Gespräch mit André Marx
... anläßlich der Lesung aus seinem Buch "Die Spur des Raben" in der Buchhandlung Grauert in Oberhausen. Datum: 19.9.1997. Das Gespräch wurde geführt für die Erstausgabe der AudioKultur und für diese Seite... .
Zur Person: André Marx ist 24 Jahre alt und
hat sich an Germanistik und Sprachwissenschaften versucht, bevor
er die Uni für seine schriftstellerische Tätigkeit nach vier
Semestern verließ. Seit dem "Poltergeist" ist er
Stammautor der Drei ???... . Mit am Tisch:
André Marx' Begleiter Christian Strohkirch, der den ???-Fans
durch rege Beteiligung auf der RB-Homepage ein Begriff sein
dürfte. Ansonsten bombadiert Christian André mit Ideen - das
"brennende Schwert" ist auf einem
gemeinsamen Mist gewachsen... .
(Übrigens, bevor hier jemand auf komische Gedanken kommt: Ich habe den Cassettenrekorder nicht heimlich mitlaufen lassen - André Marx weiß von der Verbreitung dieses Mitschnitts!)
(Sven Stricker): André, nach
fast 80 Folgen "Die drei ???" - was muß ein Autor
machen, damit er noch neue Ideen bekommt?
(André Marx): Sich stundenlang den Kopf
zerbrechen, würde ich sagen. Das ist nämlich ein großes
Problem. Man kommt immer auf irgendwelche Ideen, die man gerne
umsetzen möchte, und dann fällt einem ein: "Ach, das gab
es doch erst in Folge 13 und das gab es in Folge 45" - und
so muß man dann gleich wieder alles revidieren und
weiterüberlegen. Das dauert manchmal ziemlich lange, bis man
etwas hat, was es noch nicht gab. Ich bin immer ganz stolz, wenn
ich da was finde.
Meinst du denn nicht, daß jedes Thema schon mal
abgehandelt worden ist?
Es gibt natürlich immer wieder dieselben
Handlungstränge - das wiederholt sich schon. Verfolgungsjagden
und irgendwelche Bösewichte, die etwas inszenieren, was
übernatürlich aussieht, sich aber natürlichen Ursprungs
erweist.
Mußt du die bekannten Themen also nur neu
formulieren?
Nein, nicht jedesmal. Mein nächstes
"Werk" zum Beispiel, das ich demnächst anfangen werde,
ist ein ganz neues Thema. Darauf bin ich sehr stolz.
Worum geht es da?
Also, einen Titel kann ich nicht nennen.
Da habe ich inzwischen ein Verbot vom Verlag bekommen, weil der
Titel manchmal noch geändert wird. Es geht um Musik - das ist
das Hauptthema. Da gab es zwar schon mal die
"Musikpiraten", aber es geht ein bißchen in eine
andere Richtung. Es geht um jemanden, der andere Leute durch
seine Musik manipuliert, weil sie eine Art hypnotische Wirkung
auf die Leute hat.
Also wieder eine Mystery-Folge?
Ja, genau.
Das ist doch sowieso die große Rückbesinnung
momentan, oder? Weg von diesen Action-Folgen...
Auf jeden Fall bei mir. Ich habe von
diesen ganzen Action-Sachen nicht viel gehalten und könnte so
etwas auch nicht schreiben, weil ich dazu keine Lust habe. Mir
haben die alten Sachen immer schon besser gefallen, deswegen
mache ich auch solche Geschichten.
Bist du also als Fan an die ganze Sache
herangegangen?
Jein. Früher war ich natürlich Fan, so
im Alter zwischen acht und dreizehn Jahren - wie fast alle. Dann
habe ich die Serie aus den Augen verloren, so wie ebenfalls fast
alle. Bis ich dann vor zwei, drei Jahren wieder drauf gestoßen
bin.
Du hast also die alten Bücher noch mal neu gelesen
und gedacht "Das kann ich besser", oder wie?
