrien und brüllten und trom-
peteten, bis Steine allein durch den Krach barsten und herabfielen. Merry
und ich lagen auf dem Boden und stopften uns die Mäntel in die Ohren.
Immer rund um den Felsen von Orthanc stapften und tobten die
Ents wie ein heulender Sturm, stürzten Säulen um, schleuderten Lawi-
nen von Feldsteinen die Schächte hinunter, warfen riesige Steinplat-
ten in die Luft wie Blätter. Der Turm stand inmitten eines brausenden
Wirbelsturms. Ich sah eiserne Pfosten und Brocken von Mauerwerk Hun-
derte von Fuß hochfliegen und gegen die Fenster von Orthanc krachen.
Aber Baumbart verlor den Kopf nicht. Zum Glück hatte er keine Ver-
brennungen. Er wollte nicht, daß sich seine Leute in ihrer Wut selbst ver-
letzten, und er wollte nicht, daß Saruman in der allgemeinen Verwirrung
durch irgendein Loch entkam. Viele der Ents warfen sich gegen den Ort-
hanc-Felsen; aber an ihm scheiterten sie. Er ist sehr glatt und hart.
Irgendeine Zauberei steckt vielleicht in ihm, die älter und stärker ist als
Saruman. Jedenfalls konnten sie sich nicht an ihm festkrallen oder ihn
auch nur einen Spalt aufreißen; und sie bekamen Prellungen und Verlet-
zungen dabei.
Deshalb ging Baumbart in den Ring und schrie. Seine gewaltige
Stimme übertönte all den Lärm. Plötzlich trat Totenstille ein. Da hörten
wir ein schrilles Gelächter aus einem hohen Fenster im Turm. Das hatte
eine sonderbare Wirkung auf die Ents. Sie hatten vor Wut gekocht; jetzt
wurden sie kalt, hart wie Eis und ruhig. Sie verließen die Ebene und
scharten sich um Baumbart, der ganz still stand. Er sprach eine Weile in
ihrer eigenen Sprache mit ihnen; ich nehme an, er erzählte ihnen von
einem Plan, den er schon vor langer Zeit in seinem alten Kopf ausgeheckt
hatte. Dann verschwanden sie einfach schweigend in dem grauen Licht.
Der Tag brach an zu dieser Zeit.
Sie stellten eine Wache am Turm auf, glaube ich, aber die Wächter
waren so gut in den Schatten verborgen und verhielten sich so still, daß
ich sie nicht sehen konnte. Die anderen gingen nach Norden. Den ganzen
Tag waren sie beschäftigt und außer Sicht. Wir wurden die meiste Zeit
allein gelassen. Es war ein trostloser Tag; und wir wanderten ein wenig
umher, obwohl wir uns aus dem Blickfeld der Fenster von Orthanc her-
aushielten, soweit wir konnten: sie starrten uns so bedrohlich an. Ein gut
Teil der Zeit verbrachten wir damit, nach etwas Eßbarem zu suchen. Und
wir setzten uns auch hin und unterhielten uns und zerbrachen uns den
Kopf, was wohl weit im Süden in Rohan geschehe und was aus den übri-
gen von unserer Gemeinschaft geworden sei. Ab und zu hörten wir in
der Ferne das Rumpeln und Fallen von Steinen und dumpfe Schläge, die
in den Bergen widerhallten.
Am Nachmittag gingen wir um den Ring herum und wollten schauen
was geschah. Da war ein großer schattiger Wald von Huorns oben am Tal
und ein weiterer um den Nordwall herum. Wir wagten nicht, hineinzuge-
hen. Aber man hörte, daß drinnen eine zerrende, reißende Arbeit vor
sich ging. Ents und Huorns hoben große Gruben und Gräben aus und
machten große Teiche und Dämme und sammelten das ganze Wasser des
Isen und aller anderen Quellen und Bäche, die sie finden konnten. Wir
ließen sie dabei.
In der Dämmerung kam Baumbart zum Tor zurück. Er summte und
brummte vor sich hin und schien zufrieden zu sein. Er stand da und
reckte seine großen Arme und Beine und holte tief Luft. Ich fragte ihn,
ob er müde sei.
>Müde?< fragte er, >müde? Nein, nicht müde, nur steif. Ich brauche
einen guten Schluck aus der Entflut. Wir haben schwer gearbeitet; wir
haben mehr Steine gebrochen und Erde angenagt als in vielen Jahren vor-
her. Aber es ist fast fertig. Wenn die Nacht hereinbricht, haltet euch
nicht in der Nähe dieses Tors oder in dem alten unterirdischen Gang auf!
