SIEBTES KAPITEL
HELMS KLAMM
Die Sonne stand schon im Westen, als sie von Edoras losritten, und sie
schien ihnen in die Augen und verwandelte die welligen Weiden von
Rohan in einen goldenen Dunst. Ein viel benutzter Weg führte nach
Nordwesten entlang den Vorbergen des Weißen Gebirges hinauf und hin-
unter in ein grünes Land, und ihm folgten sie und überquerten in vielen
Furten kleine rasche Bäche. Weit vor ihnen und zu ihrer Rechten ragte
das Nebelgebirge auf; immer dunkler und höher wurde es, je mehr Meilen
sie zurücklegten. Die Sonne ging langsam vor ihnen unter. Hinter ihnen
zog der Abend herauf.
Das Heer ritt weiter. Die Not trieb sie. Da sie fürchteten, zu spät zu
kommen, ritten sie, so schnell sie konnten, und hielten selten an. Ge-
schwind und ausdauernd waren die Rösser von Rohan, aber es waren
viele Wegstunden zu bewältigen. Vierzig Wegstunden und mehr waren
es, wie der Vogel fliegt, von Edoras zu den Furten des Isen, wo sie die
Mannen des Königs zu finden hofften, die Sarumans Heere aufhielten.
Die Nacht umfing sie. Schließlich hielten sie an, um ihr Lager aufzu-
schlagen. Etwa fünf Stunden waren sie geritten und nun weit draußen in
der westlichen Ebene, und dennoch lag mehr als die Hälfte des Wegs noch
vor ihnen. In einem großen Kreis unter dem gestirnten Himmel und dem
zunehmenden Mond rüsteten sie sich jetzt für die Nacht. Sie zündeten
keine Feuer an, denn sie waren unsicher, was geschehen würde. Doch
stellten sie berittene Wachen auf, und Späher ritten weit voraus und ver-
schwanden wie Schatten in den Falten des Landes. Die lange Nacht ver-
ging ohne Nachrichten oder Warnungen. Im Morgengrauen erschallten
die Hörner, und binnen einer Stunde waren sie wieder auf dem Weg.
Noch war der Himmel wolkenlos, doch die Luft war drückend; es war
warm für die Jahreszeit. Die aufgehende Sonne war in Dunst gehüllt, und
hinter ihr zog langsam eine zunehmende Dunkelheit am Himmel herauf,
als ob eine gewaltiges Gewitter von Osten käme. Und fern im Nordwe-
sten schien eine zweite Dunkelheit über dem Fuß des Nebelgebirges zu
schweben, ein Schatten, der langsam aus dem Zauberertal herabkroch.
Gandalf blieb zurück und wartete auf Legolas, der neben Éomer ritt.
»Du hast die scharfen Augen deiner schönen Sippe, Legolas«, sagte er,
»und sie können einen Spatzen von einem Finken unterscheiden, der eine
Wegstunde entfernt ist. Sag mir, kannst du irgend etwas dort drüben in
Richtung Isengart sehen?«
»Viele Meilen hegen dazwischen«, sagte Legolas, indem er dorthin
starrte und die Augen mit seiner langen Hand beschattete. »Ich sehe eine
Dunkelheit. Gestalten bewegen sich darin, große Gestalten weit weg am
Ufer des Flusses. Aber was für Geschöpfe es sind, kann ich nicht sagen.
Nicht Nebel oder Wolken vereiteln meine Sicht: da ist ein verschleiernder
Schatten, den irgendeine Macht über das Land wirft, und er bewegt sich
langsam stromabwärts. Es ist, als ob das Zwielicht unter endlosen Bäu-
men von den Bergen herabflute.«
»Und hinter uns kommt ein wahrer Sturm aus Mordor«, sagte Gandalf.
»Es wird eine schwarze Nacht sein.«
Am zweiten Tag ihres Rittes nahm die Schwüle der Luft zu. Am
Nachmittag begannen die dunklen Wolken sie zu überholen: ein düsterer
Baldachin mit sich auftürmenden Rändern, gesprenkelt mit blendendem
Licht. Die Sonne ging unter, blutrot in einem rauchigen Dunst. Die
Speere der Reiter bekamen feurige Spitzen, als die letzten Lichtstrahlen
die Steilhänge des Gipfels des Thrihyrne erleuchteten: jetzt waren sie dem
nördlichsten Arm des Weißen Gebirges sehr nahe, drei gezackten Spit-
zen, die in den Sonnenuntergang starrten. In dem letzten roten Glühen
sahen die Mannen der Vorhut einen schwarzen Fleck, einen Reiter, der
auf sie zukam. Sie hielten an und erwarteten ihn.
Er kam, ein müder Mann mit eingedelltem Helm und gespaltenem
Schild. Langsam saß er ab und stand eine Weile keuchend da. Schließlich
sprach er. »Ist Éomer hier?« fragte er. »Endlich kommt ihr, doch zu spät,
und mit zu geringen Kräften. Die Dinge sind schlecht gegangen, seit
Théodred fiel. Gestern wurden wir unter schweren Verlusten über den
Isen zurückgedrängt; viele kamen um, als sie den Fluß überquerten. Dann
stießen in der Nacht frische Heere über den Fluß auf unser Lager vor.
Ganz Isengart muß leer sein; und Saruman hat die wilden Bergbewohner
und das Hirtenvolk von Dunland jenseits der Flüsse bewaffnet und auch
auf uns losgelassen. Wir wurden überwältigt. Der Schildwall brach. Er-
kenbrand von Westfold ist mit allen Mannen, die er sammeln konnte, zu
seiner Festung in Helms Klamm abgezogen. Die übrigen sind verstreut.
Wo ist Éomer? Sagt ihm, vom ist nichts zu erhoffen. Er sollte nach
Edoras zurückkehren, ehe die Wölfe von Isengart hierherkommen.«
Théoden hatte schweigend hinter seinen Wächtern gesessen, verborgen
vor den Blicken des Mannes; jetzt trieb er sein Pferd vorwärts. »Komm,
tritt vor mich hin, Ceorl!«, sagte er. »Ich bin hier. Das letzte Heer der
Eorlingas ist ausgeritten. Es wird nicht ohne Schlacht zurückkehren.«
Das Gesicht des Mannes leuchtete vor Freude und Erstaunen. Er rich-
tete sich auf. Dann kniete er nieder und bot dem König sein schartiges
Schwert dar. »Erteilt mir Eure Befehle, Herr!« rief er. »Und verzeiht mir!
Ich dachte ...«
»Du dachtest, ich bliebe in Meduseld, gebeugt wie ein alter Baum unter
dem Winterschnee. So war es, als du in den Krieg rittest. Doch ein West-
wind hat die Zweige geschüttelt«, sagte Théoden. »Gebt dem Mann ein
frisches Pferd. Laßt uns reiten und Erkenbrand zu Hilfe kommen!«
Während Théoden sprach, war Gandalf ein Stückchen vorausgeritten,
saß dort allein und starrte gen Norden nach Isengart und gen Westen auf
die untergehende Sonne. Jetzt kam er zurück.