(lacht) Zumindest
genauso gut.
War damals dein Wunsch, Jugendbuchautor zu werden,
schon da? Oder ist der erst entstanden, nachdem du etwas aus
Spaß geschrieben hattest?
Autor wollte ich eigentlich immer schon
mal werden. Aber Jugendbuch? Darauf wäre ich eigentlich nicht
gekommen, bis ich mehr oder weniger zufällig an die Drei ???
geraten bin.
Mehr oder weniger zufällig?
Na ja, es war schon meine Absicht, das zu
machen, aber ich hatte nicht gedacht, daß es wirklich
funktionieren würde. Bis ich dann plötzlich die ersten
Verträge hatte und mittendrin war.
Du hast die Manuskripte dem Verlag zugeschickt, und
der Verlag hat gesagt: "Ja, das ist der richtige Mann für
uns?"
Nicht ganz, der Verlag hat gesagt
"Das gefällt uns ganz gut, aber leider haben wir schon eine
Autorin. Nichts zu machen!"
Frau Henkel-Waidhofer.
Genau. Bis dann allerdings Frau
Henkel-Waidhofer irgendwann keine Lust mehr hatte und gesagt hat
"Ich höre auf" - und dann war ich halt zufällig zur
richtigen Zeit am richtigen Ort und sie sind auf mich
zurückgekommen: "Sie haben uns doch mal vor einem halben
Jahr was zugeschickt. Wie wärs?"
Netter Quereinstieg. Und das ernährt jetzt seinen
Mann? Kannst du davon leben, daß du Drei ???-Bücher
schreibst?
Knapp. Wenn ich nur Drei ???-Bücher
schreiben würde, könnte ich so gut leben wie ein Student vom
Bafög. Also nicht besonders toll.
Du hast jetzt auch noch ein anderes Buch für den
Lentz-Verlag geschrieben, oder?
(lacht) Woher weißt
Du das?
Tja... . "Unter der Stadt"
ist der Titel?
Ja, richtig.
Worum geht es da?
Das ist auch eine Kindergeschichte. Es
geht um Ratten, Kanalratten, die ihre Abenteuer unter der Stadt
erleben. Dabei geht es auch um Toleranz, Vorurteile und
Fanatismus. Ich habe "Unter der Stadt"
zwischendurch geschrieben, zwischen zwei Drei ???-Büchern.
Wie erlebst du eigentlich deine Popularität durch
diese Jugendreihe, oder merkst du davon gar nichts?
Ich kriege von Popularität nur was mit,
wenn ich ins Internet schaue. Da bin ich natürlich immer sehr
geschmeichelt, und finde das ganz toll, was die Leute so
erzählen, aber sonst bekomme ich da eigentlich nichts mit.
Im Internet geht es ja nur um die Hörspiele.
Interessiert dich diese ganze Hörspielschiene überhaupt, oder
machst du das alles nur für die Bücher?

Ich muß gestehen, ich habe früher
selbst fast nur die Hörspiele gehört und von den Büchern gar
nicht so viel gelesen, aber seit ich die selbst schreibe, achte
ich schon darauf, daß es nicht nur ein Hörspiel in Buchform
ist, sondern daß es wirklich auch ein eigenständiges Buch ist.
Ich sage mir halt, die Hörspiele mache nicht ich, die macht
jemand anderes, der muß sehen, wie er mit der Geschichte
klarkommt und wie er sie umsetzt. Ich schreibe die Bücher und
kümmere mich um die Hörspiele eigentlich weniger.
Du hast also nicht bestimmte Stimmen oder Sprecher
im Ohr, wenn du deine Bücher schreibst?
Ich habe vielleicht schon ein paar
Wünsche, daß ich mir sage, die und die Figur könnte von dem
und dem gesprochen werden. Aber wie es umgesetzt wird, darauf
habe ich sowieso keinen Einfluß - und um mir nicht graue Haare
wachsen zu lassen, habe ich irgendwann gesagt "Mach
mal".