Da mag Wasser durchkommen — und es wird eine Weile unreines Wasser
sein, bis all der Schmutz von Saruman fortgewaschen ist. Dann kann der
Isen wieder klar fließen.< Er begann, ein bißchen mehr von den Wällen
niederzureißen, auf eine gemächliche Weise, nur des Spaßes halber.
Wir überlegten uns gerade, wo wir uns wohl gefahrlos hinlegen und
ein wenig schlafen könnten, als das Erstaunlichste von allem geschah.
Man hörte einen Reiter rasch die Straße heraufkommen. Merry und ich
lagen still, und Baumbart versteckte sich in den Schatten unter dem Tor-
bogen. Plötzlich kam ein großes Pferd angesprengt wie ein Silberblitz. Es
wurde schon dunkel, aber ich konnte das Gesicht des Reiters deutlich
sehen: es schien zu leuchten, und alle seine Kleider waren weiß. Ich setzte
mich bloß auf und starrte mit offenem Mund. Ich versuchte zu rufen,
aber ich konnte nicht.
Es war auch nicht nötig. Er hielt genau bei uns an und schaute auf uns
herab. >Gandalf< sagte ich schließlich, aber meine Stimme war nur ein
Flüstern. Sagte er etwa: >Nanu, Pippin! Das ist aber eine erfreuliche
Überraschung<? Nein, keineswegs. Er sagte: >Steh auf, du Einfaltspinsel
von einem Tuk! Wo um alles in der Welt ist Baumbart in all diesen
Trümmern? Ich will zu ihm. Rasch !<
Baumbart hörte seine Stimme und kam sofort aus den Schatten heraus/-
und das war eine seltsame Begegnung. Ich war überrascht, weil sie beide
überhaupt nicht überrascht zu sein schienen. Gandalf hatte offensichtlich
erwartet, Baumbart hier zu finden; und Baumbart hätte sich fast absicht-
lich an den Toren aufgehalten haben können, um ihn zu treffen. Doch
hatten wir dem alten Ent alles über Moria erzählt. Aber mir fiel dann ein
sonderbarer Blick ein, den er uns damals zugeworfen hatte. Ich kann nur
annehmen, daß er Gandalf gesehen oder irgendwelche Nachrichten von
ihm bekommen hatte, aber nichts in Eile hatte sagen wollen. >Sei nicht
hastig< ist sein Wahlspruch. Aber niemand, nicht einmal Elben, werden
viel über Gandalfs Tätigkeit sagen, wenn er nicht da ist.
>Hum! Gandalf !< sagte Baumbart. >Ich bin froh, daß Ihr gekommen
seid. Holz und Wasser, Stock und Stein, die kann ich beherrschen; aber
hier ist ein Zauberer, mit dem man fertigwerden muß.<
>Baumbart<, sagte Gandalf, >ich brauche Eure Hilfe. Ihr habt viel getan,
aber ich brauche mehr. Ich muß mit ungefähr zehntausend Orks fertig-
werden.<
Dann gingen die beiden weg und hielten in irgendeiner Ecke eine Bera-
tung ab. Es muß Baumbart sehr hastig vorgekommen sein, denn Gandalf
war in fürchterlicher Eile und redete schon sehr schnell, ehe sie außer
Hörweite waren. Sie waren nur ein paar Minuten weg, vielleicht eine
Viertelstunde. Dann kam Gandalf zu uns zurück und schien erleichtert,
fast fröhlich. Jetzt sagte er auch, daß er sich freue, uns zu sehen.
>Aber Gandalf<, rief ich, >wo bist du gewesen? Und hast du die ande-
ren gesehen !<
>Wo immer ich gewesen bin, ich bin zurück<, antwortete er auf echte
Gandalf-Art. >Ja, ich habe einige der anderen gesehen. Aber die Neuig-
keiten müssen warten. Es ist heute eine gefährliche Nacht, und ich muß
schnell reiten. Doch mag der Morgen heller sein, und dann werden wir
uns wiedersehen. Paßt gut auf euch auf und haltet euch von Orthanc fern.