»Reitet, Théoden!« sagte er. »Reitet nach Helms Klamm. Geht nicht zu
den Furten des Isen und bleibt nicht in der Ebene. Ich muß Euch für kurze
Zeit verlassen. Schattenfell soll mich jetzt rasch davontragen, um einen
Auftrag zu erledigen.« Dann wandte er sich an Aragorn und Éomer und
die Mannen aus dem Heerbann des Königs und rief: »Beschützt den
Herrn der Mark gut, bis ich zurückkomme. Erwartet mich an Helms Tor!
Lebt wohl!«
Er sagte ein Wort zu Schattenfell, und wie ein Pfeil vom Bogen sprang
das große Pferd davon. Während sie noch schauten, war es verschwun-
den: ein Silberblitz im Sonnenuntergang, ein Wind über dem Gras, ein
Schatten, der entfloh und dem Blick entschwand. Schneemähne schnaubte
und bäumte sich auf und wollte ihm folgen; doch nur ein geschwinder
Vogel hätte ihn einholen können.
»Was bedeutet das?« sagte einer der Wächter zu Háma.
»Daß Gandalf Graurock sich eilen muß«, antwortete Háma. »Immer
geht und kommt er unerwartet.«
»Wenn Schlangenzunge hier wäre, würde er unschwer eine Erklärung
finden«, sagte der andere.
»Das ist wohl wahr«, sagte Háma, »aber was mich betrifft, so will ich
warten, bis ich Gandalf wiedersehe.«
»Vielleicht wirst du lange warten«, sagte der andere.
Das Heer verließ jetzt die Straße zu den Furten des Isen und hielt sich
mehr nach Süden. Die Nacht brach herein, und immer noch ritten sie. Die
Berge kamen näher, doch die hohen Gipfel des Thrihyrne waren schon
verschwommen vor dem sich verdunkelnden Himmel. Noch einige Meilen
entfernt, am anderen Ende des Tals von Westfold, lag eine grüne Tal-
mulde, ein großer Einschnitt im Gebirge, von dem aus eine Schlucht in
die Berge hineinführte. Die Menschen dieses Landes nannten sie Helms
Klamm nach einem Helden aus alten Kriegen, der hier seine Zuflucht-
stätte gehabt hatte. Immer steiler und schmaler zog sie sich von Norden
her unter dem Schatten des Thrihyrne in die Berge hinein, bis sich auf
beiden Seiten die von Krähen bevölkerten Felswände wie mächtige Türme
erhoben und das Licht ausschlössen.
Bei Helms Tor, am Eingang zur Klamm, stieß von der nördlichen Fels-
wand ein Grat vor. Auf diesem Felsvorsprung standen hohe Mauern aus
uralten Steinen und in ihrer Mitte ein stolzer Turm. Bei den Menschen
hieß es, in den weit zurückliegenden ruhmreichen Tagen von Gondor
haben die Meer-Könige diese Festung mit Hilfe von Riesen gebaut. Die
Hornburg wurde sie genannt, denn eine auf dem Turm geblasene Trom-
pete hallte in der Klamm dahinter wider, als ob längst vergessene Heere
aus Höhlen unter den Bergen in den Krieg zögen. Auch eine Mauer hat-
ten die Menschen der alten Zeit von der Hornburg zur südlichen Fels-
wand gezogen, um den Eingang zur Schlucht zu versperren. Unter ihr
floß in einem breiten, überwölbten Abzugsgraben der Klammbach hin-
durch. Er schlängelte sich um den Fuß des Hornfelsens und floß dann in
einer tiefen Wasserrinne mitten durch eine breite grüne Gehre, die sanft
von Helms Tor zu Helms Deich abfiel. Von dort aus floß der Bach ins
Klammtal und hinaus in das Tal von Westfold. In der Hornburg am
Helms Tor wohnte jetzt Erkenbrand, der Herr von Westfold an den Gren-
zen der Mark. Da er klug war, hatte er, als die Drohung des Krieges die
Tage verdüsterte, die Mauer ausgebessert und die Festung verstärkt.
Die Reiter waren noch in dem tiefen Tal vor dem Eingang zur Klamm,
als sie Schreie und Hörnerblasen von ihren Kundschaftern hörten, die
vorausgeritten waren. Aus der Dunkelheit kamen Pfeile angeschwirrt.
Ein Kundschafter kam rasch zurück und berichtete, überall im Tal seien
Wolfreiter, und ein Heer von Orks und wilden Menschen eile von den
Furten des Isen nach Süden heran und sei offenbar auf dem Weg nach
Helms Klamm.
»Wir haben viele von unseren Leuten hier gefunden, die erschlagen
worden sind, als sie hierher flohen«, sagte der Kundschafter. »Und wir
haben verstreute Gruppen getroffen, die führerlos herumirrten. Was aus
Erkenbrand geworden ist, scheint keiner zu wissen. Wahrscheinlich wird
er eingeholt werden, ehe er Helms Tor erreichen kann, wenn er nicht
schon umgekommen ist.«
»Hat man von Gandalf etwas gesehen?« fragte Théoden.
»Ja, Herr. Viele haben einen alten Mann in Weiß auf einem Pferd gese-
hen, der wie der Wind im Gras hierhin und dorthin über die Ebenen ge-
ritten ist. Manche glaubten, es sei Saruman. Es heißt, er habe sich vor Ein-
bruch der Nacht nach Isengart aufgemacht. Manche sagen auch. Schlan-
genzunge sei vorher gesehen worden, er ging nach Norden mit einer
Gruppe Orks.«
»Es wird Schlangenzunge schlecht ergehen, wenn Gandalf ihn einholt«,
sagte Théoden. »Indes fehlen mir jetzt meine beiden Ratgeber, der alte
und der neue. Aber in dieser Not haben wir keine bessere Wahl, als nach
Helms Tor zu gehen, wie Gandalf gesagt hat, ob Erkenbrand dort ist oder
nicht. Ist es bekannt, wie groß das Heer ist, das von Norden kommt?«
»Es ist sehr groß«, sagte der Kundschafter. »Wer flieht, zählt jeden
Feind doppelt, doch habe ich mit beherzten Männern gesprochen, und ich
zweifle nicht, daß die Hauptmacht des Feindes viele Male so groß ist wie
alles, was wir hier haben.«
»Dann laßt uns rasch sein«, sagte Éomer. »Laßt uns durch jene Feinde
hindurchstoßen, die schon zwischen uns und der Festung stehen. Es gibt
Höhlen in Helms Klamm, wo sich Hunderte verbergen mögen; und ge-
heime Wege führen von dort hinauf in die Berge.«
»Vertraue nicht auf geheime Wege«, sagte der König. »Saruman hat
dieses Land seit langem ausgekundschaftet. Doch mag unsere Verteidi-
gung an diesem Ort lange währen. Laßt uns gehen!«
Aragorn und Legolas waren jetzt mit Éomer in der Vorhut. Weiter rit-
ten sie durch die dunkle Nacht, immer langsamer, als die Dunkelheit zu-
nahm und ihr Weg nach Süden anstieg, höher und immer höher in die
düsteren Falten am Fuße der Berge. Sie fanden wenige Feinde vor sich.
Hier und dort stießen sie auf herumstreifende Orkbanden; aber sie flohen,
ehe die Reiter sie gefangennehmen oder erschlagen konnten.