Also wenn in "Die Spur des Raben" aus
Platzgründen die Hälfte der Rätsel fehlt...
Dann ärgert mich das natürlich sehr,
aber... es ist halt nicht mein Job. Die Leute wissen schon, was
sie tun und sollen es halt so gut es geht umsetzen. Ich weiß
auch, daß André Minninger es so gut umsetzt, wie es geht. Wenn
also etwas aus Zeitgründen herausfliegen muß, dann ist er
sicher der Erfahrenere, der weiß, was er streichen kann - und
dann mische ich mich auch nicht großartig ein.
Wie läuft denn diese Hörspielübernahme in der
Praxis ab?
Er kriegt die Korrekturfahnen vom Verlag.
Bevor das Buch in Druck geht, hat er das fertige Manuskript und
macht daraus das Hörspieldrehbuch.
Ärgert es Dich, daß die ganze Popularität der
Serie hauptsächlich bei den Hörspielen liegt und nicht bei den
Büchern?
Das ist einfach eine Tatsache. Nein, das
ärgert mich nicht mehr. Ich wußte das ja auch schon vorher. Ich
versuche halt auch immer, den Kindern bei den Lesungen zu
vermitteln: "Lest auch mal die Bücher". (lacht)
Das bringt natürlich nichts. Aber ich kann es ja immer mal
wieder versuchen. Ich weiß aber auch, daß die Drei
??? längst nicht so bekannt wären ohne die
Hörspiele. Da wäre die Serie wahrscheinlich schon eingestellt
worden.
Was auch auffällt in letzter Zeit: Zum Beispiel im
"leeren Grab" begegnen uns ja
direkt im ersten Kapitel Deja-Vu's ohne Ende. Ich persönlich
finde, daß meinetwegen Allie Jamison am Anfang ein bißchen
verheizt wird.
Ja, ich weiß. Als das Buch erschienen
war und ich mir das erste Kapitel durchgelesen habe, habe ich mir
auch gesagt "Oh, das war ein bißchen viel".
Ein Kapitel für die Nostalgiker unter uns...
Ja, das war zuviel des Guten, sehe ich
ein. (lacht)
Wenn man überlegt, daß durch das Auftauchen der
ganzen Figuren von früher wie z.B. Morton die Drei ???-Geschichte
eine gewisse Tiefe und Vergangenheit bekommt - und wenn man
hingegen bedenkt, daß die Hauptfiguren seit 1964 ganze drei
Jahre älter geworden sind... . Ist das ein Problem oder
ignoriert man das einfach als Schreiber?
Also, ich finde es einfach unlogisch,
daß die Drei ??? 75 Abenteuer erlebt haben,
und nie einen von ihren alten Bekannten in Rocky Beach
wiedertreffen. Und deswegen versuche ich in jedem Buch wenigstens
in einem Nebensatz etwas von früher zu erwähnen. Einfach, um so
ein bißchen mehr Kontinuität hereinzukriegen. Zumal ich denke,
den neuen Lesern, die die alten Bücher nicht kennen, fällt es
nicht großartig auf. Da wird halt ein Name genannt, den sie
nicht kennen - aber das macht auch nichts weiter. Na ja, und die
alten Leser freuen sich, weil sie etwas wiedererkennen. Wenn ich
also im neuen Buch eine Figur aus Band 10 auftauchen lasse, dann
liegt das innerhalb der Handlungsschiene drei, vier Jahre
zurück. Diese Figur ist dann also auch drei, vier Jahre
gealtert.
Das heißt, dann haben die Helden also in vier
Jahren, wenn man 75 durch 4 teilt, relativ viele Abenteuer
erlebt...
(lacht) Ja. Aber sie
altern wenigstens. Die Fünf Freunde sind
zum Beispiel nie auch nur einen einzigen Tag gealtert.