Lebt wohl!<
Baumbart war sehr nachdenklich, nachdem Gandalf fort war. Offenbar
hatte er in kurzer Zeit eine Menge erfahren und verdaute es. Er sah uns
an und sagte: >Hm, na ja, ich finde, ihr seid nicht so hastige Leute, wie
ich geglaubt habe. Ihr habt viel weniger gesagt, als ihr hättet sagen kön-
nen, und nicht mehr, als ihr solltet. Hm, das ist wahrlich ein ganzer Hau-
fen Neuigkeiten. Na, nun muß Baumbart wieder an die Arbeit.<
Ehe er ging, holten wir noch ein paar Neuigkeiten aus ihm heraus; und
sie munterten uns ganz und gar nicht auf. Aber im Augenblick dachten
wir mehr an euch drei als an Frodo und Sam oder den armen Boromir.
Denn wir schlössen aus alledem, daß eine große Schlacht im Gange war
oder bald beginnen würde, und daß ihr hineinverwickelt wart und viel-
leicht nicht wieder herauskommen würdet.
>Die Huorns werden helfen', sagte Baumbart. Dann ging er fort, und
wir sahen ihn erst heute morgen wieder.
Es war tiefe Nacht. Wir lagen auf einem Steinhaufen und konnten
dahinter nichts sehen. Nebel oder Schatten verhüllten alles um uns wie
eine große Decke. Die Luft kam uns heiß und drückend vor; und sie war
erfüllt von Geraschel, Knacken und einem Gemurmel wie von vorbeige-
henden Stimmen. Ich glaube, daß noch Hunderte der Huorns vorbeige-
gangen sind, um in der Schlacht zu helfen. Später gab es ein mächtiges
Donnergrollen im Süden und Blitze fern über Rohan. Ab und zu konnten
wir Berggipfel sehen, Meilen und Abermeilen entfernt, die plötzlich weiß
und schwarz herausragten und dann wieder verschwanden. Und hinter
uns waren Geräusche wie Donner in den Bergen, aber anders. Zu Zeiten
hallte das ganze Tal wider.
Es muß ungefähr um Mitternacht gewesen sein, als die Ents die Dämme
durchstachen und all das gesammelte Wasser durch ein Loch im Nordwall
nach Isengart hineinleiteten. Die Huorn-Finsternis war vorübergegangen,
und der Donner hatte sich verzogen. Der Mond ging hinter dem west-
lichen Gebirge unter.
Isengart begann sich mit schwarzen kriechenden Bächen und Tümpeln
zu füllen. Sie glitzerten im letzten Schein des Mondes, als sie sich über
die Ebene ausbreiteten. Dann und wann fanden die Wassermassen ihren
Weg hinunter in irgendeinen Schacht oder ein Belüftungsrohr. Mächtige
weiße Dämpfe zischten hoch. Rauch stieg in dicken Schwaden auf. Es gab
Entladungen und Feuerstöße. Eine große Schlange aus Dampf wirbelte
empor und ringelte sich rund um Orthanc, bis er aussah wie ein hoher
Wolkengipfel, feurig von unten und mondbeschienen von oben. Und
immer mehr Wassermassen ergossen sich, bis Isengart wie ein riesiger
flacher Kochtopf aussah, der dampfte und brodelte.«
»Wir sahen gestern Nacht vom Süden aus eine Wolke von Rauch und
Dampf, als wir zur Einmündung von Nan Curunír kamen«, sagte Ara-
gorn. »Wir fürchteten, daß Saruman irgendeine neue Teufelei für uns
ausheckte.«
»Er nicht«, sagte Pippin. »Er erstickte wahrscheinlich und lachte nicht
mehr. Am Morgen, gestern morgen, war das Wasser in alle Löcher hin-
abgesunken, und es war dichter Nebel. Wir flüchteten uns in den Wacht-
raum da drüben; und wir hatten ziemliche Angst. Der See begann über-
zulaufen und sich durch den alten unterirdischen Gang zu ergießen, und
das Wasser stieg rasch die Stufen hinauf. Wir glaubten, wir würden wie
die Orks in einer Falle gefangen sein; aber wir fanden eine Wendeltreppe
an der Rückseite des Vorratsraums, die uns hinauf auf den Torbogen
brachte. Das Hinauskommen war sehr schwierig, denn die Gänge waren
zerstört worden und bis oben halb zugeschüttet mit herabgefallenen Stei-
nen. Da saßen wir dann hoch über der Flut und schauten zu, wie Isengart
ertrank. Die Ents lenkten immer mehr Wasser hinein, bis alle Feuer aus-
gelöscht und alle Höhlen voll waren. Der Nebel sammelte sich langsam
und verdichtete sich zu einer riesigen Wolkenglocke: sie muß eine Meile
hoch gewesen sein. Am Abend stand ein großer Regenbogen über den
östlichen Bergen; und dann wurde der Sonnenuntergang durch einen
dichten Nieselregen auf den Gebirgshängen verdunkelt. Es war alles ganz
still. Ein paar Wölfe heulten klagend in der Feme. In der Nacht unterbra-
chen die Ents den Zufluß und leiteten den Isen wieder in sein altes Bett.