»Es wird nicht lange dauern, fürchte ich«, sagte Éomer, »bis die An-
kunft des Heers des Königs den Führern unserer Feinde bekannt ist, Saru-
man oder welchen Anführer er auch immer ausgesandt hat.«
Hinter ihnen nahm der Kriegslärm zu. Jetzt hörten sie, durch die Dun-
kelheit herübergetragen, mißtönendes Singen. Sie waren schon hoch hin-
auf in das Klammtal gestiegen, als sie zurückblickten. Da sahen sie Fak-
keln, unzählige feurige Lichtpunkte, verstreut wie rote Blumen auf den
schwarzen Feldern hinter ihnen, oder sich aus dem Tiefland heraufziehend
in langen, flackernden Reihen. Hier und dort loderte ein größerer Brand
auf.
»Es ist ein großes Heer und uns hart auf den Fersen«, sagte Aragorn.
»Sie bringen Feuer mit«, sagte Théoden, »und verbrennen im Vorbei-
ziehen Stall, Schober und Baum. Das hier war ein reiches Tal und hatte
viele Gehöfte. Wehe für mein Volk!«
»Ich wollte, es wäre Tag und wir könnten ihnen entgegenreiten wie ein
Sturm aus dem Gebirge!« sagte Aragorn. »Es grämt mich, vor ihnen zu
fliehen.«
»Wir brauchen nicht viel weiter zu fliehen«, sagte Éomer. »Nicht weit
vor uns liegt jetzt Helms Deich, ein alter Graben und Schutzwall, die
durch die Talmulde gezogen sind, zwei Achtelmeilen unter Helms Tor.
Dort können wir wenden und eine Schlacht liefern.«
»Nein, wir sind zu wenige, um den Deich zu verteidigen«, sagte Theo-
den. »Er ist eine Meile lang oder noch länger, und die Bresche ist breit.«
»An der Bresche muß unsere Nachhut standhalten, wenn wir bedrängt
werden«, sagte Éomer.
Weder Sterne noch Mond schienen, als die Reiter zur Bresche im Deich
kamen, wo der Bach von oben heraustrat und neben ihm die Straße von
der Hornburg herunterführte. Der Schutzwall ragte plötzlich vor ihnen
auf, ein hoher Schatten hinter einem dunklen Graben. Als sie darauf zu-
ritten, wurden sie von einem Posten angerufen.
»Der Herr der Mark reitet nach Helms Tor«, antwortete Éomer. »Ich,
Éomer, Éomunds Sohn, spreche.«
»Das ist eine gute Botschaft, auf die wir nicht mehr zu hoffen wagten«,
sagte der Posten. »Eilt euch! Der Feind ist euch auf den Fersen.«
Das Heer ritt durch die Bresche und hielt auf dem leicht ansteigenden
Rasen dahinter an. Sie erfuhren jetzt zu ihrer Freude, daß Erkenbrand zur
Verteidigung von Helms Tor viele Krieger zurückgelassen hatte und noch
weitere sich hierher gerettet hatten.
»Tausend Mann haben wir vielleicht, die zu Fuß kämpfen können«,
sagte Gamling, ein alter Mann, der Führer derjenigen, die den Deich be-
wachten. »Aber die meisten von ihnen haben zu viele Winter erlebt, wie
ich, oder zu wenige, wie meines Sohnes Sohn hier. Was hört man von Er-
kenbrand? Gestern hieß es, daß er sich hierher zurückzieht mit allen, die
von Westfolds Reitern übrig sind. Aber er kam nicht.«
»Ich fürchte, daß er jetzt nicht kommen wird«, sagte Éomer. »Unsere
Kundschafter haben keine Nachrichten über ihn erhalten, und das ganze
Tal hinter uns wimmelt von Feinden.«
»Ich wünschte, er wäre entkommen«, sagte Théoden. »Er war ein ge-
waltiger Kämpe. Die Tapferkeit von Helm, der Hammerhand, war in ihm
wieder lebendig geworden. Aber hier können wir nicht auf ihn warten.
Wir müssen jetzt unsere ganze Streitmacht hinter den Wällen sammeln.
Seid ihr gut versorgt? Wir bringen wenig Vorräte mit, denn wir waren
ausgeritten zu einer offenen Schlacht, nicht zu einer Belagerung.«
»Hinter uns in den Höhlen der Klamm sind drei Viertel des Volks von
Westfold, Alt und Jung, Kinder und Frauen«, sagte Gamling. »Aber
auch große Vorräte von Lebensmitteln sind angelegt worden, und viele
Tiere sind da und Futter für sie.«
»Das ist gut«, sagte Éomer. »Sie verbrennen und plündern alles, was
im Tal zurückgeblieben ist.«
»Wenn sie nach Helms Tor kommen und um unsere Waren feilschen
wollen, werden sie einen hohen Preis bezahlen müssen«, sagte Gamling.
Der König und das Heer ritten weiter. Vor dem Dammweg, der den
Bach kreuzte, saßen sie ab. In einer langen Reihe führten sie ihre Pferde
die Rampe hinauf und durchschritten die Tore der Hornburg. Dort wur-
den sie wiederum voll Freude und wiedererweckter Hoffnung begrüßt;
denn nun waren genug Leute da, um sowohl die Burg als auch den
Schutzwall zu bemannen.
Rasch teilte Éomer seine Leute ein. Der König und die Mannen seines
Heerbanns besetzten die Hornburg, und dort waren auch viele der Man-
nen von Westfold. Doch auf den Klammwall und seinen Turm und dahin-
ter stellte Éomer den größten Teil seiner Streitmacht, denn hier schien die
Verteidigung bedenklicher, wenn der Angriff entschlossen und in voller
Stärke unternommen würde. Die Pferde wurden von den Leuten, die ent-
behrt werden konnten, weit hinauf in die Klamm geführt.
Der Klammwall war zwanzig Fuß hoch und so breit, daß vier Mann
nebeneinander auf ihm gehen konnten, geschützt durch eine Brustwehr,
über die nur ein großer Mann hinwegschauen konnte. Hier und dort
waren Schießscharten zwischen den Steinen. Diese Festungsmauer war
über eine Treppe erreichbar, die von einer Tür im äußeren Hof der Horn-
burg herabführte; von der Klamm aus führten weiter hinten noch drei
Treppen auf den Wall; doch war seine Vorderseite glatt, und seine großen
Steine waren so geschickt aufeinandergesetzt, daß kein Fuß Halt finden
konnte, und oben hingen sie über wie eine vom Meer ausgehöhlte Klippe.
Gimli stand, gegen die Schanze gelehnt, auf dem Wall. Legolas saß
oben auf der Brustwehr, fingerte an seinem Bogen herum und starrte hin-
aus in die Düsternis.
»Das ist mehr nach meinem Geschmack«, sagte der Zwerg und
stampfte mit den Füßen auf die Steine. »Immer geht mir das Herz auf,
wenn wir in die Nähe des Gebirges kommen. Das ist guter Felsen hier.
