Tausend und eine Nacht - Band 2

Gustav Weil


Zweiter Band

Geschichte des Prinzen Seif Almuluk und der Tochter des Geisterkönigs.

Man erzählt, o glückseliger und einsichtsvoller König! wie einmal in der Hauptstadt Ägyptens ein König war, welcher Assem, der Sohn Safwans, hieß; er war gerecht, edel und Ehrfurcht gebietend, besaß viele Länder und Schlösser, viele Festungen und Truppen. Sein Vezier hieß Fares, Sohn Salechs; sie kannten jedoch nicht den erhabenen Gott, sondern beteten die Sonne an. Dieser König lebte hundertachtzig Jahre, wurde daher in seinem hohen Alter sehr schwach und kränklich, und hatte kein Kind, weder einen Sohn noch eine Tochter; dies betrübte ihn Tag und Nacht. Nun wird erzählt, daß er einst auf seinem Thron saß, wie gewöhnlich von aufwertenden Vezieren und Großen des Reichs und Mamelucken umgeben. So oft jemand mit Kindern hereintrat, die neben ihrem Vater Platz nahmen, war er traurig, denn er dachte dabei: „Ein jeder ist glücklich und vergnügt mit seinen Kindern, und ich habe keines. Wenn ich sterbe, so werde ich mein Reich, meinen Thron, meine Pferde, meine Diener und meine Schätze Fremden hinterlassen müssen, und niemand wird mehr meiner mit Liebe erwähnen, ja, man wird gar meines Namens nicht mehr gedenken.“ Diese betrübenden Gedanken beschlichen das Gemüt des Königs, sobald Leute mit ihren Kindern an ihm vorübergingen. Er mußte weinen, stieg vom Thron herab, setzte sich auf die Erde und jammerte. Als der Vezier und die übrigen Anwesenden dies sahen, fürchteten sie für ihr Leben. Sodann riefen die Großen des Reichs und die Djausch: „Geht alle nach Hause und bleibt ruhig, bis der König von seinem jetzigen Zustand sich ermannen wird.“ Alle entfernten sich, nur der Vezier blieb beim König zurück.

Als der König wieder zu sich kam, küßte der Vezier die Erde vor ihm und sagte: „O König der Zeit! was bedeutet dieses Weinen und dieses Seufzen? Sage mir, welcher König der Erde hat dir Unrecht getan? oder welcher Herr von Vesten und Schlössern? oder welcher Große des Reichs? Sage mir, wer hat sich deinen Befehlen widersetzt, daß wir uns gegen ihn aufmachen und ihm das Herz aus seinem Leib reißen?“ Der König antwortete nicht, und hob auch seinen Kopf nicht in die Höhe. Der Vezier küßte dann die Erde wieder und sagte: „O Herr! ich bin doch wie dein Sohn und dein Sklave, ich habe dich auf meinen Armen getragen; wenn ich deinen Zustand, deinen Gram und deinen Schmerz nicht kennen darf, wer soll ihn dann kennen? Wer kann meine Stelle bei dir vertreten? Sage mir, warum du weinst und so traurig bist?“ Aber der König sprach kein Wort, öffnete seinen Mund nicht und hob den Kopf nicht in die Höhe, sondern weinte immer fort; der Vezier sah ihm eine Weile zu, dann sprach er: „O König! wenn du mir nicht sagst, was dir geschehen, so bringe ich mich um und stoße mir lieber dies Schwert ins Herz, als daß ich dich länger so betrübt sehe. Der König hob dann seinen Kopf in die Höhe, trocknete seine Tränen und sagte: „O verständiger und wohlratender Vezier! überlasse mich meinem Gram und meinem Schmerz! Ich habe wohl genug an dem, was mich getroffen.“ Der Vezier versetzte: „Sag mir, warum du weinst, vielleicht kann durch mich geholfen werden.“ Da sprach der König: „O Vezier! ich weine nicht um Geld, noch um ein Königreich, oder etwas dem Ähnliches. Aber ich bin nun ein alter Mann geworden, schon hundert Jahre sind an mir vorübergegangen und ich habe weder Sohn noch Tochter! und wenn ich sterbe, wird mein Name mit mir begraben werden und jede Spur von mir verschwinden! Fremde werden meinen Thron und mein Reich nehmen, und niemand wird meiner mehr gedenken.“ Da sagte der Vezier Fares: „O Herr! ich bin hundert Jahre älter als du; auch ich habe kein Kind und lebe deswegen Tag und Nacht in Gram dahin; doch was können wir beide tun?“ Der König antwortete: „O Vezier! weißt du dafür gar kein Mittel und keine Aushilfe?“ Er versetzte: „Wisse, ich habe gehört, im Lande Saba sei ein König, der Salomo, Sohn Davids, heiße, von dem behauptet wird, er sei ein Prophet; er ist ein sehr mächtiger König, der den Himmel, die Menschen, die Vögel, die Tiere, die Luft und die Geister beherrscht; denn er versteht die Sprache der Vögel wie die der Völker; er fordert alle auf zum Glauben an seinen Herrn, wir wollen ihm daher in deinem Namen, großmächtiger König! einen Gesandten schicken und von ihm fordern, was du wünschest. Ist sein Glaube der wahre, so wird sein Gott mächtig genug sein, um dir und mir einen Sohn oder eine Tochter zu bescheren; wir werden uns dann zu seinem Glauben bekehren und seinen Gott anbeten, wo nicht, so müssen wir eben Geduld haben und auf andere Mittel denken.“

Der König sprach: „Dein Rat ist der beste und deine Rede tut meinem Herzen wohl; doch wo findet sich ein Bote für eine so wichtige Angelegenheit? denn das ist kein geringer König; es ist eine ernste Sache, vor ihm zu erscheinen, und ich möchte nicht, daß ein anderer als du zu ihm ginge, denn du bist alt und erfahren; ich wünsche daher, daß du diese Mühe übernähmest, da du doch in derselben Not bist, wie ich: reise du zu ihm und suche Hilfe, vielleicht wird sie uns durch dich.“ Der Vezier sagte: „Dein Wille ist mir Gebot! doch jetzt erhebe dich! besteige deinen Thron und versammle die Fürsten, die Großen des Reichs, die Truppen und dein Volk, wie gewöhnlich, vor dir; denn sie sind alle mit unruhigem Herzen von dir gegangen; ich will aber dann nicht länger zögern, zu dem fremden König zu reisen.“ Der König erhob sich sogleich, setzte sich auf den Thron und der Vezier befahl dem obersten Kammerherrn: „Sage den Leuten, sie könnten, wie gewöhnlich, ihre Aufwartung machen.“ Da kamen nun die Offiziere der Truppen und die Großen des Reichs; es wurden Tische für sie gedeckt, sie aßen und tranken und verließen, als dies vorüber war, den König wieder. Der Vezier entfernte sich dann auch; er ging in sein Haus und machte seine Vorbereitungen zur Reise; dann kehrte er wieder zum König zurück, der ihm seine Schatzkammer öffnen und die kostbarsten Stoffe und andere unschätzbare Gegenstände, die weder ein Vezier, noch ein Fürst zu umfassen imstande ist, übergeben ließ. Er empfahl ihm dann noch, vor Salomo mit Würde zu erscheinen, ihn ja zuerst zu grüßen und in seiner Gegenwart nicht zu viel zu sprechen. Dann sagte er: „Trag ihm deine Angelegenheit vor, und sagt er dir seine Hilfe zu, so ist's schon gut, kehre dann schnell zurück, denn ich erwarte dich!“ Der Vezier küßte noch die Hand des Königs und reiste fort mit den Geschenken Tag und Nacht, bis er nach dem Lande Saba kam und nur noch vierzehn Tagesreisen von der Hauptstadt entfernt war. Da offenbarte Gott dem Salomo, Sohn Davids - Friede sei mit ihm! - „Der König von Ägypten schickt dir seinen Vezier mit vielen Geschenken, er befindet sich an dem und dem Ort; sende du nun deinen Vezier Asaf, den Sohn Barachjas, ihm entgegen, und wenn der Gesandte nun vor dir erscheint, so frage ihn, hat dich nicht dein König in der und der Angelegenheit hergesandt? Dann lade sie ein, den wahren Glauben anzunehmen.“ Salomo, Friede sei mit ihm! befahl sogleich seinem Vezier Asaf, Sohn Barachjas, einige von seiner Umgebung, mit reichem Proviant beladen, mitzunehmen und dem Vezier aus Ägypten entgegenzueilen. Asaf macht sich reisefertig und ging dem Vezier entgegen; er grüßte ihn, nahm ihn gut auf, ließ große Mahlzeiten für ihn herrichten und sprach: „Willkommen und erfreulich sind mir solche Gäste, wie ihr! Lasset euch nur wohl sein, und wisset, daß eurem Anliegen willfahrt werden wird.“ Da sagte der Vezier Fares: „Wer hat euch das gesagt?“ Asaf antwortete: „Unser Prophet Salomo - Friede sei mit ihm!“ - Da fragte Fares: „Und wer hat es eurem Herrn Salomo gesagt?“ - „Der Herr des Himmels und der Erde!“ antwortete Asaf. Da sagte der Vezier Fares: „Wahrlich, das muß ein mächtiger Gott sein!“ Asaf fragte nun: „Und was für einen Gott betet ihr denn an?“ Der Vezier Fares antwortete: „Wir beten die Sonne vor allen anderen Gestirnen an; doch kann sie gewiß nicht Gott sein, denn sie geht ja unter, während Gott über alles wacht.“ Sie reisten dann langsam fort, bis sie nach der Residenz kamen. Da befahl Salomo allen wilden Tieren, sich nach ihren verschiedenen Gattungen in Reihen aufzustellen; dann erschienen noch mehrere Abteilungen Geister in den verschiedensten und furchtbarsten Gestalten, und stellten sich gleichfalls in Reihen; so noch die Vögel, welche in den mannigfaltigsten Sprachen und Dialekten redeten, Als die Ägypter dahin kamen, fürchteten sie sich und wagten es nicht, weiter zu gehen. Asaf aber sprach zu ihnen: „Geht nur vorwärts und fürchtet euch nicht! denn alle diese sind Diener Salomos, des Sohnes Davids, Friede sei mit ihm! und es wird euch niemand etwas zuleide tun.“ Asaf mit seinem ganzen Gefo lge ging voraus und die anderen folgten dann furchtsam zwischen ihnen durch die Stadt, wo sie in ein für fremde Gäste bestimmtes Haus geführt wurden; man erwies ihnen drei Tage lang viele Ehre; Festlichkeiten und Mahlzeiten wurden ihretwegen veranstaltet. Nach drei Tagen stellte sie Asaf dem König Salomo, Friede sei mit ihm! vor. Als sie in den Saal traten, wollten sie die Erde vor ihm küssen, aber Salomo ließ das nicht zu und sagte: „Nur vor dem erhabenen Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, ziemt es sich, daß man sich verbeuge; denn“, fuhr er fort, „die Erde gehört Gott, und wir alle sind seine Sklaven. Wer von euch sich setzen will, der setze sich; wer stehen bleiben will, der bleibe stehen! aber niemand setze sich zu meiner Bedienung. „ Der Vezier Fares setzte sich dann mit einigen seiner Vertrauten, und einige jüngere Diener blieben zu seiner Bedienung stehen. Kaum saßen sie, so wurde der Tisch gedeckt und jedermann aß; dann sprach Salomo, Friede sei mit ihm! zu dem Vezier von Ägypten: er möge ihm nur die Angelegenheit, wegen der er diese beschwerliche Reise unternommen habe, ohne Furcht vortragen, damit sie ins reine gebracht werde; - „doch“, fuhr er fort, „ich will sie dir selbst sagen, Vezier! Der König Assem ist schon sehr alt und Gott hat ihm kein Kind beschert, was ihn Tag und Nacht bekümmert und grämt. So saß er auch einst auf seinem Thron, da kamen die Veziere, die Fürsten und die Großen seines Reiches, und jeder hatte ein Kind oder auch mehrere bei sich, die dem König ihre Aufwartung machten. Nun dachte der König im Übermaße der Trauer: Wer wird wohl nach meinem Tod über mein Reich und meine Untertanen herrschen? gewiß nur ein Fremder, und ich werde vergessen sein, als wäre ich nie gewesen. Er blieb in solchen Gedanken versunken, bis seine Augen Ströme von Tränen vergossen; da bedeckte er sein Gesicht mit einem Tuch und weinte heftig, stieg vom Thron herab auf den Boden und schrie laut, und nur der erhabene Gott wußte, was er im Herzen hatte. Dann hießen seine Kammerherrn und die Djausch die Leute weggehen, indem sie ihnen sagten: Geht eures Weges, denn der Sultan ist krank; hierauf gingen alle fort, du allein bliebst beim König, küßtest die Erde vor ihm und fragtest ihn, warum er so weine? aber er antwortete nicht.“ Und so erzählte ihm dann unser Herr Salomo, Friede sei mit ihm! alles, was zwischen dem König und ihm vorgefallen, das zu wiederholen überflüssig wäre.

Nachdem der König Salomo geendet hatte, sprach der Vezier Fares: „O Prophet Gottes! das ist alles wirklich wahr; als ich aber mit dem König von dieser Sache sprach, war niemand anwesend; wer kann dir wohl das alles berichtet haben?“ Salomo antwortete: „Der Herr, der da weiß, was offenbar und verborgen ist.“ Da sagte der Vezier: „O Prophet Gottes! das muß ein großer, mächtiger Herr sein;“ und hierauf wurden der Vezier und alle Leute, die mit ihm waren, Muselmänner. Da sagte Salomo, Sohn Davids: „Hast du nicht die und die Geschenke bei dir?“ Der Vezier antwortete: „Ja!“ Da sagte Salomo: „Ich nehme alles an und schenke es dir.“ Dann fuhr er fort: „Geh jetzt, Vezier! ruhe dich diese Nacht recht aus, denn du bist noch müde von der Reise. Morgen, so Gott will, wird alles gut gehen und deine Angelegenheit wird bestens besorgt werden nach dem Willen des Herrn des Himmels und dessen, der das Licht nach der Dunkelheit schuf.“ Der Vezier ging dann in seine Wohnung und dachte die ganze Nacht über unsern Herrn Salomo nach. Als der Morgen anbrach, stand er auf und ging zu Salomo, der so zu ihm sprach: „Wenn du zum König Assem kommst und ihr beide zusammen seid, so nehmet Bogen, Pfeil und Schwert und geht nach dem Ort so und so, dort findet ihr einen Baum, den besteigst, ihr werdet dann zwei Schlangen unter dem Baum hervorkriechen sehen, die eine wird einen Kopf haben, so groß wie eine Kuh, und die andere den Kopf eines Geistes, beide aber werden goldene Ketten um den Hals tragen; sobald ihr diese Schlangen seht, werft die Pfeile nach ihnen und tötet sie; dann schneidet Fleisch von der Länge einer Spanne aus ihren Köpfen, und ebensoviel von ihren Schwänzen; aus dem übrigen Fleisch lasset Gebackenes machen und gebt es euren Weibern zu essen: dann schlaft jene Nacht bei ihnen, und sie werden mit Erlaubnis des erhabenen Gottes mit zwei Söhnen schwanger werden.“ Der Prophet Salomo, Friede sei mit ihm! ließ hierauf einen Siegelring, ein Schwert und eine Schachtel, in welcher zwei mit Gold verzierte Kleider lagen, herbeibringen und sprach: Vezier! wenn die Kinder groß sind, so gebt jedem eines davon!“ Er fügte hinzu: „Nun, Vezier! Gott wird euren Wünschen willfahren, du hast nicht nötig, länger hier zu bleiben, reise mit dem Segen Gottes, denn der König Assem erwartet deine Ankunft Tag und Nacht, und seine Augen sind stets nach dem Weg gerichtet, den du kommen sollst.“ Der Vezier Fares nahm jetzt von Salomo Abschied und reiste vergnügt ab, weil er seine Angelegenheiten so gut besorgt hatte. Er reiste Tag und Nacht, bis er in die Nähe der Hauptstadt seines Königs kam; da schickte er einige seiner Diener voraus, um dem König seine Ankunft zu melden. Als der König diese Nachricht empfing, freute er sich mit den Vornehmsten seines Reiches sehr darüber und zog dem Vezier entgegen. Als sie einander begegneten, stieg der Vezier vom Pferd, küßte Hand und Fuß des Königs und benachrichtigte ihn sogleich, daß sein Wunsch auf die beste Weise in Erfüllung gehen werde; dann schlug er ihm den wahren Glauben vor, den auch der König Assem mit allen Großen seines Reichs und sämtlichen Bewohnern seines Landes annahm, nebst allen Fremden, die sich darin aufhielten. Der König Assem war sehr erfreut und sagte dem Vezier: „Geh jetzt nach Hause, nehme ein Bad und ruhe dich eine Woche aus; dann komm wieder zu mir, damit ich dir meine Befehle erteilen kann.“

Der Vezier küßte die Erde, ging mit seinem Gefolge und seinen Dienern nach Hause und ruhte dort acht volle Tage von den Beschwerden der Reise aus; nach Verlauf dieser Zeit trat er wieder seinen Dienst an und erzählte dem König alles, was zwischen ihm und dem Herrn Salomo, Friede sei mit ihm! sich zugetragen. Er sagte dann zu dem König: „Komm jetzt allein mit mir und laß uns zusammen gehen!“ Sie nahmen dann Bogen und Pfeil und bestiegen den Baum, den Salomo bezeichnet hatte; sie blieben da ruhig bis Mittag; da krochen zwei Schlangen unter dem Baum hervor. Als der König sie sah, gefielen sie ihm sehr und er sagte: „O Vezier! diese Schlangen haben goldene Ketten, das ist bei Gott wunderbar! Wir wollen sie fangen, in einen Käfig sperren und uns an ihnen ergötzen.“ Aber der Vezier antwortete: „Gott hat sie zu einem anderen Zweck geschaffen; wirf du deinen Pfeil nach der einen, ich werde ein gleiches mit der anderen tun.“ Sie stiegen jetzt vom Baume herunter und töteten die Schlangen; sie schnitten eine Spanne groß vom Kopf und ebensoviel vom Schwanz, nahmen das übrige Fleisch und gingen damit in den Palast des Königs; hier ließen sie den Koch kommen und sagten ihm: „Laß dieses Fleisch gut backen und bringe sogleich zwei Schüsseln davon her, zögere nicht!“ Der Koch nahm das Fleisch und röstete es in Fett und allerlei Gewürzen und stellte es in zwei Schüsseln vor dem König auf. Der König nahm eine Schüssel davon und gab daraus seiner Frau zu essen, und der Vezier nahm die andere und gab sie der seinigen. Beide wohnten mit dem Willen und der Macht Gottes in jener Nacht ihren Frauen bei. Der König brachte nun drei Monate lang in größter Spannung und Unruhe zu und dachte bei sich: wird es wohl wahr werden oder nicht? Seine Frau aber, welche eines Tages ruhig dasaß, fühlte plötzlich, wie sich das Kind in ihrem Leibe bewegte; sie ließ einen ihrer ältesten Diener kommen und sagte ihm: „Lauf schnell zum König und sage ihm, wo er auch sein mag: Herr! meine Herrin ist wirklich gesegneten Leibes, denn schon bewegt sich das Kind darin.“ Der Diener lief freudig zum König, der allein und betrübt saß, das Gesicht auf die Hand gestützt und nachsinnend, ob wohl die Speise auf seine Frau die gehoffte Wirkung haben werde oder nicht. Der Diener küßte die Erde vor ihm und sagte: „Ich bringe dir gute Nachricht, Herr! meine Gebieterin ist gesegneten Leibes, das Kind bewegt sich darin, sie hat schon Schmerzen und sieht blaß aus.“ Als der König dies hörte, sprang er vor Freude auf, küßte die Hand des Dieners und seinen Kopf und machte ihm ein Geschenk. Er sagte dann zu den Großen seines Reiches, die dazukamen: „Wenn ihr mich liebt, so erweist ihm Gutes und schenkt ihm Geld, Edelsteine und Rubine, Maulesel und Pferde, Güter und Gärten. Sie schenkten dem Diener Unzählbares. Zur nämlichen Zeit trat der Vezier herein und sagte: „O Herr! ich saß allein zu Hause und dachte über die Wirkung der Speise nach, die ich meiner Frau vorgesetzt hatte, da kam ein Diener zu mir und kündigte mir an, meine Frau spüre nun, daß sie gesegneten Leibes sei, denn das Kind habe sich schon darin bewegt, sie fühle Schmerzen und sehe blaß aus. Vor Freude schenkte ich ihm alle Kleider, die ich an mir hatte, dazu noch tausend Dinare und ernannte ihn zum ersten aller meiner Diener.“

Der König sprach dann zu dem Vezier: „Da der erhabene Gott, gepriesen sei er, uns so gnädig war, und aus der Finsternis zum Licht geführt hat, so will ich auch allen Leuten eine Freude machen.“ Der Vezier sagte: „Befehle nur, was du tun willst!“ Da sprach der König: „Geh und laß alle Verbrecher aus dem Gefängnis los, befreie auch die, auf denen Schulden lasten; wer aber von nun an noch ein Verbrechen begeht, dem lasse ich den Kopf abschlagen und ihn bestrafen, wie er es verdient. Auch will ich dem Volke die Abgaben auf drei Jahre erlassen. Sodann laß rings um die Stadt Herde mit Töpfen aufrichten, auf denen die Köche Tag und Nacht kochen sollen, und alle Leute aus der Stadt und Umgegend sollen essen und trinken und es sich wohl sein lassen. Sodann soll die Stadt festlich geschmückt werden und die Läden sollen bei Nacht wie bei Tag offen bleiben. Geh nun, Vezier! tue, was ich befohlen, sonst lasse ich dir den Kopf abschlagen!“ Der Vezier ging und vollzog die Befehle des Königs. Alle Schlösser und Festungen des Landes wurden prachtvoll verziert. Jeder zog seine kostbarsten Kleider an, und das Volk aß und trank und spielte, und ließ es sich wohl sein. Als nun die Zeit der Niederkunft herannahte, da ließ der König Assem alle Gelehrten und Sterndeuter, die Häupter des Volks, die Schreiber usw. kommen, und sie warteten nun, bis eine Perle in eine Tasse geworfen wurde, denn das hatten die Sterndeuter als Zeichen der Niederkunft mit den Hebammen und den Dienern verabredet. Als die Zeit herannahte, wurde dasselbe gegeben; der Knabe aber, der zur Welt kam, glich dem aufgehenden Monde. Da fingen nun alle an, ihre Berechnungen zu machen über die Zeit der Schwangerschaft und die Geburt und trugen es in die Chronik ein. Dann standen sie auf, küßten die Erde und sagten dem König Assem: „Der Stern dieses Kindes ist ein glücklicher, und die Zeit seiner Geburt ist eine gesegnete, doch wird ihm in seiner Jugend manches zustoßen, das wir dem König nicht gerne mitteilend Der König sprach: „Redet und fürchtet euch nicht!“ Sie fuhren dann fort: „O Herr! er wird dieses Land verlassen und in die Fremde reisen, wird Schiffbruch leiden und in Gefangenschaft geraten, und viele Not und Gefahr auszustehen haben; doch wird er zuletzt alles überwinden und am Ziele anlangen. Die Tage seines übrigen Lebens werden angenehm sein, er wird seinen Feinden Trotz bieten und über Länder und Völker herrschen.“ Als der König die Worte der Sterndeuter hörte, sprach er: „Ihr weissagt so schlimmes nicht; denn was der erhabene Gott über den Menschen bestimmt, das muß geschehen, und der Mensch kann nichts daran ändern. Der Allmächtige sei gepriesen! denn er wird uns, bis mein Sohn seine Prüfungszeit der Leiden antritt, tausend Freuden an ihm erleben lassen.“ Er dachte weiter nicht mehr an das, was sie gesagt, beschenkte sich reichlich und sie verließen den Hof. Da kam der Vezier Fares voller Freude zum König und sagte, nachdem er die Erde vor ihm geküßt: „Herr! soeben ist meine Frau mit einem Sohne, leuchtend wie der Mond, niedergekommen.“ Der König erwiderte: „O Vezier! bringe deine Frau und deinen Sohn hierher, damit er mit dem meinigen im Schloß erzogen werde.“

Der Vezier brachte seine Frau und seinen Sohn ins Schloß; die Ammen trugen die Kinder sieben Tage lang herum; dann legten sie sie auf ein Polster, brachten sie vor den König und fragten ihn, welche Namen er ihnen geben wolle. Er aber sprach: „Gebt ihr einen Namen!“ Sie versetzten: „Niemand anders als der König darf bestimmen, wie die Kinder heißen sollen.“ Der sagte aber: „Nennt meinen Sohn Seif Almuluk (Schwert der Könige), wie mein Großvater hieß, und den Sohn des Veziers Said (der Glückliche)!“ Er beschenkte dann die Ammen und sagte ihnen: „Gebt wohl auf die Kinder acht und wartet ihrer sorgfältige Die Ammen warteten der Kinder, bis sie fünf Jahre alt waren, dann übergaben sie sie einem Gelehrten, der sie im Schreiben und im Koran unterrichtete, bis sie zehn Jahre alt wurden; dann lehrte man sie Reiten, Schießen, Fechten, Ball spielen und alle Ritterkünste, bis sie fünfzehn Jahre alt waren und alle anderen ihres Alters an ritterlicher Gewandtheit und Geschicklichkeit übertrafen. Jeder von ihnen konnte allein gegen tausend Reiter kämpfen und ihnen widerstehen. Der König Assem sah ihnen oft zu und freute sich ihrer, bis sie fünfundzwanzig Jahre alt wurden. Da ließ der König den Vezier Fares allein zu sich kommen und sagte zu ihm: „O Vezier! mir ist etwas eingefallen, worüber ich dich zu Rate ziehen möchte.“ Der Vezier antwortete: „Tue, was dir dein Herz sagt! denn der Segen kommt aus deinem Munde.“ Da versetzte der König: „Da ich nun ein ganz alter Mann bin, möchte ich die Last meiner Regierung ablegen und sie meinem Sohne Seif Almuluk übergeben, denn er ist ein guter Jüngling, vollkommen in allen Rittertugenden und verständig. Ich aber werde den Rest meiner Tage in der Zurückgezogenheit mit Gebet zubringen. Was sagst du dazu?“ Der Vezier erwiderte: „König, was du sprichst, ist Segen bringend. Ich werde deinem Beispiel folgen und das Vezierat meinem Sohne Said übergeben, der auch ein guter, kenntnisreicher und einsichtsvoller Jüngling ist; so werden dann zwei junge Leute beisammen sein, denen wir raten werden, um sie auf den Pfad des Guten, der Gerechtigkeit und Wohltätigkeit zu leiten.“ Der König aber sprach zum Vezier: „Stelle die Briefe aus, halte die Boten bereit nach allen Ländern, Provinzen, Schlössern und Festungen, die unter uns stehen; sie (die Verwalter) sollen alle an einem Tag auf der Rennbahn der Gerechtigkeit sich versammelnd Der Vezier ging sogleich und schrieb allen Befehlshabern, Verwaltern und Schloßhauptleuten, sich nebst allen ihren Untergebenen, groß und klein, in einem Monat daselbst zu versammeln.

Der König befahl dann seinen Kämmerlingen, den großen Gang mitten auf der Rennbahn mit Teppichen zu belegen, die Rennbahn selbst aber mit den kostbarsten Stoffen auszuschmücken; auch sollten sie den großen Thron dahin bringen lassen, auf welchem der König nur an den Festtagen zu sitzen pflegte; dies alles geschah sogleich. Es versammelten sich dann die Leute von allen Orten her und waren besorgt über das, was der König von ihnen begehren werde. Jetzt erschienen die Kammerherrn und Adjutanten und die Leibwache des Königs und die Großen des Reichs, und riefen unter die Leute: Am Namen Gottes! nahet euch zur Audienz!“ Darauf nahten sich die Richter, die Gutsbesitzer, die Fürsten und die Veziere, traten in den Gang und machten, wie gewöhnlich, jeder nach seinem Rang, dem König ihre Aufwartung. Der König setzte sich auf seinen Thron, die Mehrzahl der Leute aber blieb stehen, bis alle versammelt waren. Dann befahl der König, die Tafeln aufzustellen, und sogleich wurden Tafeln, mit den auserlesensten Leckerbissen und Getränken besetzt, herangebracht. Die Versammelten aßen und tranken und beteten für den König; sodann befahl dieser seinen Kammerherrn, sie sollten niemand sich entfernen lassen, bis jeder des Königs Worte vernommen habe. Man hob dann den Vorhang auf und der König sprach: „Wer mich liebt, der verweile und höre meine Worte!“ Alle setzten sich ruhig und ihre Furcht verschwand. Derselbe stand dann auf, und beschwor alle Anwesenden, auf ihren Sitzen zu bleiben und sprach: „Veziere und Große des Reichs, Hohe und Niedere, Anwesende und Abwesende! ihr wißt, daß ich mein Reich von meinen Vätern und Ahnen ererbt habe.“ Sie antworteten einstimmig: „O König! es ist wahr, wir alle wissen es!“ Dann fuhr der König fort: „Wir alle beteten die Sonne und den Mond an, bis uns Gott den wahren Glauben schenkte, und uns aus unserem Irrtum erlöste und zum Islamismus führte. Nun wisset, daß ich sehr alt und schwach geworden; ich will daher alle meine Zeit zurückgezogen dem Gebet widmen, und den erhabenen Gott für vergangene Sünden um Verzeihung bitten. Ich kennt wohl meinen hier anwesenden Sohn Seif Almuluk, und wisset, daß er ein guter, kenntnisreicher, beredsamer, edIer, geschickter, verständiger, gelehrter, tugendhafter und gerechter Jüngling ist; ich will ihm nun sogleich mein Reich übergeben, damit er an meiner Statt Sultan werde. Was sagt ihr dazu?“ Es standen alle auf, küßten die Erde und antworteten: „Wir sind bereit, zu gehorchen, König und Beschützer! Selbst wenn du einen deiner Sklaven über uns setzen wolltest, würden wir ihm gehorchen, umso mehr, da du uns deinen Sohn Seif Almuluk zum Herrscher gibst, den wir, bei unserm Haupte und unsern Augen, gern als unsern König annehmen.“ Der König stieg hierauf von seinem Thron herunter und sagte den Fürsten und allen Anwesenden, indem er seinen Sohn auf den Thron setzte: „Seht hier euern König!“ Er nahm dann auch die goldene Krone von seinem Haupt, setzte sie seinem Sohne auf, umgürtete ihn mit dem Reichsgürtel und setzte sich, während sein Sohn auf dem großen Thron saß, auf einen goldenen Sessel neben ihn. Die Richter, die Veziere, die Fürsten, die Großen des Reichs und alle Anwesenden küßten die Erde vor ihm und riefen aus: „O König! du verdienst König zu sein, mehr als jeder andere.“ Die Djausch riefen dann Sicherheit aus, beteten für sein Glück und seinen Ruhm, und streuten Gold, Edelsteine und Rubine über die Köpfe der Leute aus; der König machte viele Geschenke, verlieh Ehrenkleider und übte Gerechtigkeit.

Der Vezier Fares wandte sich hierauf zu den Fürsten und Großen und sprach: „O ihr alle hier Anwesenden! Ihr wißt, daß ich Vezier war schon zu der Zeit, ehe noch der König Assem regierte, und es noch in diesem Augenblick bin, in welchem er der Regierung entsagt, um sie seinem Sohne zu übergeben. Ich will nun auch das Vezierat zugunsten meines Sohnes Said niederlegen; was sagt ihr dazu?“ - „Niemand verdient mehr, wie dein Sohn Said, des Königs Seif Almuluk Vezier zu werden, denn sie passen ganz zusammen.“ Hierauf nahm der Vezier Fares den Vezierturban von seinem Haupt und setzte ihn auf das Haupt seines Sohnes; dann legte er das Tintenfaß des Vezierats vor seinem Sohn hin. Die Djausch riefen aus: „Gesegnet! gesegnet! Er verdient es! er verdient es!“ Hierauf standen der Vezier und der König Assem auf, öffneten ihre Schätze und machten den Fürsten, Vezieren und Großen des Reichs viele Geschenke; sie schrieben ihnen neue Firmane mit dem Zeichen des Königs Seif Almuluk und des Veziers Said. Die Leute blieben eine Woche beisammen, dann reiste jeder in seine Provinz zurück. Der König Assem ging aber mit seinem Sohn und dem neuen Vezier ins Schloß; hier ließ er den Schatzmeister holen, auch den Siegelring, das Schwert, das Kästchen und den Bogen bringen und sprach: „Jeder von euch beiden nehme hiervon, wozu er Lust hat!“ Seif Almuluk streckte zuerst die Hand nach dem Siegelring aus; Said nahm das Schwert; hierauf griff Seif Almuluk nach dem Kästchen und Said nach dem Bogen. Sie küßten alsdann des Königs Hand und ging nach Hause. Seif Almuluk legte das Kästchen, ohne zu sehen, was darin war, auf den Thron, der zugleich sein Ruheplatz war; Said nahm an seiner Seite Platz. Um Mitternacht erwachte Seif Almuluk, erinnerte sich des Kästchens und war neugierig, dessen Inhalt zu sehen. Er stand daher auf, ergriff eine der Kerzen, die in der Nähe brannte, und trat in einen Nebensaal, damit Said nichts merkte, steckte dann die Kerze in einen Leuchter und öffnete das Kästchen und fand darin ein Kleid von Genienarbeit. Als er es auseinanderlegte, sah er innerlich am Rücken ein Bildnis mit Gold gemalt, das ein Mädchen vorstellte. Sobald er dieses Bildnis sah, war er nicht mehr Herr seines Verstandes. Er verliebte sich in dasselbe, küßte wie ein Rasender das Kleid und fiel ohnmächtig zu Boden, dann weinte und klagte er und sprach folgende Verse:

„Hätte ich früher die Macht der Liebe gekannt, so wäre ich weniger unvorsichtig gewesen; nun habe ich mich in ihre Arme geworfen und bin ihr Gefangener.“

Seif Almuluk schlug sich ins Gesicht, weinte und jammerte so lang, bis endlich der Vezier Said davon erwachte. Als dieser Seif Almuluk nicht an seiner Seite fand und nur eine Kerze sah, dachte er bei sich: Wo mag Seif Almuluk wohl hingekommen sein? Er stand dann auf und ging im ganzen Palast umher, um ihn zu suchen, bis er ihn endlich fand. Erstaunt darüber, was ihn so außer sich bringe, fragte er ihn: „Was ist dir begegnet, mein Bruder? laß es mich wissen.“ Aber der hörte ihn nicht an, hob nicht einmal seinen Kopf in die Höhe, sondern weinte immerfort und jammerte entsetzlich. Said drang immer weiter in ihn, verbeugte sich und sprach: „Mein König! ich bin dein Vezier und Freund, wir sind zusammen aufgewachsen, wenn du mir nicht dein Herz eröffnest, wer wird dann noch Anteil an deinem Schicksal nehmen?“ Saids Bitten und Flehen war jedoch vergebens; Seif Almuluk hörte nicht auf zu schluchzen und sprach kein Wort; endlich ergriff Said die Kerze, eilte damit in einen anderen Saal, legte die Klinge seines Schwertes an seine Brust und sprach zu Seif Almuluk: „Freund! wenn du mir nicht erzählst, was dir widerfahren, so bringe ich mich ums Leben, denn ich ertrage es nicht länger, dich in diesem Zustand zu sehen.“ Seif Almuluk hob endlich den Kopf in die Höhe und sprach: „Freund! ich schäme mich, dir die Ursache meiner Leiden zu nennen!“ Said aber antwortete: Ach beschwöre dich bei Gott dem Herrn aller Herren, dem Befreier aller Unterdrückten, der Ursache aller Ursachen, bei dem Einzigen, dem Freigebigen! sage nur die Wahrheit, was dir widerfahren, und schäme dich nicht; ich bin ja dein Sklave, dein Vezier und dein Ratgeber!“ Da sagte Seif Almuluk: „Komme und sieh dieses Bildnis!“ Als Said es sah, betrachtete er es eine Weile und las über dessen Kopf mit vieler Kunst von Perlen gestickt: „Das ist das Bild der Badial Djamal (Wunder der Schönheit), Tochter Sahals, Sohn Schahruchs, obersten Königs der gläubigen Genien, welche die Insel Babel im Garten Irem bewohnen.“

Als Said dies gelesen hatte, sprach er: „König und Freund! weißt du, was dieses Bild hier bedeutet?“ Seif Almuluk antwortete: „Bei Gott! Freund, ich weiß es nicht.“ Da versetzte Said: „Komme und lese mit Aufmerksamkeit.“ Da las Seif Almuluk, was auf der Krone, die dieses Bild trug, geschrieben war und schrie aus dem Innersten seines Herzens: „Wehe! wehe! „ Endlich sagte er: „Mein Freund“ wenn diese Gestalt wirklich vorhanden ist, und irgendwo auf der Erde gefunden werden kann, so will ich sie unaufhörlich suchen, bis ich mein Ziel erreiche.“ Said erwiderte: „Weine nur nicht, mein Freund! geh, besteige deinen Thron und laß die Leute dir ihre Aufwartung machen, und wenn der Tag leuchtet, so rufe alle zusammen, die Derwische und andere, die fremde Länder gesehen haben, und frage sie, wo die Insel Babel im Garten Irem liegt; vielleicht wird einer von ihnen mit dem Segen und der Hilfe des erhabenen Gottes darüber Auskunft geben können.“

Seif Almuluk bestieg, sowie die Sonne höher stand, seinen Thron; seine Seele aber war unruhig. Hierauf nahten sich die Fürsten, Veziere und Großen des Reichs. Als die Versammlung vollzählig war, sagte Seif Almuluk zum Vezier: „Sage ihnen, ihrem König sei unwohl, sie möchten sich zurückziehen.“ Als der König Assem dies hörte, war er tief betrübt, ließ Ärzte und Sterndeuter kommen, ging mit diesen zu seinem Sohn und ließ ihm Arzneien verschreiben und Amulette verordnen, auch veranstaltete er Räucherungen mit Moschus und Ambra, drei Tage hintereinander. Seif Almuluk ging es jedoch nicht besser.

Als aber die Krankheit drei Monate lang anhielt, sprach der König Assem höchst erzürnt zu den Ärzten und übrigen Anwesenden: „Wehe euch, ihr Hunde, wenn ihr nicht imstande seid, meinen Sohn zu heilen, so werde ich euch sogleich umbringen lassen.“ Da sagte der oberste unter ihnen: „Großer König und Herr! Wir vernachlässigen nichts, um selbst Fremde zu heilen, wie sollten wir uns nicht alle Mühe geben, deinem Sohn, unserm König, zur Gesundheit zu helfen. Aber die Krankheit deines Sohnes sitzt tief, wenn du willst, so nennen wir sie dir.“ Da sprach der König: „Sagt mir, was ihr von der Krankheit meines Sohnes wißt!“ Der oberste der Ärzte antwortete: „Dein Sohn ist rasend verliebt!“ Der König fragte zornig.- „Woher wißt ihr, daß mein Sohn verliebt ist, und wie ist er es worden?“ Der oberste antwortete: „Frage seinen Freund, den Vezier, der kennt seinen Zustand.“ Der König Assem ging sogleich allein in sein Zimmer, ließ den Vezier Said kommen und sagte ihm: „Berichte mir die Wahrheit! Was für eine Krankheit hat deinen Freund befallen?“ und Said antwortete: „Ich weiß es nicht.“ Da sprach der König Assem zum Scharfrichter: „Ergreife Said, binde ihm die Augen zu und schlage ihm den Kopf herunter!“ Said fürchtete für sein Leben und sagte: „Herr! gib mir Sicherheit!“ Der antwortete: „Sprich, und sie sei dir gewährt!“ Da sagte Said: „Dein Sohn liebt die Tochter des Königs der Geister.“ Assem fragte: „Wo hat mein Sohn die Tochter des Königs der Geister gesehen?“ Said erwiderte: „Im Kleide, welches uns Salomo, Sohn Davids, Friede sei mit ihm! geschenkte Der König stand sogleich auf, ging zu seinem Sohn und sprach zu ihm: „Mein Sohn! was quält dich so? und was ist das für ein Bild, das du liebst? sage es mir!“ Seif Almuluk antwortete: „Ich hatte mich geschämt, dir zu sagen, was ich auf dem Herzen habe; da du es aber weißt, so sieh, was zu tun ist.“ Sein Vater versetzte: „Welche Mittel gibt es gegen die Tochter des Königs der Geister? selbst Salomo, Sohn Davids, würde hier nichts vermögen. Doch steh auf und fasse Mut! reite, geh auf die Jagd, besuche die Rennbahn, spiele Ball, esse und trinke und vertreibe so den Gram aus deinem Herzen. Ich will dir an ihrer Stelle hundert Prinzessinnen verschaffen: was soll dir die Tochter eines Königs der Geister, die kein menschliches Wesen ist?“ Aber der Sohn sagte. „Bei Gott! mein Vater, ich kann nicht von ihr lassen und eine andere zur Frau nehmen.“ Da versetzte der Vater: „Aber wie ist das zu machen, mein Sohn?“ Dieser antwortete, „Laß alle Kaufleute und Reisende kommen, wir wollen uns bei ihnen nach dem Garten Irem und der Insel Babel erkundigen.“ Der König ließ alle Kaufleute, Schiffskapitäne, andere Reisende und die Derwische rufen und fragte sie nach dem Garten Irem und der Insel Babel; aber keiner von allen war jemals daselbst gewesen und konnte ebensowenig darüber Auskunft geben. Zuletzt sagte einer von ihnen: „O Herrscher! wenn du diese Insel und diesen Garten kennenlernen willst, so gehe nach China, das ist ein großes, sicheres Land, das Kostbarkeiten aller Art enthält und von Menschen aus allen möglichen Stämmen bewohnt ist; nur von ihnen kannst du vielleicht die Lage derselben erfahren und dadurch deinen Zweck erreichend Da sagte Seif Almuluk: „O mein Vater! rüste mir ein Schiff nach China aus!“ Der König Assem antwortete: „Bleibe du auf dem königlichen Thron sitzen und herrsche über deine Untertanen; ich will statt deiner diese Reise nach China machen, und mich nach der Insel Babel und dem Garten Irem erkundigen. „ Aber sein Sohn sagte: „O mein Vater! das ist meine Sache; niemand als ich kann danach fragen; was schadet es, wenn du mir erlaubst, eine Zeitlang zu reisen? Kann ich dann eine Spur auffinden, wohl; ist dies nicht der Fall, so erleichtert sich vielleicht auf der Reise und in der Fremde mein Gram, und wenn ich am Leben bleibe, so kehre ich unbeschädigt wieder zu dir zurück.“ Der König Assem sah kein anderes Mittel, als dem Willen seines Sohnes nachzugeben; er erlaubte ihm daher abzureisen, ließ ihm vierzig Schiffe ausrüsten, gab ihm tausend Sklaven zur Begleitung, auch Geld und Schätze, Lebensmittel und die nötigen Kriegswerkzeuge, und sprach zu ihm: „Mein Sohn! reise in Glück und Frieden!“ Beim Abschied umarmte er ihn noch aufs herzlichste und entließ ihn mit den Worten: „Gehe, ich vertraue dich dem an, der nichts ihm Übergebenes verläßt (Gott) Seif Almuluk nahm also von seinem Vater und seiner Mutter Abschied, nahm seinen Freund Said als Begleiter mit sich uns sie ritten zusammen nach dem Schiff, das bald darauf, mit Proviant, Waffen und Truppen wohl versehen, die Anker lichtete; so reisten sie in einem fort, bis sie nach China kamen.

Als die Einwohner Chinas hörten, daß vierzig Kriegsschiffe angekommen, glaubten sie, es wären Feinde, die sie belagern und mit ihnen Krieg führen wollten, sie schlossen die Tore der Stadt und hielten, die Kriegsmaschinen bereit. Als Seif Almuluk dies vernahm, ließ er zwei seiner vertrautesten Mamelucken kommen und sagte ihnen: „Geht zum König der Stadt, bringt ihm meinen Gruß, und sagt ihm: Der König Seif Almuluk, Sohn des Königs Assem von Ägypten, ist's, der zu dir als Gast kommt, um einige Zeit dein Land zu bereisen: er wird dann wieder nach Hause zurückkehren; er kommt nicht als Feind, um Krieg zu führen. Nimmst du ihn auf, so wird er zu dir kommen, wo nicht, so kehrt er um und wird weder dich, noch die Bewohner deiner Stadt beunruhigen.