Und das war das Ende von allem.
Seitdem sinkt das Wasser wieder. Es wird irgendwo unter den Höhlen
Abflüsse geben, denke ich mir. Wenn Saruman aus seinen Fenstern
schaut, muß alles einen unordentlichen, trostlosen Anblick bieten. Wir
kamen uns sehr verlassen vor. Nicht ein einziger Ent war zu sehen, mit
dem man sich in all den Trümmern unterhalten konnte, und keine neuen
Nachrichten. Wir verbrachten die Nacht da drüben über dem Torbogen,
und es war kalt und feucht, und wir schliefen nicht. Wir hatten ein Ge-
fühl, als ob jede Minute etwas geschehen könnte. Saruman ist noch in sei-
nem Turm. Nachts war ein Geräusch zu hören, wie wenn ein Wind das
Tal heraufkommt. Ich glaube, die Ents und die Huorns, die weg gewesen
waren, kamen dann zurück; aber wo sie jetzt alle hingegangen sind, weiß
ich nicht. Es war ein nebliger, feuchter Morgen, als wir herunterkletterten
und uns wieder umschauten und niemand da war. Und das ist ungefähr
alles, was es zu erzählen gibt. Es erscheint jetzt fast friedlich nach all dem
Aufruhr. Und auch irgendwie sicherer, seit Gandalf zurückkam. Ich
könnte jetzt schlafen!«
Eine Weile schwiegen sie alle. Gimli stopfte seine Pfeife neu. »Da ist
etwas, über das ich mir den Kopf zerbreche«, sagte er, als er sie mit
Feuerstein und Zunder anzündete. »Schlangenzunge. Ihr habt Théoden
gesagt, er sei bei Saruman. Wie ist er hergekommen?«
»Ach ja, ihn habe ich vergessen«, sagte Pippin. »Er kam erst heute
morgen. Wir hatten gerade das Feuer angezündet und etwas gefrühstückt,
als Baumbart wieder auftauchte. Wir hörten ihn draußen brabbeln und
unsere Namen rufen.
>Ich bin vorbeigekommen, um zu sehen, wie es euch geht, meine
Jungs<, sagte er, >und euch ein paar Neuigkeiten zu überbringen. Die
Huorns sind zurückgekommen. Alles ist gut; freilich, sehr gut sogar !<
lachte er und schlug sich auf die Schenkel. >Keine Orks mehr in Isengart,
keine Äxte mehr! Und ein paar Leute werden aus dem Süden heraufkom-
men, ehe der Tag alt ist; einige, die zu sehen ihr froh sein werdet.<
Kaum hatte er das gesagt, da hörten wir Hufgeräusche auf der Straße.
Wir stürzten hinaus vors Tor, und ich stand da und starrte und erwartete
halb und halb, Streicher und Gandalf an der Spitze eines Heeres heranrei-
ten zu sehen. Aber aus dem Nebel heraus ritt ein Mann auf einem alten,
müden Pferd; und er selbst sah wie ein wunderlich verdrehtes Geschöpf
aus. Sonst war niemand da. Als er aus dem Nebel herauskam und plötz-
lich die Zerstörungen und Verheerungen vor sich sah, saß er da und
glotzte, und sein Gesicht wurde fast grün. Er war so bestürzt, daß er uns
zuerst gar nicht zu bemerken schien. Als er uns aber sah, stieß er einen
Schrei aus und versuchte, seinen Gaul zu wenden und davonzureiten.
Doch Baumbart machte drei lange Schritte, streckte seinen langen Arm
aus und hob ihn aus dem Sattel. Sein Pferd ging vor Schreck durch, und
er warf sich bäuchlings auf den Boden. Er sagte, er sei Gríma, Freund und
Ratgeber des Königs, und von Théoden mit wichtigen Botschaften zu
Saruman geschickt worden.