Dieses Land hat ein zähes Gebein. Ich spürte es in meinen Füßen, als wir
vom Deich heraufkamen. Gib mir ein Jahr Zeit und hundert Mann von
meiner Sippe, und ich würde daraus eine Festung machen, an der sich
Heere wie Wellen brechen würden.«
»Daran zweifle ich nicht«, sagte Legolas. »Aber du bist ein Zwerg,
und Zwerge sind seltsame Leute. Mir gefällt dieser Ort nicht, und auch
bei Tageslicht wird er mir nicht besser gefallen. Doch tröstest du mich,
Gimli, und ich bin froh, daß du neben mir stehst mit deinen standfesten
Beinen und deiner harten Axt. Ich wünschte, es wären mehr von deiner
Sippe bei uns. Aber noch mehr würde ich für hundert gute Bogenschüt-
zen aus Düsterwald geben. Wir werden sie brauchen. Die Rohirrim haben
Schützen, die auf ihre Weise gut sind, aber es sind zu wenige hier, zu
wenige.«
»Es ist dunkel zum Schießen«, sagte Gimli. »Tatsächlich ist es Zeit zum
Schlafen. Schlafen! Ich habe ein so starkes Bedürfnis danach, wie ich nie
glaubte, daß ein Zwerg es haben würde. Reiten macht müde. Dennoch ist
meine Axt unruhig in meiner Hand. Gib mir eine Reihe Orknacken und
Platz zum Ausholen, und alle Müdigkeit wird von mir abfallen!«
Lang zog sich die Zeit hin. Weit unten im Tal brannten immer noch
vereinzelte Feuer. Die Heere von Isengart rückten jetzt schweigend vor.
Man konnte ihre Fackeln sehen, die sich in vielen Reihen die Talmulde
hinaufzogen.
Plötzlich hörte man vom Deich Schreien und Rufen und das wütende
Schlachtgeschrei von Menschen. Flammende Brände erschienen über dem
Rand und sammelten sich an der Bresche. Dann zerstreuten sie sich und
verschwanden. Männer galoppierten zurück über das Feld und die Rampe
zum Tor der Hornburg hinauf. Die Nachhut der Westfolder war gekommen.
»Der Feind ist nahe«, sagten sie. »Wir haben alle Pfeile verschossen,
die wir hatten, und der Deich wimmelt von Orks. Aber er wird sie nicht
lange aufhalten. Schon erstürmen sie an vielen Punkten die Böschung, in
dicken Schwärmen wie Wanderameisen. Aber wir haben sie gelehrt,
keine Fackeln zu tragen.«
Es war jetzt nach Mittemacht. Der Himmel war völlig dunkel, und die
Unbewegtheit der drückenden Luft kündigte Sturm an. Plötzlich wurden
die Wolken von einer blendenden Helligkeit aufgerissen. Verästelte Blitze
fuhren nieder auf die östlichen Berge. Für einen kurzen Augenblick sahen
die Beobachter auf den Wällen den ganzen Raum zwischen sich und dem
Deich von weißem Licht erhellt: er wimmelte von schwarzen Gestalten,
einige waren untersetzt und breit, andere hochgewachsen und grimmig
mit hohen Helmen und schwarzen Schilden. Hunderte und Aberhunderte
ergossen sich über den Deich und durch die Bresche. Die dunkle Flut stieg
von Felsen zu Felsen bis zu den Wällen empor. Donner grollte im Tal.
Regen peitschte herab.
Ein Hagel von Pfeilen schwirrte über die Festungsmauer und prallte
klirrend an den Steinen ab. Manche Pfeile fanden ein Ziel. Der Angriff
auf Helms Klamm hatte begonnen, aber kein Laut und kein Ruf von drin-
nen war zu hören; und es kamen keine Pfeile als Erwiderung.
Die angreifenden Scharen hielten an, verblüfft über die schweigende
Drohung von Fels und Wall. Immer wieder und wieder zerrissen Blitze
die Dunkelheit. Dann schrien die Orks, schwangen Speer und Schwert
und schössen einen Hagel von Pfeilen auf jeden, der sich auf der
Festungsmauer zeigte; und die Mannen der Mark blickten verwundert auf
ein, wie es ihnen schien, großes Feld von dunklem Korn, geschüttelt vom
Sturm des Krieges, und jede Ähre funkelte mit einem gezackten Licht.
Eherne Trompeten erschallten. Der Feind stieß vor, einige gegen den
Klammwall, andere gegen den Dammweg und die Rampe, die zu den
Toren der Hornburg hinaufführte. Dort waren die größten Orks und die
wilden Menschen aus den Dunland-Mooren eingesetzt. Einen Augenblick
zögerten sie, und dann gingen sie vor. Im Schein der Blitze sah man auf
jedem Helm und Schild als Wappen die grausige Hand von Isengart. Sie
erreichten den Gipfel des Felsens; sie drängten zu den Toren.
Dann endlich kam eine Antwort: ein Hagel von Pfeilen und Steinen
traf sie. Sie wankten, wichen zurück und griffen wieder an; und wie das
heranwogende Meer hielten sie jedesmal an einem höheren Punkt an.
Wieder erschallten Trompeten, und eine Gruppe brüllender Menschen
sprang vorwärts. Sie hielten ihre großen Schilde über sich wie ein Dach,
während sie zwischen sich die großen Stämme zweier mächtiger Bäume
trugen. Hinter ihnen scharten sich Ork-Bogenschützen zusammen und
schickten einen Hagel von Pfeilen gegen die Bogenschützen auf den Wäl-
len. Sie erreichten die Tore. Die von starken Armen geschwungenen
Stämme prallten mit durchdringendem Dröhnen auf das Holz. Wenn ein
Mann fiel, zermalmt von einem herabgeschleuderten Stein, sprangen zwei
andere an seinen Platz. Immer wieder und wieder stießen die großen
Rammen krachend vor.
Éomer und Aragorn standen zusammen auf dem Klammwall. Sie hör-
ten das Brüllen der Stimmen und das dumpfe Schlagen der Rammen; und
bei einem plötzlichen Aufleuchten erkannten sie die Gefahr an den
Toren.
»Kommt«, sagte Aragorn. »Das ist die Stunde, da wir gemeinsam die
Schwerter ziehen werden!«
Blitzschnell rannten sie am Wall entlang und die Stufen hinunter und
gelangten in den äußeren Hof auf dem Felsen. Während sie liefen, riefen
sie eine Handvoll beherzter Streiter zu sich. Es gab eine kleine Ausfall-
pforte an einer westlichen Ecke des Burgwalls, wo die Felswand bis zu
ihm vorragte. Auf dieser Seite lief ein schmaler Pfad bis zu dem großen
Tor zwischen dem Wall und dem steilen Rand des Felsens. Zusammen
sprangen Éomer und Aragorn durch diese Tür, dicht gefolgt von ihren
Männern. Wie eins fuhren die beiden Schwerter aus der Scheide.
»Gúthwine!« rief Éomer. »Gúthwine für die Mark!«
»Andúril!« rief Aragorn. »Andúril für die Dúnedain!«
Von der Seite angreifend, stürzten sie sich auf die wilden Männer. An-
dúril hob sich und fiel nieder und glänzte mit weißem Feuer. Ein Schrei
stieg auf von Wall und Turm: »Andúril! Andúril zieht in den Krieg. Die
Klinge, die geborsten war, erstrahlt wieder!«
Voll Schrecken ließen die Rammer die Bäume fallen und wandten sich
zur Flucht; doch die Mauer ihrer Schilde geriet ins Wanken, als ob der
Blitz eingeschlagen habe, und sie wurden hinweggefegt, niedergemacht
oder über den Felsen in den steinigen Bach unten geworfen. Die Ork-
Bogenschützen schössen wie wild und flohen dann.
