Alfred Hitchcock Encarta:
Hitchcock, Sir Alfred Joseph (1899-1980), britisch-amerikanischer Filmregisseur und -produzent, der bedeutendste Thriller-Regisseur der Filmgeschichte. Hitchcock wurde am 13. August 1899 als Sohn eines Gemüsehändlers in London geboren. Nach dem Besuch einer Jesuitenschule und einer Tätigkeit als Werbegraphiker kam er 1920 zum Film, wo er als Requisiteur, Drehbuchautor und Regieassistent begann. Er führte erstmals Regie in The Pleasure Garden (1925). 1926 heiratete er die renommierte britische Cutterin und Drehbuchautorin Alma Reville. Mit Filmen wie Der Untermieter (1926), seinem ersten typischen Thriller über einen Frauenmörder, und Erpressung (1929), seinem ersten Tonfilm, wurde er zu einem der führenden Regisseure in Großbritannien. Zu seinen Erfolgen aus dieser Zeit gehören Der Mann, der zu viel wußte (1934), Die 39 Stufen (1935), Sabotage (1936) und Eine Dame verschwindet (1938).
1939 ging er kurz vor Ausbruch des 2. Weltkrieges nach Hollywood und nahm später die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an. Zu seinen vielen Hollywood-Thrillern, mit denen er seinen legendären Ruf als Master of Suspense" begründete, gehören in den vierziger Jahren Rebecca (1940) nach dem Roman von Daphne du Maurier, Verdacht (1941) mit Cary Grant und Joan Fontaine, Das Rettungsboot (1943), Ich kämpfe um dich (1945) mit Gregory Peck und Ingrid Bergman, Berüchtigt (1946) mit Cary Grant und Ingrid Bergmann sowie der Gerichtsfilm Der Fall Paradin (1947) mit Charles Laughton.
Das Jahr 1948 bedeutete einen Einschnitt in Hitchcocks Karriere. Er gründete eine eigene Produktionsfirma und drehte mit Cocktail für eine Leiche (1948) seinen ersten Farbfilm, ein Kammerspiel über zwei homosexuelle Studenten, die einen Kommilitonen ermordet haben, mit James Stewart in der Hauptrolle. Bei diesem Streifen verfolgte Hitchcock das ehrgeizige Ziel, den Eindruck zu erwecken, als sei der Film in einer einzigen Einstellung gedreht worden. Die rote Lola (1950) entstand in Großbritannien mit Marlene Dietrich und Jane Wyman in den Hauptrollen. Der Fremde im Zug (1951) gilt als einer von Hitchcocks besten Thrillern und entstand nach einem Roman von Patricia Highsmith. In Ich beichte (1952) spielt Montgomery Clift einen Priester, der unschuldig in Mordverdacht gerät. Er kennt den wahren Mörder, kann dessen Identität jedoch nicht preisgeben, da er an das Beichtgeheimnis gebunden ist.
Mit Bei Anruf Mord (1954) begann die Zusammenarbeit mit Grace Kelly, die wie keine andere den von Hitchcock bevorzugten Frauentypus verkörperte, nämlich die elegante, kühle Blondine mit unterschwelligem Sexappeal. Grace Kelly wirkte auch in den nächsten beiden Filmen mit, die zu Höhepunkten seines Schaffens in den fünfziger Jahren gehören. In Das Fenster zum Hof (1954), einem Film, der das Thema Voyeurismus zum Zentrum hat, spielt sie die Verlobte eines Zeitungsphotographen (James Stewart), der zu der Überzeugung kommt, dass ein Nachbar gegenüber einen Mord begangen hat. Wegen eines gebrochenen Beins an den Rollstuhl gefesselt, bringt er sich und seine Verlobte bei dem Versuch, den Täter zu überführen, in Bedrängnis. Der elegante und witzige Thriller Über den Dächern von Nizza (1955) mit Cary Grant und Grace Kelly handelt von der Überführung eines Juwelendiebes. Es folgten Immer Ärger mit Harry (1956), eine makabre Komödie über eine Leiche, die nicht zum Verschwinden gebracht werden kann, Der Mann der zu viel wußte (1956) mit Doris Day und James Stewart in den Hauptrollen sowie Der falsche Mann (1957) mit Henry Fonda.
Aus dem Reich der Toten (1958) mit James Stewart und Kim Novak gilt allgemein als einer von Hitchcocks besten Filmen. Der Film besticht durch seine Farbdramaturgie, die Musik, die hervorragenden darstellerischen Leistungen und den raffinierten Plot; er erzählt die Geschichte einer erotischen Obsession. In dem Spionage-Thriller Der unsichtbare Dritte (1959) gerät Cary Grant durch eine Verwechslung unter Spionageverdacht und wird gekidnappt. Hitchcock selbst erklärte diesen Film zur Quintessenz seiner amerikanischen Filme.
Anfang der sechziger Jahre drehte Hitchcock zwei seiner berühmtesten Filme. In Psycho (1960) verkörpert Anthony Perkins den psychopathischen Frauenmörder Norman Bates. Berühmt wurde die drastische Szene, in der die flüchtige Diebin Marion Crane (Janet Leigh) unter der Dusche erstochen wird. Der Horrorfilm Die Vögel (1963) mit Tippi Hedren und Rod Taylor in den Hauptrollen rückt eine verschlafene kalifornische Kleinstadt in den Mittelpunkt, deren Einwohner von aggressiv gewordenen Vögeln in mörderischer Absicht angegriffen werden. Der Film erzeugt, hervorgerufen durch verschiedene dramaturgische Mittel, eine Atmosphäre der ständigen Bedrohung. Es folgten noch fünf weitere Streifen, die allgemein nicht mehr zu Hitchcocks besten Werken gerechnet werden: Marnie (1964) mit Tippi Hedren und Sean Connery, der Spionage-Thriller Der zerrissene Vorhang (1966) mit Julie Andrews und Paul Newman, Topaz (1969), Frenzy (1972) und Familiengrab (1976).
Thematischer Fixpunkt in Hitchcocks Filmen, der leitmotivartig in unterschiedlicher Form immer wieder auftaucht, ist der Identitätsverlust des Helden aus bürgerlichem Umfeld, dessen gewohnte Ordnung durch äußere Ereignisse erschüttert wird. Als Regisseur beeindruckte er durch weltläufigen Witz und makellose Filmtechnik mit starkem Hang zur Stilisierung, zur subtilen psychologischen Durchdringung und zur Verwendung doppeldeutiger Symbole, aber auch durch seinen typisch britischen Humor mit Tendenz zum Makabren. Bekannt war Hitchcock auch für seine Eigenheit, sich in jedem seiner Filme selbst zu verewigen, indem er in einer kurzen stummen Rolle auftrat. Neben seiner Filmarbeit brachte Hitchcock mehrere Kurzgeschichtensammlungen heraus und produzierte zwei Fernsehserien, Alfred Hitchcock Presents (1959-1962) und The Alfred Hitchcock Hour (1963-1965), in denen er als jovialer Conférencier unheimliche Geschichten vorstellte. Von dem renommierten französischen Regisseur François Truffaut erschien 1966 der Interviewband Le cinéma selon Hitchcock (1973, Mr. Hitchcock, wie haben sie das gemacht?). Alfred Hitchcock, der nie mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, erhielt 1979 den Life Achievement Award des American Film Institute für sein Lebenswerk. Er starb am 29. April 1980 in Los Angeles.