>Niemand sonst wagte durch das offene Land zu reiten, wo es von
üblen Orks wimmelte<, sagte er, >deshalb wurde ich entsandt. Und ich
habe eine gefährliche Fahrt hinter mir und bin hungrig und müde. Ich bin
weit ab von meinem Weg nach Norden geflohen, von Wölfen verfolgte
Ich bemerkte die Seitenblicke, die er Baumbart zuwarf, und sagte bei
mir: >Lügner<. Baumbart sah ihn auf seine langsame, gemächliche Weise
mehrere Minuten an, bis der unglückliche Mann unruhig auf dem Boden
hin- und herrutschte. Dann schließlich sagte er: >Ha, hm, ich habe Euch
erwartet, Herr Schlangenzunge.< Der Mann fuhr zusammen bei dem
Namen. >Gandalf war als erster hier. Deshalb weiß ich über Euch so viel,
wie ich wissen muß, und ich weiß, was ich mit Euch zu tun habe. Steckt
alle Ratten in eine Falle, sagte Gandalf; und das werde ich. Ich bin jetzt
der Herr von Isengart, und Saruman ist in seinem Turm eingesperrt; da
könnt Ihr hingehen und ihm alle Botschaften bringen, die Ihr Euch aus-
denken könnt.<
>Laßt mich gehen, laßt mich gehen !< sagte Schlangenzunge. >Ich kenne
den Weg.<
>Ihr kanntet den Weg, daran zweifle ich nicht<, sagte Baumbart. >Aber
die Dinge haben sich hier ein wenig geändert. Geht und seht!<
Er ließ Schlangenzunge gehen, und er humpelte davon durch den Tor-
bogen, wir dicht hinter ihm her, bis er in den Ring hinein kam und die
ganzen Fluten sehen konnte, die zwischen ihm und Orthanc lagen. Dann
drehte er sich zu uns um.
>Laßt mich fortgehen !< greinte er. >Laßt mich fortgehen! Meine Bot-
schaften sind jetzt nutzlose
>Das sind sie allerdings^ sagte Baumbart. >Aber Ihr habt nur zwei
Möglichkeiten: bei mir zu bleiben, bis Gandalf und Euer Herr kommen;
oder das Wasser zu überqueren. Welche wollt Ihr?<
Der Mann zitterte, als sein Herr erwähnt wurde, und setzte einen Fuß
ins Wasser; aber er zog ihn wieder zurück. >Ich kann nicht Schwimmern,
sagte er.
>Das Wasser ist nicht tief<, sagte Baumbart. >Es ist schmutzig, aber das
wird Euch nicht schaden, Herr Schlangenzunge. Jetzt hinein mit Euch!<
Daraufhin stolperte der Unglückliche hinein in die Flut. Das Wasser
reichte ihm fast bis zum Hals, ehe er so weit weg war, daß ich ihn nicht
mehr sehen konnte. Das Letzte, was ich von ihm sah, war, daß er sich an
irgendein altes Faß oder Stück Holz klammerte. Aber Baumbart watete
hinter ihm her und überwachte sein Vorwärtskommen.
>So, er ist drinnen<, sagte er, als er zurückkam. >Ich sah ihn die Stufen
hinaufkriechen wie eine schmierige Ratte. Es ist noch jemand im Turm:
eine Hand kam heraus und zog ihn hinein. Da ist er nun, und ich hoffe,
das Willkommen wird nach seinem Geschmack sein. Jetzt muß ich gehen
und mir den Schlamm abwaschen. Ich bin drüben auf der Nordseite, wenn
jemand mich sprechen will. Es gibt kein reines Wasser hier unten, das ein
Ent trinken oder in dem er baden könnte. Deshalb will ich euch beide bit-
ten, an diesem Tor auf die Leute zu warten, die kommen. Es wird der Herr
der Gefilde von Rohan sein, wohlgemerkt! Ihr müßt ihn so gut begrüßen,
wie ihr könnt: seine Mannen haben eine große Schlacht mit den Orks
ausgerechten. Vielleicht kennt ihr besser als Ents die richtige Art von
Menschenworten für einen solchen Herrn. Zu meiner Zeit hat es viele
Herren auf den grünen Feldern gegeben, und ich habe ihre Redeweise oder
ihre Namen nie gelernt. Sie werden Menschennahrung haben wollen, und
ihr wißt darüber Bescheid, nehme ich an. Also sucht etwas, wovon ihr
glaubt, daß es für einen König eßbar ist, wenn ihr könnt.< Und das ist das
Ende der Geschichte. Obwohl ich gern wissen möchte, wer dieser Schlan-
genzunge ist. War er wirklich des Königs Ratgeber?«
»Das war er«, sagte Aragorn, »und außerdem Sarumans Späher und
Diener in Rohan. Das Schicksal war nicht freundlicher zu ihm, als er es
verdient. Der Anblick der Zerstörung von allem, was er für stark und
großartig hielt, muß fast schon genug Strafe gewesen sein. Doch fürchte
ich, daß ihn noch Schlimmeres erwartet.«
»Ja, ich glaube nicht, daß Baumbart ihn aus Freundlichkeit nach Ort-
hanc schickte«, sagte Merry. »Ihm schien die Sache ein grimmiges Ver-
gnügen zu bereiten, und er lachte vor sich hin, als er zu seinem Bad und
Trunk ging. Wir hatten eine arbeitsreiche Zeit danach, haben nach Treib-
gut gesucht und alles durchstöbert. Wir fanden an verschiedenen Stellen
in der Nähe zwei oder drei Vorratsräume über der Fluthöhe. Aber Baum-
bart schickte ein paar Ents herunter, und sie trugen eine ganze Menge
von dem Zeug weg.