Einen Augenblick hielten Éomer und Aragorn vor den Toren inne.
Der Donner grummelte jetzt in der Ferne. Noch zuckten Blitze zwischen
den Bergen im Süden. Ein frischer Wind blies wieder von Norden. Die
Wolken waren aufgerissen und trieben dahin, und Sterne schimmer-
ten hindurch; und über den Bergen auf der Seite der Talmulde stand im
Westen der Mond und schimmerte gelb in den Gewitterwolken.
»Wir sind nicht zu früh gekommen«, sagte Aragorn mit einem Blick
auf die Tore. Ihre großen Angeln und eisernen Riegel waren herausgeris-
sen und verbogen; viele ihrer Bohlen waren gebrochen.
»Dennoch können wir nicht hier außerhalb der Wälle bleiben, wenn
wir sie verteidigen wollen«, sagte Éomer. »Schaut!« Er zeigte auf den
Dammweg. Schon sammelte sich wieder eine große Schar von Orks und
Menschen jenseits des Bachs. Pfeile schwirrten herüber und sprangen von
den Steinen über ihnen ab. »Kommt! Wir müssen zurück und versuchen,
Steine und Balken innen vor den Toren aufzuschichten, Kommt jetzt!«
Sie wandten sich um und rannten. In diesem Augenblick sprang etwa
ein Dutzend Orks, die reglos unter den Erschlagenen gelegen hatten, auf
und kam leise und rasch hinterher. Zwei warfen sich neben Éomer auf
den Boden, brachten ihn zu Fall und stürzten sich auf ihn. Doch eine
kleine, dunkle Gestalt, die niemand bemerkt hatte, sprang aus dem Schat-
ten hervor und stieß einen heiseren Schrei aus: Baruk Khazâd! Khazâd
ai-mênu! Eine Axt wurde geschwungen und sauste noch einmal nieder.
Zwei Orks waren die Köpfe abgeschlagen. Die übrigen flohen.
Éomer kam gerade mühsam auf die Beine, als Aragorn zurückrannte,
um ihm zu helfen.
Die Ausfallpforte wurde wieder geschlossen, die eiserne Tür verriegelt
und auf der Innenseite mit Steinen verrammelt. Als alle in Sicherheit
waren, wandte sich Éomer um: »Ich danke Euch, Gimli, Glóins Sohn!«
sagte er. »Ich wußte nicht, daß Ihr mit uns den Ausfall gemacht hattet.
Aber oft erweist sich der ungebetene Gast als die beste Gesellschaft. Wie
kamt Ihr dahin?«
»Ich folgte Euch, um die Schläfrigkeit abzuschütteln«, sagte Gimli.
»Aber ich sah mir die Bergbewohner an, und sie schienen mir allzu groß
für mich zu sein, deshalb setzte ich mich neben einen Stein, um Eurem
Schwertkampf zuzuschauen.«
»Es wird mir nicht leichtfallen, es Euch zu vergelten«, sagte Éomer.
»Es mag sich noch so manche Gelegenheit ergeben, ehe die Nacht vor-
bei ist«, lachte der Zwerg. »Aber ich bin zufrieden. Bis jetzt hatte ich
nichts anderes niedergehauen als Holz, seit ich Moria verließ.«
»Zwei!« sagte Gimli und klopfte auf seine Axt. Er war zu seinem Platz
auf dem Wall zurückgekehrt.
»Zwei?« sagte Legolas. »Ich habe es besser gemacht, obwohl ich jetzt
nach verschossenen Pfeilen suchen muß; meine sind alle. Immerhin be-
trägt meine Zahl mindestens zwanzig. Doch sind das nur ein paar Blätter
im Wald.«
Der Himmel klärte sich jetzt rasch auf, und der untergehende Mond
schien hell. Doch brachte das Licht den Reitern der Mark wenig Hoff-
nung. Der Feind vor ihnen schien sich vermehrt statt vermindert zu
haben, und immer mehr drängten vom Tal durch die Bresche herein. Der
Ausfall auf dem Felsen hatte nur kurzen Aufschub gewährt. Der An-
griff gegen die Tore wurde verdoppelt. Wie ein Meer brausten die Heere
von Isengart gegen den Klammwall. Am Fuß des Walls wimmelte es von
einem Ende bis zum anderen von Orks und Bergbewohnern. Seile mit
Enterhaken wurden schneller über die Brustwehr geschleudert, als die
Männer sie abschneiden oder zurückwerfen konnten. Hunderte von lan-
gen Leitern wurden angestellt. Viele wurden umgestürzt und zerstört,
aber immer neue angesetzt, und die Orks kletterten an ihnen hinauf
wie Affen in den dunklen Wäldern des Südens. Vor dem Wall häuften
sich Tote und Verwundete wie Schindeln in einem Sturm; immer höher
türmten sich die scheußlichen Haufen, und immer noch griff der Feind an.
Die Männer von Rohan wurden müde. Alle ihre Pfeile waren ver-
braucht und alle Speere verschossen; ihre Schwerter waren schartig und
ihre Schilde gespalten. Dreimal sammelten Éomer und Aragorn sie wie-
der, und dreimal flammte Andúril bei einem verzweifelten Angriff auf,
der den Feind vom Wall vertrieb.
Dann erhob sich ein Lärm hinten in der Klamm. Wie Ratten waren
Orks durch den überwölbten Graben, durch den der Bach hinausfloß, ge-
krochen. Dort hatten sie sich im Schatten der Felsen gesammelt, bis der
Angriff oben am hitzigsten war und fast alle Verteidiger auf den Wall
gestürzt waren. Dann sprangen sie hinaus. Schon waren einige bis zum
Rachen der Klamm vorgedrungen und bei den Pferden angelangt und
kämpften mit den Wachen.
Mit einem wilden Schrei, der von den Felsen widerhallte, sprang Gimli
vom Wall hinunter. »Khazâd! Khazâd!" Bald hatte er Arbeit genug.
»Ai-oi!« rief er. »Die Orks sind hinter dem Wall. Ai-oi! Komm, Lego-
las! Es sind genug für uns beide. Khazâd ai-mênu!"
Der alte Gamling blickte von der Hornburg herab und hörte über all
dem Lärm die gewaltige Stimme des Zwergen. »Die Orks sind in der
Klamm!« rief er. »Helm! Helm! Vorwärts, Helmingas!« schrie er, als er
die Treppe vom Felsen hinuntersprang mit vielen Mannen von Westfold
hinter sich.
Ihr Angriff war heftig und plötzlich, und die Orks wichen vor ihnen
zurück. Es dauerte nicht lange, da waren sie in der Enge der Schlucht um-
zingelt, und alle wurden erschlagen oder schreiend in die Tiefe der
Klamm getrieben, wo die Wächter der verborgenen Höhlen sie nieder-
machten.