Als die Mamelucken Seif Almuluks an die Stadt kamen, sagten sie den Bewohnern derselben: „Wir sind Gesandte des Königs Seif Almuluk!“ Man öffnete ihnen die Tore und führte sie zum König, der Schah Faghfur hieß und den König Assem früher gekannt hatte. Als er die Worte Seif Almuluks hörte, machte er den Gesandten Geschenke, ließ die Tore öffnen und ging selbst mit den Vornehmsten des Reichs dem König entgegen. Seif Almuluk nahe gekommen, umarmte er ihn und sprach: „Willkommen seiest du in meinem Reiche; ich bin dein Sklave und der deines Vaters! meine Stadt liegt vor dir, gebiete über alles!“ Er ließ dann Geschenke und Proviant herbeibringen und führte Seif Almuluk und seinen Vezier Said mit den Ausgezeichnetsten des Reichs und vielen Truppen unter Trommel- und Paukenschall in seine Stadt, und Seif Almuluk genoß mit den seinigen vierzig Tage lang die größte Gastfreundschaft. Dann sagte der Schah Faghfur: „Nun, Sohn meines Freundes! wie geht es dir und wie gefällt dir mein Land?“ Seif Almuluk antwortete: „Dank deiner Gnade, o König! es gefiel mir alles.“ Da fragte der König: „Du siehst dich gewiß in unserm Lande nach etwas um. und hast irgend ein Anliegen?“ Seif Almuluk sagte: „Meine Geschichte ist wunderbar; ich liebe das Bild der Badial Djamal!“ Bei diesen Worten entflossen Tränen seinen Augen, und er schluchzte heftig. Dies rührte das Herz des Königs von China, und er sprach: „Was ist zu tun, Seif Almuluk?“ Dieser antwortete: „Ich wünschte, du ließest alle Reisenden, deine Schiffskapitäne und alle Derwische zusammenkommen, damit ich mich bei ihnen nach dem Gegenstand dieses Bildes erkundige; vielleicht könnte einer von ihnen mir Auskunft darüber geben.“ Der König ließ sogleich seine Kammerherrn und Scharfrichter kommen und ließ durch sie ausrufen, daß alle Schiffskapitäne, alle Derwische und Reisende auf die Rennbahn kommen sollten, und niemand zurückbleiben dürfe. Es stellten sich alle ein und machten einen großen Haufen aus. Seif Almuluk fragte dann nach der Insel Babel und dem Garten Irem; aber niemand antwortete, so daß Seif Almuluk sich keinen Rat mehr wußte. Dann sagte einer der Schiffskapitäne: „Glückseliger König! wenn du darüber Auskunft wünschest, so mußt du dich nach den Ländern und Inseln in der Nähe von Indien wenden, dort wird man es schon wissen.“ Seif Almuluk ließ sogleich die Schiffe segelfertig machen, und süßes Wasser, Lebensmittel und was sie sonst bedurften, einnehmen. Er und sein Freund Said bestiegen ihre Pferde, nahmen vom König Abschied und gingen auf ihr Schiff. Sie reisten vier Monate lang in Ruhe und Sicherheit mit günstigem Wind. Aber eines Tages erhob sich von allen Seiten ein Sturm, es regnete und hagelte stark, und die Wellen des Meeres tobten; sie brachten zehn Tage in der größten Furcht zu. Endlich kam ein so heftiger Windstoß gegen die Schiffe, daß alle, mit allem, was darauf war, untergingen. Seif Almuluk allein rettete sich mit einigen Mamelucken auf ein kleines Schiffchen; dann legte sich der Sturm und die Wellen, und die Sonne ging glänzend auf. Seif Almuluk öffnete die Augen und sah nichts mehr von der ganzen Flotte; er erblickte nichts als Himmel und Wasser und das kleine Schiffchen, auf dem er sich befand.

Seif Almuluk fragte dann seine Leute: „Wo sind alle meine Schiffe? Wo ist mein Freund Said?“ Sie antworteten ihm: „O Herrscher! es ist nichts mehr von deinen Schiffen übrig, sie sind alle untergegangen und zur Speise der Fische gewordene Seif Almuluk sprang in seiner Wut auf, schrie, schlug sich ins Gesicht und wollte sich ins Meer stürzen. Seine Mamelucken hielten ihn aber zurück und sagten: „O Herrscher! was soll das nützen? Du hast dir das selbst zugezogen; hättest du deinem Vater gehorcht, so wäre dir das nicht widerfahren; doch war das alles längst vorher bestimmt, und gleiches Schicksal mußte dich mit den übrigen Menschen heimsuchen. Schon bei deiner Geburt haben die Sterndeuter gesagt: Du wirst in große Gefahr kommen; es bleibt dir nichts übrig, als geduldig auszuharren, bis der erhabene Gott dich aus dieser Not befreite Da sprach Seif Almuluk (und es geschieht zur Ehre Gottes und dessen, der das sagt): „Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dein Erhabenen! Niemand kann seinen Beschlüssen entgehen!“ und er bereute, was er getan. Er ließ sich dann Speisen reichen und aß. Das Schiff wurde immer vom Wind hin und her getrieben, und sie wußten nicht, wohin sie steuerten. Die Lebensmittel und das Wasser fingen an, ihnen zu fehlen, als sich ihnen durch die Macht des erhabenen Gottes eine nicht zu weit davon entlegene Insel zeigte. Da sie hungrig waren, ließen sie nur einen Mann auf dem Schiff zur Bewachung zurück, und die übrigen aßen Früchte, die sie auf der Insel fanden. Dort aber saß ein Mann mit einem langen Gesicht, mit einem weißen Körper und von wunderbarem Aussehen zwischen den Fruchtbäumen; er rief einen Mamelucken bei seinem Namen und sagte zu ihm: „Iß nicht von diesen unreifen Früchten! Komm zu mir, ich will dir gute, reife Früchte geben! „

Der Mamelucke glaubte, es wäre einer der Schiffbrüchigen, und freute sich sehr, Als er aber in seine Nähe kam, da sprang der Verfluchte auf seine Schultern, schlang den einen Fuß um seinen Hals und den anderen um seinen Rücken und sagte: „Laufe jetzt nur, du wirst mich nicht mehr los, du bist nun mein Tragesel!“ Der Mameluck schrie und jammerte, und sein Herr mit all den seinigen rettete sich schnell auf das Schiff. Der Fremde folgte ihnen nach dem Ufer und sagte: „Woher kommt ihr und wohin geht ihr? Kommt zu uns, wir wollen euch zu essen und zu trinken geben; ihr könnt unsere Esel werden, und wir reiten auf euren Rücken.“ Als sie dies hörten, ruderten sie schnell vom Ufer weg und entfernten sich im Vertrauen auf Gott, den Erhabenen. So brachten sie einen Monat zu, bis sie wieder eine Insel entdeckten; sie gingen daselbst in einen Wald, ohne einen Weg zu wissen. Es fanden sich daselbst wieder Früchte, wovon sie aßen; da schimmerte ihnen aus der Ferne etwas entgegen, und sie gingen darauf zu. Wie sie sich näherten, war es wie eine Säule, die der Länge nach dalag; einer von ihnen trat darauf mit dem Fuß und sagte: „Was mag dies sein?“ Da erwachte die Säule, richtete sich auf, und siehe da! es war ein Mann mit langen Ohren und mit gespaltenen Augen; seine Züge waren nicht sichtbar, denn als er schlief hatte er ein Ohr unter dem Kopf und deckte das Gesicht mit dem anderen zu. Er ergriff einen Mamelucken, und dieser schrie: „Mein König! fliehe von dieser Insel, sie ist von Werwölfen bewohnt, welche die Menschen fressen; mich werden sie bald zerschnitten und gefressen haben!“ Als Seif Almuluk diese Worte hörte, entfloh er mit seinen übrigen Begleitern auf das Schiff, ohne einmal Früchte mitzunehmen. So brachten sie wieder mehrere Tage zu, da entdeckten sie abermals eine Insel; als sie dort landeten, fanden sie einen hohen Berg, sie bestiegen ihn und sahen einen Wald mit vielen Bäumen, worauf sich Früchte befanden, von denen sie aßen; da kamen auf einmal nackte Menschen zwischen den Bäumen hervor, deren jeder fünfzig Ellen lang war, ihre Vorderzähne waren wie die eines Elefanten, und wuchsen ihnen zum Munde heraus. Einer von ihnen saß auf einem schwarzen Stück Filz auf einem Felsen, ihn umringten viele Schwarze, welche in seinem Dienst waren; diese fingen den Seif Almuluk und seine Mamelucken ein, brachten sie zu dem Sitzenden, legten sie vor ihn hin und sprachen: „König! wir haben diese Vögel zwischen den Bäumen gefunden.“ Da der König gerade hungrig war, ließ er zwei Mamelucken schlachten und aß sie. Als Seif Almuluk dies sah, fürchtete er sich, weinte, und ihm bangte für sein Leben. Als sie der König weinen hörte, sagte er: „Diese Vögel haben eine schöne Stimme; macht jedem einen Käfig, sperrt sie hinein und hängt sie über meinem Kopf auf, damit ich ihre Stimmen hören kann!“ Sie taten, wie er gesagt, und so wurden Seif Almuluk und die Mamelucken in Käfige gesperrt; man gab ihnen zu essen und zu trinken; bald weinten sie, bald sangen sie, so daß der König der Schwarzen an ihrer Stimme Freude hatte. Vier Jahre brachten sie in den Käfigen zu. Der König aber hatte eine Tochter, die auf einer anderen Insel verheiratet war; als diese hörte, daß ihr Vater Vögel von lieblicher Stimme besitze, schickte sie Leute an ihn ab und ließ ihn um diese Vögel bitten. Ihr Vater schickte ihr Seif Almuluk mit drei anderen Mamelucken in vier Käfigen durch die Boten, die sie ihm gesandt hatte; als die Prinzessin sie sah, gefielen sie ihr sehr, und sie ließ sie über ihrem Bett aufhängen. Seif Almuluk konnte nicht begreifen, wie ihm geschah, er war sehr traurig über die Lage, in der er sich befand, dachte an das frühere Glück und weinte; die drei Mamelucken weinten mit ihm; die Prinzessin aber glaubte, sie sängen. Sie pflegte sonst allen denen, die aus Ägypten und anderen Ländern sie besuchten, einen hohen Rang in ihrem Reiche zu geben. Gott aber hatte bestimmt, daß, als sie Seif Almuluk näher betrachtete, ihr seine Schönheit, sein Wuchs und sein Ebenmaß gefielen; sie ließ ihn daher mit seinen Gefährten frei, erzeigte ihnen viele Ehre, ließ ihnen zu essen und zu trinken geben und erzeigte ihnen viel Gutes. Als sie eines Tages allein mit Seif Almuluk war, bat sie ihn, ihr seine Liebe zu schenken; aber Seif Almuluk weigerte sich dessen und sagte: „O meine Herrin! ich bin ein fremder Jüngling, der unglücklich liebt, und nur am geliebten Gegenstand Freude finden kann, und alle angewandten Mittel der Prinzessin, ihn zu gewinnen, schlugen fehl. Als sie dies endlich müde war, zürnte sie ihm und den Mamelucken und zwang sie, ihr zu dienen; so ging es vier Jahre fort. Seif Almuluk war dieses Zustandes sehr überdrüssig und ließ die Prinzessin bitten, sie frei abziehen zu lassen und ihre bitteren Qualen zu erleichtern. Die Prinzessin ließ ihn zu sich kommen und wiederholte ihre Liebeserklärung; aber Seif Almuluk gab ihr kein Gehör. Endlich sagte sie zu ihm: „So geh und hole Holz!“ und so blieb alles mit ihm und seinen Mamelucken wie vorher. Die Bewohner der Insel kannten sie als Vögel der Prinzessin, und niemand gab ihnen ein böses Wort; die Prinzessin aber war ruhig, denn sie wußte, daß sie keine Mittel finden würden, sich von dieser Insel zu retten.

Seif Almuluk und seine Mamelucken konnten ohne Wache frei umhergehen und blieben oft mehrere Tage vom Hause weg, um Holz auf der Insel zu sammeln; dann brachten sie es in die Küche der Prinzessin. So lebten sie zehn Jahre lang. Da saß eines Tages Seif Almuluk am Ufer des Meeres und dachte an den Zustand, in welchem er und seine Mamelucken lebten; er dachte an seinen Vater, an seine Mutter und an seine Familie, an sein Königreich, an die Herrlichkeit, in welcher er früher lebte und Tränen rollten über seine Wangen; er erinnerte sich auch seines Freundes Said, und dies vermehrte noch seine Tränen und seinen Jammer. Seine Mamelucken sagten ihm: „O Herrscher! wie lange weinst du noch, und was nützt dieses Weinen? Ist nicht alles dies auf die Stirne des Menschen geschrieben? Ist nicht alles nach der göttlichen Bestimmung eingetroffen? Schreibt nicht die himmlische Feder, was Gott beschlossen? Es bleibt uns nichts übrig, als Geduld zu haben. Vielleicht wird Gott, der dieses über uns verhängt hat, auch wieder helfen.“ Seif Almuluk sagte: „O meine Brüder! was können wir tun, um uns aus der Macht der Verruchten zu befreien? Es bleibt uns nichts übrig, als die Rettung von Gott zu erwarten. Wir könnten jedoch entfliehen, um dieser Qual los zu werden. „ Sie antworteten: „O Herrscher! wo wir auch von hier landen wollen, verfolgen uns Werwölfe, welche die Menschen fressen; wir können ihnen nicht entgehen, sie werden uns fressen oder zur Königin zurückbringen und sie wird dann gegen uns zürnen.“ Seif Almuluk sagte: „Ich will eine Rettung versuchen und Gott, der Allmächtige, wird uns helfen.“ Sie sagten: „Was willst du tun?“ Er antwortete: „Wir wollen lange Bäume spalten und aus ihren Rinden Seile machen, damit die Bretter zusammenbinden und ein Floß bauen, es ins Meer werfen und mit Früchten beladen, dann Ruder schnitzen und unsere Ketten mit der Axt entzweischlagen; der erhabene Gott wird uns wohl helfen, er ist ja über alles mächtig; vielleicht treibt uns der Wind nach China, und wir kommen von dieser tyrannischen Königin los.“ Die Mamelucken freuten sich über diese Worte und sagten: „Dein Rat ist gut!“ Sie fingen sogleich an, Holz zu fällen und ein Floß daraus zu bauen; in einem Monat war alles fertig. Da ließen sie das Floß ins Meer gleiten und beluden es mit Früchten, ohne daß jemand etwas davon wußte. Dann nahm einer die Axt und befreite sie von ihren Ketten; jetzt bestiegen sie das Floß und brachten vier Monate auf dem Meer zu, ohne zu wissen, wohin sie das Floß trage. Nun aber ging ihnen ihr Proviant aus und sie litten bitteren Hunger. Auf einmal fing das Meer an zu schäumen und zu toben und hohe Wellen zu schlagen; ein furchtbares Krokodil stieg aus dem Grund des Meeres auf, ergriff einen Mamelucken und verschlang ihn. Seif Almuluk blieb jetzt nur noch mit zwei Mamelucken übrig, mit denen er so schnell wie möglich ruderte, um sich von dem Ungeheuer zu entfernen; so ruderten sie immer furchtsam fort, bis sie eines Tages auf einer Insel einen hohen Berg sahen; sie freuten sich sehr darüber, ruderten tapfer zu, und je näher sie kamen, desto größer wurde ihre Freude; aber auf einmal tobte das Meer wieder auf und es stieg ein Krokodil aus dessen Tiefen und verschlang die beiden Mamelucken. Seif Almuluk entkam ganz allein auf die Insel; er bestieg den Berg, setzte sich darauf und wartete, bis jemand vorübergehen würde; die Einsamkeit erinnerte ihn wieder an seine Heimat und die Trennung von seinem Lande, und er weinte. Dann ging er ins Gebüsch und aß Früchte; da kamen über zwanzig Affen, von denen jeder größer als ein Maulesel war, zwischen den Bäumen hervor, umgaben Seif Almuluk von allen Seiten und zogen ihn mit sich, bis sie an ein hohes, festes Schloß kamen, das allerlei Kostbarkeiten enthielt; es war aus Gold und Silber gebaut und eine Menge von Edelsteinen darin zu sehen, deren Pracht nie beschrieben werden kann.

In diesem Schloß war, außer einem schlanken, bartlosen Jüngling, niemand. Seif Almuluk hatte großes Gefallen an ihm; auch er gefiel diesem Jüngling, der, sobald er ihn sah, fragte: „Was willst du? wie heißt du? woher bist du? und wie bist du hierher gekommen? Erzähle mir deine Geschichte und verhehle mir nichts.“ Seif Almuluk sagte ihm: „Beim allmächtigen Gott! Mein Bleiben hier ist nur kurz, ich kann nirgends lang verweilen, bis ich mein Ziel erreicht habe.“ Der Jüngling fragte noch einmal: „Was ist deine Absicht? wie heißt du und woher bist du?“ Seif Almuluk antwortete: „Ich bin aus Ägypten, heiße Seif Almuluk und mein Vater ist der König Assem, Sohn Safwans;“ und er erzählte ihm alles von Anfang bis zu Ende, was zu wiederholen überflüssig wäre. Der Jüngling stand auf, bot Seif Almuluk seine Dienste an und sprach: „O Herrscher! ich habe doch in Ägypten gehört, du seiest nach China gereist?“ Seif Almuluk antwortete: „Man hat wahr gesagt, ich war nach China gereist, von da hatten wir vier Monate lang glückliche Fahrt nach Indien, bis ein Sturm kam und alle Schiffe zertrümmerte; ich blieb allein mit den Mamelucken in einem kleinen Schiffchen übrig; wir liefen dann noch viele Gefahren, bis ich zuletzt allein noch übrig blieb und hier landete.“ Der Jüngling sagte: „O Prinz! du hast nun in der Fremde genug gelitten, bleibe jetzt bei mir und unterhalte mich, und wenn ich sterbe, kannst du über diese Länder herrschen. Niemand weiß, wie lang und wie breit diese Insel ist; man braucht viele Tage, um sie zu durchwandern. Die Affen, welche du gesehen, sind sehr geschickt, und du findest hier, was du nur wünschen kannst.“

Seif Almuluk wiederholte, er könne an keinem Ort bleiben, ehe er sein Anliegen ins Reine gebracht, er werde die ganze Welt bereisen, und entweder wird ihm Gott seinen Wunsch erfüllen, oder ihn irgendwo den Tod finden lassen. Der Jüngling gab hierauf den Affen ein Zeichen und sie entfernten sich auf eine Weile, kamen jedoch gleich darauf mit seidenen Tüchern umgürtet zurück, deckten den Tisch und brachten mehr als hundert goldene und silberne Schüsseln und Platten mit allen möglichen Speisen, und blieben stehen, wie es bei Königen Sitte ist. Der Jüngling machte ihnen ein Zeichen und sie setzten sich; nur der, welcher zu bedienen hatte, blieb stehen, und der Jüngling, Seif Almuluk und die Vornehmsten unter den Affen aßen. Hierauf wurde der Tisch aufgehoben und man brachte eine goldene Kanne und ein Waschbecken mit Rosenwasser und Moschus, womit sie ihre Hände wuschen. Zuletzt wurden Weine, süße Speisen und eingemachte Früchte aufgetragen; sie tranken, belustigten sich und ließen sich's wohl sein. Die Affen fingen an zu tanzen und zu spielen, so daß Seif Almuluk sehr erstaunt war über alles, was er hier sah, und darüber alles Ungemach vergaß, das ihm widerfahren war. Als es Nacht war, zündeten sie Wachskerzen an und steckten sie auf goldene mit Edelsteinen verzierte Leuchter; dann brachten sie allerlei frische und trockene Früchte. Später begab sich Seif Almuluk in einem großen Saal zur Ruhe, wo ihm ein Lager bereitet worden war. Des Morgens stand der Jüngling vor Sonnenaufgang auf und weckte Seif Almuluk und sagte zu ihm: „Strecke deinen Kopf zum Fenster hinaus und gebe acht auf das, was du draußen siehst!“ Als Seif Almuluk den Kopf hinausstreckte, sah er das ganze Land voll Affen, eine so große Menge, wie nur Gott, der Erhabene, sie zu zählen vermochte. Da sagte Seif Almuluk: „Warum versammeln sich diese Affen hier?“ Der Jüngling erwiderte. „Jeden Samstag kommen sämtliche Affen, die auf der Insel sind, zwei, drei Tagesreisen weit her, und versammeln sich an diesem Ort, bis ich vom Schlaf erwache und den Kopf zum Fenster hinausstrecke; sobald sie mich sehen, küssen sie die Erde und bieten mir ihre Dienste an, dann geht jeder wieder seinem Geschäft nach.“ Als nun die Affen den Jüngling am offenen Fenster erblickten, verbeugten sie sich vor ihm und gingen an ihre Arbeit. Seif Almuluk blieb einen ganzen Monat bei diesem Jüngling, dann nahm er Abschied von ihm und reiste weiter. Der Jüngling gab ihm etwa zweihundert Affen zu seiner Bedienung mit, die ihn sieben Tage lang begleiteten, bis er die Grenze ihres Landes erreichte; dann nahmen sie Abschied von ihm und kehrten nach ihrer Heimat zurück. Seif Almuluk reiste nun allein über Berg und Hügel und durch die Wüste und Fruchtland vier Monate lang, Einen Tag hungerte er, einen anderen hatte er wieder vollauf zu essen, und dann mußte er sich vom Gras der Wüste ernähren. Er bereute es, den Jüngling verlassen zu haben, und schon wollte er wieder umkehren, da schimmerte aus der Ferne etwas Schwarzes in seine Augen. Er dachte, hier ist ein Obdach oder ein Baum, ich will einmal sehen, was es ist; er ging darauf zu und sah ein hohes Schloß; es war das, welches Jafet, Sohn Noahs, Friede sei mit ihm! gebaut hatte, und im heiligen Buch (Koran) mit den Worten erwähnt ist: „Ein festes Schloß und ein verlassener Brunnen.“ Er setzte sich vor die Tür des Schlosses und dachte: „Gehört es wohl Menschen oder Genien?“ So saß er eine Weile davor, sah jedoch niemand weder aus- noch eingehen, stand daher auf und ging im Vertrauen auf den erhabenen Gott ins Schloß hinein; er zählte sieben Gänge darin, sah aber keinen Menschen; am Ende des siebenten Ganges befand sich eine Tür, vor der ein Vorhang hing; den hob er auf und trat in einen großen Saal mit seidenen Teppichen auf dem Boden. Mitten im Saal war ein goldener Thron, worauf ein Mädchen saß, schön wie der leuchtende Mond; sie hatte königliche Kleider an und war geschmückt wie eine Braut in der Hochzeitsnacht. Unter dem Thron stand eine Tafel, darauf vierzig Schüsseln mit den köstlichsten Speisen. Als Seif Almuluk das Mädchen sah, ging er auf sie zu und grüßte sie; sie erwiderte seinen Gruß und fragte ihn: „Bist du ein Mensch oder ein Geist?“ Er antwortete: „Ich gehöre zu den besten der Menschen; ich bin ein Königssohn und selbst König!“ Hierauf sprach sie: „Nimm zuerst etwas von den Speisen zu dir, dann erzähle mir, wie du hierhergekommen.“

Seif Almuluk setzte sich zu den Speisen, denn er war hungrig, und aß von diesen Schüsseln, bis er satt war; hierauf streckte er die Hand aus und trank. Als er hinlänglich gesättigt war, setzte er sich auf den Thron neben das Mädchen. Das Mädchen fragte ihn: „Wer bist du und woher kommst du? Wie heißt du und wer hat dich hierher gebracht?“ Seif Almuluk sagte: „Meine Geschichte ist sehr lang.“ Sie versetzte: „Sage mir nur, woher du bist und was du hier tun willst?“ Er erwiderte: „Erzähle auch du mir, wer dich hierher gebracht und warum du ganz allein hier wohnst?“ Das Mädchen sprach: „Mein Name ist Dawlet Chatun, Tochter des Königs von Indien, der in der Stadt Serendib wohnt und einen großen, schönen Garten besitzt; es gibt in ganz Indien keinen schöneren mit einem so großen Teich; eines Tages ging ich mit meinen Sklavinnen in diesen Garten, wir entkleideten uns und stiegen in den Teich, neckten einander und waren lustig und heiter. Da kam auf einmal etwas, das einer Wolke glich, über mich her, riß mich aus der Mitte meiner Sklavinnen und trug mich zwischen Himmel und Erde, wo es so zu mir sprach: O Dawlet Chatun, fürchte nichts! Beruhige dein Herz! Es flog dann eine Weile mit mir und ich wußte nichts mehr von mir selbst, bis es mich in diesem Schloß niedersetzte und sich in einen schönen Jüngling verwandelte, recht niedlich gekleidet. Der fragte mich: Kennst du mich? Ich antwortete: Herr, ich kenne dich nicht! Hierauf sagte er: „Ich bin der Sohn des blauen Königs der Geister; mein Vater wohnt an den Ufern des roten Meeres und herrscht über sechsmalhunderttausend fliegende und untertauchende. Geister; ich flog auf meinem Weg an dem Ort vorbei, wo du dich badetest, verliebte mich in dich und deine Gestalt, darum ließ ich mich zu dir herunter und entführte dich aus der Mitte deiner Sklavinnen und brachte dich in dieses feste Schloß hierher, welches ich bewohne. In dieses Schloß kommt nie jemand, weder Mensch noch ein Geist, und von hier bis Indien hat man hundertundzwanzig Jahre zu reisen; du kannst in deinem Leben das Land deines Vaters und deiner Mutter nicht wiedersehen; bleibe also hier bei mir und sei guten Mutes; ich erscheine dir, so oft du es wünschest. Dann umarmte und küßte er mich, und sagte zu mir: Setze dich und fürchte nichts! Er ließ mich nun eine Weile allein, kam dann wieder mit diesem Tisch und den Teppichen, die du hier siehst. Jedesmal am Dienstag kommt er wieder und bleibt bis Freitag Nachmittag bei mir, und hält sich dann wieder bis Dienstag entfernt! wir essen und trinken miteinander, er küßt und umarmt mich; doch bin ich noch so jungfräulich, wie mich Gott erschaffen, der Geist hat mir noch gar nichts Böses getan. Mein Vater ist König und heißt Tadj Almuluk (Krone der Könige), er weiß nichts von meinem Schicksal und hat noch keine Spur von mir entdeckt; dies ist meine Geschichte, erzähle du mir nun die deinige!“ Seif Almuluk sagte: „Meine Geschichte ist lang, ich fürchte, der Geist möge, ehe ich sie dir ganz erzähle, wiederkehren.“ Die Prinzessin sagte: „Heute ist Freitag, er hat mich soeben verlassen und wird vor Dienstag nicht wiederkehren; setze dich also, sei ganz ruhig, und erzähle mir vom Anfang bis zu Ende, wie du hierher gekommene Seif Almuluk erzählte ihr, bis er den Namen Badial Djamal nannte, da schwammen ihre Augen in Tränen, und sie sagte: „So heißt meine Schwester! O meine Schwester Badial Djamal! weh über jene Zeit! Gedenkst du denn meiner nicht mehr? fragst du nicht mehr: wo ist meine Schwester Dawlet Chatun?“ Sie weinte so eine Weile und grämte sich darüber, daß Badial Djamal ihrer nicht gedachte. Da sprach Seif Almuluk: „O Dawlet Chatun! Badial Djamal ist eine Genie und du bist ein menschliches Wesen, wie kannst du ihre Schwester sein?“ Sie aber antwortete: „Sie ist meine Milchschwester! An dem Tage, wo meine Mutter mich im Garten gebar, wurde auch Badial Djamal in einem anderen Teil unseres Gartens geboren. Ihre Mutter schickte zu der meinigen, um einige Speisen und das nötige Weißzeug holen zu lassen. Die sandte ihr, was sie verlangte, und lud Mutter und Tochter zu sich ein. Beide kamen nun zu meiner Mutter, welche Badial Djamal stillte.“

Die Mutter Badial Djamals blieb so zwei Monate lang in unserm Garten; dann reiste sie wieder in ihre Heimat, gab aber vorher meiner Mutter etwas und sagte ihr: Wenn du mich nötig haben wirst, so komme ich zu dir mitten in den Garten. Badial Djamal kam nun jedes Jahr mit ihrer Mutter und blieb eine Zeitlang bei uns; dann kehrte sie wieder in ihre Heimat zurück. Wäre ich bei meiner Mutter, o Seif Almuluk! und hätte ich dich in unserem Land kennengelernt und wir wären wie früher vereint gewesen, so würde ich schon Mittel gefunden haben, sie zu überlisten und deinen Wunsch zu erfüllen. Doch jetzt bin ich fern von meinem Vaterland und sie wissen nichts von mir; denn wüßten sie es, sie könnten mich schon von hier befreien; doch muß die Sache dem erhabenen Gott überlassen werden! was soll ich tun?“ Seif Almuluk sagte: „Mache dich auf, ich will mit dir entfliehen!“ Sie versetzte aber: „Wo können wir hingehen? Bei Gott! wenn du auch die Strecke eines Jahres hier zurückgelegt hast, so wird dich dieser Verruchte doch in einem Augenblick erreichen und dich und mich umbringend Da sagte Seif Almuluk: „So will ich mich hier irgendwo verbergen, und wenn er an mir vorübergeht, ihn mit einem Schwert töten.“ Da antwortete Dawlet Chatun: „Du kannst ihm nicht eher etwas anhaben, bis du seinen Geist vernichtet hast.“ Seif Almuluk fragte: „Und wo ist sein Geist?“ Sie antwortete: „Ich habe oft danach gefragt und er wollte mir es nicht sagen, bis ich eines Tages in ihn drang, worüber er böse wurde und mir sagte: Wie lange wirst du noch nach meinem Geist fragen? Was hast du mit meinem Geist zu schaffen? Meine Antwort war: Bleibt mir außer dir noch sonst jemand übrig? Befinde ich mich wohl für mein ganzes Leben? Meine Seele liebt ja die deinige, und wenn ich nicht für dein Leben wache und es in das Schwarze meines Auges setze, was soll aus dem meinigen werden, wenn du nicht mehr bist? Laß mich nun deinen Geist kennen, damit ich ihn wie dieses Auge hier bewahre! Hierauf sagte er mir: Seit meiner Geburt haben mir die Sterndeuter gesagt, mein Geist werde durch die Hand eines menschlichen Prinzen vernichtet werden, darum nahm ich ihn, legte ihn in den Kropf eines Sperlings, sperrte diesen in eine Büchse und die Büchse in sieben Schachteln, die Schachteln in sieben Kisten, die Kisten in einen marmornen Behälter, und diesen begrub ich an der Küste dieses Meeres, das von jedem Land entfernt ist, und wohin kein Mensch kommen kann. Ich wiederhole dir aber: sage es niemand, es bleibt ein Geheimnis zwischen dir und mir! Ich antwortete ihm: Wer kommt denn zu mir oder sieht mich außer dir, daß ich's ihm sagen sollte? Dann fuhr ich fort: Bei Gott! du hast deinen Geist an einen vortrefflichen Ort gelegt, wohin außer dir niemand gelangen kann; denn wie sollte jener Mensch (der Prinz) oder irgend jemand denselben entdecken können? Hierauf antwortete er: Der Prinz soll einen von Salomos Ringen, Friede sei mit ihm! am Finger haben; wenn er denselben auf die Oberfläche des Wassers und seine Hand darauf legt und spricht: Bei diesem Namen! du Seele jenes Geistes, komm herauf! so soll, wie mir die Sterndeuter sagten, der marmorne Sarg von selbst in die Höhe sich heben und samt den Kisten und Schachteln in Stücke gehen. Mit diesem Zeichen wird der Sperling aus der Büchse hervorkommen und alsdann erwürgt werden. Ich aber muß dann sterben.“

Seif Almuluk sagte: „Ich bin jener Prinz und hier ist Salomos Ring an meinem Finger; folge mir an das Meeresufer, damit wir sehen können, ob der Geist wahr gesprochen oder nicht!“ Sie machten sich auf und gingen zusammen ans Meer. Dawlet Chatun blieb am Ufer stehen, Seif Almuluk aber legte den Ring aufs Wasser und sagte: „Bei den Namen, die auf diesem Ring sind, Geist des Sohnes des blauen Königs, komm hervor!“ Sogleich fing das Meer an zu toben und der Behälter kam herauf; Seif Almuluk schlug ihn gegen einen Stein, daß er zerbrach, dann zerschmetterte er die Kisten und Schachteln, nahm den Sperling aus der Büchse und würgte ihn: darauf ging er zurück ins Schloß mit der Prinzessin und setzte sich neben sie auf den Thron' Während sie so dasaßen, stieg Staub auf und es erschien eine ungeheure Gestalt, die also sprach: „O Prinz! laß mich leben und schenke mir die Freiheit! ich werde dir zur Erfüllung deines Wunsches verhelfend Dawlet Chatun aber sagte zu Seif Almuluk: „Was stehst du hier lange müßig? Töte den Sperling, sonst wird der Verruchte auf uns eindringen, dir ihn wegnehmen und dich und mich umbringend Seif Almuluk erwürgte vollends den Sperling; der Geist aber stürzte vor der Tür des Schlosses nieder und wurde zu einem Haufen schwarzen Staubes. Dawlet Chatun sagte: „Nun wären wir von der Gewalt dieses Verruchten befreit, was aber fangen wir jetzt an?“ Seif Almuluk sagte: „Wir müssen auf Gott vertrauen, der uns so heimgesucht, er wird uns leiten und unsere Rettung herbeiführen.“ Dann raffte sich Seif Almuluk auf, hob mehrere Türen des Schlosses aus, welche von Aloe- und Sandelholz und mit goldenen und silbernen Nägeln beschlagen waren; dann zog er von den Vorhängen die Schnüre ab, die vom feinsten Hanf mit Baumfasern zusammengeflochten waren, band damit die Türen zusammen und machte mit Hilfe Dawlet Chatuns eine Art Floß daraus; dann schleppten sie zusammen dieses Floß ins Meer und befestigten es an Pfählen. Als dies geschehen war, kehrten sie ins Schloß zurück und trugen die goldenen Schüsseln und silbernen Platten, die Juwelen und Edelsteine, samt allem, was sonst im Schloß war, auf das Floß und bestiegen es im Vertrauen auf Gott. Zwei Stücke Holz dienten ihnen als Ruder; sie banden das Seil los und ruderten mit dem Floß mitten ins Meer, ohne zu wissen, wohin sie sich wenden sollten. Der Wind trieb das Floß vier Monate umher, bis endlich ihre Lebensmittel zu Ende waren. So oft Dawlet Chatun schlief, saß Seif Almuluk hinter ihr, und wenn dieser schlief, saß sie hinter ihm, und ein Schwert lag zwischen ihnen (d. h. sie berührten sich nicht.) Eine Nacht, als Seif Almuluk schlief und Dawlet Chatun wachte, bemerkte sie, wie das Floß sich dem Land näherte, und in einen Hafen lief, in welchem viele Schiffe lagen; wie sie nach demselben hinsah, hörte sie, wie ein Mann (es war der oberste Schiffskapitän) mit einigen Matrosen sprach, woraus sie schloß, daß sie nun an ein bewohntes Land und an eine Stadt gekommen seien. Sie freute sich sehr, weckte Seif Almuluk aus dem Schlaf und sagte ihm: „Steh auf, frage den Schiffskapitän, der am Meer steht, wie dieser Ort heißt und was das für ein Hafen ist?“ Seif Almuluk stand freudig auf und fragte: „Freund! wie heißt diese Stadt und dieser Hafen?“ Der Hauptmann antwortete: „Du Lügengesicht, du Einfaltsbart, wenn du diese Stadt und diesen Hafen nicht kennst, wie bist du hierher gekommen?“ Seif Almuluk antwortete: „Ich bin ein Fremder, der mit anderen Reisenden auf einem Schiff war, das Schiffbruch litt und unterging, ich allein habe mich auf einem Brett, das ich bestiegen, hierher gerettet; darum fragte ich dich; Fragen ist doch keine Schande!“ Der Mann antwortete: „Diese Stadt heißt die Bewohnte, und dieser Hafen heißt der zwischen zwei Meeren.“

Als Dawlet Chatun dies hörte, freute sie sich und sagte: „O Seif Almuluk! höre die gute Botschaft, die Hilfe ist nahe, denn der König dieser Stadt ist mein Oheim und heißt Ali Almuluk (der höchste König): frage ihn einmal, ob es nicht so ist!“ Da fragte ihn Seif Almuluk: „Heißt nicht der König dieser Stadt Ali Almuluk?“ Der Kapitän antwortete ganz zornig: „Wie wunderlich bist du? Zuerst sagst du, du seiest niemals hierher gekommen, seiest ein Fremder, woher weißt du nun, wie diese Stadt und ihr König heißt?“ Als Dawlet Chatun den Kapitän so sprechen hörte, erkannte sie ihn; er hieß Muin Arriasah (Helfer der Oberherrschaft); sie sagte zu Seif Almuluk: „Sage ihm: komm Muin Arriasah, deine Herrin will dich sprechen!“ Seif Almuluk sprach diese Worte aus, worüber der Kapitän, als er das hörte, in den heftigsten Zorn geriet und sagte: „Du Hund! du Dieb! du bist gewiß ein Spion! Woher kennst du mich?“ Er rief dann einem Matrosen zu: „Gib mir einen Eschenstock, damit ich zu diesem Unreinen gehe und ihm den Hirnschädel einschlage, weil er so verrückt schwatzt!“ Man gab dem Kapitän einen Stock, womit er drohend auf das Floß zuging, als er auf einmal ein herrliches, wunderbares Geschöpf erblickte; sein Verstand kam in Verwirrung, endlich bemerkte er, daß es ein Mädchen, strahlend wie die Sonne, war. Er fragte Seif Almuluk: „Was hast du da für ein Mädchen bei dir?“ Er antwortete: „Sie heißt Dawlet Chatun.“ Da fiel der Kapitän in Ohnmacht, wie er ihre Stimme erkannte; denn er wußte, daß es die Stimme der Nichte seines Königs war. Als er wieder zu sich gekommen war, bestieg er sein Pferd, ritt in die Stadt nach dem königlichen Schloß und sagte dem Diener: „Melde dem König, Muin Arriasah habe eine gute Botschaft zu überbringen, die ihn erfreuen werde.“ Als der Diener dies meldete, gab der König dem Kapitän die Erlaubnis, hereinzukommen. Muin Arriasah ging hinein, küßte die Erde und sagte: „König! ich bringe dir die Nachricht, daß deine Nichte Dawlet Chatun soeben ganz wohl auf einem Floß, in Gesellschaft eines jungen Mannes, der schön ist wie der Mond in der vierzehnten Nacht, in den Hafen eingelaufen ist.“ Wie der König dies vernahm, freute er sich sehr, machte dem Kapitän reiche Geschenke und ließ die Stadt wegen der glücklichen Ankunft seiner Nichte festlich schmücken. Kaum waren sie in der Stadt angekommen, so schickte der König Boten zu seinem Bruder Tadj Almuluk (Krone der Könige), der sogleich zu seiner Tochter kam und einige Zeit mit ihr bei seinem Bruder blieb; dann nahm er seine Tochter und Seif Almuluk mit sich, und sie reisten zusammen nach Serendib, dem Lande ihres Vaters. Dawlet Chatun sah ihre Mutter wieder und hatte große Freude an ihr. Alle Trauer war vorüber und es wurden alle möglichen Festlichkeiten begangen. Der König erzeigte Seif Almuluk viele Ehre und sprach zu ihm: „Du hast mir und meiner Tochter so viel Gutes erwiesen, daß ich dich nie genug dafür belohnen kann, nur der Herr der Welten kann es dir vergelten. Mein Wunsch ist, daß du an meiner Stelle den Thron besteigst und über Indien herrschest; ich schenke dir mein Reich, meine Schätze, meine Diener und alles, was ich besitze.“ Seif Almuluk verbeugte sich, küßte dankbar die Erde vor ihm und sagte: „O König der Erde! Es sei, als habe ich alles von dir angenommen und dir es dann wieder zurückgegeben; denn, Herr, ich strebe weder nach einem Königreich noch nach Herrschermacht: mein einziger Wunsch vor Gott ist, daß er mich zu meinem Ziel gelangen lasse.“ Der König sprach dann zu seinen Leuten: „Alle meine Schätze gehören Seif Almuluk, gebt ihm was er verlangt, ohne mich deshalb zu befragen!“ Seif Almuluk sagte: „Ich möchte mich einmal in der Stadt umsehen, auf den Plätzen und Märkten.“ Als der König dies hörte, ließ er Pferde satteln und Seif Almuluk ritt in die Stadt und durchzog die Bazare. Er sah daselbst einen jungen Mann mit einem Kleid in der Hand, das er um fünfzehn Dinare ausrief. Er fand ihn seinem Freund Said sehr ähnlich, ja er war es selbst, nur erkannte ihn Seif Almuluk nicht gleich, weil seine Züge durch die lange Trennung und große Reise veränder t waren. Er rief seinen Mamelucken zu: „Ergreift diesen jungen Mann, führt in ins Schloß und bewahrt ihn daselbst, bis ich von meinem Spazierritt zurückkehre!“ Diese glaubten, er habe gesagt: Führt ihn ins Gefängnis! und dachten: es wird wohl ein ihm entflohener Mameluck sein. Sie ergriffen ihn daher, führten ihn ins Gefängnis, fesselten und verließen ihn. Als Seif Almuluk vom Spazierritt ins Schloß zurückkehrte, dachte er nicht mehr an Said und die Mamelucken, die ihn festgenommen hatten, erinnerten ihn auch nicht an denselben, so daß Said im Gefängnis blieb, und mit den übrigen Gefangenen zur Zwangsarbeit geschickt wurde. Said machte sich über diese schändliche Behandlung allerhand Gedanken. Seif Almuluk gab sich unterdessen allerlei Zerstreuungen hin, bis er sich eines Tages seiner erinnerte und die Mamelucken fragte: „Wo ist der, den ihr mit euch genommen habt?“ Sie antworteten: „Hast du uns nicht geheißen, ihn ins Gefängnis zu führen?“ Seif Almuluk versetzte: „Meine Wille war bloß, daß ihr ihn ins Schloß bringt.“ Es wurden sogleich einige Kammerherren und Emire abgeschickt, die Said gefesselt vor Seif Almuluk brachten. Dieser sagte ihm: „Junger Mann, aus weichem Lande bist du?“ Er antwortete: „ich bin aus Ägypten und heiße Said, Sohn des Veziers Fares.“ Als Seif Almuluk dies hörte, sprang er vom Thron herunter, fiel Said um den Hals und weinte heftig vor Freude. Dann sagte er: „O mein Bruder! o Said! du lebst und ich sehe dich wieder; ich bin dein Bruder Seif Almuluk, Sohn des Königs Assem!“ Sie hielten sich eine Weile umschlungen und weinten, die Mamelucken aber sahen erstaunt zu. Dann ließ Seif Almuluk Said ins Bad bringen und ihm kostbare Kleider anlegen. Als dies geschehen war, führte man ihn in den Divan zu seinem Bruder, der ihn neben sich auf den Thron sitzen ließ, und Said freute sich sehr des Wiedersehens. Sie unterhielten sich über ihre Abenteuer. Seif Almuluk erzählte alles, was ihm zugestoßen, von Anfang bis zu Ende; dann sprach Said: O mein Bruder! Sobald das Schiff unterging, bestieg ich mit einigen Mamelucken ein Brett, auf dem wir einen vollen Monat umhertrieben. Dann warf uns der Sturm mit dem Willen des erhabenen Gottes auf eine Insel. Wir stiegen hungrig ans Land, gingen zwischen den Bäumen herum und aßen von ihren Früchten. Da kam auf einmal ein Herde Volk gleich Teufeln über uns her; sie stiegen auf unsere Schultern und sagten: „Lauft nur zu, ihr seid nun unsere Esel!“ Ich sagte dem der mich bestieg: „Wer bist du, und warum reitest du auf mir?“ Er schlang den einen Fuß um meinen Hals, drückte mich so sehr, daß ich fast starb, und schlug mich so heftig mit dem anderen Fuß auf den Rücken, daß ich glaubte, er breche mich mitten durch; ich fiel zur Erde auf mein Gesicht, denn ich hatte vor Hunger und Müdigkeit von der Reise gar keine Kraft mehr. Wie er merkte, daß ich hungrig war, nahm er mich an der Hand, führte mich unter einen Baum, der viele Früchte hatte, und sagte mir: „Iß von diesen Früchten!“ Ich aß, bis ich satt war, und ging wieder gezwungen weiter. Ich war aber nur ein paar Schritte weitergegangen, da stieg er wieder auf meine Schultern, und ich mußte bald gehen, bald laufen; er aber lachte und sprach: „Ich habe in meinem Leben kein so gutes Lasttier gehabt.“ So blieben wir mehrere Jahre lang bei ihnen. Eines Tages sahen wir viele Weinberge mit Trauben; wir sammelten davon, füllten eine Grube damit und traten die Beeren mit den Füßen, bis jene wie ein großer Wasserteich aussah; die Sonne schien darauf und es wurde Wein daraus. Wir tranken so viel davon, bis wir berauscht waren und unsere Gesichter ganz rot wurden. Da fingen wir an zu singen, zu springen und zu tanzen. Sie fragten: „Was habt ihr, daß ihr so rot seid, so singt und tanzt?“ Wir antworteten: „Was habt ihr danach zu fragen: Was wollt ihr von uns?“ Sie versetzten: „Sagt es uns! wir wollen es sehen!“ Wir erwiderten: „Das ist der Wein.“ Sie sagten: „Gebt uns davon zu trinken!“ Wir aber antworteten: „Es sind keine Trauben mehr vorrätig.“ Da führten sie uns in ein Tal, wir wissen nicht wie lang, noch wie breit, weder wo es anfängt, noch wo es endet, ganz voll mit Reben, von denen jede Traube einen Zentner schwer und leicht zu pflücken war. Sie sagten: „Sammelt von diesen!“ Wir sammelten viele davon, füllten damit einen Zuber, größer als ein Teich, traten sie mit Füßen und ließen sie so einen ganzen Monat lang gären, bis sie zu Wein wurden. Wir sagten ihnen: „Nun ist der Wein reif, woraus wollt ihr trinken?“ Sie antworteten: „Wir hatten Esel, wie ihr seid, die, als sie alt wurden, starben. Wir aßen ihr Fleisch; noch haben wir aber ihre Schädel: gebt uns daraus zu trinken!“ Sie führten uns dann in Höhlen, wo viele Menschengebeine lagen; wir nahmen einige Schädel, gaben ihnen daraus zu trinken und dachten bei uns: Nicht genug, daß sie auf uns reiten, sie fressen uns auch noch nach unserm Tode. Wir sagten zueinander: „Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen!“ Wir füllten nun einen Menschenschädel mit Wein und reichten ihn ihnen. Nachdem sie ihn ausgetrunken hatten, riefen sie aus: „Das ist bitter.“ Wir erwiderten: „Warum sagt ihr, das ist bitter? wer so sagt und nicht wenigstens zehnmal so viel trinkt, der muß noch an dem nämlichen Tage sterben.“ Sie fürchteten sich vor dem Tode und sagten: „So gebt uns noch mehr zu trinken!“ So tranken sie, bis der Wein ihnen schmeckte und sie betäubt waren, verlangten aber immer mehr. Zuletzt wurden sie so berauscht, daß sie sich nicht mehr auf uns festhalten konnten. Als wir dies merkten, liefen wir so lange in der Hitze und in der frischen Luft herum, bis sie der Schlaf überfiel und sie sich niederlegen wollten. Wir aber sagten: „Laßt uns immerzu laufen“, und wir liefen mit ihnen so lange, bis sie auf unsern Schultern einschliefen und ihre Füße ganz locker um unsern Hals hingen. Wir luden sie alsdann ab, legten sie zusammen, sammelten viel Holz von Weinreben, legten es um sie herum und bedeckten sie damit. Dasselbe zündeten wir an und blieben in der Ferne stehen, um zuzusehen. In einem Augenblick flammte das Holz hoch auf; sie verbrannten alle und wurden zu einem Haufen Asche, und keiner von ihnen entkam. Wir dankten Gott für unsere Rettung, verließen die Insel, gingen ans Meeresufer und trennten uns voneinander. Ich ging mit zwei Mamelucken in einen großen Wald, wo wir Früchte aßen. Da kam eine große Gestalt mit langem Kinn und langen Ohren, mit Augen wie Fackeln; sie hatte eine große Herde vor sich, die sie weidete. Als sie uns sah, hieß sie uns willkommen, freute sich mit uns und sagte: „Kommt zu mir, ich will euch eins von diesen Schafen schlachten und braten, und es euch zu essen geben.“ Wir sagten: „Wo wohnst du denn?“ Der Riese antwortete: „In einer Höhle, deren Öffnung ihr finden werdet, sowie ihr um den Berg dieser Insel herumgeht. Geht nur hin, dort findet ihr viele Gäste, die euch gleichen!“ Wir glaubten, er sagt die Wahrheit und gehöre zu den aufrichtigen Menschen; wir suchten daher die Höhle auf.