>Wir brauchen Menschennahrung für fünfundzwanzig^ sagten die
Ents, also könnt ihr sehen, daß jemand eure Gruppe sorgfältig gezählt
hat, ehe ihr ankamt. Ihr drei solltet offenbar mit den großen Leuten ge-
hen. Aber dabei wäret ihr auch nicht besser weggekommen. Wir haben
genausoviel Gutes behalten, wie wir weggeschickt haben, das verspreche
ich euch. Besser sogar, denn wir haben keine Getränke mitgeschickt.
>Wie steht's mit Getränken?< fragte ich die Ents.
>Es gibt Wasser vom Isen<, sagten sie, >und das ist gut genug für Ents
und Menschern. Aber ich hoffe, die Ents haben Zeit gefunden, etwas von
ihren Tränken aus den Gebirgsquellen zu brauen, und dann werden wir
sehen, wie Gandalfs Bart sich kräuselt, wenn er zurückkommt. Nachdem
die Ents gegangen waren, waren wir müde und hungrig. Aber wir murr-
ten nicht — unsere Mühen waren wohl belohnt worden. Bei unserer Suche
nach Menschennahrung entdeckte Pippin unter all dem Treibgut die Perle,
diese Hornbläser-Fässer. >Pfeifenkraut ist besser nach dem Essen, sagte
Pippin; so ist die Lage entstanden.«
»Jetzt verstehen wir das alles vollkommen«, sagte Gimli.
»Alles mit einer Ausnahme«, sagte Aragorn. »Tabakblätter aus dem
Südviertel in Isengart. Je mehr ich darüber nachdenke, um so seltsamer
finde ich es. Ich bin nie in Isengart gewesen, doch ich bin in diesem Land
gewandert, und ich kenne die öden Gegenden sehr gut, die zwischen
Rohan und dem Auenland liegen. Seit vielen Jahren haben weder Waren
noch Leute diesen Weg genommen, nicht offen jedenfalls. Saruman hat
geheime Verbindungen zu irgend jemandem im Auenland, vermute ich.
Schlangenzunges können vielleicht noch in anderen Häusern als König
Théodens gefunden werden. War ein Datum auf den Fässern?«
»Ja«, sagte Pippin. »Es war die 1417er Ernte, also vom vorigen Jahr;
nein, nein, vom vorvorigen natürlich; ein guter Jahrgang.«
»Nun ja, welches Unheil auch immer im Gange war, es ist jetzt vorbei,
hoffe ich; oder es ist gegenwärtig außerhalb unserer Reichweite«, sagte
Aragorn. »Immerhin glaube ich, ich sollte es Gandalf gegenüber erwäh-
nen, wenn es auch als eine Kleinigkeit erscheinen mag bei seinen großen
Angelegenheiten.«
»Ich würde gern wissen, was er tut«, sagte Merry. »Der Nachmittag ist
schon weit fortgeschritten. Laßt uns gehen und uns umschauen. Jetzt
kannst du Isengart jedenfalls betreten, Streicher, wenn du willst. Aber es
ist kein sehr erfreulicher Anblick.«

<= =>