Das ist wohl wahr. Aber trotzdem ist es doch so,
daß die altersbedingten Veränderungen wie zum Beispiel die
Freundinnen der drei Detektive zusehends an Bedeutung verlieren
und daß sogar die eigenen Autos öfter mal weggelassen werden...
. Letztlich ist es doch so etwas wie ein "Zurück in die
Zukunft". Es geht doch eigentlich mittlerweile mehr darum,
die "alten Werte" unauffällig wiederzubeleben... .
Das hängt halt immer davon ab, worauf
der jeweilige Autor den Schwerpunkt setzt. Ich konnte mit den
Freundinnen und der Führerscheingeschichte nie viel anfangen,
also lasse ich die in Zukunft weitgehend raus und besinne mich
mehr auf die anderen Sachen. Ich kann aber trotzdem nicht
ignorieren, daß die Jungs inzwischen nun mal sechzehn Jahre alt
sind.
Schreibst du eine Serie für über 25jährige wie
unsereins oder schreibst du eine Serie für Kinder?
(lange Pause, lacht)
Gute Frage. ... Ziemlich gute Frage. Weiß ich nicht. Für beide.
Keine Ahnung. Ich versuche es natürlich vom Stil her immer so zu
halten, daß 10jährige es lesen können. Ich denke aber auch
gleichzeitig beim Schreiben daran, daß sehr viele Leute über
zwanzig sind - und für die muß es halt auch noch interessant
sein. Es ist eine Gratwanderung, und ich weiß auch nicht, ob das
immer gelingt. Keine Ahnung, das kann ich nicht beurteilen. Da
mußt du die Leser fragen, ob das hinhaut oder nicht...
Hast du denn den Eindruck, daß die meisten Leser
mittlerweile mit der Serie mitgewachsen sind, wenn du Reaktionen
darauf bekommst?
Also, die meisten nicht. Ich glaube, da
gibt es einen großen Trugschluß. Gerade auch durch diese
Internet-Sache. Man kriegt immer mit, daß viele der Hörer und
der Leser Mitte 20 sind und das ganze schon seit Jahrzehnten
verfolgen. Dadurch entsteht der Eindruck, daß die meisten Leser
und Hörer irgendwo in dieser Altersgruppe liegen. Dem ist aber,
glaube ich, nicht so. Ich denke schon, daß 80 Prozent der
Leserschaft 10jährige sind.
Gibt es da Erhebungen oder ist das eine Vermutung?
Das ist eine Vermutung. Die 10jährigen
melden sich halt nicht zu Wort, deswegen weiß man es nicht.
(Anmerkung des Verfassers: Zumindest die anschließende Lesung ließ diesen Schluß absolut zu. Der 10jährigen-Anteil war eher höher als 80%...)
Wie ist es denn bei den Lesungen? Wie ist denn da
die Kundschaft?
Das sind auf jeden Fall Kinder. Die sind
aber auch rein für Kinder organisiert. In Bibliotheken oder
Schulen zumeist.
Anderes Thema: Wie ist das bei der Endabnahme? Hast
Du da Probleme mit der Zensur? Justus irgendetwas Verbotenes tun
zu lassen, wäre wahrscheinlich nicht so angebracht, oder?
Wäre nicht so angebracht. Jetzt im neuen
Buch "Das leere Grab" trinkt er ja
Whisky. Ich hätte fest damit gerechnet, daß meine Lektorin das
rausstreicht und sagt "Nee, das geht zu weit". Aber ich
habe es einfach mal dringelassen und sie hat es akzeptiert. Fand
ich ganz gut.
Aber erstaunlich, oder?
(lacht) Ja, fand ich
auch.
Und ansonsten? Mußt du viel ändern, oder kannst du
das Meiste lassen, wie du es haben willst?
Also, inhaltlich muß ich eigentlich fast
nichts ändern. Da bleibt so gut wie alles so stehen, wie ich es
geschrieben habe. Sprachlich muß ich immer wieder etwas ändern
oder ein Kapitel kürzen oder ein anderes dafür verlängern -
solche Kleinigkeiten halt.