Als wir hineinkamen, sahen wir Menschen darin, die uns glichen, sie waren aber alle blind. Als wir uns zu ihnen gesellten, sagte einer von ihnen: „Ich bin krank“, ein anderer: „Ich bin schwach.“ Wir befragten sie darum. Sie antworteten: „Auch ihr kommt, unser Los zu teilen! Wie seid ihr in die Gewalt dieses Verruchten gekommen? Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! Das ist ein Werwolf, der die Menschen frißt.“ Wir fragten: „Wie hat er euch blind gemacht?“ Sie antworteten: „Auch euch wird er sogleich mit einem Becher Milch blind machen. Er wird euch sagen: Ihr kommt von der Reise, trinkt diese Milch, bis ich euch das Fleisch brate und es euch bringe; sowie ihr alsdann die Milch trinken werdet, wird das Licht eurer Augen erlöschen.“ Ich dachte: hier kann ich nur durch List entkommen. Ich grub eine Vertiefung in den Boden, und nach einer Weile kam der Verruchte zur Tür herein mit drei Bechern Milch. Er reichte mir einen davon und denen, die mit mir gekommen waren, und sagte: „Ihr seid durstig von der Reise, nehmt diese Milch und trinkt einstweilen, bis ich euch das Fleisch brate.“ Ich nahm den Becher, führte ihn an den Mund und goß ihn in die Vertiefung, fuhr dann mit den Händen an die Augen und schrie: „Ich habe meine Augen verlorene und weinte; er aber lachte und sagte: „O Said! nun bist du auch wie diese geworden, die in der Höhle sind!“ denn der Verruchte glaubte, auch ich sei nun blind, wie es meine beiden Begleiter wirklich geworden. Der Verruchte stand dann sogleich auf, schloß die Türe der Höhle und fühlte meine Rippen an; da er mich aber sehr mager und abgezehrt fand, wandte er sich zu einem andern, der fetter war, schlachtete drei Schafe, zog ihnen das Fell ab, brachte einen Spieß, an dem er sie zusammen briet, und aß sie; zuletzt nahm er einen Schlauch mit Wein, trank ihn aus, legte sich aufs Gesicht und schnarchte. Als ich dies sah, dachte ich bei mir: wie kann ich ihn umbringen? In dem Augenblick bemerkte ich zwei eiserne Spieße am Feuer, die davon glühend wie feurige Kohlen waren. Ich machte mich rüstig auf, nahm die beiden Spieße vom Feuer und stieß mit aller Kraft in seine Augen. Aus Liebe zum Leben sprang er schnell auf und wollte mich festhalten, ich aber entfloh mitten in die Höhle. Er lief mir nach, am Ende wußte ich nicht, wie ich ihm entrinnen sollte, denn die Höhle war mit einem Stein verschlossen; da fragte ich die anwesenden Blinden: „Was soll ich gegen diesen Verruchten anfangen?“ Einer von ihnen erwiderte: „Spring auf dies Fenster, dort findest du ein kupfernes Schwert; nimm es und wir wollen dir darin sagen, was du damit tun sollst; schlag ihn nur damit auf die Mitte des Leibes, so wird er sogleich sterben.“ Ich sprang, gestärkt durch die Macht und Größe Gottes, aufs Fenster, nahm das Schwert, sprang wieder herunter und ging auf ihn zu. Das Verfolgen hatte ihn jedoch schon sehr ermüdet. Da er keine Augen mehr hatte, so wollte er eben die Blinden töten. Ich schlug ihn mit dem Schwerte, und er fiel in zwei Stücke gespalten auf den Boden. Er schrie laut auf, und rief: „O Mann! töte mich ganz, gib mir noch einen Hieb!“ Ich wollte ihm noch einen Schlag auf den Hals geben, als mir der Mann, der mir das Rettungsmittel angegeben hatte, zurief: „Schlage ihn nicht mehr, sonst kehrt er ins Leben zurück und wird uns alle umbringen! Ich befolgte den Rat dieses Mannes, und der Verruchte starb bald darauf. Der Mann sprach weiter: Öffne nun die Pforten der Höhle, vielleicht wird uns Gott dazu helfen, daß wir einmal aus diesem Ort befreit werden.“ Ich sagte: „Nun ist alles Böse vorüber, wir wollen hier ausruhen, uns von diesen Schafen nähren und den Wein trinken.“ Wir verwerten noch zwei Monate an diesem Ort, aßen von den Schafen und tranken von dem Wein; auch kosteten wir die Früchte, die hier wuchsen, bis wir eines Tages ein großes Schiff in der Ferne sahen. Wir gaben ihm ein Zeichen und riefen laut. Die Schiffsleute aber fürchteten sich vor diesem Verruchten, den sie als einen Werwolf auf dieser Insel kannten, und gaben uns kein Gehör. Wir winkten ihnen immerzu und schrieen: „D er Verruchte ist tot, kommt und nehmet seine Herde und was er sonst besitzt.“ Endlich nahte sich ein Trupp Matrosen in einem Nachen und stieg ans Land. Wir führten sie zu diesem Verruchten; sie aber nahmen, als sie sahen, daß er tot war, alle Kleider und alles Geld, das in der Höhle war, samt den Schafen; auch sammelten sie Früchte auf lange Zeit. Wir stiegen dann mit ihnen auf das Schiff, und sie brachten uns hierher, wo ich eine gut regierte Stadt fand, die von braven Leuten bewohnt wird; ich ließ mich hier nieder, und lebe nun schon seit sieben Jahren als Makler; gepriesen sei Gott, der ein solches Ende herbeigeführt! Mein einziger Kummer war, nicht zu wissen, wo du lebst und was aus dir geworden ist; ich betete zu dem allmächtigen Gott, er möge mich bis zu unserem Wiedersehen leben lassen: mein Herz ist nun ganz der Freude offen, seit der Allmächtige mich mit dir vereinigt hat.“

Seif Almuluk stand jetzt auf, ging ins Harem zu Dawlet Chatun und sagte zu ihr: „Herrin, wo bleibt das Versprechen, das du mir im festen Schloß gegeben? Hast du mir nicht gesagt: wenn ich zu den Meinigen zurückgekehrt sein werde, so will ich mein möglichstes tun, um dein Verlangen zu stillen?“ Sie antwortete: „So habe ich gesagt, und bin auch bereit, zu gehorchen.“ Nach diesen Worten stand sie auf, ging zu ihrer Mutter und sprach zu ihr: „O Mutter! komm, wir wollen uns schön putzen und dann Räucherwerk anzünden, damit Badial Djamal mit ihrer Mutter komme und sich freue, mich wiederzusehen.“ Die Mutter sagte: „Tue das, meine Tochter.“

Dawlet Chatuns Mutter ging in den Garten und zündete Räucherwerk an; nach einer guten Weile kamen die Ersehnten alle in den Garten und schlugen ihre Zelte da auf. Dawlet Chatuns Mutter unterhielt sich mit Badial Djamals Mutter und erzählte ihr die glückliche Rückkehr ihrer Tochter; diese aber freute sich, ihre Schwester Badial Djamal zu sehen. Sie waren beide glücklich im Wiedersehen; es wurden Tische gedeckt und köstliche Speisen zubereitet. Dawlet Chatun saß allein auf einem Thron mit Badial Djamal; sie aßen und tranken, und ihre Heiterkeit wuchs; Dawlet Chatun aber sprach: „O meine Schwester! wie unfreundlich ist die Trennung und wie schön das Wiedersehen, ganz wie der Dichter sagt:

„Der Trennungstag hat mein Herz zerschnitten, Gott zerschneide das Herz des Trennungstages; hätte uns die Trennung möglich geschienen, so wären wir ihr nie verfallenen!“ Dann fuhr sie fort: „Ich war viele Jahre lang allein in einem festen Schloß und weinte Tag und Nacht, alle meine Gedanken waren bei dir, meiner Mutter, meinem Vater und allen den Meinigen; nunmehr seid ihr mir, gelobt sei Gott, alle wieder geschenkte Badial Djamal fragte: „Und wie bist du dem gewalttätigen Tyrannen, dem Sohn des blauen Königs, entkommend Hierauf erzählte Dawlet Chatun alles, was ihr mit Seif Almuluk auf der Reise widerfahren, was er für Schrecken und Gefahren ausgestanden, ehe er in dieses Schloß gekommen; wie er den Sohn des blauen Königs getötet, die Tore des Schlosses ausgehoben habe, um daraus ein Floß und Ruder zu machen, usw., bis sie hier ankamen. Badial Diamal wunderte sich sehr über Seif Almuluks Taten, und sagte: „Bei Gott! das ist ein tüchtiger Mann, doch warum hat er seinen Vater und seine Mutter verlassen, um so viel zu leiden?“ Dawlet Chatun antwortete: „Ich will dir den Grund von allem sagen und mich nicht vor dir schämen.“ Badial Djamal versetzte: „O meine Schwester! wir teilen ja viele Geheimnisse einander mit, du verlangst doch gewiß nur Gutes für mich: was hast du dich also zu schämen? was hast du mir zu verbergen? Sag mir nur alles und verhehle mir nichts!“ Da sagte Dawlet Chatun: „Bei Gott! nur deinetwillen ist diesem Armen so viel Unglück begegnete - „Wieso, meine Schwester?“ - „Er hat dein Bild auf einem Kleid gesehen, das dein Vater an Salomo, Sohn Davids, geschickt, von dem hat es König Assem, Seif Almuluks Vater, mit anderen Geschenken erhalten, und seinem Sohne Seif Almuluk geschenkt. Sobald dieser das Kleid auseinanderlegte, um es zu betrachten, sah er dein Bild, verliebte sich in dasselbe, ging fort, um dich aufzusuchen, und erlitt darüber all dieses Übel.“ Da sagte Badial Djamal, deren Wangen vor Scham schon rot geworden: „Bei Gott! das kann nicht sein! ein Mensch kann sich mit keinem Geist vereinigend Dawlet Chatun beschrieb ihr dann seine Schönheit, seine Anmut und Gewandtheit, und setzte hinzu: „Um Gottes und um meinetwillen, ich will ihn dir zeigen, folge mir!“ Badial Djamal antwortete: „Bei Gott, meine Schwester, verschone mich mit diesen Reden! gib ihm keine Antwort, denn ich mag ihn nicht.“ Abermals schilderte ihn Dawlet Chatun als den schönsten Mann in der Welt, küßte flehend die Füße Badial Djamals, und sprach: „Bei der Milch, die uns beide ernährt hat! bei der Schrift, die auf Salomos Siegel ist! Friede sei mit ihm! du mußt mir Gehör geben, denn ich habe ihm im festen Schloß versprochen und geschworen, daß ich dich ihm zeigen werde. Nun beschwöre ich dich bei Gott! laß mich meines Eides willen dich ihm nur einmal zeigen, und sieh ihn nur einmal an! „ Sie weinte und bat so lange, küßte ihr Hände und Füße, bis sie einwilligte und sagte: „Um deinetwillen will ich ihm erlauben, einen Blick auf mein Gesicht zu werfen.“ Dawlet Chatun wurde hierauf ganz munter, küßte ihr Hände und Haupt, und ging ins Schloß, wo sie den Dienern befahl, das Gartenschloß herzurichten. Sie setzten einen schönen goldenen Thron hinein, und bereiteten den Wein in goldenen Gefäßen.' Dawlet Chatun ging zu Said und Seif Almuluk, und meldete letzterem die Erfüllung seines Wunsches; sie sagte ihm. „Geh mit deinem Bruder in den Garten und verbergt euch im Schloß, daß euch niemand sehe, bis Badial Djamal kommen wird!“ Diese standen auf und gingen an den Ort, den sie ihnen angewiesen. Seif Almuluk küßte Dawlet Chatuns Stirn und freute sich sehr. Wie sie in den Garten kamen, sahen sie den goldenen Thron aufgerichtet, mit golddurchwirkten Kissen, und goldene Trinkgefäße. Sie fingen an zu essen und zu trinken. Seif Almuluks Brust war jedoch beengt; er dachte an seine Geliebte, und sein ganzes Herz war erfüllt von Liebe und Sehnsucht. Er verließ das Schloß, und sagte zu Said: „Bleibe du nur sitzen, und folge mir nicht!“ Mit diesen Worten ging er ganz liebestrunken und sehnsuchtsvoll in den Garten, und sprach folgende Verse:

„O Badial Djamal! ich habe niemanden außer dir, habe Mitleid mit dem, der in Liebe zu dir glüht; du bist der Gegenstand meines Flehens, meiner Wünsche und meiner Freuden, mein Herz verschmäht jede andere Liebe als die deinige. Ich durchwache die ganze Nacht und meine Augen weinen. Wüßte ich doch, ob dir meine Tränen nicht verborgen geblieben? Unaufhörlich fließen Tränen über meine Wangen im Grame nieder, ob ich jemals deine Einwilligung erhalten werde. Alsdann wünsche ich, daß der Schlaf meine Augen zudrücke, weil ich hoffe, dich im Traume zu sehen. Gott vermehre deine Freude und deinen Glanz; müßte auch die ganze Welt dein Lösegeld werden. Die Herde der Liebenden ist unter meinem Panier, die der Schönheit unter dem deinigen.“

Er weinte und sprach noch folgende Verse:

„O Badial Djamal! du bist mein Leben und das Geheimnis, das mein Herz bewahrt! Wenn ich den Mund öffne, so spreche ich nur von dir, und wenn ich schweige, so bist du mein Gedanke. Ich will von der Welt nur deine Nähe und Einwilligung; bei Gott, nichts anderes kommt mir in den Sinn! In meinem Herzen ist ein Feuer, dessen Flamme immer zunimmt; ich suche meinen Zustand zu verbergen, und mein Gram wächst immer. Ich sehne mich nach dir, und nach keiner andern; ich wünsche unsere Vereinigung, und schwer lastet die Sehnsucht auf mir. Wirst du nicht bemitleiden den, dessen Körper die Liebe so abgezehrt, der ganz entstellt worden mit krankem Herzen? O, werde zärtlich, mild und freigebig! nichts kann dich mir ersetzen, ich werde stets nur deiner gedenken!“ „O meine Gebieterin! O Badial Djamal! o du vollkommene Schönheit! erbarme dich doch deines Sklaven, der schon so viel um dich geweint, der Vater und Mutter verlassen hat, der immer wacht und den der Schlaf flieht; habe Mitleid mit dem, der die Nächte schlaflos und den Tag in Verwirrung zubringt!“ Zuletzt sprach er noch im heftigsten Schmerze folgende Verse:

„Bei Gott! die Sonne geht für mich weder auf, noch unter, weil mein Herz und mein Sinn mit Badial Djamal beschäftigt sind. Ich besuche keine Gesellschaft, ohne mit meinen Genossen von dir zu sprechen. Wenn ich im Durste Wasser trinke, so sehe ich immer dein Bild im Becher!“ Seif Almuluk lief dann lange im Garten umher, und ließ sich endlich bei einem Wasserrad unter einem Baum nieder und schlief. Badial Djamal aber hatte sich mit Dawlet Chatun unterhalten, Seif Almuluk gesehen, und seine Jugend, Schönheit, Anmut, Wuchs und Ebenmaß bewundert; schon wie sie ihn hörte, fing sie an, ihn zu lieben, wie der Dichter sagt:

„Sehr oft lieben die Ohren vor den Augen.“

Badial Djamal saß in ihrem Zelt mit ihren Sklavinnen und Dienern, und sah Seif Almuluk mit Verwunderung zu; sie berauschte sich in Liebe und Sehnsucht, die ihr Herz erfüllten und sprach: „Bei Gott! ich bin entschlossen, sogleich bei der klaren Nacht zu Seif Almuluk zu gehen, um in der Nähe zu sehen, ob er so ist, wie ihn Dawlet Chatun beschrieben hat; finde ich ihn so, so bleibe ich bei ihm, um mit ihm zu leben, und betrachte ihn als mein Los in dieser Welt. Ist er nicht so, wie er mir beschrieben worden, so werfe ich ihn aus meinem Sinne und denke nie mehr an ihn.“ Mit diesen Worten stand sie auf, sagte ihren Sklavinnen, niemand solle ihr folgen und keine von hier weichen, bis sie wiederkehre. Sie trat in den Garten, bis sie zum Wasserrad kam, wo sie Seif Almuluk auf dem Boden liegend fand, berauscht von Wein und Liebe. Sie erkannte ihn nach der Beschreibung Dawlet Chatuns, setzte sich ihm zu Kopfe, sah ihm ins Gesicht, und ihre Liebe wurde immer heftiger; ihre Tränen flossen reichlich, sie seufzte und schluchzte, und sprach folgende Verse:

„O du! der die Nacht verschläft, Schlaf ist den Liebenden verboten; wer lieben will, muß auch den Schlaf meiden.“

Seif Almuluk schlief immerfort, Badial Djamal aber weinte und jammerte. Da fiel ein Tropfen von ihren Tränen auf Seif Almuluks Wangen, der davon erwachte und Badial Djamal neben sich sah; er erkannte sie und sprach weinend folgende Verse:

„Meine Tränen mögen mir als Entschuldigung bei dir dienen, und dir das Geheimnis meines Herzens entdecken. Die Freude hat dasselbe so überströmt, daß ich weinen muß vor übergroßer Wonne. Ich sah einen Mond über den Zweigen eines Ban gehen, und verlor aus Liebe Mut und Geduld. Das Innerste meines Herzens tobte vor zurückgedrängter Liebe, welche die Wolken meiner Augen verhüllten. Ihre Augen sind schwarz, wohlduftend ist ihr Mund, ihre Äpfelwangen sind wie Anemonen. Aus Liebe und Sehnsucht rief ich aus: Nur sie will ich, nichts kann sie mir aus dem Herzen reißen! Bei Gott! ich beschwöre dich! o du, der nichts bei mir gleichkommt! du mein Geist und meine Freude! bei der Anmut deiner Wangen, weiß und rot gemischt, bei dem Zauber und der Farbe deiner Augen, bei den biegsamen Zweigen deines Wuchses, schmähe nicht den Unseligen, den der. Liebesschmerz vernichtet, von dessen vergänglichem Körper nur noch ein kleiner Rest übrig geblieben; das ist alles, um was ich, nach deinem Lobe, bitte, und nun habe ich, so weit meine Kräfte reichen, meine Pflicht erfüllt.“

Er rezitierte noch folgende Verse:

„Friede sei mit dir und werde dein Führer! das Edle neigte sich immer zum Edlen hin; Friede sei mit dir! möchte ich nie dein Bild vermissen! In meinem Herzen nimmst du einen großen Raum und hohen Rang ein; mich verzehrt die Eifersucht und der Gedanke an dich; jeder Liebende leidet für seine Geliebte. Höre nicht auf, deinem Freund hold zu sein, denn er stirbt vor Sehnsucht: sein Herz ist liebeskrank. Gebeugt schaue ich zu den Sternen der Nacht, und mein Herz ist einer langen Pein hingegeben. Keine Geduld und keine Anstrengung hilft mehr, ich werde immerfort sagen: Der Friede Gottes sei mit dir zu jeder Zeit! Dies der Gruß eines schwer belasteten Liebenden.“

Dann rezitierte er noch folgende Verse:

„Wenn ich je, o Gebieterin! nach einer anderen verlangt habe, so möge ich nie meinen Wunsch nach dir erfüllt sehen! Wer vereint so wie du alles Schöne in sich, daß ich mich außer durch dich wieder erheben könnte? Fern sei von mir, daß ich jemals eine andre liebe, da um deinetwillen mein Herz und meine Eingeweide hingewelkt sind.“

Als Seif Almuluk diese Verse vollendet hatte, weinte er. Badial Djamal aber sprach: „O Prinz! ich fürchte, wenn ich mich dir ganz hingebe, ich möchte keine treue Gegenliebe bei dir finden: denn die Menschen sind selten treu, es herrscht viel Verrat und Bosheit unter ihnen. Sogar unser Herr Salomo hat Balkis aus Liebe geheiratet, und sie dann einer anderen wegen wieder verlassen.“ Seif Almuluk antwortete: „Mein Herz! mein Auge! mein Geist! der erhabene Gott hat nicht alle Menschen gleich geschaffen. Ich werde, so Gott will, dir immer treu bleiben und zu deinen Füßen sterben; du wirst dich von der Wahrheit dessen überzeugen. Gott bürgt dir für meine Worte, er hört mich.“ Da sprach Badial Djamal: „So sitze aufrecht, und schwöre nach deinem Glauben mir Treue bei Gott, der den Verräter bestrafen wird.“ Seif Almuluk setzte sich aufrecht, ebenso Badial Djamal: sie ergriffen sich die Hände und schworen niemanden sonst, weder von den Menschen, noch von den Djinnen, zu lieben. Sie hielten sich eine Weile umarmt und küßten sich im höchsten Entzücken.

Nach diesem Schwur stand Seif Almuluk auf und ging weg; Badial Djamal erwartete ihn mit einer Sklavin, die einige Speisen und Wein trug. Als er wieder kam, stand sie auf und grüßte ihn, sie umarmten und küßten sich, aßen und tranken eine Weile. Dann sagte Badial Djamal: „O Prinz! wenn du in den Garten Irem trittst, so wirst du daselbst ein großes Zelt aufgerichtet sehen, von rotem Atlas, und rings umher mit roter Seide, die Pfeiler sind von Gold; geh hinein, du findest daselbst eine Alte auf einem goldenen Thron, und unter dem Thron steht ein goldener Schemel; wenn du hineinkommst, so grüße mit Anstand und Würde, nimm ihre Pantoffeln, küsse sie und lege sie zuerst auf deinen Kopf, dann unter deinen rechten Arm, und bleibe schweigend vor ihr stehen mit gebeugtem Haupt. Wenn sie dich fragt, wo du herkommst, wer du seiest und wie du zu ihr gelangt, wer dich dahin gebracht, und warum du so mit den Pantoffeln tust, so schweige nur; diese Sklavin wird mit ihr sprechen und ihr Herz durch ihre Worte zu gewinnen suchen, vielleicht wird Gott es dir zuneigen, so daß sie dir deinen Willen gewährt. „

Sie rief dann eine ihrer Sklavinnen, welche Murdjana hieß, und sagte ihr: „Ich beschwöre dich bei unserer Liebe, verrichte heute ohne Säumen ein Geschäft für mich, dann bist du auf immer zum Wohlgefallen Gottes frei; du wirst dann geehrt werden und mir am nächsten stehen. Dir allein will ich mein Geheimnis anvertrauen Murdjana sagte: „O meine Gebieterin! Licht meiner Augen! sage mir nur deine Angelegenheit, ich will sie, bei meinen Augen! besorgen.“ Badial Djamal versetzte: „Trage diesen Menschen auf deinen Schultern nach dem Garten Irem, ins Zelt meiner Mutter, und grüße sie. Wenn nun dieser Mensch die Pantoffeln nimmt, sich damit ihr dienstbar macht, und sie ihn fragt: woher bist du? wer bist du? wer hat dich hierher gebracht, und warum tust du so mit diesen Pantoffeln? und was willst du von mir? so gehe du schnell hinein, grüße sie und sage: „O meine Gebieterin! ich habe diesen jungen Mann hierher gebracht, er ist der Sohn des Königs von Ägypten, der in das feste Schloß gedrungen, den Sohn des blauen Königs umgebracht, Dawlet Chatun befreit und unbeschädigt ihrem Vater zurückgebracht hat; man hat ihn dir geschickt, damit du ihn sehest, die gute Nachricht von ihm hörest, und ihm Wohltaten erzeigest; bei Gott, meine Gebieterin! ist er nicht ein hübscher Junge? Wenn sie dann: Ja! antwortet, so sage: Er besitzt alle guten Eigenschaften, ist sehr tapfer, ist Beherrscher und König von Ägypten, und umfaßt alle schönen Tugenden. Wenn sie dann fragt: Was will er? so antworte: Meine Gebieterin läßt dich grüßen und dir sagen: Wie lange willst du deine Tochter noch ledig ohne Gemahl lassen? wie lange soll sie noch allein betrübt leben? warum speicherst du sie wie Korn auf und verheiratest sie nicht, solange du noch lebst, wie es andere Mütter mit ihren Töchtern tun? Hierauf wird sie dir antworten: Was soll ich tun? sobald sie jemanden kennt, den sie liebt, so erkläre ich, daß ich mich ihrem Willen nicht widersetzen werde; sage dann: O meine Gebieterin! du hast deine Tochter dem Herrn Salomo, Friede sei mit ihm! verheiraten wollen, er hat aber keinen Gefallen an ihr, und hat das Kleid dem König von Ägypten geschickt, der es seinem Sohn geschenkt hat. Als dieser es öffnete und ihr Bild sah, liebte er sie so heftig, daß er sein Königreich, seinen Vater, seine Mutter und die ganze Welt verließ mit allem, was darauf ist, und in der Welt herumwanderte, um sie aufzusuchen; er hatte allerlei Gefahr und Schrecknisse ertragen, bis er in das feste Schloß kam, wo er den Sohn des blauen Königs getötet, und Dawlet Chatun, die Schwester meiner Gebieterin, ihren Leuten wieder zurückgebracht; sie hat dann alles so veranstaltet, bis er hierher gekommen; du siehst nun, wie schön und liebenswürdig er ist! das Herz deiner Tochter hängt an ihm, wenn du also willst, so gib ihr ihn zum Gemahl; er ist ja ein sehr hübscher Junge und König von Ägypten, und ihr könnt keinen Bessern finden. Wenn ihr sie diesem Jüngling nicht geben wollt, wird sie sich umbringen, und nie mehr, weder einen Menschen noch einen Djinn, heiraten. Tu nun alles, o meine gute Murdjana! um ihre Einwilligung zu erhalten; und wenn sie einwilligt, so bist du zur Ehre Gottes frei; sprich zu ihr mit Schonung, vielleicht willfährt sie meinem Wunsch, dann wird mir niemand teurer sein als du.“ Murdjana antwortete: „O meine Gebieterin! bei meinem Haupt und meinen Augen! ich werde dir dienen und nach deinem Willen handeln.“ Mit diesen Worten ergriff sie Seif Almuluk, nahm ihn auf die Schultern, und sagte: „O Prinz, schließe deine Augen!“ Seif Almuluk schloß seine Augen, und nach einer guten Weile sagte sie ihm: „O Prinz, öffne deine Augen!“ Er öffnete seine Augen und sah den Garten Irem vor sich. Die Sklavin aber sagte: „Geh in dieses Zelt und fürchte nichts! „ Er ging ins Zelt und erwähnte Gottes Namen, hob die Augen auf und sah die Alte auf dem Thron sitzen, von vielen Sklavinnen umgeben; er grüßte sie mit Anstand und Würde, nahm die Pantoffeln, küßte sie und legte sie unter seinen rechten Arm und blieb mit gebeugtem Haupte stehen. Da sagte die Alte: „Wer bist du? aus welchem Lande? wer hat dich hierhergebracht? warum erweisest du dich so dienstbar? und womit kann ich dir nützen?“ Als sie dieses fragte, trat Murdjana herein, grüßte untertänig, und sprach: „O meine Gebieterin! ich habe diesen jungen Mann hierhergebracht, er ist's, der in das feste Schloß gegangen, den Sohn des blauen Königs umgebracht, die Prinzessin Dawlet Chatun befreit und als Jungfrau unbeschädigt zu ihren Eltern zurückgebracht hat; er ist ein verehrter König, Sohn des Königs von Ägypten, tapfer, tugendhaft und sehr liebenswürdig; man schickt ihn dir, damit du ihn sehest. Bei Gott, meine Gebieterin! ist er nicht ein anmutiger Junge, von schönen Manieren und hübscher Gestalt!“ Sie antwortete: „Jawohl, bei Gott!“ Nun fing Murdjana an so zu reden, wie es ihr Badial Djamal aufgetragen. Als die Alte dies hörte, geriet sie in Zorn und schrie: „Wann hat sich je ein Mensch mit einem Djinn gepaart?“ Als dies Seif Almuluk hörte, sprach er: „Ich will mich mit einem Djinn vereinigen, ich werde dein Diener sein, an deinen Toren sterben, und ihr stete Treue bewahren; du wirst dich einst von der Wahrheit meiner Worte und von meiner Liebe überzeugen, so Gott will.“ Die Alte saß in sich gekehrt eine Weile mit gebeugtem Haupte da, endlich hob sie den Kopf in die Höhe, und sagte: „O Jüngling! wirst du dein Versprechen treu bewahren?“ Seif Almuluk sagte: „Ja! bei dem, der die Erde ausgedehnt und die Himmel erhoben hat! ich wilI meinem Versprechen treu bleiben.“ Da sagte die Alte: „Nun, im Namen Gottes! so gewähre ich dir deinen Wunsch, so Gott will. Geh nun, ruhe dich aus, unterhalte dich im Garten und iß von den Früchten, derengleichen sich nicht auf der Welt finden! ich will nach meinem Sohn Schahban schicken und mit ihm reden; er wird mir gewiß nicht ungehorsam sein, und sich meinem Willen nicht widersetzen; du sollst dann, bei meinem und meiner Kinder Leben, meine Zustimmung zu deiner Heirat mit Badial Djamal haben; so Gott will, soll sie deine Gattin und du ihr Gatte werden.“

Seif Almuluk stand auf, küßte voll Dankgefühl der Alten die Hand, und ging in den Garten. Sie aber wandte sich zu Murdjana und sagte ihr: „Geh und sieh dich einmal um, in welchen Gegenden sich mein Sohn Schahban aufhält, und bring ihn hierher.“ Murdjana ging aus, um ihn zu suchen, und brachte ihn der Alten. Seif Almuluk hielt sich unterdessen im Garten auf. Da kamen fünf Djinnen von den Leuten des blauen Königs; als sie ihn sahen, sagten sie: „Wer hat diesen da hierhergebracht? gewiß hat kein anderer als er den Sohn unseres Herrn erschlagen, kommt, wir wollen ihn näher betrachten, und sehen, ob wir ihn überlisten können.“ Sie gingen ganz leise nach der Seite des Gartens, wo Seif Almuluk war, setzten sich zu ihm und sagten: „O schöner Jüngling! du hat das deinige getan, um den Sohn des blauen Königs zu erschlagen und Dawlet Chatun von diesem bösen Hund zu befreien; ohne dich wäre sie nicht frei geworden, obschon sie die Tochter des Königs von Serendib ist. Doch wie fingst du es an, ihn zu erschlagend Seif Almuluk, der sie für Bewohner des Gartens hielt, antwortete: „Ich habe ihn mit dem Siegelring, der an meinem Finger ist, umgebrachte Als sie nun ihrer Sache gewiß waren, griffen ihn zwei an den Füßen, zwei am Kopf und einer hielt ihm den Mund zu, damit er nicht schreien und man ihm zu Hilfe kommen könne. So flogen sie mit ihm fort zum blauen König, legten ihn vor ihm nieder und sagten: „O König der Zeit! wir haben den Mörder deines Sohnes gefundener Er fragte: „Wo ist er?“ Sie antworteten: „Dieser hier.“ Der blaue König fragte ihn: „Wie hast du meinen Sohn umgebracht? und warum?“ Seif Almuluk antwortete: „Wegen seiner Ungerechtigkeit und Gewalttat, denn er hat Prinzessinnen entführt, sie in ein festes Schloß gebracht, von ihrer Familie getrennt und ihre Keuschheit verletzt; darum habe ich ihn mit dem Siegelringe, den ich hier am Finger trage, getötet; Gott möge deswegen seinen Geist in die Hölle sperren und ihm einen schlechten Platz einräumend Als der blaue König gewiß war, daß dieser seinen Sohn umgebracht hatte, ließ er alle Veziere und Großen seines Reichs zusammenkommen, und sagte ihnen: „Hier ist der Mörder meines Sohnes: auf welche Weise soll ich ihn nun töten? sagt mir, welche Pein ihm beschieden werden soll!“ Der Großvezier sagte: „Schneide ihm jeden Tag ein Glied ab!“ Ein anderer sagte: „Laß ihn jeden Tag tüchtig prügeln!“ Ein anderer: „Schneide ihm alle Finger ab und verbrenne sie im Feuer!“ Ein anderer: „Haue ihn mitten entzweien Ein anderer: „Schlage ihm den Kopf ab!“ Jeder gab seine Meinung. Nun hatte aber der blaue König einen sehr alten, verständigen Emir, den er in allen Reichsangelegenheiten zu Rate zog, der immer von ihm befolgt wurde; dieser küßte die Erde und fragte: „O König der Zeit! o mein Sohn! wirst du meine Worte hören, und versprichst du mir Sicherheit, wenn ich dir meine Meinung sage?“ Der König antwortete: „Sprich ohne Furcht!“ Da hob der Vezier an: „O König! wenn du meinem Rat folgst, so bringst du diesen Mann nicht um; er ist ja in deiner Macht als Gefangener, und stets in deinen Händen, wenn du ihn umbringen willst. Da er nämlich in den Garten Irem gekommen ist, so weiß man dort von ihm, und der König Schahban wird seiner Schwester willen ihn von dir fordern lassen, und mit seinen Truppen dich überfallen, denen du nicht widerstehen kannst.“ -

Was nun die Mutter Badial Djamals betrifft, so hatte sie, als ihr Sohn Schahban gekommen war, die Sklavin nach Seif Almuluk in den Garten geschickt; als diese aber überall suchte und ihn nicht fand, fragte sie die Leute, die im Garten waren, nach ihm; sie hatten ihn aber nicht gesehen. Doch zuletzt sagte einer: „Ich habe einen Menschen unter einem Baume gesehen, als sich fünf Mamelucken des blauen Königs zu ihm herunterließen und sich mit ihm unterhielten; dann trugen sie ihn fort, hielten ihm den Mund zu, und flogen mit ihm davon.“

Als die Alte dies hörte, geriet sie in heftigen Zorn und sagte zu ihrem Sohn Schahban: „Du bist König, und gleich mir noch beim Leben, und doch kommen die Mamelucken des blauen Königs in unsern Garten und gehen unangetastet mit unserem Gaste davon?“ Er antwortete: „O meine Mutter! der ist ein Mensch, der den Sohn des blauen Königs umgebracht, nun hat ihn Gott in seine Gewalt gegeben; er ist ein Djinn und ich auch; soll ich um eines Menschen willen zu ihm gehen, Krieg mit ihm führen und Zwietracht zwischen uns stiften?“ Die Alte aber sagte: „Bei Gott! du mußt ihn bekriegen und unsern Sohn, unsere Gast von ihm fordern. Lebt er noch, so muß er ihn dir überliefern und du bringst ihn hierher; hat er ihn aber umgebracht, so nimm den blauen König und seine Söhne und bring ihn her, daß ich ihn mit eigener Hand töte und seine Wohnung verwüste; tust du das nicht, so bist du der Milch, die dich genährt, und der Erziehung, die ich dir gegeben, unwürdig! „ Schahban machte sich aus Ehrfurcht vor seiner Mutter, weil sie es wünschte, und weil es von Ewigkeit her so bestimmt war, auf, ließ seine Truppen ausrücken, und zog am folgenden Tag zu einer mörderischen Schlacht mit den Truppen des blauen Königs aus, bis letztere geschlagen und die übrigen nebst dem König und den Großen des Reichs gefangen und gefesselt vor den König Schahban gebracht wurden. Er fragte den König: „O sag an! wo ist der Mensch, mein Gast?“ Er antwortete: „O Schahban! du bist ein Djinn und ich auch, verfährst du somit mir wegen eines Menschen, der meinen Sohn erschlagen hat, das Innerste meines Herzens, meinen Geist? Darum übst du solche Feindschaft gegen mich und vergießest das Blut so vieler Djinnen?“ Schahban versetzte: „Weißt du nicht, daß in den Augen Gottes ein Mensch besser ist, als tausend Djinnen? Laß nun diese Reden! lebt er noch, so bringe ihn her, und ich lasse dich und alle die deinigen frei ziehen; hast du ihn aber getötet, so werde ich dich töten und dein Haus verwüsten!“ Der blaue König sagte: „O König! er hat mir Böses getan, er hat meinen Sohn umgebrachte Schahban aber erwiderte: „Dein Sohn war ein Tyrann, er hat Prinzessinnen entführt, sie in ein festes Schloß gebracht und ihre Keuschheit verletzten Da sagte der blaue König: „Nun, er ist hier, stifte Frieden zwischen uns!“ Schahban versöhnte sie miteinander, und der blaue König beschenkte Seif Almuluk und schrieb ihm einen Freibrief wegen des Mordes an seinem Sohnes, und es wurden drei Tage lang große Mahlzeiten gegeben. Dann nahm er (Schahban) Seif Almuluk und brachte ihn seiner Mutter, die sich sehr darüber freute. Auch Schahban fand Wohlgefallen an ihm, nachdem ihm die Alte seine ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende erzählt hatte, und sagte: „Er gefällt mir, nimm ihn, geh mit ihm nach Serendib feiere dort beider Hochzeitsfest; denn sie ist schön und er ist es auch, und er hat ihretwillen so viel und Gefahr ausgestanden.“ Sie reiste mit ihren Sklavinnen nach Serendib, wo sie in den Garten gingen, der Dawlet Chatuns Mutter gehörte. Als sie Badial Djamal sah, vereinigte sie sich mit ihnen im Zelt. Die Alte erzählte alles, was ihm widerfahren, von Anfang bis zu Ende, wie er beinahe als Gefangener des blauen Königs gestorben wäre; alles wie schon erzählt worden. Sie waren alle sehr erstaunt darüber. Dann ließ Dawlet Tatuns Vater alle Großen des Reichs zusammenkommen, zwischen Badial Djamal und Seif Almuluk wurde der Ehekontrakt geschlossen, wozu die Djausch riefen: „Gesegnet, er verdient es!“ Sie streuten Gold und Silber auf Seif Almuluks Haupt, machten ihm große Geschenke und brachten das Essen. Seif Almuluk stand auf, küßte die Erde vor Tadj Almuluk, und sagte: „O König der Zeit! ich habe nur noch einen Wunsch, versage mir ihn nicht!“ Tadj Almuluk sagte: „Bei Gott! forderst du mein Königreich und mein Leben, so verweigere ich sie dir nicht, so viel Gutes hast du mir erwiesen.“ Da sagte Seif Almuluk: „Ich wünsche, daß du Dawlet Chatun mit meinem Bruder Said verheiratest, wir werden so alle zusammen deine Diener sein.“ Der König antwortete: „Ich bin bereit, zu gehorchend ließ die Großen des Reich s kommen, und den Ehekontrakt zwischen seiner Tochter und Said schreiben, auch ließ er die Hauptstadt herrlich ausschmücken; es wurde ein Fest gefeiert, und Seif Almuluk und Said heirateten in einer Nacht ihre Frauen. Nachdem Badial Djamal vierzig Tage mit Seif Almuluk im Schloß verweilte, fragte ihn Tadj Almuluk: „O König! bleibt in deinem Herzen noch ein Bedauern übrig?“ Er antwortete: „Ich habe alles erlangt, es bleibt mir kein anderer Wunsch als der, meine Eltern in Ägypten wieder zu sehen, und zu wissen, ob sie wohl sind.“ Einige Bewaffnete bekamen hierauf den Auftrag, sie nach Ägypten zu führen. Seif Almuluk kam zu seinem Vater und zu seiner Mutter, und ebenso Said, und blieben drei Jahre bei ihnen; dann nahmen sie Abschied und sie gingen wieder nach Seredib zurück. Seif Almuluk und Said lebten mit ihren Frauen höchst glücklich, bis der Zerstörer aller Freuden und der Trenner jeder Vereinigung sie heimsuchte; dann starben sie als Muselmänner, gelobt sei Gott, der Herr der Welten!

