Alfred Hitchcock und

Die drei ???

im "Lexikon der Kinder- und Jugend-Literatur" (Beltz)

Na, auch mal wissen, was die hehre Literaturkritik meint? Eigentlich ist das hier ja mehr ein Fall für die ???- Bücherpage von Detlev und Jörg, aber besagtes Lexikon ist mir in meiner Universitätsbibliothek "über den Weg gelaufen". Es ist schon etwas älter und im Handel nicht mehr erhältlich (Preis war 500 DM). Der folgende Artikel fiel mir beim Stöbern nach meinen Lieblings- Jugendbuchautoren auf; wer nicht so sehr an Hitchcock, sondern nur an den ??? interessiert ist, scrollt einfach nach unten, bis der Text rot wird. Viel Spaß!

"Alfred Hitchcock: Englischer Filmregisseur und Kriminalschriftsteller; Herausgeber von Detektivgeschichten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene; *13.8.1899 Leystone/Essex,+ 29.4.1980 Los Angeles (USA). Nach seiner Ausbildung am St. Ignatius College von London, einem Jesuiten-Internat, studierte H. an der Londoner Universität. Seine Interessen galten dem Theater, der Kunst und dem Ingenieurwesen. Neben dem Studium arbeitete H. bei der "Henley Telegraph Company". Die Filmfirma "Famous Player-Lasky" engagierte ihn als Mitarbeiter in der Drehbuchabteilung und später als Regieassistent. H's erster Filmversuch "Number Thirteen" (1922) blieb unvollendet. In dem Film "Pleasure Garden" (1925) nahm er erste Regieaufgaben wahr und 1926 folgten "The Mountain Eagle" und "The Lodger". Nach weiteren Filmen wurde "Blackmail" (1928), H.'s erster Tonfilm, ein großer Erfolg. Jährlich produzierte H. nun mindestens einen Film. 1940 holte der amerikanische Produzent David A. Selznick für den Film "Rebecca" H. nach Hollywood, weniger ein Thriller als eine psychologische Geschichte. Von den nun folgenden Filmen gilt "Psycho" (1960) als der bekannteste und spannendste. In den sechziger Jahren produzierte H. Filme wie "Die Vögel" (1962), "Marnie" (1964) oder "Topaz" (1969). Neben Charlie Chaplin, Sergej Eisenstein, Fritz Lang, Federico Fellini und Ingmar Bergman gehörte H. zu den prominentesten Filmregisseuren der Welt. Er war Oscar-Preisträger und wurde 1980 geadelt. Unter seinem Namen wurden einige Bücher für junge und erwachsene Leser und die Kinder-Detektiv-Serie "Die drei ???" veröffentlicht, die zu Bestsellern avancierten.

Werk, Tendenzen, Wirkung: Der Erfolg der mehr als 50 Filme H's beruht auf einer Mischung von psychologisch genau kalkulierter, optisch zwingend umgesetzter Spannung und der Konsequenz der Handlungsführung. "Suspense" und "Thrill", nur unzureichend mit "Spannung" übersetzbar, werden bei H. zu einem dramatischen, detektivischen Moment, das nicht nur die Helden seiner Filme betrifft, sondern auch den Zuschauer in seinen Bann zieht. H. gelingt es, neben die vorhandene, alltägliche Wirklichkeit eine filmische Realität zu setzen und sie vermittels überraschender Effekte, selbst über Zufälle und unglaubwürdig erscheinende Ereignisse hinweg, überzeugend auf den Betrachter wirken zu lassen. H. operiert mit inhaltlichen und visuellen Fallstrickenm mit Irritationen und Möglichkeiten, die aus Angst, Gehetztsein, Verfolgung, Spurensuche und den vielfältigen Variationen der Problemlösung sowie der Aufdeckung von Verbrechen und der Überführung des jeweiligen Täters entstehen.

H., der sich oft selbst in Nebenrollen und beiläufig erscheinenden Zuschauersituationen als Mitspieler in viele seiner Filme einbringt, hat im breiten Umfeld der Unterhaltungsliteratur seinen Namen als Herausgeber und scheinbarer Verfasser von Krimi- und Grusel- und Agentenserien zur Verfügung gestellt. Diese Reihen kommen sowohl als Erwachsenen- wie auch als Kinder- und Jugendliteratur in Umlauf und erreichten weite Verbreitung. Die Buchidee für die im deutschsprachigen Raum unter dem Sammelbegriff "Die drei ???" firmierende Buchreihe wurde Anfang der sechziger Jahre bei Random House (USA) geboren und erreichte mit Verspätung von über zehn Jahren Europa. Der Name H.s dient dabei in den meisten Fällen als Kaufanreiz und publikumswirksames Aushängeschild. Zu Beginn der sechziger Jahre publizierte H.s "Ghostwriter" Robert Arthur sehr erfolgreiche eigene Kurzkrimis sowie "Mike Shanes Mystery Magazine". Seine Motivmischung aus Spannung, sanftem Grusel- und Überraschungseffekt, eingebettet in eine nächtliche Horrorkulisse, schien geeignet, ein Erfolgsrezept für kinder- und jugendgemäße Spannungs- und Jugendliteratur abzugeben. Mit mehreren Millionen verkauften Exemplaren ist in über 20 Jahren diese Erfolgsrechnung aufgegangen: Drei Jungen, Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews ermöglichen den Verzicht auf einen alleskönnerischen Supermann und vermitteln die Suggestion eines arbeitsteiligen, gut aufeinander eingespielten Teams. Mit erheblicher Freizeit und sehr viel Eigeninitiative ausgestattet, lösen sie diffizile Aufgaben, vor denen die Polizei und selbst gewiefte Detektive versagen. Oft erhalten sie die Aufträge direkt vom "Altmeister" H. zugespielt, der persönlich mit Kopf und Paßbild und erhobenem Zeigefinger zwischen den Einzelkapiteln, oft auch am Anfang und am Schluß der mit reißerischen Titeln versehenen Bücher auftritt. Wie in seinen Filmen hält er auch hier alles unter Kontrolle. Er scheint der Magier und Marionettenführer zu sein, der die Spannung temperiert, erhöht oder abflachen läßt.

Bezüge zwischen H.s filmischem Schaffen und seiner literarischen "Mittäterschaft" sind unter anderem die detektivische Spannung, das Mitwirken von irrationalen, psychologisch fein gefädelten Momenten, seine gestische Mitwirkung, die Funktion des Verbrechens als "agens" einer Hsndlung, Überraschungseffekte, das Stellen von Rätseln, die in einer besonderen Gruppe der Kinderkrimis den Mitbeteiligten zum Selberlösen einladen ("Alfred Hitchcocks Krimibox"), die enge Beziehung zwischen Opfer und Täter.

Nach dem Tode von Robert Arthur schreibt inzwischen ein Team von Autoren die Erfolgsreihen weiter, die über das Buch hinaus durch eigenständige Klubmitteilungen, und Zeitschriften, Schallplatten Aufkleber und Kassetten ihre Rezipienten finden. Die Käufer- und Leserbindung wird dabei durch eine direkte Ansprache, dem - scheinbaren - Dialog mit dem Klubmitglied und 'Krimi'- Kenner zu optimieren versucht."

So, das war's! Gemessen an den Rezensionen, die sonst noch in diesem Lexikon stehen, war das geradezu eine Lobeshymne... . Natürlich merkt man, daß die Kritik schon über 10 Jahre alt ist, aber dennoch ganz interessant, oder?