Greifst du bei den Covern ein?
Leider nein. Was heißt
"leider". Meistens bin ich mit den Covern ganz
zufrieden - aber selbst wenn ich es nicht wäre, hätte ich
darauf keinen Einfluß. Auch auf die Titel zum Beispiel nicht.
Ich schlage natürlich immer einen Titel vor, aber ob der nun
genommen wird, ist Glückssache. Da habe ich kein
Mitspracherecht. (lacht) Ich kann immer nur
hoffen und beten, daß den Leuten vom Verlag etwas Vernünftiges
einfällt... .
Es gibt im Internet teilweise Kritik an der
ausführlichen Szene zwischen Bob und Dr.Franklin in "Stimmen
aus dem Nichts" von André Minninger. Eine solche
Psycho-Szene, die Bobs Liebesleben beleuchtet, gehöre nicht in
diese Serie. Hast Du das Gefühl, daß du in einer Struktur
gefangen bist, in der du ganz bestimmte Dinge machen mußt, die
von dir erwartet werden?
Ja, ja klar. Allein, weil die Figuren
schon so festgelegt sind. Die Figuren sind ja ziemlich
zweidimensional. Man kann Justus, Peter und Bob mit drei Worten
charakterisieren - und schon ist klar, wer das ist. Daran muß
ich mich natürlich halten. Man muß halt versuchen, in diesem
engen Rahmen möglichst viel zu machen, möglichst viel
herauszuholen aus dem, was vorgegeben ist. Das ist manchmal nicht
ganz einfach.
Ist das denn eine reizvolle Sache oder nervt es dich
zusehends?
Es ist spannend, immer wieder zu
versuchen, das Beste herauszuholen. Das macht schon Spaß, ja.
Manchmal möchte ich natürlich auch gerne über die Stränge
schlagen - "Jetzt machen die Drei etwas, was sie noch nie
gemacht haben". Aber - geht halt nicht. Weil es eine
Kinderbuchserie ist!
Wenn du "Späte Rache"
geschrieben hättest, das von der Rache eines "Drei
???-Opfers" handelt, welchen Gegenspieler
hättest du eingebaut? Wer ist der reizvollste Gegner?
Der Reizvollste ist natürlich Hugenay,
weil er immer wieder entkommt. Für "Späte Rache"
hätte ich ihn allerdings nicht benutzt.
Diese Folge fand ich übrigens ziemlich
enttäuschend, weil sie sich nicht mit einem wirklichen
Gegenspieler aus der Vergangenheit beschäftigt. Die Lösung
läßt einen kalt.
Ja, eben. Das fand ich auch nicht so
brillant gelöst. Zumal den Leuten, die die alten Bücher nicht
kennen, vorgegaukelt wird, daß es den Fall wirklich gab.
Auf jeden Fall gibt es ja ein ziemliches Repertoire
an Figuren, die alle noch mal auftauchen könnten...
Ja, jetzt haben
im Internet auch einige Leute geschrieben, daß sie J.J. aus dem
"leeren Grab" gerne wiedersehen
würden.
Passiert das?
Glaube ich nicht. Weil ich nicht jede
Figur reaktivieren kann. Es ist ja nicht so, daß ich mir einen
riesigen Stamm an Nebenfiguren aufbaue, die ich dann ab und zu
wieder einbaue. Also Morton - darauf bestehe ich, daß der dabei
ist.
Und Skinny Norris?
Hm ja, die Skinny Norris-Frage. (lacht)
Die berühmte Skinny
Norris-Frage... .
Taucht er wieder auf oder nicht - man
weiß es nicht.
Also, deinem Zögern entnehme ich, daß
er wieder auftauchen wird.
Geplant habe ich es noch nicht konkret.