Der arme Fischer und der Beherrscher der Gläubigen. Man behauptet, o König der Zeit! es lebte in der frühesten Zeit in Bagdad ein Fischer mit Namen Chalif; er hatte viel Unglück und wenig Wohlstand. Eines Tages saß er in seinem Hof, war nachdenklich und sagte: „Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! Was habe ich wohl gegen meinen Herrn verbrechen, daß ich unter allen Fischern am wenigsten Glück habe? Ich kann doch wohl sagen, daß in Bagdad kein geschickterer Fischer ist, als ich bin.“ Dieser Mann wohnte in einem wüsten Ort, Chan genannt, d.h. Herberge, in einem Zimmer ohne Tür; ging er aus zu fischen, so legte er das Netz auf seine Schulter, ohne Korb und ohne Tuch; und wenn die Leute ihm sagten: „Chalif! warum nimmst du keinen Korb mit, um die Fische hinein zu tun, die du fangen wirst?“ antwortete er: „Ich würde ihn leer zurückbringen, wie ich ihn mitgenommen, denn ich würde nichts fangen.“ Eines Tages stand er mit Tagesanbruch auf, nahm sein Netz auf seine Schultern, blickte gen Himmel und sagte wehmütig: „O Gott! der du für Moses, Sohn Amrans, das Meer gebeugt hast, gib mir die Notdurft des Lebens! du bist der beste Versorgen“ Er öffnete dann das Netz, warf es ins Meer, und wartete bis es sank; als er es wieder an sich zog, fand er einen toten Hund darin. Er machte ihn los, warf ihn weg und sprach: „O unseliger Morgen mit diesem Hund! nachdem ich mich schon des Gewichtes, das im Netze war, gefreut hatte.“ Er flickte hierauf das Netz, das zerrissen war, und sagte: „Der Geruch dieses toten Hundes hat gewiß viele Fische hierhergezogen.“ Er warf das Netz wieder aus und zog das Gerippe eines Kamels mit herauf, wodurch das Netz auf allen Seiten zerrissen wurde. Als Chalif dies sah, weinte er und sagte: „Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! Was habe ich wohl gegen meinen Herrn verbrechen, daß ich weniger Glück habe und weniger Lebensunterhalt finde, als die übrigen Fischer? daß ich nicht einmal einen Fisch oder sonst ein Tierchen fange, das ich in der Asche braten und essen könnte; und doch sag ich, es gibt keinen geschickteren Fischer, als ich bin.“ Er rief aus: „In Gottes Namen!“ warf das Netz wieder, und fand darin, als er es an sich zog, einen aussätzigen, halbblinden, kahlen, krummen Affen, mit einem gebogenen Rohr in der Hand. Der Fischer Chalif sagte: „Das ist ein gesegneter Anfang; wer bist du, Affe?“ Gott ließ den Affen sprechen, und er sagte: „Kennst du mich nicht?“ Chalif antwortete: „Nein, bei Gott!“ Der Affe sagte: „Ich bin dein Affe.“ Chalif fragte: „Was tue ich mit dir, Affe?“ Er antwortete: „Ich bringe dir jeden Morgen, was dir Gott als Lebensunterhalt bestimmt.“ Da sprach der Fischer: „Du hast bis jetzt das deinige getan; nun will ich aber auch dir dein gutes Auge noch blenden und den krummen Fuß abschneiden; Gott verdamme dich! du sollst nun ganz lahm und blind werden! Doch was bedeutet das Rohr, das du in der Hand hast?“ Der Affe antwortete: „Damit vertreibe ich die Fische, daß sie nicht in dein Netz gehen.“ Chalif erwiderte: „Darum will ich dich heute auch auf eine saubere Weise züchtigen und auf alle denkbare Weise quälen; ich werde dir das Fleisch von den Gebeinen reißen, du böses Eigentum!“ Mit diesen Worten machte der Fischer ein Stück Seil von seinem Leibe los, band den Affen neben sich an einen Baum, und sagte: „Siehst du, Hundsaffe! ich werfe jetzt das Netz wieder aus, fange ich etwas, gut; wo nicht, so bringe ich dich mit den schrecklichsten Qualen um, und schaffe mir Ruhe, vor dir, du unheilvolles Gut!“ Er warf hierauf das Netz wieder aus, und fand wieder einen Affen darin; da sagte Chalif: „Gepriesen sei der erhabene Gott! ich habe geglaubt, aus dem Tigrisfluß kämen nur Fische, und nun gibt's hier nur Affen!“ Er wandte sich zu diesem Affen und fand ihn gutaussehend; er hatte ein rundes Gesicht, einen goldenen Ring am Ohr, einen blauen Gürtel am Leib und glänzte wie ein brennendes Licht. Chalif fragte ihn: „Wer bist du, Affe?“ Der antwortete: „O Chalif! ich bin der Affe des Juden, des Wechslers des Kalifen, des Glücksvaters, dem ich jeden Morgen zehn Goldstücke zu verdienen gebe.“ Ch alif sagte ihm: „Bei Gott! du bist ein hübscher Affe und gleichest nicht jenem häßlichen Tier dort.“ Er nahm dann einen Stock und fiel über den halbblinden Affen her, bis er ihm die Rippen zerbrach und er vor Schmerzen hin und her sprang. Da sagte der hübsche Affe: „O Chalif! was nützt dir dies Schlagen, und wenn du ihn auch zu Tode prügelst?“ Chalif erwiderte: „Was ist denn zu tun? soll ich ihn wieder gehen lassen, damit er mit seiner Mißgestalt mir wieder die Fische vertreibe und mich jeden Tag um das bringe, was mir Gott als Lebensunterhalt bestimmt? Nein, ich will ihn umbringen, damit ich Ruhe vor ihm habe, und dich an seiner Stelle zu meinem Affen nehmen, um jeden Tag zehn Goldstücke zu gewinnen.“ Der hübsche Affe sagte hierauf: „Ich will dir einen bessern Rat geben: wenn du mir gehorchst, wirst du Ruhe bekommen, und ich werde an seiner Stelle dein Affe werden.“ Chalif sagte: „Was willst du mir raten?“ Er antwortete: „O Chalif! wirf jetzt dein Netz aus, und es wird ein schöner, kostbarer Fisch heraufkommen, desgleichen niemals gesehen worden; ich will dir dann sagen, was du damit tun sollst“ Da sagte Chalif: „Nimm dich in acht! wenn ich abermals einen Affen heraufziehe, so schneide ich euch alle drei in sechs Stücke.“ Der Affe sagte: „Gut, Chalif! ich nehme diese Bedingung an.“ Chalif warf wieder das Netz in den Strom: wie er es an sich zog, war ein schön geformter Fisch mit rundem Kopf darin. Als Chalif diesen Fisch sah, verlor er fast den Verstand vor Freude und sprach: „Gelobt sei Gott! was ist das für eine edle Gestalt; wären diese Affen noch im Strom gewesen, so wäre gewiß dieser Fisch nicht heraufgekommen.“ Da sagte ihm der hübsche Affe: „Chalif! wenn du mir gehorchst, wird es dir gut gehen.“ Chalif antwortete: „Gott verdamme jeden, der dir von nun an widerspricht!“ Der Affe sagte: „Chalif, nimm diesen Fisch, lege ihn in einen Korb, mit ein wenig Gras unten drin und ein wenig oben darauf; kaufe dir dann einige Stengel Basilienkraut vom Blumenhändler, stecke sie ihm in den Mund und deck ihn mit einem Tuch zu, geh damit durch die Straßen Bagdads, und wenn ihn jemand von dir kaufen will, so verkaufe ihn nicht, bis du auf den Bazar der Juweliere und Geldwechsler kommst; zähle daselbst fünf Magazine auf deiner rechten Seite und gehe in das sechste, das dem jüdischen Geldwechsler, dem Glücksvater, gehört. Wenn er dich fragt, was du willst, so sage ihm: Ich bin ein Fischer, habe das Netz auf gut Glück ausgeworfen, da kam dieser kostbare, schön geformte Fisch herauf, den ich dir als Geschenk bringe; wenn er dir Geld geben will, so nimm nichts an, weder wenig noch viel, sonst kann unser Werk nicht gelingen. Sag ihm nur: Ich verlange von dir ein einziges Wort, sprich zu mir nur: Ich verkaufe dir meinen Affen für den deinigen, und mein Los für das deinige. Wenn der Jude dir dies gesagt, so gib ihm den Fisch und ich werde dein Affe, und dieser blinde, lahme, krätzige wird der seinige.“ Chalif erwiderte: „Du hast recht, Affe“, und dachte immer an das, was ihm der Affe gesagt, bis er in den Laden des jüdischen Wechslers kam.

Er sah den Juden hier sitzen, von vielen Dienern umgeben, wie er befahl, verbot, gab und nahm. Der Fischer legte seinen Korb vor ihm nieder, und sagte: „O Sultan der Juden! ich bin ein Fischer, bin heute an den Tigris gegangen und habe mein Netz in deinem Namen ausgeworfen. Da kam dieser schöne Fisch herauf, den ich dir hier zum Geschenk bringe.“ Mit diesen Worten nahm Chalif das Gras herunter, so daß der Fisch zum Vorschein kam. Als der Jude ihn sah, bewunderte er ihn und sagte: „Gepriesen sei der Schöpfer!“ und reichte einen Dinar dem Fischer, der ihn aber nicht annahm. Der Jude wollte ihm zwei Dinare geben, er nahm sie aber nicht; nach und nach bot er bis auf zehn Dinare, und der Fischer weigerte sich immer, sie anzunehmen. Endlich sagte der Jude: „Wahrlich, du Muselmann, du bist recht habgierig; sag mir, wieviel du willst?“ Chalif antwortete: „Ich will nur ein einziges Wort von dir.“ Der Jude ward ganz blaß und sagte: „Du willst mich gewiß von meinem Glauben abbringen, geh deines Weges!“ Chalif aber versetzte: „Bei Gott, o Jude! es ist mir ganz gleich, ob du Muselmann oder Christ wirst.“ Der Jude fragte: „Nun, was soll ich denn sagen?“ Chalif antwortete: „Sage: ich verkaufe dir meinen Affen für den deinigen, und mein Los für das deinige.“ Der Jude lachte, hielt den Fischer für blödsinnig und sprach: „Ich verkaufe dir meinen Affen für den deinigen, und mein Los für das deinige!“ und setzte noch spottend hinzu: „Ihr seid alle meine Zeugen! nun, Elender! wirst du nichts bekommen (für den Fisch).“ Chalif ging dann fort, und sagte: „Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! Es ist schade, daß ich das Gold nicht genommene Er machte sich selbst Vorwürfe und rief immer: „Schade um das Gold!“ Er ging dann wieder dem Tigris zu, fand aber die beiden Affen nicht mehr; nun schlug er sich ins Gesicht, weinte und streute sich Asche aufs Haupt, und sagte: „Hätte mich der zweite Affe nicht betrogen, so wäre doch der erste nicht entflohen.“ Er schrie und weinte bei heftigem Hunger und brennender Hitze immerfort; dann nahm er sein Netz und sagte: „Ich will es mit Gottes Segen auswerfen, vielleicht werde ich ein kleines Fischchen fangen, es braten und essen.“ Er warf daher sein Netz aus, ließ es ins Wasser, bis es sank, und als er es an sich zog, war es voller Fische; er freute sich darüber, nahm die Fische aus dem Netz und legte sie auf die Erde. Während er dies tat, kam eine Frau, welche schrie: „Es ist Mangel an Fischen in der Stadt!“ Als sie Chalif sah, fragte sie ihn: „Verkaufst du deine Fische, o Lehrer?“ Chalif sagte: „Soll ich mir etwa Kleider daraus schneiden? Ich verkaufe alles, bis auf meinen Bart.“ Sie gab ihm einen Dinar und er füllte ihren Korb mit Fischen. Kaum war sie fort, kam ein Diener, der für einen Dinar Fische wollte. Sie waren noch im Gespräch, da kam schon ein dritter, und so fort bis zur Asserstunde, wo er zehn Goldstücke eingenommen hatte. Da er nun sehr hungrig war, legte er sein Netz zusammen, ging auf den Bazar, kaufte sich ein wollenes Oberkleid, ein Hemd und einen Turban, zusammen für einen Dinar. Es blieben ihm vorn Dinar noch zwei Drachmen, dafür kaufte er Käse und Honig und tat es in das Schüsselchen eines Ölhändlers; er aß, bis er satt war, und alle Glieder wieder zu Kräften kamen; dann ging er nach Hause mit einem neuen Rock am Leib, dem Turban auf dem Haupt und neun Dinaren im Mund, höchst selig, da er in seinem Leben noch nicht so glücklich gewesen war. Er wollte schlafen. konnte es aber nicht vor innerer Aufregung, und spielte bis Mitternacht mit seinem Gold.

Er dachte: der Kalif, Beherrscher der Gläubigen, wird gewiß hören, daß ich Gold habe, und zu Djafar sagen: geh zum Fischer Chalif und fordere von ihm einige Dinare! gebe ich sie ihm, wird es mir weh tun; gebe ich sie nicht, wird er mich züchtigen lassen; doch ich will das lieber ertragen, als ihm mein Geld geben; ich will einmal sehen, ob meine Haut Schläge aushalten kann. Er nahm dann eine Matrosenpeitsche, hundertundsechzigfach geflochten, und schlug sich immerfort, bis er an allen Seiten blutete, und schrie dabei: „ O Muselmänner! ich bin ein armer Mann! wo soll ich das Geld hernehmen? geht zu den Leuten, die etwas besitzen!“ Als er so schrie, hörten ihn seine Nachbarn und glaubten, es seien Diebe, die ihn so prügelten, um Geld von ihm zu erpressen, und er rufe um Hilfe. Die Leute versammelten sich und stiegen von der Terrasse herunter mit Waffen in der Hand. Da Chalif sein Gemach verschlossen hatte und immerfort um Hilfe schrie, stürmten sie die Tür, gingen zu ihm und fanden ihn nackt, mit entblößtem Haupt, blutend daliegen. Sie fragten: „Was ist das für ein Zustand? bist du von Sinnen gekommen diese Nacht?“ Er antwortete: „Nein, sondern ich habe Gold und fürchtete, der Kalif möchte von mir fordern lassen, und da ich nicht gerne etwas hergebe und er dann mich foltern lassen würde, so wollte ich sehen, ob ich eine Haut zum Prügeln habe oder nicht.“ Als die Leute dies hörten, sagten sie: „Gott verdamme deinen Leib, du verruchter Wahnsinniger! du bist heute Nacht von Sinnen gekommen, lege dich nieder! Gott verfluche dich! du hast doch wohl nicht tausend Dinare, daß der Kalif sie von dir fordere?“ Chalif antwortete: „Neun Dinare.“ Die Leute aber sagten: „Bei Gott! er muß viel Geld haben!“ Sie verließen ihn hierauf, erstaunt über seinen wenigen Verstand. Chalif nahm dann das Gold, das er hatte, band es in ein Tuch, und dachte: wo soll ich wohl das Gold verbergen? begrabe ich es, so möchte man es nehmen; gebe ich es jemanden aufzubewahren, so könnte er es leugnen; trag ich's auf dem Kopf, wird man es mir rauben; binde ich's an den Ärmel, wird man ihn abschneiden. Endlich warf er seinen Blick auf den Saum seines Kragens und sagte: „Bei Gott! das ist ein guter Platz, gerade unter meinem Hals, nah am Mund; wenn jemand danach greift, so fahre ich mit meinem Mund dahin und verberge es in meinem Hals.“ Er band also das Geld dahin, schlief aber die ganze Nacht nicht vor Müdigkeit, Verwirrung und Aufregung. Am folgenden Tag ging er aus, um zu fischen; als er an den Strom kam, watete er bis zu den Knieen hinein; er warf dann das Netz mit einer so heftigen Bewegung aus, daß sein Beutel ins Wasser fiel. Um denselben zu suchen, entkleidete er sich, nahm den Turban ab, tauchte unter, fand aber den Beutel nicht mehr; endlich sprach er: „Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen!“ Er blieb in diesem Zustand, bis das Mittagsgebet ausgerufen wurde.

Aus der Ferne sah jemand dem Fischer zu, wie er untertauchte und wieder heraufkam: sein Kleid und sein Turban lagen weit von ihm in der Sonne, und niemand war sonst gegenwärtig. Er paßte auf, bis er wieder untertauchte, fiel über seine Sachen her und entfloh damit. Als Chalif wieder heraufkam und seine Kleider nicht mehr sah, ward er höchst traurig. Er stieg auf eine Anhöhe, um nach jemanden zu sehen, den er fragen könne, sah aber niemanden. In dem Augenblick kam gerade der Beherrscher der Gläubigen von der Jagd zurück, während der größten Hitze, und sah von ferne einen nackten Mann auf einer Anhöhe. Er sprach zu Djafar: „Siehst du auch, was ich sehe?“ Djafar antwortet: „Ich sehe einen nackten Mann auf der Anhöhe stehen.“ Da sprach der Beherrscher der Gläubigen: „Wer mag es sein?“ Djafar antwortete: „Wahrscheinlich ein Feldwächter.“ Der Kalif sagte: „Vielleicht ist er ein frommer Mann, ich will einmal allein zu ihm gehen und ihn bitten, daß er für mich bete; bleibe du hier stehen!“ Der Kalif ging zu ihm, grüßte ihn und fragte: „Wer bist du?“ Chalif antwortete: „Kennst du mich nicht? ich bin der Fischer Chalif.“ Der Kalif fragte: „Hat wohl ein Fischer ein wollenes Oberkleid und einen Turban?“ Als der Fischer den Kalifen von seinen Kleidern sprechen hörte, dachte er: der hat gewiß aus Scherz meine Kleider genommen. Er ging von der Anhöhe herunter und sagte dem Kalifen: „Ich dachte mir wohl, daß du Scherz mit mir treibst, denn ich habe gesehen, wie du meine Kleider genommen hast.“ Der Kalif mußte heftig lachen und sagte: „Was für Kleider hast du verloren? ich weiß nichts von dem, was du sagst.“ Chalif erwiderte: „Bei dem erhabenen Gott! wenn du meine Kleider nicht herbeischaffst, so zerbreche ich deine Glieder mit diesem Stock!“ denn er trug immer einen Stock bei sich. Der Kalif sagte: „Bei Gott! ich habe die Kleider, von denen du sprichst, nicht gesehen.“ Chalif entgegnete: „Ich werde mit dir gehen und mir das Haus merken, wo du hingehst, und dich beim Polizeiobersten verklagen; du sollst ein andermal nicht so mit mir spaßen. Bei Gott! es hat kein anderer als du mein Oberkleid und meinen Turban genommen, und wenn du sie mir nicht sogleich wieder gibst, so werfe ich dich von deinem Esel herunter und falle über deinen Kopf mit diesem Stock her, bis ich dich regungslos auf dem Platz lasse!“ Er packte sogleich den Esel am Zaum, so daß er sich auf die Hinterbeine stellte. Der Kalif dachte: „In welches Unheil bin ich hier mit diesem Wahnsinnigen gestürzt.“ Hierauf zog er seine Kleider, die hundert Dinare wert waren, aus und sagte: „Nimm dieses Oberkleid statt des deinigen!“ Chalif nahm es und zog es an; da es ihm aber zu lang war, schnitt er es unter den Knieen ab, und machte sich aus dem abgeschnittenen Stücke einen Turban. Als das geschehen war, fragte er den Kalifen: „Wer bist du? was ist dein Handwerk? du bist gewiß ein Trompeter.“ Der Kalif entgegnete: „Woran siehst du, daß ich ein Trompeter bin?“ Der Fischer antwortete: „Weil deine Nasenlöcher so groß sind, und dein Mund so klein.“ Der Kalif sagte: „Du hast recht.“ Endlich hob der Fischer an: „Folge nur, und ich will dich das Fischerhandwerk lehren, es ist besser als trompeten, und ein ehrlicheres Gewerbe.“ Der Kalif erwiderte: „Lehre es mich, ich will einmal sehen, ob ich's lernen kann oder nicht.“

Der Fischer sagte: „Komm mit mir!“ und der Kalif folgte ihm, bis ihm der Fischer zurief: „Komm herunter (ins Wasser), du Trompeter!“ Raschid ging hinunter, nahm ihm das Netz ab, und der Fischer zeigte ihm, wie er es auswerfen solle. Der Beherrscher der Gläubigen warf das Netz aus, und es wurde sehr schwer. Der Fischer aber sagte ihm: „Wenn vielleicht das Netz an einem Stein hängt, so ziehe es sanft, um es nicht zu zerreißen, sonst nehme ich, bei Gott, deinen Esel für mein Netz!“ Der Kalif mußte lachen und zog das Netz ganz langsam ans Land, und siehe da! es war mit Fischen angefüllt. Als der Fischer dies sah, kam er vor Freude von Sinnen und sagte: „Bei Gott, Trompeter, du hast viel Glück im Fischen! Ich werde dich nicht mehr von mir lassen. Doch möchte ich dich jetzt auf den Fischmarkt schicken; frage nach dem Laden des Fischers Chamid, und hast du ihn gefunden, so sprich zu ihm: Mein Lehrer! der Fischer Chalif grüßt dich, und läßt dich bitten, ihm zwei Käse und einen Fischerkorb zu schicken, er wird dir noch mehr Fische als gestern bringen; laufe und komm schnell wieder!“ Der Kalif sagte lachend: „Bei meinem Haupte, o Lehrer!“ Er bestieg dann seinen Esel, ritt zu Djafar, der ihm sagte: „Erzähle mir alles, was dir mit dem Fischer Chalif begegnete! „ Der Kalif erzählte ihm alles und fügte hinzu: „Ich ließ ihn dort, wo er mich mit dem Korb zurückerwartet; ich besorgte, er möchte mich auch lehren, wie man die Fische abschuppt und rein macht.“ Djafar erwiderte: Ach werde mit dir gehen, die Schuppen wegkehren und den Boden rein machen.“ Die Sache stand so, bis der Kalif sprach: „Djafar, gib den kleinen Mamelucken Befehle und sage ihnen: Wer mir einen Fisch von diesem Fischer bringt, dem gebe ich einen Dinar, denn ich möchte auch essen von dem, was ich gefischt habe.“ Djafar teilte den Mamelucken den Befehl des Kalifen mit, und zeigte ihnen, wo der Fischer war. Sie gingen zu ihm und nahmen ihm die Fische weg, Als er die schönen Jungen sah, glaubte er, es seien Huri aus dem Paradies. Zwei Fische waren ihm noch übrig geblieben, er lief schnell damit ins Wasser und sagte: „O Gott, bei diesen geheimnisvollen Fischen, vergib mir meine Sünden!“ Während er im Wasser war, kam der große Diener (des Kalifen), der auch nach Fischen fragte; er fand aber keine mehr, und sah bloß, wie der Fischer untertauchte und mit zwei Fischen heraufkam. Er rief ihm zu: „Chalif, was hast du?“ Er antwortete: „Zwei Fische.“ Jener sagte: „Gib mir sie, hier hast du hundert Dinare.“ Als der Fischer aus dem Wasser kam und von hundert Dinaren hörte, sagte er: „Gib die hundert Dinare her!“ Der Diener antwortete: „Folge mir in die Wohnung des Kalifen, dort erhältst du die hundert Dinare.“ Mit diesen Worten nahm er die Fische und ging nach der Wohnung des Kalifen. Chalif aber zog, als er aus dem Wasser kam, das Kleid an, das ihm der Beherrscher der Gläubigen gegeben, und das ihm kaum bis an die Kniee reichte, umgürtete sich mit einem Seile, nahm das vom Kleid abgeschnittene Stück als Turban, und lief damit mitten in die Stadt; alle Leute lachten und wunderten sich über ihn und fragten: „Woher hast du dies Kleid?“ Er aber störte sich nicht daran und fragte: „Wo ist die Wohnung des Raschad?“ Die Leute sagten ihm: „Sage doch: die Wohnung des Raschid!“ Er antwortete: „Es ist gleichviel!“ und so ging er immer fort, bis er an die Wohnung des Kalifen kam. Endlich sah ihn der Schneider, der das Kleid genäht hatte, an der Tür stehen.

Als er das Kleid an Chalif sah, fragte er ihn: „Wie alt bist du?“ Chalif erwiderte: „Fragst du mich so, weil ich so klein bin?“ Der Schneider fragte abermals: „Woher hast du dieses Kleid, das du so schlecht zugerichtet?“ Chalif antwortete: „Von meinem jungen Trompeter.“ Er ging dann an die Tür und sah den Diener betrübt mit den zwei Fischen dasitzen. Chalif sagte ihm: „Gib mir die hundert Dinare, mein Onkel!“ Er antwortete: „Bei meinem Haupt, Chalif, du sollst sie haben.“ Da kam Djafar heraus, sah den Diener mit Chalif sprechen und hörte Chalifs Forderungen. Er ging alsbald wieder zum Kalifen und sagte ihm: „Beherrscher der Gläubigen! dein Lehrer, der Fischer, will vom alten Diener hundert Dinare haben.“ Der Kalif sagte: „Bring ihn herein!“ Djafar antwortete: „Ich gehorche“, ging wieder hinaus und sagte dem Fischer: „Chalif, dein Junge, der Trompeter, richte zwischen euch.“ Djafar ging vor ihm her, und Chalif folgte ihm ins Schloß. Dort. sah er, wie der Kalif, der einen mächtigen Turban auf dem Haupt hatte, auf drei Papiere schrieb und sie vor sich hinlegte. Er fragte den Kalifen: „Hast du dein Trompeter-Handwerk aufgegeben und bist ein Astrolog geworden?“ Der Kalif erwiderte: „Nimm hier ein Blatt!“ Der Kalif hatte nämlich auf ein Blatt geschrieben, er solle einen Dinar erhalten, auf ein anderes Blatt hundert Dinare und auf ein drittes hundert Prügel. Als nun der Kalif ihn ein Blatt nehmen hieß, wollte die Bestimmung, daß er gerade nach dem griff, auf dem hundert Prügel geschrieben waren, und wenn Könige einmal etwas beschlossen haben, so gehen sie nicht mehr davon ab. Chalif ward daher auf den Boden gestreckt, und man gab ihm hundert Prügel; er schrie zwar um Hilfe, aber es half nichts. Er sagte: „Bei Gott, das ist schön, Trompeter! nachdem ich dich vom Trompeter zum Fischer gemacht, wirst du nun Astrolog und bereitest mir ein so böses Los. Pfui über dich, an dir ist kein Glück!“ Als der Kalif diese Worte hörte, ward er ohnmächtig vor Lachen und sprach: „O Fischer, fürchte nichts!“ Hierauf befahl er seinem Schatzmeister, ihm hundert Dinare zu geben; der Fischer ging damit fort und kam auf den Markt, wo man Kisten verkauft. Er sah daselbst eine Menge Leute versammelt, und hörte, wie ein Makler ausrief: „Eine verschlossene Kiste neunundneunzig Dinare!“ Er drängte sich durch und hörte dasselbe zum zweiten Male. Chalif rief laut: „Ich gebe hundert.“ Der Makler schlug sie ihm zu und nahm dafür das Gold, so daß ihm gar nichts übrig blieb. Die Träger fingen an, sich miteinander zu streiten; alle Leute aber sagten: „Bei Gott! es darf kein anderer als der Träger Sarik diese Kiste forttragen, er verdient es am meisten.“ Sarik ging hinter Chalif her; als sie jedoch auf dem Weg waren, dachte Chalif: nun habe ich nichts mehr, um den Träger zu bezahlen; wie entgehe ich dem? Doch ich will die Plätze und Gassen mit ihm durchstreichen, bis er müde wird und sie liegen läßt; dann nehme ich sie und trage sie nach Hause.

Chalif ging nun mit dem Träger umher von Mittag an bis spät Abends. Der Träger seufzte und sagte: „Herr! wo ist dein Haus?“ Chalif antwortete: „Gestern habe ich es gewußt und heute habe ich es vergessene Da sagte der Träger: „Gib mir meinen Lohn und nimm deine Kiste.“ Chalif aber antwortete: „Sarik, gehe nur langsam fort, bis ich mich erinneren werde, wo mein Haus ist; denn hier habe ich kein Geld, mein Geld liegt zu Hause, und ich weiß nicht mehr, wo es liegt.“ Während er so sprach, ging jemand vorüber, der den Fischer Chalif kannte und ihn fragte: „Was tust du hier?“ Der Träger Sarik aber fragte: „Sag mir, wo ist Chalifs Haus?“ Er antwortete: Am öden Chan an den beiden Spitzen.“ Sarik sagte nun dem Fischer: „Ich wollte, du hättest nie gelebt und wärest nie gewesene Chalif ging immerfort und Sarik hinter ihm her, bis sie nach dem Ort kamen. Der Träger setzte die Kiste nieder und sprach: „O du, den Gott in Kummer und Not leben lassen möge! wir sind wohl zwanzigmal hier vorübergegangen; hättest du mir gesagt, daß du hier wohnst, so hätten wir diese große Mühe erspart. Gib mir meinen Lohn und laß mich meines Weges gehen.“ Chalif sagte ihm: „Willst du Silber oder Gold? Bleib hier stehen, bis ich dir es bringe.“ Mit diesen Worten ging er in sein Zimmer und nahm daselbst einen Hammer, der mit vierzig Nägeln beschlagen war, so daß, wenn man ein Kamel damit geschlagen hätte, es auf dem Platz geblieben wäre, lief damit auf den Träger los und hob seine Arme auf, um über ihn herzufallen. Sarik schrie: „Halt ein! du bist mir nichts schuldig.“ Soviel, was den Träger angeht. Als die Nachbarn Chalif mit der Kiste in sein Zimmer gehen sahen, versammelten sie sich um ihn und sagten: „O Chalif, woher hast du diese Kiste und dieses Kleid?“ Er antwortete: „Von meinem Jungen Raschid.“ Die Leute sagten: „Der Mann ist rasend; wenn der Beherrscher der Gläubigen das hört, wird er ihn an der Tür seiner Wohnung nebst allen, die im Chan wohnen, aufhängen lassen; das ist ein böser Spaß.“ Sie halfen ihm die Kiste, die beinahe so groß war wie sein Zimmer, hereintragen, und Chalif legte sich auf derselben schlafen. Soviel, was Chalif angeht; was aber die Geschichte der Kiste betrifft, so hatte der Beherrscher der Gläubigen eine türkische Sklavin, welche Kut Alkulub (Herzensnahrung) hieß. Der Kalif liebte sie sehr; als aber die Frau Subeida davon hörte, war sie sehr eifersüchtig und sann auf Rache gegen sie. Wie nun der Fürst der Gläubigen auf der Jagd war, ließ die Frau Subeida die Sklavin einladen, gab ihr zu essen und zu trinken, mischte Schlaftrunk in den Wein, und schickte, als sie davon einschlief, nach einem ihrer alten Diener, ließ die Sklavin in eine große Kiste sperren, schloß sie zu und gab sie dem Diener mit den Worten: „Geh mit dieser Kiste an den Strom und werfe sie ins Wasser! „ Er lud die Kiste auf einen Maulesel, den er vor sich hertrieb, und zog damit nach dem Strom. Die Kiste aber wurde ihm zu schwer; als er daher am Kistenmarkt vorüberging, und ihn der Oberste der Makler sah und fragte: „Verkaufst du diese Kiste?“ so antwortete er: „Ja, doch nur verschlossenen Jener erwiderte: „Gib nur, dies soll geschehend Er nahm die Kiste herunter und rief aus: „Wer kauft eine Kiste um hundert Dinare?“ Während sie so beisammen waren, ging der Fischer Chalif vorüber, drehte die Kiste rechts und links, nahm sie für hundert Dinare und gab sie dem Träger, wie oben erwähnt worden. Als nun der Fischer auf der Kiste lag, erwachte Kut Alkulub vom Schlaf, merkte, daß sie in eine Kiste gesperrt war, und schrie jämmerlich. Als Chalif dies hörte, sprang er von der Kiste herunter und rief zum Fenster hinaus: „Muselmänner, kommt mir zu Hilfe, es sind Teufel in der Kiste!“ Die Nachbarn erwachten aus dem Schlaf und sagten ihm: „Was hast du, Rasender?“ Er antwortete: „Die Kiste ist voller Teufel!“ Sie sagten ihm: „Schlafe nur! du hast uns genug gequält. Gott verdamme dich! Wirf deinen Wahnsinn von dir!“ Er erwiderte: „Ich kann nicht schlafen.“ Sie schimpften ihn, und er ging wieder in sein Zimmer. Nach einer Weile fing Kut Alkulub wieder an zu sprechen und fragt e: „Wo bin ich?“ Chalif entfloh aus dem Zimmer und rief: „O Nachbarn, kommt zu mir!“ Sie sagten ihm: „Was fehlt dir? du plagst uns.“ Er antwortete: „O ihr Leute! die Teufel sprechen aus der Kiste.“ Sie aber sagten: „Du lügst! Wie lauten denn ihre Worte?“ Er antwortete: „Einer sprach zu mir: wo bin ich?“ Sie erwiderten: „Du bist in der Hölle! plagst die Nachbarn und läßt sie nicht schlafen; geh, schlafe! Wärest du nie gewesen und hättest du nie gelebt!“ Chalif ging wieder in sein Gemach, voller Furcht, denn er hatte keinen anderen Platz zu schlafen, als die Kiste. Als er wieder darauf lag, vernahmen seine Ohren, wie Kut Alkulub sagte: „Ich bin hungrig.“ Chalif entfloh wieder aus dem Gemach und schrie: „O ihr Nachbarn! o ihr Bewohner des Chans, kommt zu mir!“ Die Nachbarn sagten: „Was ist dir wieder geschehend „Die Teufel in der Kiste haben gesagt, sie seien hungrig.“ Da sagten die Leute zu einander: „Uns scheint, daß Chalif hungrig ist.“ Aus Furcht, er möchte sie die ganze Nacht nicht schlafen lassen, brachten sie ihm, was sie vom Abendessen übrig hatten, einen ganzen Korb voll Brot, Fleisch, Gemüse und Rettich und sagten ihm: „Iß, bis du satt bist, dann schlafe und störe uns nicht weiter. Wenn du noch ein Wort sagst, so prügeln wir dich, bis dir die Rippen zerbrechen und du noch diese Nacht stirbst.“ Chalif nahm den Korb mit Speisen und ging in sein Gemach, setzte sich auf die Kiste und fing an beim Mondenschein, der sein Zimmer beleuchtete, mit beiden Händen zu essen. Da sagte Kut Alkulub: „Macht mir auf und habt Mitleid mit mir, o Muselmänner!“ Chalif stand auf, nahm einen Stein, den er im Zimmer hatte, und zerbrach die Kiste, und siehe da, es befand sich darin ein Mädchen, schön wie die leuchtende Sonne mit strahlender Stirn und einem Gesicht wie der Mond, roten Wangen und freundlicher Stimme. Sie hatte ein Kleid an, das tausend Dinare wert war und noch mehr. Als Chalif sie sah, kam er vor Freude von Sinnen und sprach: „Bei Gott! du gehörst zu den Hübschen.“ Sie fragte: „Wer bist du?“ Er antwortete: „Herrin! ich bin der Fischer Chalif.“ Sie fragte: „Wie bin ich hierher gebracht worden?“ Er antwortete: „Ich habe dich gekauft und du bist nun meine Sklavin.“ Sie bemerkte ein Kleid des Kalifen an ihm und wollte wissen, wie er dazu gekommen sei. Er erzählte ihr daher, was ihm widerfahren, von Anfang bis zu Ende, und wie er die Kiste gekauft. Sie merkte, daß die Frau Subeida Verrat an ihr geübt, unterhielt sich mit Chalif bis zum Morgen und sagte dann: „Chalif, schaffe mir von jemandem Tinte, Kalam und Papier!“ Er sah sich bei einem der Nachbarn danach um und brachte es ihr. Sie schrieb einen Brief, legte ihn zusammen und sagte zu Chalif: „Nimm diesen Brief, geh damit auf den Juwelenbazar, frage daselbst nach dem Juwelier Abul Hasan, und wenn du ihn gefunden hast, so gib ihm diesen Brief.“ Er erwiderte: „Herrin! dieser Name ist schwer, ich kann ihn nicht behalten.“ Sie entgegnete: „So frage nach dem Laden des Ibn Alukab!“ Da sagte er: „Herrin! was bedeutet denn Akab?“ Sie antwortete: „Es ist ein Vogel, dem man die Augen zuhält, und den man auf der Hand herumträgt.“ Er sagte: „Ich weiß nun, Herrin!“ So ging er fort und wiederholte unaufhörlich den Namen, um ihn nicht zu vergessen. Als er jedoch auf den Juwelenmarkt kam, wußte er ihn nicht mehr. Er ging deshalb zu einem Kaufmann und fragte ihn: „Wohnt hier jemand, der den Namen eines Vogels führt?“ Er antwortete: „Ja, hier wohnt Ibn Alukab.“ Chalif sagte: „Gut, zu dem will ich gerade.“

Als er zu ihm kam, gab er ihm den Brief. Abul Hasan aber nahm den Brief, küßte ihn, las ihn, und legte ihn, als er ihn gelesen und verstanden hatte, auf sein Haupt. Er war nämlich, so wird behauptet, Agent der Kut Alkulub und der Verwalter aller ihrer Güter; sie hatte ihm geschrieben: „Von der Frau Kut Alkulub an den Herrn Abul Hasan, den Juwelier. Sobald dieser Brief zu dir gelangt, räume uns ein Zimmer ein, das vollständig mit Teppichen, Gefäßen, Sklaven und Sklavinnen und was sonst zu einem Aufenthalt nötig ist, versehen sein muß. Nimm dann den Träger dieses Briefes, führe ihn ins Bad, ziehe ihm die kostbarsten Kleider an und verfahre so und so mit ihm.“

Er sagte: „Ihr Wille ist mir Befehl“, nahm Chalif, schloß seinen Laden zu, ging mit ihm ins Bad und empfahl einem der Diener, ihn wie gewöhnlich gut zu bedienen; er ging dann und besorgte, was Kut Alkulub befohlen. Der blödsinnige Fischer Chalif glaubte, das Bad sei ein Gefängnis und sagte den Leuten: „Was habe ich verbrechen, daß ihr mich einsperrte Die Badediener lachten ihn aus, setzten ihn auf den Rand der Badewanne und ergriffen seine Füße, um sie zu reiben. Chalif glaubte, sie wollten ihn auf den Boden strecken, um ihn zu prügeln; er stand daher auf, packte die Füße des einen, hob ihn in die Höhe und stürzte ihn auf den Boden, daß er ihm fast die Rippen zerbrach. Als dies die übrigen Diener sahen, entrissen sie ihn Chalifs Händen wieder. Da kehrte ihm der Verstand zurück, und die Leute merkten, daß er nicht aus Bosheit so gehandelt hatte. Sie bedienten ihn daher immerfort, bis der Herr Abul Hasan mit einem kostbaren Anzug kam, den er ihm ankleidete; er brachte hierauf einen gut gesattelten Maulesel, nahm seine Hand, führte ihn aus dem Bad und sagte ihm. „Besteige nun diesen Maulesel!“ Chalif sagte: „Wie soll ich reiten? ich fürchte, er wird mich herunterwerfen und mir dir Rippen im Leibe zerbrechen.“ Doch nach vieler Mühe und Anstrengung bestieg er den Maulesel, und sie ritten zusammen nach dem Ort, den Ibn Alukab ihnen hergerichtet hatte.

Als Chalif hinkam, sah er Kut Alkulub dasitzen, von Gefolge und Dienern umgeben. An der Tür stand ein Pförtner mit einem Stock in der Hand. Als er Chalif sah, sprang er auf, küßte ihm die Hand und ging vor ihm her, bis ins Innere des Saals. Hier sah Chalif so viel Schönes, daß er fast den Verstand verloren und ihm das Sehen verging.

Das Gefolge und die Diener küßten ihm die Hand und sagten: „Wohl bekomme das Bad!“ Als er in die Nähe Kut Alkulubs kam, stand sie vor ihm auf, nahm ihn an der Hand und führte ihn auf einen hohen Divan. Dann brachte sie ihm ein Schüsselchen voll Zuckerwasser mit Rosenwasser .vermischt, das er nahm und bis auf den letzten Tropfen austrank; dann steckte er den Finger aus und leckte es noch aus. Sie hielt ihn davon ab und sagte: „Das ist eine Schande.“ Er aber sagte: „Schweige doch! das ist guter Honig!“ Sie lachte über ihn, ließ ihm einen Tisch mit Speisen vorstellen, und er aß, bis er satt war. Es wurde dann eine goldene Kanne und ein Waschbecken gebracht; er wusch seine Hände und lebte in höchstem Vergnügen. Nun höre, was dem Fürsten der Gläubigen geschehen!

Als dieser von seiner Reise zurückgekehrt war und Kut Alkulub nicht fand, fragte er nach ihr, und die Frau Subeida sagte ihm: „Sie ist gestorben; mögest du leben, o Fürst der Gläubigen!“ Auch hatte die Frau Subeida ein Grab graben lassen mitten im Schloß und eine Kuppel darüber bauen lassen, weil sie wußte, daß der Kalif sie sehr liebte; sie sagte daher dem Kalifen: „Ich habe sie mitten im Schloß beerdigen lassen.“ Auch kleidete sie sich schwarz aus Verstellung und Betrug, und zeigte lange äußerlich große Trauer.

Kut Alkulub hatte indessen des Kalifen Rückkehr von der Jagd vernommen und sagte zu Chalif: „Geh ins Bad und komme wieder her!“ Er ging und kehrte wieder. Sie zog ihm dann ein Kleid an, das tausend Dinare wert war, empfahl ihm, sich mit Anstand und Würde zu benehmen und sprach zu ihm: „Geh zum Fürsten der Gläubigen und sage ihm: O Fürst der Gläubigen! ich wünsche, daß du heute Nacht mein Gast sein mögest.“ Chalif bestieg seinen Maulesel und ritt, mit Jungen und Bedienten vor ihm her, nach dem Schloß des Kalifen; jedermann wunderte sich über die Schönheit und Anmut, die er sich so schnell zu eigen gemacht hatte. Als ihn der alte Diener sah, der ihm die hundert Dinare gegeben, welche die Ursache seines Glückes waren, ging er zum Kalifen und sagte: „O Fürst der Gläubigen! Der Fischer Chalif ist König geworden; er hat ein Kleid an, das tausend Dinare wert ist.“

Der Kalif ließ ihn zu sich bringen, und erlaubte ihm zu sprechen, als er näher gekommen war. Der Fischer hob an: „Friede sei mit dir, o Fürst der Gläubigen und Stellvertreter des Herrn der Welten! Beschützer des Glaubens! Der erhabene Gott gebe deinen Tagen eine lange Dauer, mache deine Beschlüsse geehrt und erhebe deinen Rang auf die höchste Stufe!“ Der Kalif sah ihn, erstaunt über die schnelle Veränderung, die mit ihm vorgegangen, an und sprach: „Sage mir, Chalif, woher hast du das Kleid, das du trägst?“ Er antwortete: „Aus meinem Hause, o Fürst der Gläubigen!“ Der Kalif fragte: „Hast du ein Haus?“ Er antwortete: „Ja, und sei du heute mein Gast, o Fürst der Gläubigen! „ Der Kalif fragte: „Ich allein oder mit den meinigen?“ Er antwortete: „Du und wen du noch mitbringen willst.“ Bei diesen Worten wandte sich Djafar zu ihm und sagte: „Wir werden heute Nacht deine Gäste sein.“ Chalif küßte dann die Erde wieder, bestieg seinen Maulesel und hatte viele Mamelucken zum Gefolge. Der Kalif war darüber erstaunt, und sagte: „O Djafar: sich einmal Chalif an mit seinem Maulesel, seinem Anzug, seinen Mamelucken und seinem Gefolge, während er noch gestern ein Gegenstand des Mitleids war.“ 'Sie waren sehr erstaunt darüber.