»Einundzwanzig!« rief Gimli. Er holte zu einem zweihändigen Streich
aus und streckte den letzten Ork zu Boden. »Jetzt übertrifft meine End-
zahl die von Herrn Legolas wieder.«
»Wir müssen dieses Rattenloch verstopfen«, sagte Gamling. »Zwerge
können geschickt mit Steinen umgehen, heißt es. Leistet uns Hilfe, Herr!«
»Wir bearbeiten Steine weder mit Schlachtäxten noch mit unseren Fin-
gernägeln«, sagte Gimli. »Aber ich will helfen, soweit ich kann.«
Sie sammelten alles an kleinen Findlingen und zerbrochenen Steinen,
was sie in der Nähe finden konnten, und unter Gimlis Leitung versperrten
die Westfold-Mannen das innere Ende des Abflußgrabens, bis nur noch
ein schmaler Durchlaß blieb. Der vom Regen angeschwollene Klammbach
schäumte und brodelte in seinem eingeengten Bett und breitete sich lang-
sam in kalten Tümpeln von Felsen zu Felsen aus.
»Oben wird es trockner sein«, sagte Gimli. »Kommt, Gamling, laßt uns
sehen, wie die Dinge auf dem Wall stehen!«
Er kletterte hinaus und fand Legolas neben Aragorn und Éomer. Der
Elb wetzte sein langes Messer. Für eine Weile war eine Stockung im An-
griff eingetreten, nachdem der Versuch, durch den Abzugsgraben durch-
zubrechen, gescheitert war.
»Einundzwanzig!« sagte Gimli.
»Gut!« sagte Legolas. »Aber meine Rechnung beträgt jetzt zwei Dut-
zend. Es war Messerarbeit hier oben.«
Éomer und Aragorn stützten sich müde auf ihre Schwerter. Zu ihrer
Linken wurde das Lärmen und Getöse der Schlacht auf dem Felsen wieder
lauter. Doch die Hornburg hielt immer noch stand wie eine Insel im
Meer. Ihre Tore waren zerstört; aber über die innen aufgetürmten Balken
und Steine war bisher kein Feind vorgedrungen.
Aragorn blickte hinauf zu den bleichen Sternen und zum Mond, der
jetzt hinter den westlichen Bergen, die das Tal umschlossen, versank.
»Diese Nacht kommt mir wie Jahre vor«, sagte er. »Wie lange will der
Tag noch säumen?«
»Die Morgendämmerung ist nicht mehr fern«, sagte Gamling, der her-
aufgeklettert war und jetzt neben ihm stand. »Aber die Morgendämme-
rung wird uns nicht helfen, fürchte ich.«
»Dennoch ist die Morgendämmerung immer die Hoffnung der Men-
schen«, sagte Aragorn.
»Aber diese Geschöpfe von Isengart, diese halben Orks und Bilwiß-
menschen, die Sarumans verderbte Zauberkraft gezüchtet hat, die werden
nicht schwach in der Sonne«, sagte Gamling. »Und ebenso wenig die wil-
den Menschen aus den Bergen. Hört Ihr nicht ihre Stimmen?«
»Ich höre sie«, sagte Éomer. »Aber in meinen Ohren sind sie nur das
Kreischen von Vögeln und das Gebrüll von Tieren.«
»Dennoch sind viele da, die in der Sprache von Dunland schreien«,
sagte Gamling. »Ich kenne diese Sprache. Es ist eine alte Menschenspra-
ehe und wurde einst in vielen westlichen Tälern der Mark gesprochen.
Horcht! Sie hassen uns und freuen sich; denn unser Untergang scheint
ihnen gewiß zu sein. >Der König, der König !< schreien sie. >Wir
wollen
ihren König gefangennehmen. Tod den Forgoil! Tod den Strohköpfen!
Tod den Räubern aus dem Norden !< Solche Namen geben sie uns. In
einem halben Jahrtausend haben sie ihren Groll darüber nicht vergessen,
daß die Herren von Gondor Eorl dem Jungen die Mark verliehen und
ein Bündnis mit ihm geschlossen haben. Diesen alten Haß hat Saruman
geschürt. Sie sind ein kampfwütiges Volk, wenn sie einmal aufgerüttelt
sind. Sie werden jetzt nicht zurückweichen, ob nun die Abend- oder Mor-
gendämmerung kommt, bis Théoden gefangengenommen ist oder sie
selbst erschlagen sind.«
»Dennoch wird mir der Tag Hoffnung bringen«, sagte Aragorn.
»Heißt es nicht, daß die Hornburg noch nie eingenommen wurde, wenn
Menschen sie verteidigten?«
»So sagen die Sänger«, sagte Éomer.
»Dann laßt uns sie verteidigen und hoffen!« sagte Aragorn.
Während sie noch miteinander sprachen, schmetterten Trompeten.
Dann gab es ein Getöse und ein Aufblitzen von Flammen und Rauch.
Das Wasser des Klammbachs ergoß sich zischend und schäumend nach
draußen; es war nicht mehr gestaut, ein klaffendes Loch war in den Wall
gesprengt worden. Eine Schar dunkler Gestalten strömte hinein.
»Eine Teufelei von Saruman!« rief Aragorn. »Sie sind wieder in den
Abzugsgraben gekrochen, während wir uns unterhielten, und haben das
Feuer von Orthanc unter unseren Füßen angezündet. Elendil, Elendil!«
schrie er und sprang hinunter in die Bresche; aber in eben diesem Augen-
blick wurden Hunderte von Leitern an die Festungsmauer gestellt. Über
den Wall und unter dem Wall wogte der letzte Angriff wie eine dunkle
Welle gegen einen Sandhügel. Die Verteidigung wurde davongefegt.
Einige der Reiter wurden zurückgetrieben, weiter und immer weiter in die
Klamm, sie fielen und kämpften, während sie Schritt um Schritt zu den
Höhlen zurückwichen. Andere bahnten sich ihren Weg zurück zur
Festung.
Eine breite Treppe führte von der Klamm zu dem Felsen und dem hin-
teren Tor der Hornburg hinauf. Nahe bei der Treppe stand Aragorn. In
seiner Hand glänzte Andúril noch, und der Schrecken des Schwertes hielt
den Feind eine Weile zurück, während alle, die die Treppe erreichen konn-
ten, einer nach dem anderen hinauf zum Tor gelangten. Hinter den
oberen Stufen kniete Legolas. Sein Bogen war gespannt, aber ein einziger,
irgendwo aufgelesener Pfeil war alles, was er noch hatte, und er starrte
jetzt hinunter, bereit, den ersten Ork zu erschießen, der es wagen würde,
sich der Treppe zu nähern.
»Alle, die können, sind jetzt drinnen und in Sicherheit Aragorn«, rief
er. »Komm zurück!«
Aragorn eilte die Treppe hinauf, aber im Laufen stolperte er vor
Müdigkeit. Sofort sprangen seine Feinde vor. Schreiend kamen die Orks
die Treppe hinauf und streckten ihre langen Arme aus, um ihn zu pak-
ken. Der vorderste fiel mit Legolas' letztem Pfeil in der Kehle, aber die
anderen sprangen über ihn hinweg. Dann krachte ein großer Feldstein,
der von dem äußeren Wall heruntergeschleudert worden war, auf die
Treppe und trieb die Orks in die Klamm zurück. Aragorn erreichte die
Tür und schlug sie rasch hinter sich zu.
»Die Dinge stehen schlecht, meine Freunde«, sagte er und wischte sich
mit dem Arm den Schweiß von der Stirn.
»Schlecht genug«, sagte Legolas, »aber noch nicht hoffnungslos,
solange wir dich bei uns haben. Wo ist Gimli ?«
»Das weiß ich nicht«, sagte Aragorn. »Zuletzt sah ich ihn auf dem
Platz hinter dem Wall kämpfen, aber der Feind hat uns getrennt.«
»O weh! Das ist eine schlechte Nachricht«, sagte Legolas.