Er taucht im Nächsten nicht auf - das weiß ich schon mal. Ob er
im Übernächsten auftaucht: keine Ahnung. Denn da weiß ich noch
nicht, worum es da geht.
Frage an den Insider: Es wird gemutmaßt, daß Ben
Nevis Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer sein könnte. Stimmt das
oder stimmt das nicht?
Nein.
Stimmt nicht?
Stimmt nicht. Keine Ahnung, wer das ist,
ich weiß es nicht.
Kann ich das glauben?
Das kannst du glauben, ich weiß es
wirklich nicht. Die Identität von Ben Nevis ist nur zwei, drei
Leuten bekannt, und zwar Mitarbeitern aus dem Verlag. Sonst weiß
keiner, wer das ist. Mir verrät's auch keiner. Ich hab schon die
Leute gelöchert wie blöd, es rückt keiner mit der Sprache
raus. Der Typ möchte halt unter Pseudonym schreiben - ich werde
es wahrscheinlich auch nicht erfahren. Vielleicht in zehn Jahren
mal...
Ärgert es dich eigentlich, daß die alten Folgen
wie der "Karpatenhund" abgefeiert
werden, während neue Folgen von vorneherein kritisch betrachtet
werden?
Im Internet? Es ist einfach so: Die alten
Folgen sind besser. Die ersten 30 sind von
A-Z Highlights und ab da geht es leider bergab. Da sind zwar
immer wieder gute dazwischen, aber leider nicht so viele.
Bekommst du eigentlich einen Vertrag für mehrere
Bücher, oder kann der Verlag auch sagen "Das neue Buch ist
nicht gut, geh mal wieder nach Hause damit"?
Nein, meistens bekomme ich den Vertrag
schon, bevor ich was angefangen habe zu schreiben.
Mußt Du nicht vorher erklären, worum es in dem
Buch geht?
Das schon. Ich kriege auch nur für jedes
Buch einen Vertrag extra, damit sich der Verlag nicht festlegen
muß. Wenn es halt mal Ärger gibt, sei es von rechtlicher Seite
oder daß ich mich nicht mehr mit den Leuten verstehe, dann kann
halt jede Seite sagen "Wir arbeiten jetzt nicht mehr
zusammen." Finde ich auch ganz gut so. Aber ich komme mit
den Leuten im Verlag wunderbar klar.
Wieviel Bücher sind noch von dir in der Planung?
Oder machst du das immer Schritt für Schritt?
Ich mache das Schritt für Schritt. Wir
haben uns auf drei pro Jahr geeinigt - es ist jetzt eines
erschienen im Herbst, dann erscheint im Januar eines und im
nächsten Herbst dann zwei - das wird sich wohl irgendwie so
einpendeln.
Liest du deine eigenen Bücher manchmal und findest
sie schlecht?
Also, ganz gelesen habe ich noch keins.
Wenn die neu erscheinen, blätter ich mal durch - die ersten zwei
Kapitel. Dann lege ich sie meist ganz schnell weg, weil ich sie
dann nicht mehr toll finde. (lacht)
Das schreibe ich besser nicht, glaube ich... .
Nein, das ist aber immer so. Wenn ein
Text von mir älter ist als ein halbes Jahr, finde ich ihn
meistens grauenhaft.
Hast Du Ambitionen, im Erwachsenenbereich zu
schreiben?
Würde ich schon gerne, ich komme bloß
nicht dazu. Das mit den Drei ??? ist schon
recht zeitaufwendig.
Wie lange brauchst du zum Schreiben?
Wenn ich den ganzen Tag Zeit habe, drei
Wochen etwa.
Und wie oft änderst Du den ganzen Text, bevor du
ihn abgibst? Fängst du manchmal wieder von vorne an?
Tausendmal! Ich schreibe erst einmal
durch von A-Z, auch wenn mir zwischendurch auffällt, daß ich
noch was ändern müßte. Ich laß das erst mal. Das dauert
besagte zwei bis drei Wochen. Dann muß ich meistens tausend
Sachen ändern, weil das Ende nicht mehr zum Anfang paßt, usw...