Als jedoch Chalif in der Nähe seines Hauses war, stieg er ab, nahm einen Bündel aus der Hand eines Mamelucken, öffnete ihn, nahm ein baumwollenes Tuch heraus und legte es unter die Füße des Maultiers des Fürsten der Gläubigen; dann nahm er eins nach dem andern, Seide, Damaszenerstoff, und so zwanzigerlei Stoffe, heraus, bis an das Haus hin. Chalif ging voran und sagte: Am Namen Gottes, o Fürst der Gläubigen!“ Der Kalif sagte zu Djafar: „Wem gehört wohl dieses Haus?“ Djafar antwortete: „Einem Mann, welcher Ibn Alukab genannt wird, der Oberste der Juweliere.“ Der Kalif stieg ab, ging mit den seinigen hinein und sah daselbst einen hohen, geräumigen Saal, mit Teppichen bedeckt; er ging zu dem Thron, den man ihm auf vier elfenbeinernen Säulen errichtet hatte, und auf dem sieben Teppiche waren.

Dem Beherrscher der Gläubigen gefiel das sehr; Chalif nahte sich ihm hierauf, von Dienern und Mamelucken umgeben, die allerlei Getränke, Zitronen, Rosenwasser mit Moschus vermischt, trugen. Chalif trank zuerst und gab dann dem Kalifen zu trinken. Gleiches taten die Weinschenken mit den übrigen Leuten. Chalif kam dann mit Tischen, worauf allerlei Speisen, Gänse, Hühner und anderes Geflügel waren, und sagte: Am Namen Gottes!“ und sie aßen, bis sie genug hatten.

Als die Mahlzeit vorüber war, ließ Chalif die Tische wegtragen, küßte die Erde dreimal und bat um die Erlaubnis, Wein und Lichter zu holen, und der Kalif erlaubte es ihm. Als er weg war, sah der Kalif Djafar an und sagte: „Bei meinem Haupt! das Haus und was darin ist, gehört Chalif: er befiehlt hier als Herr, Ich bin sehr erstaunt, woher ihm auf einmal so viel Glück und Wohlstand geworden; doch was ist dies gegen die Macht Gottes, der bloß spricht: Werde! und es wird. Mehr wundere ich mich noch über seinen Verstand, wie der zugenommen hat und wie er auf einmal so viel Würde und Anstand gewonnen. Wenn Gott einen Menschen segnen will, so vermehrt er zuerst seinen Verstand, dann erst seine weltlichen Güter.“

Während sie so sprachen, kam Chalif mit Mundschenken zurück, die goldene Gürtel trugen, die wie Monde glänzten. Sie breiteten ein scharlachrotes Tuch aus und stellten chinesische Gefäße, hohe Flaschen, kristallene Becher, Schläuche und Kannen von allen Farben auf; sie füllten sie mit klarem altem Wein, der wie feinster Moschus duftete, nach den Worten des Dichters:

„Gib mir und meinen Gefährten zu trinken von dem köstlichen alten Wein, der einen goldenen Becher als zierendes Gewand hat. Sein Schmuck besteht aus den allerfeinsten Perlen, und so ausgestattet hat man ihn mit Recht die Braut genannt.“

Um diese Weingläser waren viel Wohlgerüche verbreitet und die schmackhaftesten Süßigkeiten lagen dabei. Als der Kalif dies sah, rief er Chalif in seine Nähe, freute sich mit ihm und erwies ihm Ehre; Chalif aber wünschte dem Kalifen langes, ruhmvolles Leben. Dann fragte er: „Erlaubt mir der Fürst der Gläubigen, daß ich eine Sängerin und Lautenspielerin bringe, dergleichen noch nie gehört worden?“ Der Beherrscher der Gläubigen erwiderte: „Tue nach Gefallen.“ Chalif küßte die Erde vor dem Fürsten der Gläubigen, stand auf, ging in ein Gemach und brachte Kut Alkulub herein; sie näherte sich, tief verschleiert und mit reichem Schmuck behangen, und küßte die Erde vor dem Fürsten der Gläubigen. Dann setzte sie sich, stimmte die Laute und spielte so, daß alle Anwesenden vor Entzücken außer sich waren; zuletzt sang sie folgende Verse:

„Laßt uns sehen, ob unsere Liebeszeit wiederkehrt, ob du noch nach der Nähe deiner verlorenen Freundin dich sehnst. Lange Zeit verstrich in der Süßigkeit der Vereinigung; wir waren sorgenlos, während das böse Geschick schlief. Was ist nun das Leben nach der Trennung? Wie süß waren die Nächte der Vereinigung in meinem Hause! O mein Geliebter! näherst du dich mir, so finden wir uns wieder; wo nicht, so ist mein Leben verloren.“

Der Kalif konnte es nicht mehr aushalten, zerriß sein Kleid und fiel ohnmächtig nieder. Die Leute alle zogen ihre Kleider aus und warfen sie auf den Fürsten der Gläubigen. Kut Alkulub winkte Chalif und sagte ihm: „Geh nach jener Kiste und bringe nur, was darin ist.“ Sie hatte nämlich schon für diesen Fall eins von des Kalifen Kleidern vorbereitet. Chalif brachte es und warf es auf den Fürsten der Gläubigen. Als dieser zu sich kam und sich überzeugte, daß es Kut Alkulub war, sagte er: „Ist heute Auferstehungstag, daß Gott die Toten aus den Gräbern weckt? oder schlafe ich, und sind dies nur Träume?“ Kut Alkulub sagte: „Wir sind wach und schlafen nicht, ich lebe noch und habe den Todeskelch nicht gekostet.“ Dann erzählte sie ihm alles, was ihr bis auf jenen Tag widerfahren.

Der Kalif hatte, seitdem er sich von ihr getrennt fand, keine Freude und keine Ruhe mehr gefunden; bald dachte er tiefsinnend über sie nach, bald weinte und tobte er. Nun stand er auf, küßte, umarmte sie und nahm sie bei der Hand, um sie in ihr Schloß zu führen. Chalif sagte: „Bei Gott, das ist schön. Du hast mir gleich von Anfang Unrecht getan, und nun tust du mir wieder Unrecht.“ Der Kalif erwiderte: „Du hast recht.“ Er befahl sogleich dem Vezier Djafar, ihm so viel zu geben, bis er zufrieden sei. Dieser gab ihm, was er wünschte, und schenkte ihm ein Städtchen, das jährlich zehntausend Dinare eintrug. Kut Alkulub aber schenkte ihm das Haus mit allem, was drin war von Teppichen, Vorhängen, Mamelucken, Sklavinnen, jungen und alten Dienern. Chalif gewann so einen hohen Wohlstand, verheiratete sich und lebte in Glück, Ansehen und Wohlstand.

Der Kalif nahm ihn auch zu seinen Tischgenossen, und er genoß das schönste, angenehmste und heiterste Leben, bis er starb. Gottes Barmherzigkeit sei mit ihm! Doch ist diese Geschichte nicht schöner als die des Kaufmanns mit seinen Kindern. Der König fragte: „Wie war die?“ und Schehersad sprach: Geschichte Ghanems und der Geliebten des Beherrschers der Gläubigen. Wisse, o glückseliger König, es war in der frühesten Zeit ein Kaufmann, der einen Sohn wie der Vollmond hatte, von beredter Zunge, er hieß Ghanem Ibn Ejub; dieser hatte eine Schwester, die, weit sie so schön und liebenswürdig war, Fitna (Verführung) hieß. Als ihr Vater starb, hinterließ er ihnen viele Reichtümer, unter anderem auch hundert Ballen Perlenmuscheln, Seidenstoffe und Moschus; die Ballen sollten eben durch ihn nach Bagdad gebracht werden und waren schon dahin adressiert, als ihn Gott sterben ließ. Sein Sohn nahm nach einiger Zeit diese Waren, um damit nach Bagdad zu reisen. Dies geschah unter der Regierung des Kalifen Harun Arraschid. Er nahm Abschied von seiner Mutter, Schwester und übrigen Verwandten und Mitbürgern, und machte sich auf die Reise, im Vertrauen auf den erhabenen Gott, der ihm auch eine vollkommen glückliche Reise bis Bagdad in Gesellschaft einiger Kaufleute bestimmte.

Er mietete ein schönes Haus, versah es mit Teppichen, Kissen und Vorhängen, brachte seine Waren, seine Kamele und Maulesel hinein, und blieb zu Hause, um auszuruhen. Die vornehmen Kaufleute kamen und begrüßten ihn. Er nahm dann einen Bündel, worin zehn Stück kostbare Stoffe waren, worauf der Preis geschrieben war, und ging damit auf den Bazar. Die Kaufleute kamen ihm ehrerbietig entgegen und grüßten ihn. Sie legten dann die Waren in den Laden des Obersten des Bazars. Dieser öffnete den Bündel, nahm die Stoffe heraus und verkaufte sie, so daß jeder Dinar zwei gewann. Ghanem freute sich dessen und verkaufte so eine Ware nach der anderen ein ganzes Jahr lang.

Am Anfang des zweiten Jahres wollte er auf den Bazar gehen, fand aber die Tür geschlossen; er fragte daher nach der Ursache, und man sagte ihm, es sei ein Kaufmann gestorben, weshalb alle Kaufleute seiner Beerdigung beiwohnten. „Willst du dir nicht auch dadurch Lohn (im Himmel) erwerben und mitgehen?“ Er sagte: „Ja!“ und fragte nach dem Versammlungsplatz; man führte ihn dahin; er wusch sich daselbst, ging mit den Kaufleuten nach dem Betorte wo man für den Toten betete, dann zog man vor der Leiche her nach dem Begräbnisplatz, und Ghanem folgte dem Zug.

Man zog mit der Leiche zur Stadt hinaus, durchstreifte die Gräber, bis man an den Begräbnisplatz kam, wo die Verwandten des Verstorbenen schon Zelte über den Gräbern aufgeschlagen hatten; die Wachslichter und Lampen wurden zugerichtet, der Tote wurde beerdigt und der Koran auf dem Grab gelesen. Die Kaufleute setzten sich und Ghanem setzte sich aus Scham zu ihnen; denn er dachte: Ich kann mich doch nicht von ihnen trennen, und nicht früher, als sie, weggehen. So saßen sie und hörten andächtig die Gebete des Korans bis zur Zeit der Abendstunde. Da brachte man das Nachtessen mit süßen Speisen; sie aßen, bis sie genug hatten und wuschen sich die Hände; dann setzten sie sich wieder auf ihren vorigen Platz. Ghanems Gemüt war sehr beunruhigt, denn er fürchtete sich vor Dieben und dachte bei sich: Ich bin hier fremd und als reicher Mann bekannt: wenn ich nun die Nacht außer dem Haus zubringe, könnten Diebe mir meine Ware stehlen. Er stand daher auf, entschuldigte sich bei der Gesellschaft, er habe etwas zu tun, und ging an die Tore der Stadt. Da es aber schon Mitternacht war, fand er die Thore der Stadt geschlossen; niemand ging und kam mehr, die Hunde bellten und die Wölfe heulten. Er kehrte um und sagte: „Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! Ich war um mein Gut besorgt, nun ist das Tor geschlossen und ich muß daher auch für mein Leben fürchten.“ Er kehrte also um und forschte nach einem Ort, wo er die Nacht zubringen könne. Da fand er ein Grabmal von vier Mauern umgeben, mit einem Dattelbaum und einer steinernen Tür. Er ging hinein, um zu schlafen, konnte aber vor Angst und Unheimlichkeit, weil er zwischen den Gräbern sich befand, nicht einschlafen. Er stand wieder auf, öffnete die Tür und entdeckte nach dem Tor der Stadt hin in der Ferne ein matt schimmerndes Licht; auch sah er, daß sich dasselbe auf dem Weg, der nach dem Grabmal führte, bewegte. Er fürchtete sich sehr, schloß wieder zu, kletterte auf den Baum und setzte sich auf dessen Krone. Das Licht kam immer näher und Ghanem bemerkte drei schwarze Sklaven: zwei trugen eine Kiste und einer hatte ein Beil in der Hand. Wie sie dem Grabmal ganz nahe waren, sagte der Sklave, der das Beil und einen Korb trug: „Was hast du, Sawab?“ Da sagte einer von denen, welche die Kiste trugen: „Was hast du, Kafur?“ Er antwortete: „Waren wir nicht diesen Abend da und haben die Tür offen gelassen?“ Jener sagte: „Ja“ - „Nun“, versetzte dieser, „sie ist geschlossen und verrammelt.“ Da sagte der dritte, der auch die Kiste tragen half: „O ihr unverständigen Leute! wißt ihr nicht, daß die Hirten aus Bagdad hier weiden und, sobald es Nacht wird, zuschließen, weil sie sich vor Schwarzen unseresgleichen fürchten, sie möchten sie ergreifen, braten und essen?“ Sie sagten: „Du hast recht, obgleich du der Dümmste unter uns bist.“ Er erwiderte: „Ihr werdet mir nicht glauben, bis wir ins Grabmal kommen und ich euch die Maus bringe; ich glaube, sobald sie das Licht sah, hat sie sich vor uns gefürchtet und ist aus Furcht auf den Dattelbaum gestiegene Als Ghanem diese Worte hörte, dachte er: „O verruchtester aller Sklaven! Gott vergebe dir deine Sünde nicht, mitsamt deinem Verstand und deiner Einsicht! Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! Wie werde ich diesen Sklaven entkommend Die beiden Träger sagten dann dem, der das Beil hatte: „Klettre über die Mauer und öffne uns die Tür, Sawab, denn wir sind müde, die Kiste zu tragen. Wenn du die Tür öffnest, sind wir die eine fette Maus schuldig, die du auch haben sollst, so wie wir eine fangen; wir wollen sie dir selbst sehr kunstvoll backen, so daß kein Tropfen von ihrem Fett verloren geht.“ Sawab sagte: „Ich fürchte etwas, das mir mein geringer Verstand eingegeben. Es ist wohl besser, wir werfen die Kiste hinter die Tür, dasie dochunseren Schatzenthält.“ SeineBegleiter fragten: „Warum? wenn wir sie hinüberwerfen, wird sie ja zerbrechend Er antwortete: „Ich fürchte, es möchten Diebe im Grabmal sein, die uns umbringen und berauben; wenn es Nacht wird, suchen solche Leute diese Plätze und teilen hier ihre Beute.“ Die beiden Träger der Kiste antworteten: „Dummkopf! wie sollten sie hierher kommen? Sie legten dann die Kiste ab, kletterten über die Mauer und öffneten die Tür, während der dritte, mit dem Beil und einem Korb mit Gips beladen, außen stehen geblieben war. Hierauf setzten sie sich und verschlossen die Tür wieder. Einer von ihnen sagte: „O meine Freunde! wir sind nun müde von Gehen, Tragen, öffnen und Wiederverschließen der Tür; es ist schon Mitternacht. Wir haben keine Kraft mehr, die Tür zu öffnen und die Kiste zu verbergen, wir wollen jetzt drei Stunden ausruhen und dann unsere Arbeit verrichten, und jeder von uns erzähle indessen, wie er zum Verschnittenen geworden, und was ihm von Anfang bis zum Ende widerfahren, so daß uns die Zeit angenehm verstreicht, während welcher wir ausruhen.“

Der Laternenträger, der Sawab hieß, sprach: „Ich will euch meine Geschichte erzählen;“sie aber sagten: „Sprich!“ worauf er, wie folgt, begann: „Wisset, meine Freunde! ich war noch ganz klein, erst fünf Jahre alt, als mich Sklavenhändler aus meinem Land raubten und mich einem Djausch verkauften. Dieser hatte eine kleine Tochter von drei Jahren, mit der ich erzogen wurde. Die Leute hatten ihren Spaß mit mir, wenn ich mit der Kleinen spielte, vor ihr tanzte und sang. So wurde ich zwölf Jahre alt und sie zehn. Noch ließen sie mich bei ihr, bis ich eines Tages zu ihr kam, wie sie an einem einsamen Ort saß, schön gekleidet und geschmückt, duftend von den herrlichsten Wohlgerüchten, als wäre sie eben aus dem Bad gestiegen. Sie hatte ein rundes Gesichtchen wie der Mond in der vierzehnten Nacht, und wir scherzten miteinander, bis wir uns in den Armen lagen. Als dies geschehen, entfloh ich zu einem meiner Freunde. Ihre Mutter kam noch schnell genug, um ihre Verwirrung zu bemerken, war aber tödlich darüber betroffen; doch verbarg sie alles vor ihrem Vater. Mich suchte man zwei Monate lang, bis man mich endlich fand; doch liebte man mich zu sehr, um die Geschichte dem Vater zu entdecken; meine Geliebte aber wurde dem Barbier verlobt, der ihren Vater rasierte.

Dies alles geschah, damit der Vater nichts merken solle. Man sammelte das Nötige zu ihrer Ausstattung, ergriff mich, ohne daß ich mich dessen versah, und verunstaltete mich. Dann machte sie mich, als die Braut ihrem Bräutigam zugeführt wurde, zu ihrem Aga; ich mußte stets vor ihr hergehen, sowohl ins Bad, als in ihr elterliches Haus.

Die frühere Geschichte wurde verschwiegen; ich lernte jedoch nach und nach mein Schicksal ertragen, blieb lange bei ihr und schwelgte in ihren Reizen, küßte und umarmte sie oft, bis sie, ihr Gemahl, ihr Vater und ihre Mutter starben; ich kam dann in den Fiskus, wo ich blieb, bis ich mich zu euch gesellte, meine Freunde! Das ist die Ursache, warum ich so verunstaltet bin.“

Der zweite Sklave sprach dann: „Wisset, meine Brüder! meine Geschichte beginnt mit meinem Alter von acht Jahren, wo ich geraubt wurde; ich log jedes Jahr einmal die Sklavenhändler so an und hetzte sie so hintereinander, bis sie meiner überdrüssig wurden, mich einem Makler übergaben und ausrufen ließen: Wer kauft einen Sklaven mit seinem Fehler? Man fragte den Makler: Worin besteht sein Fehler? Die Antwort war: Er sagt jedes Jahr eine Lüge. Da kam ein großer Kaufmann, der einen Maulesel ritt, zum Makler und fragte: Wie viel ist für diesen Sklaven mit seinem Fehler geboten? Er antwortete: Sechshundert Dirham. Der Kaufmann sagte: Gut, und du sollst auch noch für dich zwanzig Dirham haben. Der Makler brachte ihn zum Sklavenhändler, der von ihm das Geld nahm; ich aber wurde in das Haus des Kaufmanns geführt, woselbst der Makler seinen Lohn empfing. Der Kaufmann aber kleidete mich anständig und behielt mich bei sich ein ganzes Jahr, während dessen ich ihm treu diente. Als das neue Jahr kam, das ein sehr gesegnetes und fruchtbares an allen Gewächsen war, gaben die Kaufleute jeden Tag Mahlzeiten. Nun kam auch die Reihe an meinen Herrn, einen großen Schmaus in einem Garten außerhalb der Stadt zu geben. Allerlei Speisen, und was man sonst nötig hat, wurden aufgestellt, und die Gäste aßen und tranken und unterhielten sich fröhlich bis Mittag. Da brauchte mein Herr etwas aus dem Haus und sagte zur mir: Sklave, nimm den Maulesel, reite nach Hause und bringe mir von deiner Herrin dieses und jenes, und komme schnell zurück. Ich befolgte den Befehl meines Herrn und ritt nach Hause. Als ich in der Nähe des Hauses ankam, schrie und weinte ich so laut, daß alle Leute aus dem Quartier, groß und klein, sich versammelten; auch die Frauen und die Tochter meines Herrn hörten mich schreien, öffneten die Tür und fragten mich, was es gäbe? Ich sagte unter Tränen: Mein Herr saß unter einer alten Mauer, um seine Notdurft zu verrichten, als sie einfiel; wie ich das sah, nahm ich den Maulesel und ritt schnell daher, um es euch zu berichten. Wie die Frau und die Töchter dies hörten, schrien sie, zerrissen ihre Kleider, schlugen sich ins Gesicht, und die Nachbarn und alle Diener liefen wegen ihres lauten Jammers zusammen. Die Frau meines Herrn aber warf, außer sich, alle Gerätschaften des Hauses untereinander, zerstörte alle Gesimse und Divane, zerbrach Fenster und Läden, und beschmierte alles mit Rot und Indigo. Dann sagte sie mir: Wehe dir, Kafur, hilf mir und zerbreche alles dieses Geschirr, die chinesischen Gefäße, Flaschen usw. Ich folgte ihrem Befehl und verwüstete alle Gesimse des Hauses mit allem, was darauf stand, ging auf die Terrasse, zerstörte alles, was nur zu vernichten war von chinesischen Gefäßen im Haus, und schrie: Wehe, mein Herr! Dann ging meine Herrin mit entblößtem Gesicht, nur den Kopf bedeckt, aus dem Haus mit ihren Söhnen und Töchtern, und sagte mir: Kafur, geh vor uns her und zeige uns, wo dein Herr unter der Maurer tot liegt, daß wir ihn unter dem Schutte hervorziehen, in einem Kasten nach Hause tragen und dann mit Pomp beerdigen. Ich schritt vor ihnen her und rief in einem fort. Wehe, mein Herr! Sie aber folgten mir mit entblößtem Gesicht und schrieen: Wehe, Wehe! der Mann. Es blieb kein Mensch aus dem Quartier zurück, kein Mann und keine Frau, kein Mädchen und kein Knabe, keine junge und keine alte, alles ging mit, schrie laut, schlug sich ins Gesicht und weinte heftig. Ich durchzog die Stadt mit ihnen, alle Leute aber fragten, was geschehen sei? Als man ihnen erzählte, was man gehört, sagten die Leute untereinander: Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen. Das war ein vornehmer Mann, laßt uns zum Polizeiobersten gehen und ihn davon in Kenntnis setzen.

„Als sie zum Polizeiobersten kamen und ihm die Geschichte erzählten, ritt er selbst aus, nahm Arbeiter mit Hauen und Körben mit; alle folgten mir weheschreiend, ich aber schlug mich immer ins Gesicht, dann eilte ich voraus, schrie in einem fort, streute Erde auf meinen Kopf, ging in den Garten und rief laut: O meine Herrin, meine Herrin! Wehe, Wehe! wer wird sich meiner erbarmen; wäre ich doch statt ihrer umgekommen! Als mein Herr mich sah, erschrak er, wurde blaß und sagte: Was ist dir, Kafur? was gibt's? Ich antwortete: Herr, als du mich nach Hause schicktest, um dir etwas zu holen, sah ich, daß die Mauer des Saales auf meine Herrin und ihre Kinder gefallen war und sie ganz bedeckte. Er fragte: Ist deine Herrin nicht gerettet? Ich antwortete: Nein, bei Gott, Herr! es ist niemand entkommen und meine alte Herrin ist zuerst gestorben. - Ist auch meine kleine Tochter nicht entkommen? - Nein. - Und der Maulesel, der ist doch unbeschädigt? Nein, bei Gott, Herr! die Mauern des Hauses und des Sultans sind über sie gefallen, und über die Schafe, Gänse und Hühner, und alle sind zu einem Haufen Fleisch geworden. Nichts ist verschont geblieben. - Auch nicht dein alter Herr? - Nein, bei Gott! Niemand ist entkommen; es ist von Haus und Bewohnern keine Spur mehr geblieben. - Als mein Herr dieses hörte, befiel Schrecken sein Gesicht, er war nicht mehr seiner mächtig, konnte nicht mehr aufrecht stehen, noch ein Glied rühren, und sein Rücken war wie gebrochen. Er zerriß sogleich seine Kleider riß sich den Bart aus, schlug sich ins Gesicht, bis Blut floß, und schrie: Wehe, O Kinder, O Frau! O Unglück! wem ist je so etwas widerfahren? Seine Freunde, die Kaufleute, klagten und weinten mit ihm, bemitleideten ihn und zerrissen ihre Kleider. Mein Herr trat dann jammernd zum Garten hinaus, und war im Übermaß seines Kummers wie betrunken wegen des großen Unglücks. Die Kaufleute folgten ihm. Auf einmal sahen sie einen mächtigen Staub und hörten ein großes Geschrei und Jammern. Wie sie die Kommenden betrachteten, war es der Polizeioberste mit den Vorgesetzten, dem ganzen Volk und der Familie des Kaufmanns hintendrein; alle aber schrieen und weinten und waren sehr niedergeschlagen. Mein Herr stieß zuerst auf seine Frau und Kinder, sprang, als er sie sah, erschrocken auf sie zu und rief: Wie geht's euch? was ist euch im Haus widerfahren? Sie aber sagten, als sie ihn sahen: Gott sei für deine Rettung gelobt! Sie umgaben ihn fröhlich, seine Kinder hingen sich an ihm fest und schrieen: O Vater, gelobt sei Gott für dein Entkommen! Seine Frau war tief gerührt und kam fast von Sinnen, als sie ihn sah. Endlich sagte sie ihm: Bist du wohl, mein Herr? wie hast du dich gerettet? und was machen deine Freunde, die Kaufleute? Er dagegen fragte: Wie ist es euch im Hause gegangen? Sie antwortete: Wir sind ganz wohl, und unserem Haus ist nichts Böses widerfahren, aber der Sklave Kafur kam zu uns mit entblößtem Haupte und zerrissenen Kleidern und schrie: O mein Herr! und als wir ihn fragten. was gibt's, Kafur? antwortete er: Eine Gartenmauer ist auf meinen Herrn und die übrigen Kaufleute gestürzt und sie sind alle umgekommen. Da sagte mein Herr: Bei Gott! zu mir kam er soeben und schrie: O meine Herrin! o die Kinder meiner Herrin! Alle sind dir gestorben o Herr! Bei diesen Worten erblickte er mich neben sich, wie ich immerfort schrie, Erde auf mein Haupt streute und meinen Urban zerrissen über meinen Hals herunterhängen hatte. Er rief mir zu und sagte zu mir: Wehe dir, verruchter Sklave, Sohn einer Buhlerin, verdammtes Geschlecht! was hast du da für Unheil angestellt? Bei Gott! ich will dir die Haut von den Beinen reißen. Meine Antwort war: Bei Gott, Herr! du kannst mir nichts tun, denn du hast mich mit einem Fehler gekauft, und die Zeugen werden aussagen, daß bedungen worden ist, ich sage jedes Jahr eine Lüge; dies war nur erst eine halbe, und am Ende des Jahres werde ich die andere Lüge sagen, so daß es eine ganze gibt. Er schrie mir zu: Du Hund, Sohn eines Hundes, ist das nur eine halbe Lüge? wahrlich, das ist doch ein großes Unglück. Geh fort von mir, sei frei im Angesicht Gottes. Ich sagte ihm: Bei Gott, ich nehme deine Freiheit nicht an, bis das Jahr zu Ende ist und ich die andere Hälfte gelogen habe. Wenn die Lüge ganz ist, dann kannst du mich auf dem Markt mit meinem Fehler verkaufen, so wie du mich gekauft hast, denn ich treibe kein Handwerk, von dem ich mich ernähren kann, und das, was ich dir hier sage, ist ganz dem Gesetze gemäß.

Während wir so sprachen, kamen das ganze Volk und alle Leute aus dem Quartier, Männer und Weiber, zuletzt auch der Polizeioberste mit seinen Leuten; mein Herr und die übrigen Kaufleute gingen zu ihm, erzählten ihm die Geschichte und sagten ihm, das sei nur eine halbe Lüge; wie sie das hörten, verwundenen sie sich über die Größe derselben, verfluchten und schimpften mich; ich aber lachte und sagte: Wie kann mein Herr mir etwas tun, da er mich mit diesem Fehler gekauft? Als nun derselbe in sein Haus kam und es ganz verwüstet fand, denn ich hatte das meiste und beste zerstört und so viel zerbrochen, daß es ein ganzes Vermögen ausmacht, und ebenso seine Frau, da sagte ihm diese: Kafur hat alles Geschirr und alle chinesischen Gefäße zerbrochen. Sein Zorn nahm zu, er schlug die Hände zusammen und sagte.- „Bei Gott, in meinem Leben habe ich keinen größeren Schurken, wie dieser Sklave ist, gesehen, und noch behauptet er, das sei nur eine halbe Lüge; wie muß erst eine ganze sein?“ Damit würde er eine oder zwei Städte zugrunde richten. Er ging dann im heftigsten Zorn zum Polizeiobersten, dieser ließ mich eine saubere Bastonnade verschlucken, so daß ich das Bewußtsein verlor. Während ich ohnmächtig dalag, holte er schnell einen Barbier und ließ mich verunstalten; als ich daher wieder zu mir kam, war ich ein Verschnittener, und mein Herr sagte mir: Wie du mein Herz betrübt hast über das Kostbarste, das ich besaß, so bringe ich dich auch um dein Bestes. Dann verkaufte er mich sehr teuer, denn ich war nun ein Verschnittener (also mehr wert); doch hörte ich nicht auf, Unheil zu stiften, und kam von einem Emir zum andern, von einem Großen zum andern, wurde immer verkauft und gekauft, bis ich endlich ins Schloß des Fürsten der Gläubigen kam. Aber meine Seele ist zerknirscht, meine Kraft ist erschöpft.

Als die beiden Sklaven, seine Freunde, dies hörten, lachten sie laut über ihn und sagten: „Du bist ein Taugenichts! Sohn eines Taugenichts! Du hast eine abscheuliche Lüge ersonnen.“ Dann sprachen sie zum dritten Sklaven: „Erzähle du nun deine Geschichte.“ Dieser sagte: „Höret, Freunde, was ihr erzählt habt, ist nichts neben dem, was ich euch über meine Verunstaltung erzählen will, denn, bei Gott! ich hatte mehr (als diese Strafe) verdient, denn ich habe das ganze Haus meines Herrn geschändet, doch meine Geschichte ist lang, es ist jetzt keine Zeit, sie zu erzählen; denn seht, meine Vettern! der Tag ist schon nahe; wenn er anbricht und man diese Kiste bei uns sieht, so sind wir verraten und kommen ums Leben. Jetzt schnell die Ihre geöffnet, wenn wir in unser Schloß kommen, werde ich euch erzählen, wie ich Verschnittener geworden bin.“ Er kletterte dann über die Mauer, öffnete die Tür, legte das Licht ab, und sie gruben ein Grab so lang und so breit, als die Kiste, zwischen vier Gräbern. Kafur schaufelte die Erde auf und Sawab trug sie in Körben weg, bis sie die Tiefe eines halben Mannes gegraben hatten, dann legten sie die Kiste in das Grab, bedeckten sie wieder mit Erde, gingen weg und schlossen das Grabmal wieder. Ghanem sah bald nichts mehr von ihnen. Als er sich nun sicher und allein wußte, wurde er begierig, zu wissen, was in der Kiste sei. Er wartete ein wenig, bis die Morgenröte herausbrach und es hell wurde, dann stieg er vom Baum herunter, scharrte die Erde mit der Hand weg, bis er zur Kiste gelangte, schlug das Schloß mit einem großen Stein auf, nahm den Deckel herunter, sah hinein und erblickte ein Mädchen, das von einem Schlaftrunk betäubt, leise atmete; sie war sehr schön und reizend, hatte einen reichen Schmuck, der das Reich eines Sultans wert war, und den man gar nicht mit Geld schätzen konnte. Ghanem merkte wohl, daß man sich gegen sie verschworen und ihr einen Schlaftrunk gegeben hatte. Er suchte ihr zu helfen, indem er sie aus der Kiste herauszog und auf den Rücken ins Freie legte. Als sie frische Luft schöpfte und ihr der Wind in die Nase und andere Atmungswerkzeuge blies, fing sie an zu nießen, zu würgen und zu husten. Mit einem Mal fiel ihr ein Stück kretensisches Bendi aus dem Hals, so groß, daß, wenn ein Elefant daran gerochen hätte, er auch von einer Nacht zur anderen hätte schlafen müssen. Sie öffnete hierauf ihre Augen, warf ihre Blicke umher und sagte mit klarer Stimme: „Wehe dir, Wind! der den Durstigen nicht labt, - o Rose der Getränkten - wo bist du, Blume des Gartens!“ Niemand antwortete: sie rief weiter: „O Morgenröte! Perlenbaum! Licht der Leitung! Morgenstern! Wehe dir, Luft! Freude! Süßigkeit! Anmut! (lauter Namen ihrer Sklavinnen) sprecht doch!“ Niemand aber antwortete: sie warf dann ihre Blicke umher und sagte: „Wehe mir! ihr begrabt mich zwischen den Gräbern! O du, der das Verborgene kennt und alles vergilt am Auferstehungstag! Wer hat mich aus meinen Gemächern zwischen diese vier Gräber gebracht?“ Ghanem stand ihr zur Seite, während sie so sprach; endlich sagte er ihr: „O meine Gebieterin! laß die Gemächer, Schlösser und Gräber! hier steht dein durch Liebe verzauberter Sklave Ghanem, Sohn Ejubs, den der, der alle Geheimnisse kennt, zu dir geschickt hat, um dich aus dieser Not zu retten, und durch den alle deine Wünsche in Erfüllung kommen mögen.“ Hierauf schwieg er. Sie aber sah endlich ihre Lage ein und sagte: „Es gibt keinen Gott, außer Gott, und Mohammed ist sein Prophet.“ Sie wandte sich dann zu Ghanem, bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen und fragte mit süßer Stimme: „O gesegneter Jüngling! wie bin ich hierher gekommen? ich bin eben erst erwacht.“ Er antwortete: „Meine Gebieterin! drei Sklaven haben dich in dieser Kiste hierher gebrachte, und er erzählte ihr alles, was vorgefallen und wie er die Nacht hier zugebracht und sie vom Tode gerettet habe. Er verlangte ihre Geschichte zu wissen, sie aber sprach: „Gelobt sei Gott, der mich in die Hand eines Mannes, wie du bist, gegeben hat! Stehe jetzt auf, lege mich in die Kiste, bringe mich auf die Straße und miete den ersten Esel- oder Mauleseltreiber, daß er die Kiste in dein Haus bringe; wenn wir dort angekommen, so ist alles gut, dann sollst du meine Geschichte hören, und es wird dir um meinetwillen gut gehen. Er freute sich, ging zum Grabmal hinaus, und schon leuchtete der Tag recht hell. Die Leute gingen schon aus und ein. Er mietete einen Mann mit einem Maulesel, brachte ihn ans Grabmal, lud ihm die Kiste auf, in die er das Mädchen getan, das er schon heftig liebte, und ging freudig mit ihr davon; denn sie war zehntausend Dinare wert und hatte allerlei Schmuck an, der mit großen Schätzen nicht hätte bezahlt werden können. Er konnte nicht erwarten, bis er nach Hause kam, die Kiste ablud, sie öffnete und das Mädchen herausnahm. Als sie sich umsah, fand sie eine anständige Wohnung mit Teppichen von angenehmer Farbe belegt, und merkte, daß Ghanem ein vornehmer Kaufmann war; sie sah auf allerlei Waren und Ballen, und dachte: „Der muß ein reicher Mann sein.“ Sie entschleierte dann ihr Gesicht und sah immer mehr, daß er ein hübscher Mann war; ihr Herz glühte in Liebe zu ihm. Sie sagte ihm: „O Herr, laßt uns doch etwas essen!“ Ghanem antwortete: „Bei meinem Haupte und meinen Augen!“ Er ging dann auf den Markt und kaufte gebratenes Hammelfleisch und eine Schüssel süße Speise, nahm auch Früchte und Wachslichter mit usw., auch Wein und allerlei Wohlgerüche, und brachte alles nach Hause. Als das Mädchen ihn sah, lachte es und grüße ihm freundlich entgegen und umarmte ihn, seine Liebe zu ihr wuchs immer mehr und bemächtigte sich seines ganzen Herzens. Sie aßen und tranken und scherzten miteinander, bis es Nacht wurde; ihre Liebe aber war gleich stark, denn sie waren beide jung und schön. Als es Nacht war, stand der zärtlich liebende Ghanem auf, zündete Wachslichter und Lampen an und brachte Wein und Weingefäße herbei; sie setzten sich zusammen; er schenkte ihr ein und gab ihr zu trinken, dann füllte sie den Becher und gab ihn Ghanem; sie scherzten und lachten und rezitierten Verse, waren höchst vergnügt und ihre Liebe wurde immer heftiger. (Gelobt sei der, der den Herzen Liebe einflößt!) So fuhren sie fort, bis nahe am Morgen, da bemächtigte sich ihrer der Schlaf, sie legten sich jedes an einen besonderen Platz schlafen. Des Morgens stand Ghanem auf, ging auf den Markt und kaufte wieder, was er brauchte, an Gemüse, Fleisch und Wein usw. und brachte es nach Hause. Sie setzten sich wieder zusammen, aßen, bis sie satt waren; Ghanem ließ Wein bringen, wovon sie tranken, bis ihre Wangen sich rot färbten und ihre Augen schwarz wurden. Ghanem brannte vor Begierde, das Mädchen zu küssen, und sprach zu ihr: „Erlaube mir doch, dich zu küssen, denn mich verzehrt die Sehnsucht nach dir!“ Sie antwortete: „Warte, Ghanem, bis ich trunken bin und nichts mehr von mir weiß, dann kannst du es ohne mein Wissen tun.“

Mit diesen Worten stand sie auf, in ihren Blicken war auch ein Schmachten der Liebe sichtbar, Ghanem entbrannte nur um so heftiger in Sehnsucht nach ihr. Er sprach: „Herrin, gestatte mir, was ich von dir geforderte Sie aber antwortete: „Ich darf nicht; denn um meinen Gürtel ist ein hartes Wort geschrieben. „ Ghanems Herz brach, sein Schmerz war groß, als er seinen Wunsch unbefriedigt sah, und er sprach folgende Verse:

„Ich bat die, die mich liebeskrank gemacht, um einen Kuß, um zu genesen; sie aber antwortete: Nein, nein, niemals! Ich sagte zu ihr: Ich bitte dich, laß es gern geschehen. Sie aber antwortete: Nur mit Gewalt. Ich erwiderte ihr: Nicht mit Gewalt, sondern mit deiner Einwilligung. Endlich sagte sie; Tue es heimlich. Ich antwortete: Nein, es muß mit deinem Wissen geschehen.“

Ghanems Leidenschaft wurde immer heftiger und sein Herz mächtig von Liebe entflammt. Sie aber sträubte sich immer und sagte: „Ich kann dir's nicht gewähren.“ Sie unterhielten sich so liebend miteinander, und Ghanem schwamm im Meer der Liebestrunkenheit, sie aber blieb immer würdevoll und unerbittlich, bis die Nacht sie überfiel, die den Saum des Schlafs über die Menschen herabhängt. Dann stand Ghanem auf, zündete die Lampen und Wachslichter an, brachte alles wieder in Ordnung, nahm ihre Füße, küßte sie und fand sie wie frische Butter; er streichelte sein Gesicht darauf und sagte mit Tränen in den Augen: „O meine Herrin! habe doch Mitleid mit dem Gefesselten deiner Liebe und mit dem Getöteten deiner Augen. Mein Herz wäre ja ganz gesund ohne dich!“ Sie erbarmte sich seines Kummers und sagte ihm.- „O mein Herr! Licht meiner Augen! bei Gott! ich liebe dich und halte fest an dir, doch nimmermehr darfst du mich küssen.“ Er sagte: „Und was hindert mich?“ Sie antwortete: „Ich will dir heute Nacht meine Geschichte erzählen, du wirst mich dann entschuldigen.“

Sie suchte ihn dann durch Liebkosungen und Versprechungen zu beruhigen, und als er nach einem Monat wieder zudringlicher wurde, sagte sie: „Du sollst es endlich wissen und meinen Rang erkennen.“ Sie nahm dann ihren Gürtel und sprach: „Lese, Herr, was hier geschrieben steht.“ Ghanem nahm ihn und las die in Gold gestickten Worte: „Ich gehöre dir und du gehörst mir, o Vetter des Propheten.“ Als er dies gelesen hatte, ließ er die Hand fallen und bat sie, ihm ihre Geschichte mitzuteilen.

Hierauf erzählte sie, wie folgt: „Wisse, ich bin die Geliebte des Kalifen, des Fürsten der Gläubigen; mein Name ist Kut Alkulub und ich wurde im Schlosse des Kalifen erzogen. Als ich heranwuchs und der Kalif mich und meine mir von Gott erhaltene Schönheit und Anmut sah, liebte er mich sehr, bestimmte mir eine eigene Wohnung und gab mir zehn Sklavinnen zu meiner Bedienung, auch schenkte er mir den Schmuck, den du hier siehst. Als eines Tages der Kalif abgereist war, kam die Frau Subeida zu einer meiner Dienerinnen und sagte: Ich möchte was von dir. Die Sklavin sagte: Was, o Herrin! Subeida aber sprach: Wenn deine Herrin schläft, so stecke ihr dieses Stück Bendi in die Nase oder mische es in ihr Getränk; ich werde dir Geld genug geben. Die Sklavin antwortete: Recht gern; freute sich des Geldes und nahm den Bendj; auch war sie froh, denn sie war früher der Frau Subeida Sklavin gewesen, kam und warf den Bendj in mein Getränk, worüber ich schlaftrunken wurde und auf den Boden fiel. Ich war wie tot und ganz in einer anderen Welt. Als diese List gelungen war, legte sie mich in diese Kiste, ließ dann die Sklavin heimlich kommen und bestach sie, ebenso die Pförtnerin; so wurde ich in der Nacht, wo du auf dem Dattelbaum schliefest, hinausgetragen, und man verfuhr mit mir, wie du gesehen hast, bis du mir als Retter nahtest, mich hierherbrachtest und so treulich verpflegtest. Das ist meine Geschichte. Wie es dem Kalifen inzwischen gegangen, weiß ich nicht. Du kennst nun meinen Rang und wirst meine Geschichte geheimhalten.“

Als Ghanem hörte, daß sie des Kalifen Geliebte sei, fuhr er zurück aus Ehrfurcht vor dem Kalifen, setzt sich allein auf eine Seite des Gemachs, machte sich Vorwürfe und flößte seinem Herzen Stärke ein. Seine Liebe zu einem Gegenstand, den er nicht sein nennen durfte, machte ihn ganz verwirrt; im heftigen Schmerz und in seinen Klagen über das Schicksal sprach er folgende Verse:

„Das Herz des Geliebten vergeht in Sehnsucht wegen seiner Freundin, er ist seines Verstandes wegen ihrer wunderbaren Schönheit beraubt; man fragte ihn: Wie schmeckt die Liebe? und er antwortete: Die Liebe ist süß, doch ist vieles Bittere dabei.“

Kut Alkulub stand dann auf und umarmte ihn und die Liebe zu ihr wurde immer mächtiger in seinem Herzen, denn sie gestand ihm auch die ihrige. Er tat sich aber alle Gewalt an, aus Furcht vor dem Kalifen; sie unterhielten sich, im Meer ihrer Liebe versunken, miteinander, bis der Tag anbrach. Dann stand Ghanem auf, kleidete sich an und ging, wie gewöhnlich, nach dem Markt, kaufte ein, was er brauchte, und kehrte wieder nach Hause zurück, wo er Kut Alkulub weinend fand. Als sie ihn aber sah, hörte sie auf zu weinen und sagte lächelnd zu ihm: „Es ist mir bange während deiner Abwesenheit geworden, o Geliebter meines Herzens! Bei Gott, die Stunde, die du fern von mir zubringst, wird mir zu einem Jahr. Ich habe dir nun meinen Zustand dargestellt, laß uns jetzt an die Vergangenheit nicht weiter denken und ganz dem Augenblicke leben.“ Ghanem sprach: „Seit ich weiß, daß du dem Beherrscher der Gläubigen gehörst, ist es mir nicht mehr erlaubt, dir nahe zu kommen. Ein Hund darf nicht eines Löwen Platz einnehmend Er riß sich dann von ihr los und setzte sich auf die Matte. Durch Ghanems Weigerung aber wurde ihre Liebe nur noch heftiger, sie setzte sich an seine Seite, unterhielt ihn und scherzte mit ihm; er wurde liebestrunken und schmachtete in Sehnsucht. Sie sang dann folgende Verse:

„Das Herz der Gefesselten wird bald zerbröckeln; wie lange noch dieses Abwenden von mir? wie lange noch? O dir, der du mich von mir ohne meine Schuld abwendest! pflegen doch liebende Gazellen sich zu vereinigen; weite Trennung und lange Entfernung, so viel kann kein Mensch ertragen.“

Sie vermischten dann ihre Tränen und tranken, bis es Nacht wurde. Dann stand Ghanem auf und sprach: „Wir müssen uns trennen und dürfen nicht länger zusammenleben; denn was dem Beherrscher der Gläubigen gehört, muß für den Sklaven heilig sein.“ Sie sagte: „Herr, tue dies nicht; laß kommen, was das Schicksal über uns verhängten er aber weigerte sich. Die Liebesflamme entbrannte immer mehr in ihrem Herzen, sie hing sich an ihn und sagte: „Bei Gott! wir wollen uns nicht mehr trennen.“ Er besiegte aber ihre Leidenschaft, und näherte sich ihr nun nicht mehr anders als in Ehrfurcht, die der Geliebten des Kalifen gebührt. Ihre Sehnsucht aber nahm immer zu und wuchs während der drei Monate, die sie zusammen verlebten. Kut Alkulub sang endlich mit müdem Herzen folgende Worte:

„Wunder der Schönheit! Wie lange noch diese Härte? Was ist der Grund, daß du dich von mir abwendest? Du umfassest alle Arten und Zweige der Schönheit und Anmut, flößest jedem Herzen Liebespein ein und vertreibst den Schlaf aus jedem Auge.“

So lebten sie lange in diesem Zustand, o König der Zeit! und Ghanem hielt sich in Ehrfurcht von ihr fern. Das ist's, was den liebeskranken Ghanem angeht; was aber die Frau Subeida betrifft, so war sie mit Kut Alkulub in der Abwesenheit des Kalifen so verfahren; nun er aber zurückkehren sollte, war sie verlegen, irgend eine List zu erdenken, um dem Kalifen zu antworten, falls er nach ihr fragte. Sie eröffnete ihr Geheimnis einer alten Frau, die sie bei sich hatte, und sagte ihr: „Was soll ich tun, da Kut Alkulub dahin ist?“ Als die Alte dies hörte, sagte sie: „Wisse, meine Gebieterin, die Ankunft des Kalifen ist nahe. Schicke zum Schreiner, daß er eine Menschenfigur aus Holz mache, und laß ein Grab mitten im Schloß graben, wir begraben hier diese Figur, bauen ein Grabmal hierher und zünden Wachslichter und Lampen an; du aber befiehlst allen, die im Schloß sind, daß sie sich schwarz kleiden, und sagst deinen Sklavinnen und Dienern, daß, sobald sie die Rückkehr des Kalifen erfahren, sie Kot in den Eingang (des Palasts) werfen, und wenn er dann fragt, warum das geschehe, so sagt ihm. Kut Alkulub ist gestorben; Gott vermehre deinen Lohn ihretwillen! Sagt auch, Ihr habt sie hier im Schloß begraben. weil sie Euch so teuer war. Wenn der Kalif dies hört, wird er weinen, und es wird ihm ihretwillen leid tun; er wird den Koran für sie lesen lassen und an ihrem Grab wachen; vielleicht wird er auch sagen: Meine Base, die Frau Subeida, hat vielleicht dies aus Eifersucht gegen Kut Alkulub getan. Die Raserei wird vielleicht so stark bei ihm werden, daß er sie wird ausgraben lassen: wenn dies geschieht und er diese Figur sieht, die einem Menschen gleicht und in das schönste Leichengewand eingehüllt sein wird, so wird er auf sie zulaufen wollen; halte ihn alsdann zurück, rufe deine Leute und sage ihm: Es ist eine Sünde, ein totes Mädchen zu sehen; er wird dann glauben, daß sie wirklich tot sei, sie wieder beerdigen lassen und dir für deine Tat danken. Auf diese Weise hilfst du dir aus dieser Verlegenheit.“

Die Frau Subeida fand diese Worte gut, schenkte ihr ein Ehrenkleid und eine Summe Geld und befahl ihr, so zu tun, wie sie gesagt. Die Alte ging sogleich zum Schreiner und bestellte die oben erwähnte Figur, und brachte sie, als dies fertig war, der Frau Subeida; diese hüllte sie in ein Leichengewand, zündete Wachslichter und Lampen an, legte Teppiche um das Grab herum, kleidete sich schwarz und befahl den Mädchen, dasselbe zu tun. Auf einmal war die Nachricht im Schloß verbreitet: Kut Alkulub seit tot. Als der Kalif nachher von seiner Reise zurückkehrte und in das Schloß kam, wo er alle Diener und Sklavinnen schwarz gekleidet sah, zitterte sein Herz, das nur von Kut Alkulub eingenommen war. Er ging zur Frau Subeida, die auch schwarz gekleidet war, und fragte nach der Ursache, und man erzählte ihm, Kut Alkulub sei gestorben. Er war sehr betrübt und fiel in Ohnmacht. Als er wieder zu sich kam, erkundigte er sich nach ihrem Grab; die Frau Subeida aber sagte: „Wisse, o Fürst der Gläubigen! Weil sie mir so teuer war, ließ ich sie im Schloß begrabene Der Kalif ging in seinen Reisekleidern zum Grab, wo er die aufgelegten Teppiche, Wachslichter und Lampen sah.