»Er ist beherzt und stark«, sagte Aragorn. »Laßt uns hoffen, daß er
nach hinten zu den Höhlen entkommt. Dort würde er eine Weile in
Sicherheit sein. Sicherer als wir. Solch ein Zufluchtsort müßte einem
Zwergen gefallen.«
»Das muß meine Hoffnung sein«, sagte Legolas. »Aber ich wünschte,
er wäre hierher gekommen. Ich wollte Herrn Gimli sagen, daß meine
Zahl jetzt neununddreißig beträgt.«
»Wenn er sich zu den Höhlen durchschlägt, wird er dich wieder über-
treffen«, lachte Aragorn. »Nie habe ich eine Axt gesehen, die so ge-
schwungen wurde.«
»Ich muß gehen und mir Pfeile suchen«, sagte Legolas. »Ich wollte, die
Nacht nähme ein Ende und ich hätte besseres Licht zum Schießen.«
Aragorn ging jetzt in die Festung. Dort hörte er zu seinem Entsetzen,
daß Éomer die Hornburg nicht erreicht hatte.
»Nein, er kam nicht zum Felsen«, sagte einer der Westfold-Mannen.
»Ich sah ihn zuletzt, als er Männer um sich scharte und am Eingang zur
Klamm kämpfte. Gamling war bei ihm, und der Zwerg; aber ich konnte
nicht zu ihnen kommen.«
Aragorn ging weiter durch den inneren Hof und stieg hinauf zu einer
hohen Kammer im Turm. Dort stand der König, dunkel vor einem schma-
len Fenster, und schaute hinaus über das Tal.
»Was gibt es Neues, Aragorn?« fragte er.
»Der Klammwall ist genommen, Herr, und die ganze Verteidigung hin-
weggefegt; aber viele haben sich hierher auf den Fels gerettet.«
»Ist Éomer hier?«
»Nein, Herr. Doch haben sich viele von Euren Leuten in die Klamm zu-
rückgezogen; und manche sagen, Éomer sei unter ihnen. Am Engpaß
mag es ihnen gelingen, den Feind aufzuhalten und in die Höhlen zu ent-
kommen. Welche Hoffnung sie dort haben, weiß ich nicht.«
»Mehr als wir. Gute Vorräte, heißt es. Und die Luft ist bekömmlich
dort, weil sie durch Spalten im Fels hoch oben abziehen kann. Niemand
kann sich gegen entschlossene Männer den Eingang erzwingen. Sie wer-
den sich dort lange halten können.«
»Aber die Orks haben eine Teufelei aus Orthanc mitgebracht«, sagte
Aragorn. »Sie haben ein Sprengfeuer, und damit haben sie den Wall ein-
genommen. Wenn sie nicht in die Höhlen gelangen können, mag es sein,
daß sie die, die drinnen sind, abriegeln. Aber jetzt müssen wir alle unsere
Gedanken unserer eigenen Verteidigung zuwenden.«
»Ich verzehre mich in diesem Gefängnis«, sagte Théoden. »Hätte ich
einen Speer einlegen und vor meinen Mannen auf das Schlachtfeld reiten
können, dann hätte ich vielleicht wieder Kampfeslust verspürt und dabei
mein Ende gefunden. Aber hier bin ich wenig nütze.«
»Hier werdet Ihr wenigstens in der stärksten Festung der Mark be-
schützt«, sagte Aragorn. »Wir haben mehr Hoffnung, Euch in der Horn-
burg zu verteidigen als in Edoras oder sogar in Dunharg im Gebirge.«
»Es heißt, daß die Hornburg niemals bei einem Angriff eingenommen
wurde«, sagte Théoden. »Aber jetzt ist mein Herz voll Zweifel. Die Welt
verändert sich, und alles, was einst stark war, erweist sich nun als unsi-
cher. Wie soll irgendein Turm einer solchen Zahl von Feinden und sol-
chem tollkühnen Haß standhalten? Hätte ich gewußt, daß Isengarts
Stärke so groß geworden ist, wäre ich ihr vielleicht nicht so unbesonnen
entgegengeritten, trotz Gandalfs ganzer Zauberkunst. Sein Rat erscheint
jetzt nicht so gut wie im Schein der Morgensonne.«
»Beurteilt Gandalfs Rat nicht, ehe alles vorüber ist, Herr«, sagte Ara-
gorn.
»Das Ende wird nicht lange auf sich warten lassen«, sagte der König.
»Aber ich will nicht hier enden, gefangen wie ein alter Dachs in einer
Falle. Schneemähne und Hasufel und die Pferde meiner Wache sind im in-
neren Hof. Wenn die Morgendämmerung kommt, werde ich meinen Man-
nen befehlen, Helms Horn zu blasen, und ich werde hinausreiten. Wollt
Ihr dann mit mir reiten, Arathoms Sohn? Vielleicht werden wir uns
einen Weg bahnen oder ein Ende finden, das ein Lied wert sein wird —
wenn irgend jemand übrig bleibt, um später von uns zu singen.«
»Ich werde mit Euch reiten«, sagte Aragorn.
Er nahm Abschied und kehrte zu den Wällen zurück, machte überall
die Runde, ermutigte die Mannen und leistete Beistand, wo immer der
Angriff heftig war. Legolas begleitete ihn. Sprengfeuer flammten von
unten auf und erschütterten die Steine. Enterhaken wurden geschleudert
und Leitern angestellt. Immer wieder erreichten die Orks die Krone des
äußeren Walls, und immer wieder warfen die Verteidiger sie hinunter.
Schließlich stand Aragorn über den großen Toren und achtete nicht
der Pfeile des Feindes. Als er hinausschaute, sah er, daß der östliche
Himmel blaß wurde. Dann hob er die waffenlose Hand, die Handfläche
nach außen als Zeichen der Unterhandlung.
Die Orks brüllten und spotteten. »Komm herunter! Komm herunter!«
schrien sie. »Wenn du mit uns sprechen willst, komm herunter! Bring
deinen König heraus! Wir sind die kämpfenden Uruk-hai. Wir werden
ihn aus seinem Loch herausholen, wenn er nicht kommt. Bring deinen
König heraus, den Drückeberger!«
»Der König bleibt oder kommt, wie es ihm beliebt«, sagte Aragorn.
»Was tust du dann hier?« fragten sie. »Warum schaust du hinaus?
Willst du die Größe unseres Heeres sehen? Wir sind die kämpf enden
Uruk-hai.«
»Ich schaue hinaus, um die Morgendämmerung zu sehen«, sagte Ara-
gorn.
»Und was ist mit der Morgendämmerung?« höhnten sie. »Wir sind die
Uruk-hai: wir hören nicht auf zu kämpfen bei Tag oder Nacht, bei schö-
nem Wetter oder Gewitter. Wir kommen, um zu töten, bei Sonne oder
Mond. Was ist mit der Morgendämmerung?«
»Niemand weiß, was ihm der neue Tag bringen wird«, sagte Aragorn.
»Macht euch davon, ehe er für euch böse ausgeht.«
»Geh weg, oder wir schießen dich vom Wall herunter«, schrien sie.