. Dann gebe ich es noch mal Leuten zu Lesen, irgendwelchen
Freunden zum Beispiel - die sagen dann auch noch mal, was ihnen
gefällt, was ihnen nicht gefällt. Dann ändere ich noch mal
was. Dann bekommt es der Verlag, der ändert auch noch mal
irgendetwas oder macht Änderungsvorschläge. Dann kriegt es
wieder der Verlag, die machen wieder Änderungsvorschläge und
ich ändere wieder was... . Dann werden die Druckfahnen
hergestellt, da wird dann auch noch mal was geändert, aber dann
nur noch Kleinigkeiten, Rechtschreibfehler und so ein Kram.
Aber du erkennst das Produkt hinterher schon noch
wieder, oder?
Jaja, die größte Differenz ist von der
ersten zur zweiten Version. Teilweise habe ich am Ende des Buches
zwei Kapitel ganz neu geschrieben oder eines völlig
rausgeschmissen oder eines noch mal dazugedichtet. Weil mir der
Aufbau nicht mehr gefiel oder weil mir im letzten Drittel noch
irgendwas ganz Tolles eingegefallen ist. Da muß ich dann schon
noch mal ran.
Kriegst du eigentlich Fanpost?
(lacht) Bis jetzt
noch nicht. Bis jetzt "nur" E-Mails, Internetfanpost.
Und fändest du es komisch, Fanpost für
Kinderbücher zu bekommen?
Würde ich mich freuen! Aber ich vermute
mal, daß die Fanpost dann wieder von erwachsenen Lesern kommt.
Ich würde doch gerne mal was von Kindern hören. Von denen habe
ich bis jetzt noch gar nichts mitbekommen.
Auch bei Lesungen nicht?
Bei Lesungen schon. Die Reaktionen sind
witzig, weil Kinder erst mal davon ausgehen, daß die Serie von
Alfred Hitchcock geschrieben wird. Und dann völlig entsetzt
sind, wenn ich ihnen sage, daß Alfred Hitchcock da nie sehr viel
mit zu tun hatte. Dann versuchen sie erst mal zu begreifen, daß
ich das bin, der die Geschichten schreibt. Kinder denken da
irgendwie ganz anders.
Hast du denn das Gefühl, daß die die Geschichten
verstehen, die du schreibst?
Ich denke doch. Ich hatte da mal ein ganz
lustiges Erlebnis, als ich aus dem "Poltergeist"
gelesen habe. Ein Kind kannte das Buch leider vorher schon, und
hat mittendrin reingerufen und den anderen Kindern die Lösung
verraten. Das war dann nicht mehr so toll... . Deswegen lese ich
auch heute aus dem "Raben".
Ach, nicht aus dem Neuen, dem "leeren
Grab"?
Nein, das eignet sich nicht so gut zum
Vorlesen. Das Thema ist zu ernst.
Das "leere Grab" hat
übrigens eine Schwäche, finde ich. Da am Ende des Buches wieder
alles so sein muß wie am Anfang, ist es von vorneherein klar,
daß die "Eltern" von Justus nicht die wahren Eltern
sein können. Das hält die Spannung natürlich ein bißchen in
Grenzen, oder?
Ja, das ist das Problem. Ich habe halt
versucht, es so zu machen, daß man doch ab und an meint, sie
sind es. Aber das ist natürlich logisch: Sie sind es nicht. Das
ist von Anfang an klar. Den Kindern ist es hoffentlich nicht
klar, die ja nach wie vor - und dabei bleibe ich - den wohl
größten Teil der Leser ausmachen. Die Erwachsenen wissen es,
logisch. Aber das mußte ich in Kauf nehmen. Anders konnte ich
die Geschichte nicht umsetzen.
André, vielen Dank für das Gespräch!
(C) 19.9.1997, Sven Stricker