Er dankte ihr zwar für ihre Tat, doch zweifelte er noch immer und wußte nicht, ob er ihr glauben solle oder nicht. Er ließ daher das Grab aufgraben und sie herausnehmen; wie er aber das Totengewand sah, fürchtete er sich vor Gott, wie es die Alte vorhergesagt, und befahl, daß man sie wieder an ihren Ort zurücklege, ließ sogleich die Geistlichen und Koranleser rufen, um den Koran zu lesen, setzte sich neben ihr Grab und weinte, bis er in Ohnmacht fiel. Einen ganzen Monat brachte er er so an ihrem Grab zu.

Während der Kalif so am Grabe schlief und die Veziere und Großen alle nach Hause gegangen waren, saßen zwei Sklavinnen bei ihm, eine zu Häupten und eine zu Füßen. Wie er erwachte und die Augen öffnete, hörte er, wie eine Sklavin zur anderen sagte: „Wehe dir, Cheisaran!“ Diese erwiderte: „Was ist, Kadhib?“ Sie sagte: „Unser Herr weiß nicht, was vorgefallen; er wacht hier an einem Grab, in dem nur eine hölzerne Figur liegt, die ein Schreiner gemachte Cheisaran fragte: „Und was ist denn aus Kut Alkulub geworden?“ Kadhib antwortete: „Wisse, die Frau Subeida hat ihr durch eine Sklavin einen Schlaftrunk geschickt, und als dieser wirkte, hat sie sie in eine Kiste gelegt und durch Sawad und Kafur in ein Grabmal werfen lassen.“ Da sagte Cheisaran: „Kut Alkulub ist also nicht gestorbene Jene antwortete: „Nein, bei Gott, sie ist dem Tode entronnen: ich habe gehört, wie die Frau Subeida gesagt hat, sie wohne schon seit vier Monaten bei einem jungen Kaufmann, Ghanem, der Damaszener genannt, während unser Herr hier für nichts seine Nächte durchweinte. Als die Sklavinnen ihr Gespräch, das der Kalif angehört hatte, vollendeten, und er daraus die wahre Geschichte erfuhr und wußte, daß dieses Grab nur zum Schein und zum Betrug hier war, erzürnte er sich sehr und ging zu den Großen seines Reiches. Sein Vezier Djafar kam ihm entgegen und küßte die Erde vor ihm; der Kalif sagte im Zorn: „Geh, Djafar! frage nach dem Hause des Ghanem, Sohn Ejubs, dringe in sein Haus und bringe mir meine Sklavin Kut Alkulub und auch ihn, daß ich ihn strafe!“ Djafar ging nach dem Haus Ghanems, der Polizeioberste und die ganze Welt begleitete ihn. Ghanem kam eben mit einem Topf voll Fleisch zurück, das er mit Kut Alkulub essen wollte; als sie jedoch ihre Blicke umherwarfen, sahen sie das Haus von dem Vezier, dem Polizeiobersten, von Dienern und Mamelucken mit gezogenem Schwert umgeben, wie das Weiße vom Auge das Schwarze umgibt. Sie merkte gleich, daß der Kalif Nachricht von ihr erhalten, und war ihres Untergangs gewiß; sie wurde blaß, verlor ihre Reize, sah ihren Geliebten an und rief ihm zu: „O mein Geliebter, rette dein Leben!“ Er sagte: „Wie soll ich entfliehen, da mein Geld und mein ganzes Vermögen hier im Hause sind?“ Sie antwortete: „Zaudere nicht, sonst verlierst du Gut und Leben.“ Er sagte: „O Geliebte! Licht meines Auges! wie soll ich's machen, um zu fliehen? Sie haben ja schon das Haus umzingelte Sie erwiderte: „Fürchte nichts!“ Hierauf entkleidete sie ihn, zog ihm alte zerlumpte Kleider an, entstellte sein Gesicht, nahm den Topf, in welchem er das Fleisch gebracht hatte, und legte ihn auf seinen Kopf, tat ein Stück Brot und eine Schüssel Speise hinein und sagte: „Geh durch diese List fort und denke meiner nicht; ich weiß, was ich vom Kalifen zu erwarten habe.“ Ghanem befolgte ihren Rat, ging mir dem Topf fort und wurde nicht erkannt; Gott beschützte ihn und bewahrte ihn vor allem Bösen, als Lohn für seine guten Vorsätze.

Als der Vezier Djafar an das Haus kam, stieg er vom Pferd ab, ging ins Haus und sah daselbst Kut Alkulub, die sich putzte und schmückte, und eine große Kiste mit Gold, Schmuck, Edelsteinen und anderen leichten, aber doch wertvollen Dingen vollpackte. Sie stand vor Djafar auf, küßte die Erde vor ihm und sprach: „Herr, der Kalam (göttliche Feder) hat geschrieben, was Gott beschlossen.“ Er antwortete: „Bei Gott! der Kalif hat bloß den Tod über Ghanem verhängten Sie sagte: „Wisse, er hat Waren zusammengepackt und ist damit nach Damaskus gereist; ich habe keine Nachricht von ihm. Ich wünsche nun, daß du diese Kiste aufbewahrest und zum Fürsten der Gläubigen bringen lassest.“ Er antwortete: „ich bin bereit, zu gehorchen.“ Er ließ dann die Kiste aufladen, ging mit Kut Alkulub, welche von allen sehr ehrerbietig behandelt wurde, zum Kalifen, nachdem Ghanems Haus geplündert worden, und erzählte dem Kalifen, was vorgefallen. Der Kalif ließ Kut Alkulub in ein finsteres Gemach sperren, gab ihr eine alte Frau, mit dem Befehl, für ihre Bedürfnisse zu sorgen, denn er glaubte an ihre Schuld; er schrieb dann einen Befehl an den Statthalter von Damaskus, Mohammed, Sohn Suleimans, folgenden Inhalts: „Bei Empfang dieses Befehls nimm Ghanem, Sohn Ejubs, fest und sende ihn mir!“ Als dieser den Befehl erhielt, küßte er ihn, legte ihn auf sein Haupt, und ließ auf allen Straßen ausrufen:-“Wer plündern will, der gehe in das Haus Ghanems.“ Sie gingen in sein Haus und fanden daselbst eine Mutter und eine Schwester, die ihm schon ein Grab gemacht hatten und über ihn weinten. Sie wurden ergriffen und ihr Haus geplündert, ohne daß sie wußten, warum. Dann wurden sie zum Sultan geführt, der sie nach Ghanem fragte. Sie antworteten ihm: seit einem Jahr hätten sie nichts mehr von ihm gehört; worauf sie wieder nach Hause geführt wurden.

Was aber den liebeskranken Ghanem angeht, so hatte er, als er seines Glücks beraubt wurde und über seine Lage nachdachte, solange geweint, bis ihm fast das Herz sprang und er auf sein Gesicht zu Boden stürzte; dann reiste er weit umher, bis er einst müde und hungrig in ein Dorf kam. Er ging daselbst in die Moschee, setzte sich auf einen Teppich und lehnte sich an die Wand an; in dieser Lage blieb er bis den anderen Morgen, sein Herz aber klopfte ihm vor Hunger, vom vielen Schweiß war seine Haut mit Ungeziefer bedeckt, er verbreitete einen üblen Geruch und war unkenntlich geworden.

Als Morgens die Leute aus dem Ort zum Morgengebet kamen, fanden sie ihn sehr schwach und leidend vor Hunger, doch sah man an ihm noch Spuren eines früheren Wohlstandes. Als sie ihr Gebet verrichtet hatten, brachten sie ihm Wasser, womit er Hände und Füße wusch; sie brachten ihm auch ein altes Kleid, an dem die Ärmel zerfetzt waren, zogen es ihm an und sagten ihm: „Fremder, woher bist du, und warum bist du so schwach?“ Er öffnete seine Augen und weinte, antwortete aber nicht; als einer von ihnen merkte, daß er hungrig war, brachte er Honig und Brot, und er aß davon ein wenig. Sie blieben dann bei ihm sitzen, bis die Sonne aufging, dann begaben sie sich zur Arbeit. Ghanem blieb so einen Monat bei ihnen und war immer schwächer und kränker. Die Leute weinten über ihn und beschlossen untereinander, ihn nach Bagdad ins Spital bringen zu lassen. Während dies vorfiel, kamen zwei Bettlerinnen zu ihnen; diese waren seine Mutter und seine Schwester. Als Ghanem sie sah, gab er ihnen das Brot, das er neben sich liegen hatte, und sie brachten die Nacht bei ihm zu, ohne daß er sie erkannte. Am folgenden Tage kamen die Bewohner jenes Orts mit einem Kamel und seinem Herrn, und sagten diesem: „Lade diesen Kranken auf dein Kamel und wenn du nach Bagdad kommst, so lege ihn an der Tür des Spitals ab, vielleicht wird er geheilt, und dir bleibt der Lohn dafür.“ Er antwortete: „Ich werde es tun.“ Sie trugen dann Ghanem mit dem Teppich, auf dem er saß, aus der Moschee, seine Mutter und seine Schwester sahen ihn wieder, erkannten ihn aber immer noch nicht; doch sagten sie, als sie ihn näher betrachteten: „Dieser Kranke gleicht unserm Ghanem, wäre er es wohl selbst?“ Ghanem kam indessen nicht eher zu sich, bis er schon auf dem Kamel festgebunden war; er weinte und jammerte; auch seine Mutter und Schwester weinten aus Mitleid mit ihm, ohne ihn zu erkennen. Sie reisten dann nach Bagdad, wohin auch der Kameltreiber Ghanem brachte.

Er wurde daselbst vor der Tür des Spitals abgelegt, wo er bis den nächsten Morgen liegen blieb. Die Leute, die vorübergingen, blieben stehen, als sie einen Mann sahen, der so abgemagert war, daß er einem Zahnstocher glich. Endlich kam der Aufseher des Marktes hinzu, trieb die Leute von ihm weg und sagte: „Ich will durch diesen Jüngling das Paradies verdienen; denn wenn er ins Spital gebracht wird, so bringen sie ihn an einem Tag um. „ Er befahl daher seinen Jungen, ihn in sein Haus zu bringen, ließ ihm frisches Bett und Kissen geben, und sagte zu seiner Frau: „Pflege diesen Fremden recht gut!“ Sie aber erwiderte: „Recht gerne!“ schob ihre Ärmel zurück, machte Wasser warm, wusch ihm die Hände, Füße und den ganzen Körper, und zog ihm ein Kleid von einer ihrer Sklavinnen an, gab ihm einen Becher Wein und bespritzte ihn mit Rosenwasser. Er aber klagte und jammerte um seine Geliebte Kut Alkulub, und seine Trauer um dieselbe war sehr groß.

Was aber Kut Alkulub angeht, so blieb diese achtzig Tage an dem finstern Ort, wohin sie der Kalif in seinem Zorn hatte einsperren lassen. Eines Tages ging der Kalif an ihrem Zimmer vorüber, und hörte, wie sie Verse rezitierte. Dann sprach sie folgendes:

„O mein Geliebter! o Ghanem! wie schön bist du! Wie rein ist dein Herz! Du tust Gutes denen, die dir Böses tun, und achtest das Heiligtum dessen, der das deinige nicht schont: du beschützest die Frau dessen, der dich und die deinigen gefangennehmen ließ. Aber gewiß wirst du einst mit dem Fürsten der Gläubigen vor einem gerechten Richter stehen, und du wirst dann gerecht erscheinen an dem Tage, wo Gott Richter sein wird. und seine Engel Zeugen!“ Als der Kalif dies hörte, merkte er, daß ihr Unrecht geschehen, und ging in sein Schloß zurück, von wo aus er ihr seinen Diener Masrur schickte. Als sie vor dem Kalifen erschien, beugte sie ihr Haupt, weinte und war sehr betrübt. Der Kalif sprach zu ihr: „O Kut Alkulub! ich sehe, daß du mich tadelst, als Ungerechten anklagst, und höre dich sagen: ich tue Böses dem, der mit Gutes erwiesen: wer ist's, der meinen Harem gehütet?“ Sie antwortete: „Ghanem, Sohn Ejubs, der Gefesselte, der Beraubte; denn ich schwöre dir bei deiner Gnade, er hat die Ehrfurcht vor deiner Sklavin nicht verletzt.“ Der Kalif sprach: „Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! O Kut Alkulub! wünsche dir, was du willst, du sollst es erhaltenen Sie antwortete: „Ich fordere Ghanem, meinen Geliebten.“ Der Kalif gewährte ihr ihren Wunsch. Sie sagte weiter: „Wirst du, wenn er erscheint, mich ihm zur Frau geben?“ Der Kalif erwiderte: „Das geschehe, und ich werde gewiß mein Wort heilig halten.“ Sie versetzte: „Erlaube mir, ihn zu suchen, vielleicht wird mich Gott mit ihm vereinen.“ Der Kalif antwortete: „Tu, was dir gut scheint!“ Sie ging freudig weg, nahm tausend Dinare mit, besuchte die Scheichs und gab Almosen für ihn.

Am folgenden Tag begab sie sich wieder auf den Markt der Kaufleute, gab dem Aufseher einige Dirham, und sagte ihm: „Verteile sie unter die Fremden.“ Die folgende Woche ging sie wieder auf den Markt mit tausend Dinaren; es war der Markt der Goldarbeiter und Juweliere. Sie rief den Aufseher, gab ihm tausend Dinare und sprach zu ihm: „Verteile sie unter die Fremden.“ Der Aufseher sagte ihr: „Herrin, in meinem Hause befindet sich ein junger Fremder, willst du nicht mit mir gehen, um ihn zu sehen?“ (Dies war nämlich Ghanem, den der Aufseher nicht kannte, und den er für einen Verschuldeten hielt.) Als sie dies hörte, klopfte ihr das Herz und ihr Inneres kam in Bewegung. Sie sagte: „Schicke jemanden mit mir in dein Haus.“ Er gab ihr einen kleinen Jungen mit, der sie in sein Haus führte, und sie dankte ihm dafür. Als sie ins Haus trat, grüßte sie seine Frau und diese küßte die Erde vor ihr; denn sie erkannte sie. Kut Alkulub fragte dann: „Wo ist der Fremde, der bei dir wohnt?“ Sie antwortete weinend: „Hier ist er auf dem Bett, meine Herrin; er sieht wohl wie einer aus der niederen Volksklasse aus, doch trägt er noch Spuren des Wohlstandes an sich.“ Kut Alkulub blickte nach ihm hin, er war aber so mager und entstellt geworden, daß sie ihn nicht erkannte; sie weinte und sprach: „Der unglückliche junge Mann!“ wußte aber nicht, daß es Ghanem war; doch hatte sie Mitleiden mit ihm, machte ihm Wein und verschiedene Arzneien zurecht. Nachdem sie eine Weile zu seinen Häupten gesessen war, ritt sie wieder in ihr Schloß und besuchte ihn jeden Markttag. Eines Tages kam der Aufseher mit Ghanems Mutter und Schwester und sagte zu Kut Alkulub: „O Herrin, das Paradies wird dir nicht verschlossen sein; sieh, soeben ist eine hübsche Frau mit ihrer Tochter in unsere Stadt gekommen, an denen noch Spuren früheren Glücks und Wohlstandes sichtbar sind; sie tragen aber härene Kleider und eine Reisetasche um den Hals, ihre Augen weinen und ihr Herz ist betrübt. Ich habe sie dir gebracht, damit du sie beherbergest und sie vor dem Betteln bewahrest.“ Sie antwortete: „Du machst mir Lust, sie zu sehen; wo sind sie?“ Er erwiderte freudig: „Ich will sie dir herführen“, und brachte sie wirklich in das Zimmer, wo auch Kut Alkulub war. Als diese Ghanems Mutter und Schwester sah und sehr schön fand, hatte sie Mitleid mit ihnen und sprach: „Bei Gott! das sind vornehme Frauen, man sieht es ihnen wohl an.“Die Frau des Aufsehers sagte: „Wir lieben die armen Leute des himmlischen Lohnes willen. Wer weiß, ob nicht die Tyrannei diese überfallen, ihre Güter geraubt und ihre Wohnung verwüstet hat.“ Die beiden Frauen weinten dann heftig, dachten an ihren früheren Wohlstand und ihre jetzige Armut, erinnerten sich an Ghanem, weinten und Kut Alkulub weinte mit ihnen. Die Mutter Ghanems aber sprach: „Wir beten zu Gott, daß er uns mit dem vereinige, den wir aufsuchen, nämlich mit meinem Sohne Ghanem, Sohn Ejubs.“ Als Kut Alkulub dies hörte, wußte sie, daß die eine Frau die Mutter ihres Geliebten, und die andere seine Schwester sei; sie weinte, bis sie in Ohnmacht fiel, und als sie wieder zu sich kam, ging sie auf die beiden zu und sagte: „Fürchtet nichts, seid nicht betrübt! dieser Tag ist der erste eures Glücks und der letzte eures Elends.“

Sie befahl dann dem Aufseher, ihnen hübsche Kleider anzuziehen und sie ins Bad zu führen, recht auf sie acht zu geben und ihnen höchst ehrerbietig zu begegnen; zu dem Zwecke gab sie ihm eine bedeutende Summe Geldes. Am folgenden Tage ritt Kut Alkulub wieder nach dem Hause des Aufsehers und ging zu seiner Frau. Diese stand vor ihr auf, küßte ihre Hände und dankte für ihre Wohltaten. Sie sah Ghanems Mutter und Schwester, die des Aufsehers Frau ins Bad gebracht und denen sie andere Kleider angezogen hatte, so daß man ihnen wohl ihren früheren Wohlstand ansah. Kut Alkulub setzte sich zu ihnen und unterhielt sich eine Weile mit ihnen, dann fragte sie des Aufsehers Frau nach ihrem Kranken; diese aber antwortete: „Sein Zustand ist immer derselbe“, und setzte hinzu: „Kommt, wir wollen einmal nach ihm sehen!“ Sie traten alle vier zu ihm und setzten sich nieder. Als Ghanem, der sehr dünn und mager geworden war, sie hörte, kam er wieder zu sich, hob seinen Kopf vom Kissen auf und rief. O Kut Alkulub!“ Diese betrachtete ihn näher und schrie: „Hier bin ich.“ Er sagte zu ihr: „Komm näher.“ Sie fragte: „Bist du Ghanem, Sohn Ejubs?“ Er antwortete: „Ja, ich bin es.“ Als sie dies hörte, fiel sie in Ohnmacht. Auch seine Mutter und Schwester riefen: „O Freude!“ und waren außer sich. Nach einer Weile kamen sie wieder zu sich, da sagte Kut Alkulub: „Gelobt sei Gott, der mich mit dir, deiner Mutter und Schwester vereinigte Sie trat näher und erzählte ihm, was vorgefallen mit dem Kalifen, und sagte: „Ich hatte ihm die Wahrheit entdeckt, er wünscht nun dich zu sehen, und hat mich dir geschenkt“, und er freute sich sehr darüber. Dann sagte Kut Alkulub: „Bleibt ihr alle hier, bis ich wiederkehren Mit diesen Worten erhob sie sich, ging in ihr Schloß und holte die Kiste, die sie aus Ghanems Hause gerettet hatte, nahm Geld heraus und sagte dem Aufseher. „Nimm dieses Geld und kaufe den Frauen vier Paar Kleider und zwanzig Tücher, und was sie sonst brauchen.“ Hierauf führte sie die Frauen mit Ghanem ins Bad, ließ sie bedienen und ihnen gekochtes Fleisch, Galangal und Ninupharwasser reichen, das sie genossen, als sie aus dem Bad kamen und sich angezogen hatten.

Kut Alkulub blieb drei Tage bei ihnen, und gab ihnen gekochtes Fleisch und Hühner zu essen und Zuckerwasser zu trinken. Nach Verfluß von drei Tagen hatten sie sich wieder erholt; sie führte sie abermals ins Bad, vertauschte ihre Kleider mit besseren und ließ sie im Hause des Aufsehers. Sie selbst aber ging ins Schloß und bat den Kalifen, vor ihm erscheinen zu dürfen. Er ließ sie vor, sie aber küßte die Erde vor ihm und erzählte ihm die ganze Geschichte, wie Ghanem mit seiner Mutter und Schwester anwesend seien. Als der Kalif dies hörte, befahl er dem Diener: „Bring sie mir!“ Djafar ging zu Ghanem; Kut Alkulub aber war ihm schon vorangeeilt und hatte zu ihm gesagt, daß der Kalif nach ihm verlange. Sie empfahl ihm, recht beredt und vernünftig zu sprechen, und sagte: „Wisse, daß du zu jemanden kommst, der über dein Leben und Gut verfügen kann.“ Sie hieß ihn ein vollständig neues Kleid anziehen, und nun kam auch Djafar auf seinem nubischen Maulesel geritten. Ghanem stand auf, ging ihm entgegen und grüßte ihn, und schon war der Stern seines Glücks in hellem Glanz aufgegangen. Er ging dann mit Djafar zum Fürsten der Gläubigen, küßte die Erde vor ihm und sah alle Fürsten, Veziere, Kammerherrn, Adjudanten, Türken, Deilamiten, Araber und Perser; er sprach einige süße, beredete Worte, dann neigte er sein Haupt zur Erde und rezitierte folgende Verse:

„Ich gebe mein Leben hin für den erhabenen König, bei dem schöne und gute Handlungen sich aufeinander folgen. Das Feuer, das für seine Gäste brennt, erinnert an die Hölle und der Tau seiner mildtätigen Hand an die Sündflut. Man kümmert sich hier weder um den Kaiser, noch um einen persischen Großen. Alle Fürsten legen vor der Schwelle seines Palasts beim Gruße die Edelsteine ihrer Kronen nieder, und werfen sie einen Blick auf ihn, so fallen sie aus Ehrfurcht vor ihm auf ihr Gesicht! Alle Wüsten sind für deine Truppen zu eng, und du schlägst deine Zelte hinter Saturn auf. Möge der König aller Könige dich in deiner Macht erhalten! denn dein Herz ist stark und deine Regierung gut; durch dich wird Gerechtigkeit in allen Ländern verbreitet, gleichviel, ob sie dir nahe oder ferne liegen.“

Der Kalif bewunderte seine Beredsamkeit und liebliche Sprache, hieß ihn näher treten und sprach zu ihm: „Erzähle deine Geschichte!“ Er erzählte ihm, was ihm in Bagdad widerfahren, wie er auf dem Grabmal geschlafen und die Kiste genommen, nachdem die Sklaven weggegangen waren, und alles, was ihm von Anfang bis zum Ende zugestoßen. Als der Kalif merkte, daß er aufrichtig war, machte er ihm Ehrengeschenke, behielt ihn in seiner Nähe und sagte ihm: „Verzeihe mir meine Schuld!“ Er verzieh es ihm und sagte: „Gehört nicht der Sklave mit allem, was er besitzt, seinem Herrn?“ Der Kalif freute sich darüber, machte ihm viele Geschenke, setzte ihm viele Einkünfte fest und räumte ihm ein eigenes Schloß ein, wohin er mit seiner Mutter und Schwester Fitnah (bedeutet Verführung) sich begab. Als der Kalif hörte, daß diese durch ihre Schönheit eine wahre Verführung sei, hielt er um sie bei Ghanem an, der ihm zur Antwort gab: „Sie ist ja deine Sklavin und ich bin dein Sklave.“ Der Kalif dankte und gab ihm hunderttausend Dinare, ließ den Kadi kommen und die Zeugen, und man schrieb an einem Tag den Ehevertrag zwischen Ghanem und Kut Alkulub, und zwischen dem Kalifen und Fitnah, und ihre Vermählung wurde von demselben Tage gefeiert. Des Morgens ließ der Kalif die ganze Geschichte Ghanems niederschreiben und in der Schatzkammer aufbewahren, damit auch seine Nachfolger sie lesen. Geschichte der Tochter des Veziers und des Prinzen Uns Alwudjud. Man erzählt: - und Gott kennt alle Geheimnisse am besten - Es war in den frühesten Zeiten ein König, welcher Schamech hieß, er war ein sehr angesehener und mächtiger Sultan, und so gefürchtet, daß sich niemand in seine Nähe wagte. Derselbe hatte einen Sohn, welcher Uns Alwudjud (Lieblichkeit des Daseins) hieß. Sein Vezier hatte eine sehr schöne, wohlgestaltete und gebildete Tochter, welche Dichtkunst und lehrreichen Umgang liebte, sie hieß Ward fil Akmam (Rose in der Knospe). Der Vezier liebte sie sehr, weil sie so viel Geist und Beredsamkeit besaß, und Geschicklichkeit zu allen Künsten. Sie war wohlgestaltet und zart gebaut, und wenn sie sprach, so konnten ihre Worte einen Kranken heilen. Außer einer vornehmen Erziehung besaß sie so viele vorzügliche Eigenschaften, daß sie jeden reizte, dem sie sich zuwandte, und jeden tötete, dem sie den Rücken kehrte. Sie war, wie ein Dichter sagte:

„Ihre Erscheinung ist wie die des Mondes zwischen Sternen, ihr Gesicht strahlt verhängnisvoll aus ihrem Haar hervor. Mein Verstand hat mit der Liebe gescherzt. und nun gleicht er einem Sperling in der Hand eines Kindes, das mit ihm spielt.“

Der König war gewöhnt, jedes Jahr die Großen seines Reichs zum Ballspiel zu versammeln. Eines Tages befahl er bei einer solchen Versammlung den Uns AIwudjud, den Ball zu schleudern, als gerade die Tochter des Veziers in ihrem Schloß saß, um dem Spiel der Truppen zuzusehen; sie warf einen Blick herunter und bemerkte einen jungen Mann, so schön, daß nie jemand seinesgleichen gesehen; seine Wohlgestalt und Anmut reizte sie so sehr, daß sie oft nach ihm blickte und ihre Amme fragte: „Wie heißt der schöne Jüngling, der sich unter den Truppen auf seinem Pferd tummelt.“ Sie antwortete: „Sie sind alle schön; zeige mir, welchen du meinst.“ Die Tochter des Veziers versetzte: „Warte, bis er vorübergeht, dann will ich dir ihn zeigen.“ Sie nahm dann einen Apfel und wartete, bis er unter dem Fenster vorüberging, um auf ihn werfen zu können; er hob seinen Kopf in die Höhe, um zu sehen, wer ihm einen Apfel zugeworfen, und erblickte die Tochter des Veziers wie den leuchtenden Mond in der Sphäre der Himmel; sein Herz aber entbrannte vor Liebe zu ihr. Als die Spiele zu Ende waren, entfernte er sich mit dem König und trug ihr Bild im Herzen. Ward sagte dann zu ihrer Amme: „Nun, wie heißt der junge Mann, den ich dir gezeigt?“ Diese antwortete: „Er heißt Uns Alwudjud.“ Sie schüttelte ihr Haupt vor Freude und gab sich ganz der Liebe hin. Als es Nacht war, ging sie zu Bett; aber vor Liebespein konnte sie nicht schlafen; sie rezitierte dann folgende Verse:

„Wer dich Uns Alwudjud genannt, hat nicht geirrt, denn du vereinst Lieblichkeit (Uns) und Freigebigkeit (Djud). O glänzender Mond! o du, dessen Gesicht das Dasein aller Wesen beleuchtet! Du bist einzig unter den Menschen, der Sultan der Schönheit, dafür zeugen dein Auge, das Werk des Allgütigen, deine rundgewölbten Augenbrauen, dein Wuchs, zart wie ein frischer Baumzweig, der ins Innerste eine brennende Flamme schleudert, eine Glut, die ich nicht mehr verbergen kann; du, der Trennung unmöglich macht, Neider beschämt und einen mächtigen Arm hat, der überall Wohltaten übt!“ Als sie diese Verse vollendet hatte, schrieb sie sie auf ein Papier und legte es zusammen unter ihr Kopfkissen. Dies sah eine ihrer Sklavinnen hinter dem Vorhang hervor, welche sehr verständig und geistreich war; sie ließ sich in ein Gespräch mit ihr ein, stahl das Papier unter ihrem Kopf hervor, laß es, und wußte, daß sie sich mit Uns Alwudjud beschäftigte.

Sie legte das Papier wieder an seinen Platz, wartete, bis ihre Herrin vom Schlaf erwachte, und sagte ihr: „Herrin, ich will dir einen Rat geben, denn die Liebe ist mächtig; sie verbergen ist sehr schwer und macht krank.“ Die Herrin fragte: „Und welches Mittel meinst du?“ - „Die Vereinigung.“ - „Und wie kann man dazu gelangen?“ - „Durch Schlauheit, geheimen Briefwechsel, süße Worte, stete Eintracht und wenig Vorwürfe. Hast du etwas zu vertrauen, so werde ich am besten dein Geheimnis bewahren, deine Briefträgerin werden und dir alles besorgen.“ Als die Herrin dieses hörte, freute sie sich sehr und verlor fast den Verstand, doch nahm sie sich zusammen, um über die Folgen nachzudenken. Sie sagte: „Ich habe doch niemanden etwas gesagt, woher weißt du, daß ich liebe?“ Sie antwortete: „Es hat mir im Traume jemand gesagt: Deine Gebieterin Ward und dein Herr Uns Alwudjud lieben sich, sei ihnen behilflich, bestelle ihre Briefe, besorge ihre Aufträge und verbirg ihr Geheimnis; du wirst großen Lohn dafür ernten. Ich habe dir nun erzählt, was ich im Traume gesehen, jetzt ist's an dir.“ Ward sagte: „Wirst du auch wirklich mein Geheimnis bewahren?“ - „Ja“ - Da nahm Ward das Gedicht unter ihrem Kopf hervor und sagte ihr: „Geh, bring dies Uns Alwudjud und lasse mich seine Antwort wissen.“ Sie erwiderte: „Recht gerne“, nahm das Papier, brachte es Uns und küßte ihm die Hand. Er öffnete dasselbe, las und schrieb zurück:

„Ich beruhige mein Herz in seiner Liebespein, denn ich muß meine peinliche Lage verbergen; wenn meine Tränen fließen und mein Auge verwunden, so fürchte ich, die Hinterbringer möchten mich durchschauen. Mein Herz war bisher frei und ich kannte die Liebe nicht, darum habe Mitleid mit mir, denn ich bin nur noch ein Schüler. Du kennst nun meine Geschichte: ich klage dir mein Verlangen und meine Liebesqual, und schreibe dir mit den Tränen meiner Augen, damit sie dir sagen, wie mir durch dich geworden. Gott bewahre ein Gesicht, dem die Anmut als Schleier dient, das die leuchtende Sonne und den Mond zu Dienern hat! Für solche Schönheit gibt es keine Schilderung, die Baumzweige können von ihrem zarten Wesen Schmiegsamkeit lernen. Ich bitte, ohne dir eine Qual aufbürden zu wollen, wende mir deine hoben Reize zu! Ich schenke dir meinen Geist, vielleicht nimmst du ihn an; ich will dein Sklave werden, o bei Gott, habe nur Mitleid!“ Als er diese Verse geschrieben hatte, legte er das Papier zusammen, küßte es und gab es der Sklavin; sie ging und brachte es ihrer Herrin, Diese küßte es ebenfalls, hob es zur Stirn, las und erkannte den Inhalt; sie nahm dann Tinte und Papier und schrieb:

„O du, dessen Liebe an meiner Schönheit hängt, warte, vielleicht kannst du mich erlangen. Als ich erfuhr, wie schön du von mir denkst, und sah, daß du mit mir Leiden teilst, wurde meine Liebe über alle Maßen heftig; doch gestatten mir meine Wächter nicht Vereinigung mit dir, darum ist mein Lager schlaflos, wäre ich nicht bewacht, so würde mein Elend bald aufhören. Die Liebe macht Geheimnis zum Gesetz, hüte dich, den Schleier zu lüften. Mein Innerstes ist voll von Liebe zur Gazelle, sie ist stets im Wachsen und beherrscht uns ganz.“

Als sie diese Verse vollendet hatte, legte sie das Papier zusammen und gab es ihrer Sklavin, die es nahm, um es dem Prinzen zu bringen; da begegnete ihr der Vezier und fragte sie. „Wo willst du hin?“ Sie antwortete: „Ins Bad;“ doch war sie so sehr erschrocken, daß ihr das Papier aus der Hand fiel, ohne daß sie es merkte. Als sie weg war, vermißte sie erst das Papier, sie kehrte zu ihrer Herrin um und sagte ihr, was ihr mit dem Vezier begegnet. Indessen kam ein Diener zum Vezier, der auf einem Thron saß, brachte ihm das Papier und sagte: „Herr, ich habe dieses Papier vor der Tür gefunden.“ Der Vezier öffnete es, las die oben erwähnten Verse und erkannte die Schrift seiner Tochter. Er ging heftig weinend zu ihrer Mutter, die ihn fragte: „Warum weinst du, mein Herr?“ Er erwiderte ihr: „Nimm dieses Papier und sieh, was darauf steht.“ Sie nahm es, las und fand, daß es ein Liebesbrief ihrer Tochter an den Prinzen war. Sie weinte ebenfalls heftig und sagte dem Vezier: „Was wird aus dieser Geschichte werden?“ Der Vezier antwortete: „Ich fürchte zwei Dinge für meine Tochter, denn du weißt, wieviel der Sultan auf seinen Sohn hält, es könnte für uns sehr böse Folgen haben; was ist dein Rat in dieser Sache?“ Sie antwortete: „Ich will diese Nacht das Wahlgebet verrichten und Gott um ein Rettungsmittel anflehen.“ Endlich beschlossen sie, auf dem Berg Takla, worüber an seinem Ort, so Gott will, mehreres, der auf einer Insel mitten im Meer Kanus lag und unzugänglich war, ihrer Tochter ein festes Schloß bauen zu lassen, sie dorthin zu bringen mit allem, was sie brauchen würde, und ihr auch eine Gesellschafterin mitzugeben. Der Vezier schickte hierauf Architekten und Feldmesser nach dem Berge und befahl ihnen, ein hohes, schönes Schloß zu bauen, was sie auch taten. Und als nach einem Jahr der Bau und alle nötigen Vorkehrungen vollendet, auch Lebensmittel in Menge vorhanden waren, ging der Vezier in der Nacht zu seiner Tochter. Sie kam ihm entgegen und küßte seine Hände. Er setzte sich und sagte ihr: „Meine Tochter! mache dich reisefertig.“ Sie fragte: „Wohin?“ Er aber antwortete: „Zu einer Lustreise, so Gott will.“ Sie wollte nicht in der Nacht abreisen, ihr Vater aber zwang sie. Als sie aus dem Zimmer ging und die vielen Vorbereitungen zur Reise sah, ahnte ihr Herz die Trennung vom Geliebten; sie weinte heftig, nahm Tinte und Papier und schrieb an die Türschwelle folgende Verse, durch die sie den Prinzen von ihrem Unfall in Kenntnis setzte:

„Bei Gott, o Wohnung! Wenn mein Geliebter des Morgens vorübergeht, mit Liebeszeichen grüßend, so bringe meinen schönsten, reinsten Gruß! Ich weiß nicht, wohin wir gehen. Man führt uns plötzlich in der Nacht heimlich fort, ohne zu sagen, wohin man uns führt: im Schatten der Nacht, wenn die Vögel auf den Zweigen ruhen und wir aus unseren Seufzern erkennen, daß auch sie die Trennung vom Geliebten beweinen. Als wir den Kelch der Trennung gefüllt sahen, und das wechselnde Schicksal uns zwang, ihn auszutrinken, träufelte ich den Saft der Geduld hinein; ich selbst vermag aber nicht, mich zu trösten.“

Als sie diese Verse geschrieben hatte, ging sie fort, ohne zu wissen, wohin. Sie durchwanderte die Wüsten in der Länge und in der Breite, bis sie nach dem Meer Kanus kamen. Hier wurden Zelte aufgeschlagen und ein großes Schiff kam herangesteuert, in das Ward mit ihren Dienern, Sklavinnen und Vorräten eingeschifft wurde. Der Vezier hatte ihnen aufgetragen, das Schiff zu durchbohren, sobald sie ans Land kommen würden, daß keine Spur davon zurückbleibe. Sie taten, wie ihnen der Vezier befohlen, und erstatteten ihm Bericht darüber. Während dies hier geschah, war der Prinz zu dem Sultan geritten, um ihm seine Aufwartung zu machen. Als er an der Tür des Veziers, in der Hoffnung, jemanden zu sehen, vorüberritt, fand er niemanden; er näherte sich der Türe und fand die Verse an der Schwelle, die oben erwähnt worden. Als er sie gelesen, kam er ganz außer sich, ein unauslöschbares Feuer brannte in seinem Herzen; er ging in sein Haus zurück, hatte keine Ruhe und keine Geduld; in seinem Gemütszustand glich er einer Taube, die man schlachtet. Als die Nacht heranbrach, war ihm noch gräßlicher zumute; er entkleidete sich und zog Kleider eines Bettlers an, ging aus, ohne zu wissen wohin, und die ganze Nacht durch. Als es Tag wurde und ihn die Sonne brannte und die Berge vor Hitze glühten, so daß er großen Durst hatte, sah er einen Baum und darunter einen fließenden Bach, den Gott geschaffen - gelobt sei er, der nur zu einem Dinge sagt: Werde! und es wird. - Er setzte sich und wollte trinken, da erblickte er im Wasser sein Bild, er war blaß und seine Füße waren vom Gehen angeschwollen; er weinte und sprach folgende Verse:

„Je heftiger der Schmerz und die Pein, je heißer die Liebe, um so näher die Genesung. Wie soll nach der Trennung noch das Leben schmecken? Vermehrt doch die Trennung noch die Liebesflamme. Als meine Liebe zunahm und meine Tränen über die Wangen flossen, da irrte ich bewußtlos umher, nichts kann meine Schmerzen mildern, nichts mich heilen.“

Er weinte, bis alle seine Kleider von den Tränen naß wurden, dann stand er auf, strengte sich wieder an zum Weitergehen - Gott leitete ihn in seiner Allmacht und ließ ihn Wüsten, Berge und Felsen durchwandern. Während er so dahinging, kam ein ungeheurer Löwe auf ihn zu, dessen Nacken ganz in seinen Haaren steckte. Sein Kopf war wie eine Kiste, sein Rachen wie die Öffnung einer Höhle, und seine Vorderzähne wie die eines großen Elefanten. Als der Prinz ihn sah, starb er fast vor Schrecken; er setzte sich mit dem Gesichte nach Mekka gewandt, sprach das Glaubensbekenntnis und erinnerte sich, in alten Büchern gelesen zu haben, daß, wenn jemand ein Uwe begegne, man ihn durch Worte zu besänftigen suchen solle-, er fing nun an. in Reimen zu ihm zu sagen:

„O Löwe des Waldes und der Auen! o Tapferster aller Helden! o Vater der Wackern! Sultan der Tiere! Bei Gott, ich bin verliebt und vorn Feuer der Trennung verzehrt, fern von meinen Freunden und beraubt von allem Guten.“

Als der Löwe diese Worte hörte, ging er zurück, legte sich auf die Knie, streckte die Vorderfüße aus und horchte auf den Prinzen, welcher weinend folgende Verse sprach:

„Löwe der Wüste! bring mich nicht um, bis ich meine Geliebte gefunden, die mich unterdrückt hat! Ich bin kein Jäger, ich suche nur mein Geliebte, die mich krank gemacht. Die Trennung von der Geliebten bekümmert mein Herz, so daß ich nur noch mein Bild im Leichengewande bin. O kriegerischer Löwe! mache durch mein Unglück meine Feinde nicht schadenfroh über meine Qual. Der Strom meiner Tränen ertränkt mich, und der Trennungsschmerz richtet mich zu Grunde, Die Liebe ist mein Begleiter im Dunkel der Nacht und läßt mich mein eigenes Dasein vergessen.“