»Das ist keine Unterhandlung. Du hast nichts zu sagen.«
»Das habe ich noch zu sagen«, antwortete Aragorn. »Kein Feind hat
bisher die Hornburg eingenommen. Zieht ab, oder kein einziger von euch
wird verschont werden. Kein einziger wird am Leben bleiben, um Nach-
richten zurück nach dem Norden zu bringen. Ihr wißt nicht, in welcher
Gefahr ihr seid.«
Eine solche Macht und königliche Größe wurde an Aragorn offenbar,
als er allein über den zerstörten Toren vor dem Heer seiner Feinde stand,
daß viele der wilden Menschen innehielten und über die Schulter zurück
zum Tal blickten, und manche schauten zweifelnd zum Himmel auf.
Aber die Orks lachten mit lauter Stimme; und ein Hagel von Wurfspee-
ren und Pfeilen schwirrte über den Wall, als Aragorn hinuntersprang.
Es gab ein Getöse und einen Feuerstoß. Der Bogengang über dem Tor,
auf dem er vor einem Augenblick noch gestanden hatte, stürzte krachend
in Rauch und Staub in sich zusammen. Die Verrammelung wurde ausein-
andergerissen, als habe der Blitz hier angeschlagen. Aragorn rannte zum
Turm des Königs.
Doch gerade, als das Tor fiel und die Orks ringsum sich schreiend zum
Angriff rüsteten, erhob sich ein Gemurmel hinter ihnen, wie ein Wind in
der Feme, und es schwoll an zu einem Geschrei vieler Stimmen, die selt-
same Neuigkeiten in der Morgendämmerung ausriefen. Als die Orks auf
dem Felsen die Entsetzensrufe hörten, zauderten sie und schauten sich
um. Und dann erschallte plötzlich und schrecklich Helms großes Horn.
Alle, die den Klang hörten, zitterten. Viele der Orks warfen sich auf
den Boden und hielten sich mit den Klauen die Ohren zu. Aus der
Klamm kam der Widerhall zurück, ein Schmettern nach dem anderen, als
ob auf jedem Fels und jedem Berg ein mächtiger Herold stünde. Aber auf
den Wällen schauten die Männer auf und horchten erstaunt; denn der
Widerhall verklang nicht. Die Hornsignale wurden in den Bergen gebla-
sen; näher jetzt und lauter antworteten sie einander und schmetterten un-
gestüm und ungehemmt.
»Helm! Helm!« riefen die Reiter. »Helm ist auferstanden und zieht
wieder in den Krieg. Helm für König Théoden!«
Und zugleich mit diesem Ruf kam der König. Weiß wie Schnee war
sein Pferd, golden sein Schild und lang sein Speer. Zu seiner Rechten ritt
Aragorn, Elendils Erbe, und hinter ihm die Ritter des Hauses von Eorl
dem Jungen. Licht wurde der Himmel. Die Nacht verging.
»Vorwärts, Eorlingas!« Mit einem Kriegsruf und großem Geschrei grif-
fen sie an. Herab von den Toren brausten sie, fegten über den Dammweg
und fuhren durch die Heere von Isengart wie ein Wind durch das Gras.
Hinter ihnen aus der Klamm erschollen die lauten Rufe der Mannen, die
aus den Höhlen herauskamen und den Feind vor sich hertrieben. Heraus
kamen alle Mannen, die auf dem Felsen geblieben waren. Und immer
noch hallte der Klang blasender Hörner in den Bergen wider.
Voran ritten sie, der König und seine Gefährten. Hauptleute und
Kämpfer fielen oder flohen vor ihnen. Weder Ork noch Mensch hielt
ihnen stand. Ihre Rücken waren den Schwertern und Speeren der Reiter
und ihre Gesichter dem Tal zugewandt. Sie weinten und jammerten, denn
Furcht und großes Staunen waren über sie gekommen mit dem Anbruch
des Tages.
So ritt König Théoden von Helms Klamm und bahnte sich den Weg
zum großen Deich. Dort hielt das Heer an. Es war nun heller Tag. Son-
nenstrahlen flammten über den östlichen Bergen auf und glitzerten auf
ihren Speeren. Aber sie saßen stumm auf ihren Pferden und starrten hin-
unter auf das Klammtal.
Das Land war verwandelt. Wo vorher das grüne Tal gelegen hatte und
seine grasbedeckten Hänge sich die emporsteigenden Berge hinaufzogen,
ragte jetzt ein Wald auf. Große Bäume, kahl und still, standen dort in
einer Reihe hinter der anderen mit verschlungenen Zweigen und alters-
grauen Wipfeln; ihre gewundenen Wurzeln waren in dem langen, grünen
Gras vergraben. Dunkelheit war unter ihnen. Zwischen dem Deich und
dem Saum dieses namenlosen Waldes lagen nur zwei Achtelmeilen. Dort
kauerten jetzt Sarumans stolze Heere, voll Schrecken vor dem König und
voll Schrecken vor den Bäumen. Sie strömten herab von Helms Tor, bis
das ganze Gelände oberhalb des Deichs von ihnen frei war, aber unter-
halb waren sie dicht zusammengedrängt wie schwärmende Fliegen. Ver-
geblich krochen und kletterten sie an den Wänden der Talmulde herum
und versuchten, zu entkommen. Im Osten war die Seite des Tals zu steil
und steinig; auf der linken Seite, von Westen her, näherte sich ihr end-
gültiges Verhängnis.
Dort erschien plötzlich auf einem Grat ein Reiter, in Weiß gekleidet,
schimmernd in der aufgehenden Sonne. Über die niedrigen Berge erklan-
gen die Hörner. Hinter ihm, über die langen Hänge eilend, kamen tausend
Mann zu Fuß; ihre Schwerter hatten sie in den Händen. In ihrer Mitte
schritt ein Mann, groß und stark. Sein Schild war rot. Als er an den
Rand des Tals kam, setzte er ein großes, schwarzes Horn an die Lippen
und blies schmetternd.
»Erkenbrand!« riefen die Reiter. »Erkenbrand!«
»Seht, der Weiße Reiter!« rief Aragorn. »Gandalf ist wiedergekom-
men!«
»Mithrandir, Mithrandir!« sagte Legolas. »Das ist wahrlich Zauberei!
Kommt! Ich möchte mir diesen Wald anschauen, ehe der Zauber ver-
geht.«
Die Heere von Isengart schrien, lenkten ihre Schritte hierhin und dort-
hin und fielen von einem Schrecken in den anderen. Wieder erschallte das
Horn vom Turm. Hinab durch die Bresche im Deich griff das Heer des
Königs an. Hinab von den Bergen sprang Erkenbrand, der Herr von West-
fold. Hinab sprang Schattenfell wie ein Hirsch, der trittsicher im Gebirge
läuft. Der Weiße Reiter kam über sie, und der Schrecken seiner Ankunft
erfüllte den Feind mit Wahnsinn. Die wilden Menschen fielen vor ihm zu
Boden. Die Orks wichen zurück und schrien und warfen Schwert und
Speer beiseite. Wie ein schwarzer Rauch, von einem aufsteigenden Wind
getrieben, flohen sie. Jammernd verschwanden sie unter dem wartenden
Schatten der Bäume; und aus diesem Schatten kam keiner jemals zurück.