Als er diese Verse vollendet hatte, kam der Löwe auf ihn zu mit Tränen in den Augen, leckte ihn mit der Zunge, ging vor ihm her und winkte ihm, daß er ihm folge; er ging mit ihm auf einen Berg, von da in eine Ebene, in welcher man Spuren von Reisenden bemerkte, und er dachte, das seien die Spuren der Leute, die Ward entführt haben. Der Löwe warf ihm dann noch einen Blick zu und verschwand. Der Prinz aber folgte diesen Spuren bis ans Ufer des Meeres, und da hier die Spuren sich verloren, dachte er, sie haben sich hier eingeschifft, und alle seine Hoffnung verschwand; er seufzte und weinte. In seinem Kummer sprach er folgende Verse:

„Weit ist der Ort, den ich suche, und mir bleibt wenig Hoffnung, denn wie könnte ich über das furchtbare Meer zu ihnen? Wie soll ich standhaft bleiben? Mein Innerstes ist vor Liebe zerknirscht, und der Schlaf in Wachen verwandelt. Von dem Tage an wo sie von der Heimat schied, brennt eine helle Flamme in meinem Herzen; meine Tränen fließen wie Sichun, Djichun, Euphrat und Nil, wie alle Regengüsse, Quellen und Bäche. Die vielen Tränen haben meine Augen verwundet und mein Herz wird von Feuer und Funken verzehrt. Die Truppen meiner Sehnsucht sind herangestürmt und das Heer meiner Geduld hat zersprengt ihnen den Rücken zugewandt. Ich habe mein Leben für ihre Liebe hingegeben, doch ist das Leben das geringste Opfer, das ich ihr bringe. Möge Gott kein Auge strafen, das diese Schönheit gesehen, die den Mond überstrahlt. Ihre weiten Augen haben mich mit Liebe erfüllt, ihre scharfen Pfeile haben mein Herz ohne Sehne verwundet. Ihr zarter Wuchs, der sanft sich bewegt wie die Zeige des Ban, hat mich verführt. Ich sehne mich nach Vereinigung, um meine Liebe zu stillen und Gram und Sorgen zu vertreiben; aber ich bin morgens und abends einem Verrückten gleich, bezaubert von ihrem Blick.“

Seine Tränen flossen solange, bis er nichts mehr von sich wußte. Als er wieder zu sich kam, fürchtete er sich vor wilden Tieren und stieg auf eine Anhöhe, wo er eine Höhle sah, auf die er zuging. Auf einmal hörte er eine Menschenstimme, die von einem Eremiten herrührte, der allein in dieser Höhle, fern von allem Weltlichen nur dem Gottesdienste lebte. Er klopfte an die Tür, erhielt aber keine Antwort; da setzte er sich an die Türe der Höhle und blieb drei Tage daselbst sitzen; der Eremit kam aber nicht heraus. Er rezitierte dann folgende Verse:

„Wie kann ich nach so vielen Qualen und Schmerzen mein Ziel erreichen? Allerlei Schrecken haben mein Herz verdorrt und meinen Kopf schon in der Jugend gebleicht. Wie viele Schmerzen mußte ich bis jetzt ertragen, das Schicksal hat sich gegen mich gewendet. Niemand steht in meiner Liebe mir bei; niemand lindert den Brand meiner Qualen. Habt Mitleid mit einem hoffnungslosen Liebenden, der den Kelch der Trennung trinken mußte. Heiß glüht die Flamme in meinem Inneren, und der Trennungsbrand verzehrt mein ganzes Herz. Welch gräßlicher Tag war es für mich, als ich an ihrer Tür die Trennungszeilen geschrieben las. Ich weinte und tränkte die Erde vor Liebesschmerz; doch verbarg ich meinen Zustand vor den Tadlern und Spähern. O hätten sie mich gesehen, wie ein Löwe auf mich zukam und schon aufsprang, um mich anzufallen! Doch besänftigte ich ihn, und er war gnädig, als er hörte, daß ich ein Liebender sei, gleichsam als habe er selbst schon die Liebe gekostet. Erreiche ich jedoch nur mein Ziel, so wird aller Kummer und alle Qual vergessen sein.“

Als er diese Verse vollendet hatte, öffnete sich die Tür der Höhle, und eine Stimme rief: „O Erbarmen!“ Der Eremit grüßte den Prinzen, der ihm den Gruß erwiderte und fragte nach seinem Namen. Der Prinz antwortete: „Ich heiße Uns Alwudjud.“ Er fragte ihn, warum er hierher gekommen, und der Prinz erzählte ihm seine ganze Geschichte, worüber der Eremit heftig weinen mußte. Dann sagte dieser: „O Prinz! ich bin nun schon zwanzig Jahre in dieser Höhle, ohne jemanden gesehen zu haben, bis vor ungefähr sechs Tagen, da hörte ich ein Lärmen und ein Geräusch und sah viele Leute und aufgeschlagene Zelte am Ufer des Meeres. Nach einer Weile bestiegen einige Leute ein Schiff und reisten fort, ein anderer Teil kam wieder zurück und richtete das Schiff zu Grunde, ich glaube daher, daß diejenigen, die du suchst, nach dem Berge gereist sind.“ Der Eremit rezitierte dann folgende Verse:

„Glaubt Uns Alwudjud, ich kenne keinen Kummer, während Sehnsucht und Liebesqual mir das Herz bald beklemmt, bald ausdehnt? Ich habe Liebe und Trennungsschmerz schon in meiner Jugend gekannt, als ich noch ein Kind war, das man mit Milch ernährte. Ich habe den Liebeskelch geleert, der mich brannte und schmerzte und durch Abmagerung an den Rand des Grabes brachte. Ich war eins stark, aber meine Kraft ist dahin, das Heer meiner Geduld schwand vor den Schwertern ihrer Blicke. Erwarte nicht Liebesglück ohne Qual, es berühren stets sich die Extreme. Die Liebe verbietet den Liebenden jeden Trost als Ketzerei.“

Der Prinz umarmte den Eremiten, und sie verschmolzen ihre Tränen; als sie ausgeweint hatten, versprachen sie einander, als Brüder in Gott zu leben. Dann sagte der Eremit: „O Prinz! ich will diese Nacht von Gott mir raten lassen, was zur Erfüllung deiner Wünsche zu tun ist.“

Das ist's, was den Prinzen und den Eremiten angeht; was aber Ward betrifft, so wurde sie auf das Schloß auf dem Berg gebracht. Sie fand es recht schön, doch weinte sie und sagte: „Bei Gott, das ist ein schönes und angenehmes Schloß, doch mein Geliebter ist fern.“ Als sie dann viele Vögel auf der Insel sah, befahl sie ihren Dienern, ihr ein Netz zu machen und ihr Vögel zu fangen, die sie in goldene Käfige sperrte. Dann stellte sie sich an das Fenster des Schlosses und dachte an das, was ihr geschehen; der Gram regte sie auf und sie rezitierte folgende Verse:

„Wem soll ich meine Schmerzen klagen? Man hat mich eingesperrt und vom Geliebten getrennt. Lange wache ich nun in der Nacht, bin krank und vergieße Tränen; des Morgens stehe ich ganz abgemagert auf von den quälenden Trennungsschmerzen. Wo ist das Auge des Geliebten, daß es meinen armseligen Zustand sehe? Sie haben Gewalt gebraucht, als sie mich an einen Ort brachten, den mein Geliebter nicht erreichen kann. Bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang bitte ich die Sonne, meinem Geliebten tausend Grüße zu bringen: meinem Geliebten, dessen Anmut den Vollmond beschämt und dessen zarter Wuchs die schlanken Zweige übertrifft. Wenn eine Rose seinen Wangen gleichen wollte, würde ich sagen: Weit entfernt! mit dir habe ich nichts zu tun. Seinen Mund vergesse ich nicht, er ist mein Geist und mein Herz und seine Feuchtigkeit ist edler Wein. Nur wer mich krank gemacht, kann mich heilen, nur mein Geliebter ist mein Arzt!“ Als sie ihre Verse vollendet hatte, versank sie in ein tiefes Nachdenken und gab sich einem starken Schmerz hin. Als es Nacht wurde und sie an einem anderen Ort sich befand, entbrannte ihre Sehnsucht noch mehr, und sie dichtete folgende Verse:

„Dunkelheit umgibt mich und erregt Schmerz und Krankheit in mir, die Sehnsucht ruft meine Leiden aufs neue hervor. Der Trennungsbrand hat sich in meinen Eingeweiden festgesetzt und die Sorgen haben mich ganz zu nichts gemacht, und die Tränen mein Geheimnis verraten. Ich war meiner nicht Herr, um am Trennungstage Abschied zu nehmen; o Gewalt! o Reue! o Nacht! sprich zu mir von meinem Freunde, denn du weißt es ja am besten, daß ich schlaflos bin.“

Während Ward in diesem Zustand war, sagte der Eremit zu dem Prinzen: „Geh in das Tal und bring mir Dattelbaumfasern.“ Er ging und brachte ihm. Der Eremit flocht Stricke daraus und machte ein Netz, wie man zum Strohtragen braucht. Dann sagte er zum Prinzen: „Geh in das Tal, brich dort Kürbisse, die an den Wurzeln austrocknen, fülle dieses Netz damit, binde es zusammen, wirf es ins Meer und besteige es, vielleicht wirst du auf diese Weise zu deinem Ziel gelangen; wer Gefahr scheut, der erreicht seinen Willen nie.“ Er nahm dann von dem Eremiten Abschied, betete für ihn und bestieg das Meer auf dem Netz. Da kam ein Wind von hinten, trieb ihn vom Land weg und jagte ihm immer weiter bis an das Gebirge Thakla, das er nach drei Tagen erreichte. Er stieg hier ans Land und war vor Hunger, Durst und Schmerz wie ein geschlachtetes Huhn. Doch fand er auf dem Berg viele Flüsse und Vögel, die auf früchtetragenden Bäumen sangen; er trank von diesen Gewässern und aß von den Gewächsen der Erde und den Früchten - gelobt sei der einzige, allmächtige Gott! - Als er weiterging, sah er etwas Weißes leuchten, und sieh da, es war ein starkes, befestigtes Schloß; er ging auf die Pforte desselben zu, fand sie aber geschlossen und blieb hier drei Tage sitzen. Am vierten Tag war die Pforte geöffnet, und es kam ein Mann heraus, der vor dem Prinzen erschrak, als er ihn sah. Er fragte ihn: „Wer bist du und wo kommst du her?“ Der Prinz antwortete: „Ich komme von Ispahan, wo ich Handel trieb, und machte eine Seereise, bis das Schiff barst, auf dem ich mich befand; ich aber rettete mich auf einem Brett, und das Schicksal warf mich auf diesen Berg.“ Als der Mann, der einer der Diener aus dem Schloß war, dies hörte, weinte er, umarmte ihn und sagte: „Ich bin auch aus Ispahan, Gott grüße dich, o Freundesduft! Ich habe dort eine Base, die ich sehr liebte, schon von meiner Kindheit an. Da kamen fremde Krieger über uns und führten mich gefangen als Beute weg, und verkauften mich dem Vezier; du kannst mich daher als deinen Freund ansehen.“ Mit diesen Worten führte er ihn zur Tür des Schlosses hinein. Er sah in der Mitte des Hofes große Bäume, an denen goldene und silberne Käfige hingen, in denen Vögel sangen. Im ersten Käfig, den er sah, war eine Turteltaube, welche die Stimme erhob, als sage sie (zu Gott): „O Edler!“ Als der Prinz dies hörte, fiel er in Ohnmacht; als er wieder zu sich gekommen, sprach er folgende Verse:

„O Turteltaube! fahre fort, seufze und schmachten Bete zum Herrn und rufe: O Edler! Sage mir, rufst du vor Entzücken so aus, oder vor Schmerzen, die dein Herz drücken, oder vor Sehnsucht wegen geschiedener Freunde, nach deren Trennung du krank zurückgeblieben? oder hast du, wie ich, deine Geliebte verloren, und regt sich in dir der alte Schmerz wieder? Gott bewahre einen treuen Freund, der bis zur Verwesung untröstlich bleibt!“ Nach Vollendung dieser Verse fiel er wieder in Ohnmacht; er kam dann an einen zweiten Käfig, in dem eine Ringeltaube war. Als sie ihn sah, stieg sie nieder auf den Boden und erhob ihre Stimme, als wollte sie sagen: „O du, dem immer Dank gebührt!“ Als der Prinz dies hörte, rezitierte er folgende Verse:

„Die Ringeltaube sagt in ihrem Seufzen: O Gott, dem ich in allen Versuchungen noch danke! vielleicht wirst du in deiner Güte mir zum Lohn für meinen Dank Vereinigung gewähren. Vielleicht wird ein trauriger Liebender kommen, meine Lage sehen und mich ZU meinem Weibchen bringen. Während die Liebesflamme in meinem Herzen lodert und mein Inneres verzehrt und blutige Tränen meine Wangen überströmen, rufe ich aus: Es gibt kein Geschöpf ohne Kummer, doch verliere ich die Geduld nicht in meinem Leiden. Ich gelobe zu Gott, wenn mein Schicksal mich mit meiner Herrin vereint, alles, was ich besitze, mit den Liebenden, meinen Glaubensgenossen, zu teilen, die Vögel zu befreien aus ihren Gefängnissen und ihre Trauer in Freude zu verwandeln.“

Er kam dann an einen dritten Käfig, in welchem ein Hesar war, und sprach folgende Verse:

„Deine Stimme ist traurig, doch sie gefällt mir, denn sie gleicht meinen Klagen in der Liebespein. O Mitleid mit den Liebenden! wie sehr sind sie in der Nacht von schmerzlicher Sehnsucht geplagt, als wäre ihre Nacht ohne Schlaf, und ohne Morgen geschaffen. Auch wenn sie mir mit dem Bild der Geliebten naht, bemächtigt sich meiner eine heftige Pein, Tränen strömen aus meinen Augen und ich sage ihnen: ihr seid lange genug geflossen, meine Sehnsucht wird durch die Trennung nur immer heftiger; die Schätze meiner Geduld sind zerronnen und der allmächtige Gram verzehrt mich. Wenn das Schicksal gerecht ist, so muß es mich durch die Vereinigung mit meiner Geliebten selig machen. Ich ziehe meine Kleider vor ihm aus, damit es sehe, wie mein Körper durch die Trennung abgenommen.“

Als er diese Verse vollendet hatte, ging er zu dem vierten Käfig, in welchem eine Nachtigall seufzte und trillerte. Uns rezitierte folgende Verse:

Die Nachtigall ersetzt durch ihren Morgengesang den Klang der Saiten, wie manche Töne haben wir von ihr gehört, die Stein und Eisen entzücken! Die Morgenluft weht uns allerlei Blütenduft zu, aber wenn wir in diesen Genüssen schwelgen, so fällt uns die ferne Geliebte ein, wie Regen fließen die Tränen und feurige Kohlen brennen in unsern Herzen. Möge Gott den Liebenden mit einem Blick der Geliebten erfreuen!“ Als er sich nach diesen Worten umkehrte, sah er endlich noch den schönsten Käfig, in dem eine Waldtaube war, mit einer Perlenschnur am Hals; sie ist der Sultan der Liebenden unter den Vögeln; als sie den Prinzen sah, stieg sie nieder auf den Boden und seufzte, der Prinz aber rezitierte folgende Verse:

„Sei gegrüßt, Waldtaube! Freundin unglücklicher Liebender! Ich liebe eine schmächtige Gazelle, deren Blicke schärfer als Pfeile stechen. Die Trennung von ihr hat mein Herz verzehrt und allerlei Übel über meinen Körper gebracht. Ich habe mir alle Süßigkeit des Lebens versagt, so wie mir der Schlummer geraubt wurde. Trost und Geduld sind verschwunden, Liebe und Schmerzen aber sind geblieben; wie kann mir das Leben noch schmecken, nachdem die edelsten Freuden von mir geschieden?“ Als er diese Verse vollendet hatte, seufzte und zwitscherte die Taube; ihre Seufzer schienen zu sagen:

„O Liebender! Du erinnerst mich an eine Zeit, In der ich mein Herz verloren habe, an meinen holden Geliebten, der mich verließ, dessen Stimme, wenn er auf den Bäumen, auf Sandhügeln sang, mir die Laute ersetzte. Ein Jäger stellte mir ein Netz und fing mich; ich aber sagte ihm: laß mich frei zu meinem Geliebten ziehen! Ich glaubte, er werde Mitleid mit mir haben, sobald er sehe, daß ich liebe. Gott möge ihn stürzen, weil er mich hartherzig von meinem Geliebten getrennt, und dadurch mein Herz verbrannt hat. Gott belohne denjenigen, der mit der Liebe vertraut ist, meinen Schmerz faßt, wenn er mich in meinem Käfig sieht und aus Mitleid mich wieder zu meinem Geliebten ziehen läßt!“ Er wandte sich zu seinem Freunde aus Ispahan und fragte ihn, wem dieses Schloß gehöre, wer es gebaut und wer es bewohne? Er antwortete: „Der Vezier des Königs Schamech hat es für seine Tochter gebaut, aus Furcht vor den Unfällen des Schicksals, und hat seinen Dienern befohlen, das Tor nur einmal im Jahr zu öffnen, wenn Lebensmittel gebracht werden.“ Der Prinz dachte: Nun ist der Zweck erreicht, wenn auch nach vielen Qualen. So viel, was den Prinzen angeht.

Ward aber, der das Leben gar zu bitter geworden war, konnte nicht liegen, noch ruhen; ihre Leiden nahmen immer zu, sie ging an den Säulen des Schlosses umher und konnte keinen Ausweg finden; in ihrem Kummer sprach sie folgende Verse:

„Man hat mich grausam weit von meinem Geliebten eingekerkert und mich mit einem heißen Brand im Kerker heimgesucht. Ich bin in ein neues Schloß eingesperrt, das auf einem hohen Berg liegt, an dessen Fuß sich die Meereswogen brechen, so daß kein Blick meines Geliebten zu mir reichen kann. Sie glauben, ich werde mich trösten, doch meine Liebesqual nimmt immer zu. Wie soll ich den vergessen, dessen Blicke mir mein ganzes Sein gegeben haben? Tage und Nächte bring ich in Kummer und Sorgen zu; solange Morgen und Abend wechseln, werde ich seiner gedenken, vielleicht wird doch zuletzt einmal das Schicksal uns begünstigen!“ Als sie diese Verse vollendet hatte, verfiel sie in den heftigsten Schmerz; sie zog ihre kostbarsten Kleider und Edelsteine an, band dann mehrere Kleidungsstücke von Balbekschem Stoffe aneinander, befestigte sie an dem Altan des Schlosses und ließ sich daran auf die Erde herunter; sie erreichte glücklich den Boden und ging auf der Insel fort, bis sie ans Meeresufer kam, wo sie einen Fischer auf einem Kahn erblickte, den die Bestimmung und der Wind dahin getrieben. Als er sie sah, erschrak er und entfloh; sie winkte ihm und sprach folgende Verse:

„O Fischer! fürchte nichts Böses von mir, denn ich bin ein Mensch aus Fleisch wie du, hilf mir in meiner Verlegenheit und sprich Wahrheit. Bei Gott, habe Mitleid mit mir! Sage mir, hast du den gespaltenen Mond gesehen? Sobald die Gazelle die Blicke meines Geliebten sah, sprach sie: Ich bin geringer als er, und entschuldigte sich bei ihm. Die Schönheit hat eine kurze Zeit mit Moschuspulver auf seine Wangen geschrieben: Wer das Licht der Leitung sieht, der wird den rechten Weg wandeln; wer von ihm abweicht, der ist ein Ungläubiger. Magst du dich auch meiner erbarmen, oder mir neue Schmerzen verursachen, immer sei dir dein Lohn gewiß. Ich schenke dir Perlen und Edelsteine; vielleicht liebe ich doch einen Mann, dessen Herz dem meinigen gleich in Gram und Sehnsucht zerfließt.“

Als der Fischer diese Verse hörte, weinte er, er gedachte vergangener Zeiten seiner Jugend, in denen auch er Liebe und Sehnsucht fühlte; er erstaunte über dieses Mädchen und sprach folgende Verse:

„Der Liebende hat deutliche Fürsprecher; seine fließenden Tränen und sein kranker Körper, seine Augen, die in der Dunkelheit wachen und sein Herz, das wie ein Feuerstrahl zündet. Ich habe die Liebe in meiner Jugend gekostet und kenne ihre Freuden und ihre Leiden. Wir geben unser Leben für die Liebe hin, für die Vereinigung mit der Geliebten. Der Glaube der Liebenden fordert, daß sie mit ihrem vergänglichen Leben die Nähe des Geliebten gerne erkaufen.“

Als er diese Worte gesprochen, sagte er zu ihr: „Komm heran, ich führe dich hin, wo du willst.“ Sie bestieg den Nachen, und er fuhr mit ihr einige Tage lang, bis sie an eine Stadt kamen, die am Ufer des Meeres lag; daselbst herrschte ein König, der wegen seiner furchtbaren Macht Derbas (Löwe) hieß; er saß auf der Terrasse seines Schlosses und sah den Nachen mit dem Fischer und einem Mädchen, das einer verirrten Gazelle glich; er befahl sogleich, daß man sie ihm bringe, und die Diener vollzogen seinen Befehl. Der König ging ihr schnell entgegen, und als er sie sah, dachte er gleich, sie müsse eine Königstochter sein, weit sie einen so kostbaren Schmuck trug. Er ließ sie in sein Schloß bringen, ging zu ihr, freute sich mit ihr, und fragte sie nach ihrem Namen, nach dem ihres Vaters und ihrer Heimat, sowie nach der Ursache ihrer Reise. Sie sagte ihm: „Wisse, o König! Ich bin die Tochter Ibrahims, des Veziers des Königs Schamech.“ Sie erzählte ihm ihre ganze Geschichte vom Anfang bis zu Ende, und verheimlichte gar nichts vor ihm; sie bat ihn dann um seinen Schutz und Beistand durch folgende Verse:

„Vor Kummer und Zerrüttung ergießen sich die Tränen über meine Wangen, des Freundes willen, dessen Liebe ich mich keinen einzigen Tag freuen kann. Seine Schönheit entzückt jedes Auge, und in Beredsamkeit übertrifft er Araber und Perser. Sonne und Mond verewigen seinen Glanz und erweisen sich ehrerbietig gegen ihn. Sein Auge ist von wunderbarem Zauber bemalt und der Bogen seiner Augenbrauen ist zum Wurf gespannt. O du, dem ich beschämt meinen Zustand geschildert, erbarme dich einer Liebenden, die ihre Liebe tötet! O meine Hoffnung! verbirg die Scham der Liebenden und werde Ursache ihrer Vereinigung! Die Liebe hat mich schwache Fremde an eure Ufer geworfen, von euch hoffe ich meine Rettung.“

Als der König ihre Verse hörte, hatte er Mitleid mit ihr und sagte: „Fürchte nichts, du hast schon deinen Zweck erreichte Der König rezitierte dann folgende Verse:

„Tochter edler, vornehmer und wohlgebildeter Eltern, empfange die gute Botschaft: du hast deinen höchsten Wunsch erreicht! Noch heute sammle ich Geld und schicke es Schamech durch vornehme Ritter; ich will ihm vom schönsten Moschus und Seidenstoff schicken, und allerlei glänzendes Silber und Gold. Ich werde ihm in einem Brief sagen, ich wolle ihm eine Schwiegertochter geben und sein Verwandter werden. Ich will gern alles tun, um euch von eurem Liebesbrand zu heilen. Ich habe wahrlich auch den Liebeskelch gekostet, und entschuldige jeden, der ihn getrunken.“

Der König rief seinem Vezier und rüstete ihn mit allerlei Geschenken aus; auch befahl er ihm, zum König Schamech zu gehen und den Prinzen Uns Alwudjud von dort zu holen, und setzte hinzu: „Sage ihm, ich wolle ihm meine Tochter zur Frau geben; und bringst du mir ihn nicht, wirst du von deiner Stelle entsetzt.“ Der Vezier nahm alles, was ihm der König gab, durchwanderte die Wüste in der Länge und in der Breite, bis er in das Land des Königs Schamech kam. Als der König seine Ankunft erfuhr, ließ er ihn drei Tage lang bewirten und am vierten Tag zu sich kommen; der Vezier aber überreichte ihm den Brief und die Geschenke des Königs Derbas. Als der König Schamech den Brief gelesen hatte, und den Namen Uns Alwudjud darin las, weinte er heftig und sagte zum Vezier: „Wo ist Uns Alwudjud? bring mir ihn und nimm, was du willst!“ Er sprach dann folgende Verse:

„Gebt mir meinen Freund wieder, ich brauche kein Geld, ich will den, dessen Anmut der Mond meines Himmels war, keine anderen Geschenke und keine Menschen. Sein Blick übertraf an Lieblichkeit den einer Gazelle, sein Wuchs war ein Zweig des Ban, ich habe ihn großgezogen in Liebe und Pracht, und nun traute ich seinetwillen.“

Als der König diese Verse vollendet hatte, wendete er sich zu seinem Vezier Ibrahim und fragte ihn: „Wo ist mein Sohn?“ Er antwortete: Ach weiß nicht, Herr!“ Er wandte sich dann zum Vezier des Königs Derbas und sagte ihm: „Mein Sohn ist schon lange Zeit abwesend und wir wissen nicht, wohin er gegangene Er erwiderte: „Mein Herr hat mir gesagt, wenn du Uns Alwudjud nicht bringst, so entsetze ich dich, ich kann also nicht ohne ihn abreisen.“ Dann befahl jener seinem Vezier: „Geh umher, suche meinen Sohn und bring mir ihn!“ Dieser antwortete: „Ich gehorche.“ Beide Veziere reisten sogleich ab, um den Prinzen zu suchen, und so oft sie an einen Ort kamen, fragten sie: „Ist hier ein Mann durchgereist, der so und so aussieht?“ Aber es wußte niemand etwas von ihm. So gingen sie immer fort, bis sie an das Meer Kanus kamen, da bestiegen sie ein Schiff und segelten nach dem Berg Thakla und stiegen ans Land. Da sagte der Vezier. „Warum heißt dieser Berg Thakla (der verwaiste)?“ und man antwortete ihm: „Es war einmal vor alten Zeiten eine Genie, die einen Menschen liebte, da sie sich aber vor ihren Leuten fürchtete, zog sie mit ihm nach diesem abgelegenen Berg, zu dem weder Menschen noch Geniert kommen, bewohnte ihn abwechselnd eine Zeitlang mit ihrem Geliebten, und ging dann wieder eine Weile zu ihren Leuten; dies währte lange Zeit, und so oft ein Schiff in der Nähe dieses Berges vorüberfuhr, hörten die Leute diesen jungen Mann weinen und sagten: „Hier wohnt eine verwaiste (Mutter), und darum heißt der Berg Thakla.“ Der Vezier des Königs Derbas war erstaunt über diese Geschichte. Sie gingen bis an das Schloß, klopften an der Tür, und man öffnete ihnen; als sie hineinkamen und die Diener ihnen entgegentreten, sahen sie bei ihnen einen jungen Mann in einem elenden Zustand. Der Vezier fragte: „Woher kommt dieser Elende?“ Man antwortete ihm: „Er war auf einem Schiff, das unterging, und hat auf einem Brett sich hierher gerettet; er ist ein armer Mann.“ Der Vezier wendete sich von ihm weg, ging aufs Schloß und fragte nach seiner Tochter, konnte aber keine Auskunft über sie erhalten; die Diener und Sklavinnen, die er nach ihr befragte, sagten ihm: „Sie ist nur kurze Zeit bei uns geblieben, dann ist sie verschwunden, wir wissen nicht wie, noch wohin.“ Als er dies hörte, verlor er seinen Verstand und wurde wie ein Wahnsinniger. Nachdem er dann einige Verse rezitierte, in welchen er sich über das Verschwinden seiner Tochter aus dem noch vollständig ausgestatteten Schloß mit Verwunderung aussprach, trat er auf die Terrasse des Schlosses hinaus, wo er die Tücher sah, an welchen seine Tochter sich heruntergelassen hatte, und er dachte wohl, daß sie auf diesem Weg entflohen sei; er hörte auf der Terrasse einen Raben und eine Nachteule krähen, weinte heftig und sprach: „Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! Es hilft keine List gegen Gottes Beschluß, und keine Vorsicht gegen die Bestimmung!“ Er sprach dann folgende Verse:

„Ich kam in die Wohnung meiner geliebten Tochter, um die Flamme meiner Sehnsucht zu löschen, fand aber nichts darin, als einen Raben und eine Nachteule und es ist, als sagte man mir: Du hast Unrecht gehandelt, du hast zwei Liebende getrennt, koste nun selbst den Trennungsschmerz, den sie gekostet, und lebe betrübt, oder stirb vor Schmerzensglut!“ Der Vezier ging weinend vom Schloß herunter und befahl den Dienern, überall auf dem Berg ihre Herrin zu suchen. Sie taten dies, fanden sie aber nicht, noch trafen sie eine Spur von ihr. Als aber der Prinz sich überzeugt hatte, daß Ward weggegangen war, schrie er laut und fiel in Ohnmacht; der Vezier wollte mit allem, was im Schloß war, zurückkehren; der Vezier des Königs Derbas aber nahm Abschied von ihm und sagte: „Ich will diesen Derwisch (den Prinzen) mit mir nehmen und ihn nach Ispahan schicken, denn diese Stadt liegt nicht weit von unserm Lande, und ich hoffe von Gott, daß er mir das Herz meines Königs durch den Segen dieses Derwischs zuneigen wird.“ Der Vezier Ibrahim sagte: „Tu, was du willst.“ Sie nahmen dann voneinander Abschied, und der Vezier des Königs Derbas reiste mit dem Prinzen drei Tage lang, ohne daß dieser zu sich kam. Der Vezier trug ihn von einem Ort zum andern, und goß ihm Getränke ein, ohne daß er etwas davon wußte. Nach drei Tagen aber kam er zu sich und setzte sich aufrecht. Als sie dem Lande des Königs Derbas nahe waren, berichtete man dem König die Ankunft seines Veziers. Der König schickte ihm entgegen und ließ ihm sagen: „Wenn du mir nicht den Prinzen Uns Alwudjud bringst, so bist du abgesetzt und ich habe nichts mehr mit dir zu tun.“ Als der Vezier dies hörte, wurde er sehr bestürzt, denn er wußte nicht, daß Ward beim König war, und konnte nicht begreifen, was er vom Prinzen wollte. Als dieser den Vezier in diesem Zustand sah, fragte er ihn: „Was hast du?“ Er antwortete: „Der König hat mir einen Auftrag gegeben, den ich nicht besorgen konnte; soeben ließ er mir sagen: wenn du mir nicht bringst, was ich dir aufgetragen, so bist du abgesetzte Der Prinz fragte abermals: „Und wonach hat dich der König geschickte Und er erzählte ihm die ganze Sache. Da sagte der Prinz: „Nimm mich mit zum König, ich will dir den Prinzen herbeischaffend Der Vezier freute sich sehr und sagte: „Sprichst du die Wahrheit?“ Er antwortete: „Ja.“ Der Vezier ritt dann mit ihm zum König, der ihn fragte: „Wo ist der Prinz?“ Der Vezier antwortete: „Dieser Derwisch weiß, wo er ist.“ Der König fragte: „Weißt du, wo er ist?“ Er antwortete: „Er ist dir sehr nahe, was willst du von ihm? Sage mir es, ich will ihn dir herbeibringen.“ Als der König dies hörte, trat er mit ihm auf die Seite und erzählte ihm, warum er ihn suchen lasse. Da sagte der Prinz: „Bring mir ein schönes Kleid!“ Der König brachte es ihm; er ging damit ins Bad, reinigte und salbte sich, zog das schöne Kleid an und sagte dann dem König: „Herr! ich bin Uns Alwudjud.“ Er sprach noch folgende Verse:

„Das Andenken meiner Geliebten tröstete mich in meiner Einsamkeit und machte mir die Dunkelheit weniger unheimlich. Ich habe keine andere Hilfe als meine Tränen, sie allein erleichtern meine Last. Meine Sehnsucht ist heftig, noch nie hat jemand so durch sie gelitten; wunderbarer ist die Macht meiner Liebe; mein Herz ist zerknirscht; mein Auge schläft nicht. Eine verzehrende Flamme lodert in meinem Herzen, und meine Leiden wurden so mächtig, daß alle Geduld von mir wich. Der Trennungsschmerz machte mich mager und die Sehnsucht hat mich ganz entstellt; meine Augen samt dem Augapfel wurden wund von den Tränen, die ich nicht zurückhalten konnte. Meine Kraft nahm ab, ich verlor mein Herz, und ich fühlte einen Brand nach dem andern. Mein Herz und mein Kopf wurden gleich alt, wegen meiner Herrin, der Schönsten' von allen. Gegen ihren Willen sind wir getrennt worden, sie wollte nur unsere Vereinigung. Wozu diese längere Trennung, Sehnsucht und Qual? Meine Seele schmachtet nach dem Wiedersehen! Laßt nun meine Geliebte liebend mit mir kosen und unsere Trauer sich in Freude verwandeln.“

Als er die Verse vollendet hatte, sagte ihm der König: „Bei Gott! du bist ein weiser Mann, ihr seid wahre Liebende und eure Geschichte ist wunderbare Er erzählte ihm dann, wie es Ward gegangen; der Prinz aber fragte: „Und wo ist sie?“ Der König antwortete: „Hier bei mir.“ Als der Prinz dies hörte, weinte er heftig und fiel vor Freude in Ohnmacht. Der König ließ dann den Kadi und die Zeugen rufen und den Ehevertrag zwischen dem Prinzen und Ward schreiben. Als dies geschehen war, gab der König Derbas dem König Schamech Nachricht davon und schrieb ihm auch, daß er die Morgengabe bestimmt habe, dieser freute sich sehr und schickte dem König Derbas viel Geld und andere Geschenke, und ließ ihm sagen: „Die Verlobung mag bei dir stattfinden, die Hochzeit aber soll bei mir mit allem Glanz gefeiert werden! Als diese Nachricht mit den Geschenken ankam, nahmen der Prinz und Ward Abschied und reisten in ihre Heimat zurück. Als der König und der Vezier hörten, daß sie in der Nähe waren, gingen sie mit allen Großen des Reichs ihnen entgegen; sie zogen freudig miteinander in die Stadt, und dieser Tag wurde unter die glücklichen gerechnet. Der Prinz wohnte zusammen mit Ward; es wurde während sieben Tage und Nächte gezecht, und der König machte ihnen viele Geschenke. Als sie allein waren, umarmten sie sich und sprachen von ihren Abenteuern. Dann rezitierte Ward folgende Verse:

„Die Freude ist gekommen, Kummer und Trauer sind nun vereinigt, unsern Neidern zum Trotze. Der Atem der Vereinigung weht wohlduftend, belebt unser Herz und unseren ganzen Körper. Die Freude der Geselligkeit umleuchtet uns, und die Kunde von unserm Glück ertönt nach allen Enden. Glaubt nicht, daß ich vor Schmerzen weine, nein, es sind nur Freudentränen, die ich vergieße. Was wir Schreckliches erlebt haben, ist vorüber. Wir haben mit Geduld den Schmerz ertragen, den die Trennung über uns verhängt hat, und diese Stunde der Vereinigung läßt mich alles Gräßliche vergessen, das mein Haupt gebleicht hat.“

Als sie diese Verse vollendet hatte, umarmten sie sich wieder und weinten. Der Prinz sagte: „Wie süß ist diese Nacht der Freude und Gewährung! und sprach folgende Verse:

„Die Freuden der Vereinigung sind uns zuteil geworden, und die Trennungsschmerzen sind verschwunden. Freundlich naht uns jetzt das Schicksal, nachdem es uns den Rücken gekehrt. Das Glück hat seine Fahne vor uns aufgepflanzt und reicht uns seinen Freudenkelch. Wir sind nun vereinigt und klagen einander den Liebesgram und die Nächte, die wir in Schmerzen zugebracht. Doch vergessen wir, was vorüber ist, O Herrin! und der Barmherzige möge das Geschehene bedecken! Wie süß und angenehm ist nun das Leben! die Liebe hat uns nur veredelt.“

Sie legten sich allein nieder, kosten, rezitierten Verse und tauchten in den Freuden der Vereinigung unter. So vergingen, ohne daß sie es merkten, sieben Tage; als die Leute am siebenten Tage kamen, um ihnen zu gratulieren, standen sie auf, und Ward sprach folgende Verse:

„Trotz der Neider und Aufseher bin ich doch mit meinem Geliebten vereinigt worden und statt der früheren vor Kummer schlaflosen Nächte durchmachen wir sie jetzt in Umarmungen auf Seidenstoffen mit Rosen durchwirkt, auf ledernem Sofa mit Vogelfedern vollgestopft; ich kann den Wein entbehren, die feuchten Küsse des Geliebten übertreffen ihn. Das Glück unserer Vereinigung ist so groß, daß wir kein Maß der Zeit mehr kennen. Sieben Nächte sind vorüber und wir wissen nicht, was sich Wunderbares inzwischen zugetragen. Wünscht mir Glück zu solchen Wochen und saget: Gott lasse deine Vereinigung lange dauern! „

Als sie vollendet hatte, sprach der Prinz folgende Verse:

„Der Tag der Freude und Glückwünsche ist gekommen, meine Geliebte hat mir ihre Treue bewahrt und mich die schönsten Freuden der Vereinigung kosten lassen. Ich habe so viele Wonne bei ihr genossen, daß ich ganz mein Sein vergaß. Mögen alle Liebenden wie ich durch Vereinigung glücklich werden!“ Sie standen dann auf und teilten viele Almosen aus, Ward aber sagte zum Prinzen: „O mein Geliebter! laß uns ins Bad gehen!“ Der Prinz gewährte ihr ihren Wunsch, sie aber gab Befehl, daß man das Bad aufs feinste beräuchere, hell beleuchte und sprach folgende Verse:

„O du, der schon lange im Besitz meines Herzens ist! O du, dessen Nähe jeden Kranken heilt! O du, den niemand ersetzen kann! Licht meiner Augen! komm ins Bad, laß uns Lichter anzünden mitten in der Hölle, den Boden mit Rosen, Narzissen, Myrthen und Lilien bestreuen, und mit Aloe und Ambraduft die ganze Atmosphäre schwängern; dort will ich mein Herz erfreuen, und wenn ich dich dort sehe, will ich ausrufen: Heil und Friede dir, o Geliebter! „

Vom Bade gingen sie ins Schloß zurück und lebten in Freude und Wonne, bis der Zerstörer aller Freuden und der Trenner aller Vergnügungen sie überfiel; das ist alles, was ich von dieser Geschichte gehört. Doch, was ist das im Vergleich zur Geschichte des Abul Hasan. Man erzählt nämlich, daß Harun Arraschid, Gott erbarme sich seiner! einst eine sehr unruhige Nacht hatte; er rief daher Masrur, das Schwert seiner Rache. Als dieser erschien, sagte ihm der Kalif: „Rufe mir den Barmekiden Djafar!“ Als dieser nahte, sprach der Kalif: „Ich bin diese Nacht sehr unruhigen Gemüts, ohne daß ich weiß, warum, und kann nicht schlafen; wie könnte ich wohl diese Unruhe und Qual vertreiben?“ Djafar antwortete: „O Fürst der Gläubigen! die Weisen sagen: Frauen besuchen, ins Bad gehen und Gesang hören, vertreibt Kummer und Sorgen.“ Der Kalif antwortete: „Alles dies habe ich getan, es half aber nichts; ich schwöre nun bei meinem Vater und bei meinen reinen Ahnen, wenn du meinen Kummer nicht verscheuchest, so schlage ich dir den Kopf ab!“ Djafar sagte: „Nun, Herr, so folge meinem Rat; laß uns einen Nachen besteigen und nach einem Ort fahren, Kam Asserat genannt, vielleicht werden wir dort etwas neues sehen oder hören; denn man sagt: durch drei Dinge kann man den Kummer vertreiben: etwas sehen, was man nie gesehen, etwas hören was man nie gehört, etwas erfahren was man nie erfahren. Vielleicht wird, so Gott will, dein Kummer verschwinden. An beiden Ufern sind Fenster und Altane: vielleicht hören wir da etwas, das unser Herz erfreute Djafars Vorschlag gefiel dem Kalifen, sie gingen zusammen mit Fadhl, Ishak, Masrur und Abu Nuwas, bestiegen einen vergoldeten Kahn und die Schiffsleute ruderten dem Ort zu, wohin sie wollten; auf dem Wege dahin hörten sie eine bezaubernde Mädchenstimme, von einer Laute begleitet, folgende Verse singen:

„Steh auf, Freund! der Wein ist klar und die Nachtigall singt auf den Bäumen! Wie lange noch dieses Zögern und Träumen? Erwache! das Leben ist nur geliehenes Gut, nimm ihn aus der Hand eines zarten Jünglings mit Blicken der Liebe, auf dessen Wangen frische Rosen gesäet sind, neben denen rote Kirschen wachsen.“

Als der Kalif dies hörte, erstarrte er und sprach: „O Ishak! was sagst du zu dieser Stimme?“ - Ishak, der Gesellschafter des Kalifen, war nämlich der geschickteste Lautenspieler seiner Zeit. Er antwortete: „O Fürst der Gläubigen! mein Ohr hat nie so etwas Vortreffliches gehört; hinter dem Vorhang hören wir jedoch nur die Hälfte: wie muß es erst in der Nähe sein?“ Der Kalif, der das weibliche Geschlecht liebte, sagte: „Kommt, wir wollen uns beim Herrn des Hauses als Gäste melden, vielleicht sehen wir sie dann, wie sie vor uns singt.“

Wir stiegen - so erzählt nämlich der Barmekide Djafar - aus dem Nachen, klopften an der Tür des Hauses, aus welchem der Gesang kam, und baten um Erlaubnis hineinzukommen. Es trat hierauf ein hübscher beredter junger Mann zu uns heraus und sagte: „Willkommen, ihr vornehmen Herren! kommt herein und macht es euch bequem!“ Er führte uns in ein Haus, das nach vier Seiten frei stand; die Decke der Zimmer war golden und die Wände waren mit Lasursteinen gemauert; man sah darin einen großen Saal mit einem Sofa von Elfenbein und Ebenholz, mit dazu passenden Matratzen und Kissen. Auf demselben saßen fünf Mädchen wie der Mond. Der junge Mann rief ihnen, und sie standen auf. Er wandte sich dann zu mir und sprach: „Herr! ich kann den vornehmsten unter euch nicht unterscheiden; darum setze sich im Namen Gottes der Erste unter euch oben an, und so jeder nach seinem Rang.“ Der Kalif setzte sich oben an; die verständigen Worte des jungen Mannes aber gefielen ihm sehr. Jeder nahm seinen Platz ein, bis auf Masrur, der zur Bedienung stehenblieb. Nachdem sie Platz genommen hatten, sagte der junge Mann: „Wenn ihr es erlaubt, meine Gäste, so lasse ich etwas auftragen“, und er befahl, ein Tischchen von Chalandj herzurichten.

Auf sein Geheiß nahten sich vier umgürtete Sklavinnen mit kristallenen und chinesischen vergoldeten Gefäßen in der Hand, worauf die kostbarsten Butterspeisen, Feldhühner und junge Tauben waren. Auf dem Rande des Tischchens waren folgende Verse:

„Brich das Brot und die Kuchen an und laß dir Gebackenes und Geflügel wohlschmecken, strecke dann die Hand nach den Fischen aus und dem wohlgebackenen Brot. Göttlich schmeckt hierauf der Braten mit Gemüsen und sauren Speisen; schon ist der Hafen mit Milch überfüllt, daß die Hand bis zu den Armbändern hineinreicht! O Leben! Geduld! Das Schicksal ist wunderbar: wenn es uns einen Tag beengt, so wird es uns am folgenden wieder leicht.“

Wir aßen bis wir satt waren, dann wuschen wir unsere Hände mit Rosenwasser im silbernen Waschbecken. Endlich sagte der junge Mann: „Ihr habt mir eure Freundschaft bewiesen; wenn ihr nun irgendein Anliegen habt, so sagt es mir, ich werde mir eine Ehre daraus machen, euch gefällig zu sein.“ Wir fragten ihn: „Willst du das wirklich tun?“ Er antwortete: „Ja.“ Wir sprachen zu ihm: „Wir sind nur in dein Haus gedrungen, weil wir von außen eine schöne Stimme gehört haben; wir bitten dich nun, sie uns in der Nähe vernehmen zu lassen, dann werden wir, so Gott will, wieder hingehen, woher wir gekommen sind.“ Er sagte: „Gerne“, und rief einer schwarzen Sklavin zu: „Laß deine Herrin kommen!“ Sie ging weg, blieb eine Weile aus, dann brachte sie einen chinesischen Sessel mit griechischem Seidenstoff überzogen; ihr folgte ein Mädchen wie der Vollmond, wie man nie ein schöneres gesehen; das Mädchen grüßte und setzte sich. Ein anderes Mädchen überreichte ihr ein Futteral von roter Seide, woraus sie eine Laute nahm, die mit Gold und Juwelen besetzt war. Sie legte sie an ihren Busen, und neigte sich zu ihr hin, wie die Mutter zu ihrem Kinde; dann ergriff sie die Saiten und schlug einen Ton an, wie ein Kind, das nach seiner Mutter ruft. Dazu sang sie folgende Verse:

„Die Zeit ist mit dem Gegenstande meiner Liebe zurückgekehrt und ich kann ihm Vorwürfe machen. O Freund! Da du doch wiedergekehrt, so trinke von dem Wein, der, sobald er das Herz berührt, allen Kummer in Entzücken verwandelt. Der Zephyr selbst stand auf und pries ihn im Becher, und ich sah den Vollmond, der einen Stern trug; wie manche Nacht habe ich mit dem Vollmond gekost über dem Tigris, ehe er unterging. Dann neigte er sich zum Untergang, und es war, als ginge ein goldenes Dach über dem Wasser her.“

Als dies diese Verse vollendet hatte, weinte sie heftig, wir aber waren höchst entzückt und ganz außer uns, wegen ihrer schönen Stimme und Gestalt. Der Kalif sprach zu Ishak, indem er sich zu ihm hinneigte: „Was hast du gesehen; O Ishak?“ Er antwortete: „O Fürst der Gläubigen! ihre Kunst ist unübertrefflich!“ Der Kalif betrachtete dann den jungen Mann, und bewunderte seine Schönheit und Anmut, obgleich sein Gesicht so gelb aussah, als wollte er sterben. Der Kalif sagte: „Junger Mann!“ Dieser antwortete: „Was beliebt, O Fürst der Gläubigen?“ - Dies wurde ihm nämlich gesagt, während das Mädchen sang. - Der Kalif sprach: „Ich möchte wissen, ob das Gelbe in deinem Gesichte dir angeboren, oder ob es Folge einer Krankheit ist?“ - Er antwortete: „O Fürst der Gläubigen! erst später ist es an mich gekommene - „Und wieso? erzähle mir, vielleicht kann dir durch mich geholfen werden.“ Der junge Mann sprach: „Höre mich an, ich will dir es erzählen.“

Wisse, O Fürst der Gläubigen! ich bin ein Kaufmann aus der Stadt Oman; mein Vater war auch Kaufmann, besaß viele Güter und trieb einen großen Seehandel; er war ein edler Mann, lehrte mich schreiben und was sonst der Mensch wissen soll. Einst saß ich in meiner Wohnung mit mehreren Kaufleuten, da kam mein Diener und sagte: „Herr! es ist ein Mann an der Türe, der um Erlaubnis bittet, vorgelassen zu werden;“ ich erlaubte es ihm und er kam mit einem Träger, der einen zugedeckten Korb auf dem Kopf hatte, den er vor mir niedersetzte. Als ich ihn aufdeckte fand ich seltene Früchte darin; ich dankte ihm, gab ihm hundert Dinare, auch dem Träger seinen Lohn; er ging fort und wünschte mir viel Glück. Ich teilte die Früchte unter die Anwesenden, und fragte die Kaufleute, wo diese Früchte herkommen? Sie sagten: von Bagdad, beschrieben mir die Stadt und fügten hinzu: „Es gibt in der Welt keine angenehmere Stadt als Bagdad, und keine besseren und wohlgesitteteren Leute als die Bewohner derselben.“ Ich hatte keine Ruhe mehr, so groß wurde meine Sehnsucht, dahin zu reisen; ich verkaufte zuerst meine Güter und meine Schiffe für hunderttausend Dinare; dann meine Sklaven und Sklavinnen, und mein Vermögen belief sich auf eine Million Dinare, außer den Juwelen und Edelsteinen. Ich bestieg ein Schiff, ließ alles darauf bringen und reiste nach Baßrah, wo ich einige Zeit verweilte; ich verkaufte zuletzt auch dieses Schiff und mietete ein anderes, auf das ich mein Vermögen brachte, und fuhr damit nach Bagdad. Daselbst angekommen, fragte ich, wo die Kaufleute wohnen? und man sagte mir: in einem Ouartier, Karch genannt; ich ging dahin, mietete ein schönes Haus in der Safranstraße, ließ alles, was ich bei mir hatte, dahin bringen, und lebte dort recht angenehm. Eines Tages, es war Freitag, begab ich mich in die Moschee, um zu beten; als dies geschehen war, ging ich mit den Leuten heraus nach einem Orte, Karn Asserat genannt, und sah daselbst ein altes Haus mit Altanen nach dem Ufer hin und eisernen vergoldeten Gittern. Die Leute gingen alle nach diesem Gitter zu, ich folgte der Menge und sah einen schönen, alten Mann vor demselben sitzen, kostbar gekleidet, fein parfümiert, mit einem Bart, der wie zwei Silberstangen sich über seiner Brust zerteilte; vier Sklavinnen und fünf Sklaven umgaben ihn zu seiner Bedienung. Ich fragte jemanden: „Wer ist dieser alte Mann?“ Man antwortete mir: „Es ist Zaher, Sohn AIas, der sich aller Betrübten in Bagdad annimmt; wer bei ihm einkehrt, kann essen, trinken und schöne Mädchen sehen.“ Da sagte ich: „Bei Gott! ich suche schon lange ein solches Haus.“ Ich ging also auf den Alten zu, grüßte ihn und sprach zu ihm: „Herr, ich habe ein Anliegen an dich.“ Er antwortete: „Komm nur und trage es vor.“

Er stand vor mir auf; ich ging mit ihm hinein und sagte ihm: „Herr, ich wünsche diese Nacht dein Gast zu sein.“ Er sagte: „Recht gerne; sieh, mein Sohn, ich habe sehr viele Mädchen im Hause, von zehn bis zu hundert Dinaren, wähle dir eine!“ Ich zahlte ihm sogleich dreihundert Dinare aus für einen ganzen Monat. Er ließ mich hierauf ins Bad, und von da in ein Zimmer bringen, wo ein Mädchen war, und der Diener sagte ihr: „Nimm hier deinen Gast! „ Sie nahm mich gut auf, ließ mich neben sich sitzen und befahl vier Sklavinnen, die sie umgaben, mir zu essen und zu trinken zu bringen. Sie brachten einen Tisch mit kostbaren Speisen, worauf folgende Verse geschrieben waren:

„Sage, hast du nicht Lust zu Hammelfleisch in einem großen Topf gekocht, das wie Rosenwasser,

Moschus und Ambra duftet? Willst du essen, so greife zu, magst du nicht, so bist du ein Narr.“

Man brachte uns Wein, das Mädchen nahm die Laute und sang; ich verließ sie hierauf und ging zu einer anderen, und fuhr so fort, bis ich zur Schönsten kam, die ein wahres Wunder von Anmut und Liebenswürdigkeit war. Eines Abends hörte ich ein großes Geschrei, fragte, was es wäre, und man sagte mir: „Alle Bewohner der Stadt fahren auf dem Fluß spazierend Der Alte aber sagte mir: „Mein Sohn, wenn du willst, so kannst du alles von hier aus sehen.“ Ich stieg daher mit ihm auf die Terrasse, von wo ich eine Menge Volk mit Wachslichtern und Fackeln in großem Gedränge sah. Als ich an das Ende der Terrasse kam, sah ich einen schönen Vorhang vor einer schönen Wohnung; mitten in der Wohnung war ein Sofa von Zypressenholz mit Gold belegt und dazu passenden Kissen und Matratzen, und ein Mädchen saß darauf, ich hatte nie ein schöneres in meinem Leben gesehen. Neben dem Mädchen stand ein Jüngling, der seine Hand um ihren Hals geschlungen hatte und sie küßte; als ich dies sah, o Fürst der Gläubigen! da war ich nicht mehr Herr meiner selbst und wußte nicht mehr, wo ich auf Gottes Erde war, so schön war ihre Gestalt. Als ich dann wieder herunterstieg, erkundigte ich mich nach ihr bei meinem Mädchen, und fragte es: „Was ist das für ein junges Mädchen, das so schön ist, daß mir der Kopf schwindelte Sie lächelte und sagte: „Hättest du wohl Lust, dich ihr zu nähern?“ Ich antwortete: „Ja, bei Gott! und kostete es mein Leben.“ Da sagte sie: „Das ist die Tochter Zahers und unsere Herrin, wir alle sind ihre Sklavinnen; weißt du, was es kostet, einen Tag bei ihr zuzubringen? Fünfhundert Dinare, und das tut doch dem Herzen eines Kaufmanns wehe.“ Ich aber sagte: „Bei Gott! ich will gerne mein ganzes Vermögen für sie hingeben.“ Ich konnte kaum den Morgen erwarten, stieg ins Bad, zog ein kostbares mit Gold und Juwelen verziertes Kleid an und ging zum Alten. Er hieß mich willkommen und fragte mich, was ich wolle? Ich sagte: „Ich möchte zu dem Mädchen, das fünfhundert Dinare kostet.“ Er sprach: „Glück dazu! willst du die Summe erlegen?“ Ich sagte ja, und brachte sogleich fünfzehntausend Dinare für einen ganzen Monat. Er befahl dann einem Diener: „Geh, bringe ihn deiner Herrin Zahra!“ Dieser brachte mich in eine Wohnung, dergleichen sich in der Welt nicht wieder findet; als ich hineinkam und das Mädchen dasitzen sah, fiel ich vor Gott nieder und dankte ihm für ein so bezauberndes Geschöpf; sie war so blühend und schön, wie der Dichter sagt:

„Wenn sie mit der Sonne wetteifern wollte, so würden alle Leute sie statt ihres Idols anbeten; wenn sie in das bittere Meer spie, es würde von ihrem Speichel süß werden, und wenn sie im Westen einem frommen Pilger sich zeigte, er würde den Osten lassen, und ihr nach Westen folgen.“

Kurz, o Fürst der Gläubigen! fuhr der junge Mann fort, sie war über alle Beschreibung schön. Als ich sie grüßte, stand sie vor nur auf und hieß mich vielmal willkommen. Ich sah sie gehen, als hebe sie den Fuß aus weicher Erde auf und setze ihn auf harten Stein nieder. Gepriesen sei der, der sie geschaffen! Ich setzte mich neben sie, und sie befahl den Sklavinnen, eine Mahlzeit zu bringen. Da kamen vier junge Mädchen mit einem Tisch voll Speisen, wie man sie nur bei Königen sieht, und stellten ihn vor uns auf. Ich griff nach den Speisen und verlor vor Entzücken meine ganze Besinnung. Als wir genug gegessen hatten, wuschen wir unsere Hände. Man brachte hierauf Wein, eine ihrer Sklavinnen reichte ihr eine Laute, die sie auf ihren Schoß legte und stimmte. Die Laute gab einen so rührenden Ton von sich, wie ein kleines Kind, das nach seiner Mutter schreit, wie der Dichter sagt:

„Wir tranken edlen Wein in der Dunkelheit der Nacht, wenn die Auflaurer schliefen. Sie sang, drückte die Laute an ihren Busen, und ließ Wangen und Halsband darüber herunterhängen, neigte sich liebevoll zu ihr hin als hätte sie ein Kind in ihrem Schoße.“

Ich lebte so, o Fürst der Gläubigen: von einem Monat zu andern, bis ich all mein Geld verschwendet hatte. Eines Tages saß ich bei ihr und dachte, wie ich mich nun von ihr trennen müsse, und weinte. Sie fragte: „Was weinst du?“ Ich antwortete: „Über unsere Trennung, o Licht meiner Augen!“ Sie fragte wieder: „Und warum müssen wir uns trennen?“ Ich antwortete: „Bei Gott! von dem Tage an, als ich zu dir kam, nimmt dein Vater jeden Tag fünfhundert Dinare von mir; nun habe ich aber nichts mehr. Die Leute sagen: die Armut macht einen zum Fremden in der Heimat und der Reichtum ersetzt sie dem Fremden.“ Sie aber sprach: „Wisse, mein Vater ist gewöhnt, jedem Kaufmann, der sein Vermögen bei uns verschwendet, drei Tage zu schenken und ihn dann fortzuschicken: fürchte du aber nichts, ich will es so einrichten, daß wir uns nie trennen müssen, denn wisse, mein Vater ist so reich, daß nur Gott weiß, wieviel er besitzt, und all sein Geld gibt er mir aufzubewahren, ich werde dir jeden Tag fünfhundert Dinare geben, die du meinem Vater bezahlst; wie er es mir schickt, gebe ich es dir zurück, und du kannst auf diese Weise, solange Gott will, bei mir bleiben.“ Als ich dies hörte, o Fürst der Gläubigen! stand ich auf und küßte ihr die Hand, wir lebten auf diese Weise ein ganzes Jahr fort, bis einst Gott unsere Trennung wollte; sie schlug nämlich eine ihrer Sklavinnen sehr heftig, und diese sagte: „Du hast durch Schläge mir weh getan, bei dem erhabenen Gott! ich will nun auch deinem Herzen weh tun.“ Sie ging hierauf zu ihrem Vater und erzählte ihm die ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende. Als ihr Vater dies hörte, stand er auf, kam zu mir und sagte: „O Omaner! bei uns ist es Sitte, wenn jemand arm wird, so schenken wir ihm drei Tage: du hast nun schon ein ganzes Jahr genossen.“ Er befahl dann einem Diener: „Zieh ihm seine Kleider aus!“ Man zog mir meine Kleider aus, gab mir statt derselben alte zerrissene, die keine Drachme wert waren, und schenkte mir zehn Drachmen. Der Alte sagte mir: „Ich werde dich nicht schlagen und dir nichts zuleid tun, geh nur deines Weges, bleibe nicht in diesem Land und erwähne unserer niemals, sonst haftet dein Blut an deinem eigenen Hals.“ So ging ich gezwungen fort, ohne zu wissen wohin.

Aller Gram von der Welt drückte mich, als ich an das Geld dachte, das ich hierhergebracht hatte, wie ich mit einer Million Dinare aus meiner Heimat gekommen war, die ich nun in dem Hause dieses versuchten Alten verschwendet hatte, und wie ich nun elend und zerknirscht weggehen mußte. Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! Ich blieb nur noch drei Tage in großer Verzweiflung in Bagdad, und konnte weder essen noch trinken. Am vierten Tag sah ich ein Schiff, das nach Baßrah ging, ich bestieg es und gab die zehn Drachmen her. Als wir nach Baßrah kamen, ging ich hungrig auf den Markt und sah daselbst einen Gemüsehändler, der mich von früher her kannte; er stand vor mir auf, umarmte mich und fragte, wie es mir gehe, daß er mich in so schlechten Kleidern sehe? Ich erzählte ihm meine ganze Geschichte, und er sagte: Herr, daß ist kein Verfahren eines verständigen Mannes.“ Er fragte hierauf: „Was hast du nun vor?“ Ich antwortete: „Bei Gott! ich weiß es nicht.“ Er aber sagte: „Bleibe bei mir und führe mein Buch, du sollst jeden Tag zwei Drachmen nebst freier Kost haben.“ Meine Antwort war: „Gut, alles ist nach der Bestimmung des erhabenen Gottes.“ Ich blieb nun bei ihm bis ich hundert Dinare beisammen hatte, mietete mir eine Hütte am Ufer des Flusses und wartete auf ein Schiff, das nach Bagdad segelte.

Eines Tages kam ein Schiff, mit Waren beladen; alle Kaufleute und Großen des Landes gingen, um einzukaufen, und ich mischte mich unter die Menge. Da stiegen zwei Männer vom Schiff; man stellte ihnen zwei Stühle, auf die sie sich setzten. Die Kaufleute begrüßten sie, sie aber befahlen dem Diener, Teppiche auszubreiten. Als dies geschehen war, holten sie einen Sack mit Perlen und Edelsteinen, Karneol, Kristall, Korallen und anderen Steinen. Dann sagten sie: „O ihr Kaufleute, heute verkaufen wir nur dieses. Die Kaufleute überboten dann einander, und es wurden vierhundert Dinare geboten. Da sah mich einer der Leute, die auf dem Schiff waren, und der früher mein Freund war, er kam herunter und grüßte mich. Er fragte mich: „Warum sprichst du nicht mit den Kaufleuten?“ Ich antwortete: „ Die Unfälle der Welt sind über mich gekommen und haben mir mein Vermögen geraubt; ich besitze nur noch hundert Dinare! so hat die Bestimmung es gewollt.“ Ich schämte mich so sehr vor ihm, daß ich weinen mußte. Als er mich in diesem Zustand sah, bekam er Mitleid mit mir, und weinte mit mir. Er sagte dann den Kaufleuten, die um ihn herum waren: „Ihr seid meine Zeugen, daß ich diesen Teppich mit allem, was darauf ist, diesem Omaner für hundert Dinare verkaufe, obschon ich weiß, daß er noch einmal so viel wert ist; doch schenke ich es ihm gerne.“ Ich wünschte ihm viel Gutes, und alle Kaufleute lobten seine Freigebigkeit. Ich nahm die Waren, ging damit auf den Perlenmarkt, und handelte ein Jahr lang. Nun war unter diesen Edelsteinen auch ein Amulett von Korallen, worauf ganz keine Talismane, die ich nicht verstand, so fein wie Bienenfüße, geschrieben waren; ich nahm dieses Amulett und gab es dem Makler, der damit eine Weile ausblieb, dann kam er wieder und sagte. „Verkaufst du es für zehn Drachmen?“ Ich sagte: „Nein, dafür gebe ich es ]nicht her.“ Er warf es vor mich hin und ging wieder fort. Ich ließ es an einem anderen Tag wieder ausrufen, da fragte er mich: „Verkaufst du es für fünf Drachmen?“ Ich nahm es ihm weg und warf es vor mich hin. Als ich eines Tages so dasaß, kam ein Reisender zu mir, grüßte mich und ich erwiderte seinen Gruß. Er sagte: „Erlaube mir, alles, was du hier hast, genau zu betrachtend Ich antwortete: „Tu, was du willst.“ Ich wurde aber mißmutig, als er von allen Edelsteinen nichts als dieses Amulett kaufen wollte, und eine große Freude hatte, als sein Blick darauf fiel, und seine Hand küßte. Er fragte mich: „Verkaufst du dies?“ Ich sagte: „Ja“, und sah wohl, daß er eine große Lust dazu hatte. Er fragte.- „Wie teuer?“ Ich antwortete: „Wieviel hast du bei dir?“ Er sagte: „Zwanzig Drachmen.“ Ich versetzte: „So laß es nur und gehe deines Weges.“ Er sprach: „Laß mir es um fünfzig Dinare.“ Ich glaubte, er mache nur Spaß, und sagte: „Geh, laß mich, scherze nicht mit mir, hier ist kein Ort zum Spaßen. Er sagte dann: „Verkaufst du es um hundert Dinare? um zweihundert, um fünfhundert, um tausend Dinare?“ Das alles sprach er lachend, und ich glaubte immer, er scherze nur. Er bot dann noch mehr als tausend, ich aber antwortete vor Zorn nicht mehr. Endlich aber sagte er: „Verkaufst du es für zwanzigtausend Dinare?“ Da mußte ich lachen und spaßte nun auch mit ihm. Alle Leute des Marktes versammelten sich um uns und riefen mir zu: „Verkaufe es ihm und wenn er nicht bezahlt, so machen wir uns alle gegen ihn auf und treiben ihn aus der Stadt.“

Ich sagte: „Nun in Wahrheit, wieviel Geld hast du?“ Er aber fragte: „Verkaufst du es?“ Ich antwortete: „Ja, wenn du es kaufen willst.“ Da sagte er: „Ich habe dreißigtausend Dinare, verkaufst du es dafür? nimm sie und gib das Amulett. „ Ich sprach zu den Anwesenden: „Ihr seid Zeugen. Doch verkaufe ich es nicht, bis du mir sagst, wozu es dient, daß du so viel Geld dafür gibst.“ Er sagte: „Mache nur den Handel richtig, dann sage ich es dir, und Gott bürgt mir für deine Aufrichtigkeit.“ Ich sagte: „Nun, es sei!“ Da freute er sich sehr, nahm das Gold heraus, gab es mir, nahm das Amulett, hing es um seinen Hals und fragte noch einmal: „Bist du zufriedene Ich antwortete: „Ja.“ Er sagte dann zu den Anwesenden: „Ihr seid Zeugen, daß er zufrieden ist und den Wert angenommen hat.“ Er wandte sich hierauf zu mir und sagte: „Bei dem erhabenen Gott! hättest du noch mehr gefordert, ich hätte dir hundert-, zweihundert-, dreihunderttausend Dinare gegebener Als ich dies hörte, war mir, als sei ich aus dem Schlaf erwacht, das Blut entfloh aus meinem Gesicht, und von damals an wurde ich durch die Bestimmung Gottes, gelobt sei er! so gelb. Ich fragte ihn: „Und wozu dient es?“ Er sagte mir: „Mein Sohn, höre meine Geschichte!

Es versammelten sich nun mehr als tausend Menschen um uns, und er sprach: „Wisse! Kaschmir, der große König von Jemen, der ein Dritteil der Welt besitzt, ist der Vater der schönsten Tochter der Welt, die aber die fallende Sucht hat. Der König ließ alle Sterndeuter kommen, um sie zu heilen. Da sagte einer der Anwesenden: O König! ich kenne einen Mann, er heißt Abd Allah aus Babel, und ist der geschickteste Mann auf der Welt, um derartige Krankheiten zu heilen; wenn du willst, so schicke mich zu ihm. Der König gab ihm ein Stück Karneol und hunderttausend Dinare, und der Mann reiste damit nach dem Lande Babel, fragte nach dem alten Mann und brachte ihm die Geschenke. Der Alte nahm sie an und beobachtete sieben Monate lang die Sterne, bis er eine günstige Stunde fand, in der er nach seiner Einsicht die Talismane und Namen auf dieses Amulett schrieb. Der Mann nahm es und brachte es dem König, der es seiner Tochter umhängte. Diese war an vier Ketten gefesselt, jede Nacht mußte ein Mann bei ihr wachen, den man des Morgens tot fand. Sobald ihr nun der König dieses Amulett umgehängt, wurde sie durch den Willen des erhabenen Gottes wieder gesund, und von jenem Tag an bekam sie keinen Anfall mehr. Der König freute sich sehr, machte jenem Mann viele Geschenke, und alle Bewohner der Stadt erwiesen ihm Wohltaten. Eines Tages aber machte die Prinzessin mit ihren Sklavinnen eine Spazierfahrt auf dem Fluß und spielte mit ihnen; da streckte eine Sklavin scherzend die Hand nach ihr aus, das Amulett machte sich los und fiel ins Wasser. Die Prinzessin fiel in Ohnmacht und wurde wieder krank wie zuvor. Als der König dies hörte, gab er mir Geld und befahl mir, zum Allen zu gehen, und ein neues Amulett machen zu lassen; als ich aber nach seinem Ort kam, war er schon tot. Gottes Barmherzigkeit sei mit ihm! Der König schickte uns dann zu zehn ab und gab uns viel Geld, um in allen Ländern nachzusuchen, bis mich mein Glück zu dir trieb.“ Mit diesen Worten nahm er das Amulett und ging fort. Du hast nun, Fürst der Gläubigen, die Ursache meines gelben Gesichts gehört! Ich kehrte hierauf nach Bagdad zurück, nahm mein Geld mit mir und mietete wieder mein altes Haus. Am Morgen nach meiner Ankunft zog ich mich an und ging nach dem Hause Zahers, Sohn Alas, in der Hoffnung, meine Geliebte wieder zu sehen. Als ich dahin kam, sah ich die Fenster geschlossen; ich blieb eine Weile stehen und dachte über meine Lage und über die Macht des Schicksals nach, bis ich einen Diener sah. Ich fragte ihn, was aus dem Herrn dieses Hauses geworden? Er antwortete: „Mein Onkel, er hat sich zu dem erhabenen Gott bekehrt.“ Ich fragte ihn: „Und was hat ihn zu seiner Buße veranlaßt?“ Er antwortete: „Vor einigen Jahren war ein Mann bei uns, mit Namen Abul Hasan aus Oman, den seine Tochter sehr liebte; als er sie verließ, wurde sie so krank, daß sie vor Gram dem Tode nahe war. Sie erklärte sich nun ihrem Vater, der nach allen Ländern schickte, um ihn aufzusuchen. Er versprach dem, der ihn bringen würde, hunderttausend Dinare. Niemand aber wußte, wo er hingekommen, und man konnte keine Spur von ihm entdecken; die Tochter wurde deshalb immer kränker und nun ist sie dem Grabe sehr nahe. Ihr Vater hat des großen Unglücks seiner Tochter willen alle Mädchen verkauft und sich zu dem erhabenen Gott bekehrt.“ Ich sagte dem Diener: „Was wirst du sagen, wenn dir jemand den Abul Hasan zeigt?“ Er antwortete: „O ich beschwöre dich bei Gott, hilf mir und meinem Vater aus unserem Elend.“ Ich sagte ihm: „Geh hinein und sprich: Abul Hasan aus Oman ist an der Tür und läßt dich grüßen.“ Er rief aus: „Was sagst du? Ich beschwöre dich bei Gott, sprich die Wahrheit! „ Ich antwortete ihm: „Geh hinein und sage, was ich dir aufgetragene worauf er von mir weglief, wie ein Maulesel, der von der Mühle entflieht. Nach einer Weile kam er wieder mit dem Alten zurück. Als dieser mich sah, grüßte er, umarmte mich und sprach: „Gelobt sei Gott, der dich wohl erhaltenen Mit diesen Worten ging er in sein Haus, gab dem jungen Mann tausend Dinare und kam hierauf wieder zu mir, umarmte mich nochmals und sagte: „Gelobt se i Gott, der dich wohl erhalten! Wo warst du, mein Sohn? deine Trennung hat meine Tochter niedergeschlagen. Komm mit mir herein.“ Ich trat mit ihm in seine Wohnung. Er hieß mich sitzen, ging zu seiner Tochter und sagte: „O meine Tochter, lasse einmal diese Krankheit!“ Sie erwiderte: „O mein Vater, ich werde nicht eher gesund, bis ich den Geliebten meines Herzens wiedersehe; wäre mir doch vergönnt, auch nur einen einzigen Blick auf sein Antlitz zu werfen.“ Er aber sprach: „Ich gelobe, dich mit deinem Geliebten zu vereinigen; geh nur zuerst ins Bad und iß etwas.“ Als sie diese Worte hörte, rief sie: „Sprichst du wahr?“ Hierauf sagte der Alte zu seinem Diener: „Geh zu dem Herrn, der eben angekommen ist.“ Er kam zu mir, und ich trat mit ihm hinein. Kaum hatte das Mädchen mich erblickt, o Fürst der Gläubigen! so fiel sie in Ohnmacht. Als sie wieder zu sich kam, seufzte sie tief und sprach diese Verse:

„Sobald ich ihn noch beim Leben sah, erschrak ich so sehr, daß ich ihm nichts erwidern konnte.“

Sie setzte sich dann aufrecht und sagte: „O mein Herr, bei Gott, ich habe geglaubt, dich nur im Traume wieder zu sehen!“ umarmte mich und weinte heftig. Hierauf sagte sie ihrem Vater: „Geh, reiche mir etwas zu essen.“ Der Alte freute sich sehr darüber, und brachte ihr Speisen und Getränke; wir aßen und tranken. Ich brachte einige Zeit bei ihr zu: ihre Schönheit und Anmut kehrten aber zusehends wieder. Dann ließ ihr Vater den Kadi und die Zeugen rufen und verheiratete mich mit ihr: nun ist sie meine Gemahlin, o Fürst der Gläubigen, und ich habe schon einen Knaben von ihr.

Er brachte dann einen Knaben herbei, schön wie der aufgehende Mond, er küßte die Erde vor dem Kalifen; der Kalif nahm ihn zu sich, küßte ihn und pries Gott für seine Schönheit.

Der Kalif, dem diese Geschichte sehr wohl gefiel, stand auf, indem er zu Djafar sagte: „Bei Gott, das ist eine wunderbare Begebenheit!“ Sie gingen dann miteinander in den Palast des Kalifen. Als dieser am folgenden Morgen auf dem Thron saß, rief er Masrur, und ließ ihn drei Ladungen Geld, eine von Bagdad, eine von Arsan und eine von Baßrah zusammentragen, bis es eine so ungeheure Summe ausmachte, daß nur Gott sie zählen konnte; er befahl dann Djafar, den jungen Mann zu rufen. Er ging zu ihm, klopfte an der Tür, und als er zu Djafar herauskam, sagte er zu ihm: „Der Fürst der Gläubigen läßt dich rufen!“ Als er mit ihm zum Fürsten kam, küßte er die Erde, nahte sich zitternd und ließ seine Hände herunterfallen, denn er fürchtete sich, er habe in etwas gegen den Kalifen verstoßen, dessen Reich Gott verewige und dem Gott seine Huld zuströmen lasse! Der Kalif hieß ihn den Vorhang, den er über das Geld hatte decken lassen, wegnehmen. Als der junge Mann den Vorhang wegnahm und das viele Geld sah, erschrak er und schwieg. Der Kalif sagte ihm: „Ich schenke dir dieses Geld als Ersatz für das, was du bei dem Amulett verloren.“ Der junge Mann antwortete: „O Fürst der Gläubigen! das ist ja mehr als noch einmal so viel.“ Der Kalif sprach zu den Anwesenden: „Ihr seid Zeugen, daß ich dieses Geld diesem jungen Manne schenke.“ Derselbe trat dann vorwärts, küßte die Erde und schwieg; er schämte sich und weinte, es flossen Tränen über seine Wangen; mit Erlaubnis des erhabenen Gottes kehrte das Blut wieder in sein Gesicht zurück, und es war wie der Vollmond. Als der Fürst der Gläubigen ihn sah, sagte er: „Es gibt keinen Gott, außer Gott! gepriesen sei der ewig Unveränderliche! sieh einmal in den Spiegel! „ Als er sein Gesicht gesehen, fiel er dankend vor Gott nieder, und dankte auch unserem Herrn Harun Arraschid, dem Fürsten der Gläubigen. Der Kalif sprach: „Bei der Herrlichkeit Gottes und seinem vollkommenen Wesen! ich nehme keinen Drachmen von diesem Geld! Ich schenke dir alles, und was ein Edler verschenkt, nimmt er nicht zurück. „ Er ließ das Geld in sein Haus tragen, nahm in auf immer in seine Dienste, machte ihn zu seinem Gesellschafter, und sie lebten in Wonne, Freude und Annehmlichkeiten, bis ihnen der Herr der Welten den Tod sandte.

Doch was ist dies im Vergleich zur Geschichte der Hajat Alnufus mit Ardschir. Man erzählt nämlich - und Gott kennt am besten alle Geheimnisse der Vergangenheit und Zukunft der Geschichte der Völker - es war in den frühesten Jahrhunderten ein mächtiger Sultan, der viele Truppen und Verbündete hatte; er besaß einen einzigen Sohn, der Ardschir hieß, so hübsch und verständig und alle Vollkommenheiten umfassend, wie nie ein Auge gesehen. Seine Leidenschaft war die Jagd. Als er einst auf der Jagd war, nahte sich eine Karawane, deren Anführer ein sehr einnehmendes Gesicht hatte. Es gefiel dem Prinzen so sehr, daß er zu einem seiner Diener sprach: „Geh und bringe mir diesen Mann!“ Er ging zu ihm und sagte ihm: „Der Prinz möchte mit dir zusammenkommend Der Karawanenführer sagte: „Ich gehorche;“ zog seine schönsten Kleider an, machte sich sogleich auf, nahm kostbare Geschenke mit und ging mit dem Diener zum Prinzen. Als ihm der Prinz erlaubt hatte, vor ihn zu kommen, küßte er die Erde, wünschte ihm langes Leben und überreichte ihm die Geschenke. Der Prinz freute sich darüber, hieß ihn sitzen und redete ihn freundlich an. Dann sagte er zu ihm: „Aus welchem Lande kommst du? und in welchen Geschäften?“ Er antwortete: „Herr! ich komme aus Indien, um mir Trost und Zerstreuung zu holen.“ Der Prinz fragte: „Und warum bedarfst du dessen?“ Er antwortete: „Herr! meine Geschichte ist wunderbar und mein ganzes Unglück kommt davon.“ Bei diesen Worten zog er ein Stück Seidenstoff aus der Tasche, und als es der Prinz ansah, war das Bild eines der schönsten Mädchen darauf. Sie hatte die Finger ihrer rechten Hand am Hals, ihre linke Hand an der Hüfte, und ihr Gesicht strahlte wie der Mond. Sie schien zu sprechen und dem, der sie ansah, freundlich zuzuwinken. Als der Prinz Ardschir sie sah, entbrannte eine Flamme in seinem Herzen und er sprach: „O Mann! woher kennst du dieses Mädchen?“ Er antwortete: „Herr! ich beschwöre dich bei Gott, schüre nicht das Feuer in meinem Herzen, und rege meine Schmerzen nicht auf! Doch wenn sie dir gefällt, so nimm sie.“ Der Prinz sagte: „Bei Gott! ich muß den Gegenstand dieses Bildes haben, ich nehme keine andere, und müßte ich ihretwillen die ganze Welt durchstreifen.“ Er fragte den Fremden: „Wie heißt denn das Mädchen?“ Dieser antwortete: „Der Name steht über dem Kopf des Bildes.“ Der Prinz suchte nach und fand: „Hajat Alnufus, Tochter des Königs Kader, Herrn der weißen Stadt.“ Als er diesen Namen las, kam er außer sich und wurde ganz Flamme. Sein Vater, der ihn dieses Bildes wegen in einem so fieberhaften Zustand sah, sagte: „Habe nur Geduld, mein Sohn, ich will zu ihrem Vater schicken und um sie für dich werben lassen; verweigert er sie, so ziehe ich gegen ihn mit einer Armee, so groß, daß ihre Vorposten bis zu ihm und der Nachtrab bis zu mir reicht.“ Der Prinz sprach: „Tu das schnell, denn ich werde sonst gewiß zugrunde gehen.“ Der König ließ hierauf den Großvezier rufen und sagte ihm: „Ich will dich sogleich zum König Kader schicken, denn du bist ein verständiger und einsichtsvoller Mann, damit du um seine Tochter für meinen Sohn werbest.“ Der Großvezier ging sogleich, machte seine Vorbereitungen und der König gab ihm viele Geschenke mit, die keine Zunge beschreiben kann; er reiste durch Wüsten und Heiden Tag und Nacht, bis er zum König Kader kam. Die Kammerherren desselben kamen ihm entgegen und führten ihn zum König mit den Geschenken, die er bei sich hatte. Der König erzeigte ihm drei Tage lang viele Ehre. Am vierten ließ er ihn rufen, und nachdem er sich eine Weile mit ihm unterhalten, sprach der Vezier: „O König! ich komme im Namen des mächtigen Königs, des Herrn der Erde in der Länge und Breite, um für seinen Sohn Ardschir, der wie der leuchtende Mond ist, um deine Tochter anzuhalten.“ Als der König diese Rede hörte, wurde er verlegen zu antworten; er beugte den Kopf eine Weile, dann sagte er zu einem seiner Diener: „Kafur, geh zu meiner Tochter Hajat Alnufus, grüßte sie von mir und sage ihr in zärtlichem Ton: Dein Vater schickt mich zu dir, um dir anzuzeigen, daß einer von den Großen der Erde gekommen ist, der dein Gemahl zu werden wünscht, was sagst du dazu? Merke dir ihre Antwo rt und bringe sie mir.“ Kafur ging und sagte: „Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen und Mächtigen! Bei Gott! ich habe nur noch zwei Zähne, um essen zu können.“ Die Prinzessin haßte nämlich die Männer so sehr, daß, so oft Kafur, im Namen ihres Vaters kam, um ihren Willen über eine Ehe zu erfragen, sie auf ihn losging, und ihm zwei Zähne ausriß, bis ihm zuletzt nur noch zwei blieben. Als er vor ihr Gemach kam, dachte er eine Weile nach, ob er hineingehen solle oder nicht. Die Prinzessin war eben aufgestanden und ließ sich von den Dienern goldene, mit Perlen besetzte Pantoffeln anziehen. Sie sah ihn, wie er sich nahte; er aber entfloh vor ihr. Sie rief ihm zu: „Bleibe nur! bei Gott, wenn du in meine Hand fällst, reiße ich dir die übrigen Zähne auch aus! Auch befahl sie den Dienern, ihn festzunehmen, er aber lief schnell zum König wie ein Rasender. Der König fragte ihn: „Wer verfolgt dich?“ Er antwortete: „Herr, ich habe soeben glücklicherweise noch meine übrigen Zähne gerettet.“ Da sagte der König zum Vezier: „Du hörst und siehst, entschuldige uns daher bei deinem Herrn, und sage ihm: Meine Tochter liebt die Männer nicht, sie will durchaus nicht heiraten, und wenn ich sie zwingen wollte, würde sie sich umbringend Der Vezier kehrte hierauf wieder nach seinem Land zurück, ohne etwas bezweckt zu haben. Das ist's, was ihn betrifft. Der Prinz Ardschir indessen hatte sich gleich nach der Abreise des Veziers in seine Wohnung begeben; als es Nacht wurde, brannte eine mächtige Flamme in seinem Herzen, heiße Sehnsucht bemächtigte sich seiner, er mußte zu Bett gehen, konnte weder essen noch trinken; er war höchst niedergeschlagen und in Wehmut versunken, und die Tränen flossen wie Regen über seine Wangen. In seinem Schmerz rezitierte er folgende Verse:

„Feindlich fällt die Nacht über den Verzweifelten her und bringt Schmerzen und glühende Seufzer in mein Herz. Fraget die Nacht nach mir, sie wird euch sagen, welche Liebespein in mir wohnt. Ich bin betrübt, verlassen, fremd ohne Frau und Kind und so krank, daß ich die Sterne der Nacht nicht mehr sehen mag; ich habe alle meine Geduld verloren und finde keinen Trost in meinem Trennungsschmerz. Doch will ich meine Qualen und meine Pein nur Gott allein und sonst niemandem klagen.“

Als er diese Verse gesprochen hatte, seufzte er tief und traurig und fiel in Ohnmacht; als er wieder zu sich kam, blickte er immer zu den Sternen bis morgens, stand auf und kleidete sich an. Sein Diener erschien, der Prinz hob den Kopf in die Höhe, und ließ sein von Kummer entstelltes Antlitz sehen; der Diener aber bemitleidete ihn und versprach ihm, ihn mit der Geliebten zu vereinigen. Der Vezier reiste indessen Tag und Nacht, bis er wieder in seine Heimatstadt kam; er ging sogleich zum König, küßte die Erde vor ihm und erzählte ihm alles von Anfang bis zu Ende. Als der König dies hörte, setzte er sich, stand nach einer Weile wieder auf und sprach: „Ein Mann wie ich soll in einer Angelegenheit einen Gesandten schicken und nichts ausrichtend Hierauf befahl er einem seiner Kammerherrn: „Laß die Zelte aus den Magazinen nehmen und die Truppen zum Krieg aufrufen. Ich will seine Wohnung verwüsten und jede Spur von ihm vertilgen, seine Schätze rauben, seine Krieger umbringen und seine Familie gefangennehmen.“ Da der Prinz Ardschir, der neben seinem Vater stand, diese Worte hörte, und wohl wußte, daß sein Vater ein so mächtiger Sultan war, daß er mit seinen vielen Truppen und Verbündeten wohl seine Wohnung verwüsten, seine Spur vertilgen und seine Familie wegnehmen konnte, fürchtete er, die Prinzessin möchte durch ein solches Verfahren so erbittert werden, daß sie sich selbst umbringe, und er dann doch seinen Zweck nicht erreiche. Er näherte sich daher seinem Vater, küßte die Erde vor ihm und sprach: „O großer König! du willst doch nur in den Krieg mit deinen Tapferen ziehen und dein Gut opfern, um mein Anliegen zum Ziele zu führen, ich will versuchen, das Mädchen auf eine andere Art zu gewinnen.“ Der König aber erwiderte: „Und was soll ich für dich tun?“ Er antwortete: „Ich will als Kaufmann zu ihr reisen und suchen, in ihre Nähe zu kommen.“ Der König versetzte. „Wenn du das willst, so nimm mit dir alle Schätze, die du begehrst, nimm auch den Vezier mit, daß er dir zum Erlangen deines Zweckes behilflich sei.“ Der König gab ihm dreihunderttausend Dinare, führte ihn in seine Schatzkammer und ließ ihm für ebensoviel Waren übergeben. Ardschir ging dann zu seiner Mutter; diese gab ihm hunderttausend Dinare und für ebensoviel Kleider und Schmuck. Hierauf nahm er von seinen Eltern Abschied. Der König ließ seine Waren auf Kamele laden, und befahl den Dienern, sich als Kaufleute zu kleiden; der Prinz aber reiste mit dem Vezier Tag und Nacht durch Wüsten und Heiden. Auf der langen Reise nahm seine Liebe immer mehr zu und er sprach folgende Verse:

„Meine Pein kommt von der Liebe, die immer wächst, niemand hilft mir gegen die Gewalt des Schicksals; ich schaue immer zu den Sternen, bis der Morgen naht, in Sehnsucht vertieft, mit brennender Liebesflamme. Doch ich schwöre es, nie will ich aufhören, dich zu lieben, wenn auch der Schmerz meinen Augenlidern den Schlaf raubt, wenn auch meine Leiden lange dauern und meine Geduld immer weniger wird. Ich werde ausharren, o du mein höchstes Verlangen! bis uns Gott vereinigt und alle unsere Feinde und Neider beschämt! „

Als er diese Verse vollendet hatte, weinte er heftig vor Liebespein; der Vezier bemerkte es, kam zu ihm und versprach ihm die Erfüllung seiner Wünsche; er unterhielt ihn und tröstete ihn die ganze Reise durch, bis ihnen endlich an einem Morgen bei Sonnenaufgang die Stadt entgegenleuchtete, die das Ziel ihrer Reise war; der Prinz freute sich sehr und sprach folgende Verse:

„O mein Freund! immer schmachte ich nach meiner Geliebten mit sehnsuchtsvollem Schmerz; ich weine und seufze wie eine Verwaiste, und im Dunkel der Nacht begleiten mich die Tauben. Aus meinen Augen strömen Tränen wie Regen; Tag und Nacht kannst du mich im Meer dieser Tränen schwimmen sehen. Friede sei mit euch, solange der Zephyr weht, die Turteltauben seufzen und meine Sehnsucht glüht!“ Der Prinz konnte den Augenblick nicht erwarten, bis sie sich der Stadt näherten. Als sie endlich hineinkamen, fragten sie nach den Chans der vornehmen Kaufleute; man zeigte sie ihnen und sie stiegen dort ab mit ihren Waren, um auszuruhen. Der Vezier dachte über die Angelegenheiten des Prinzen nach und beschloß, auf dem Bazar zu wohnen; er sagte zum Prinzen: „Wisse, mein Sohn! länger im Chan bleiben wird uns nichts nützen; mir ist etwas in den Sinn gekommen, das - so Gott will! - zum Besten führen wird.“ Der Prinz sprach: „Du hast recht, Vezier, tu, was du für gut findest, Gott mag dir beistehend Der Vezier versetzte: „Wir wollen auf dem Bazar einen Laden mieten und ich will dich für meinen Sohn ausgeben; alle Leute werden dann deine schöne Gestalt bewundern, und man wird bald in der ganzen Stadt von dir sprechen.“ Der Prinz sagte: „Tu, was dir gut scheint.“ Der Vezier machte sich sogleich auf und zog seine kostbarsten Kleider an. Der Prinz tat dasselbe, steckte tausend Dinare zu sich und sie gingen miteinander aus. Sobald sie aber auf die Straße kamen, sahen ihnen alle Leute nach, denn sie verbreiteten Moschus- und Kampferduft. Die Leute bemerkten, wie Gott den Prinzen mit so großer Schönheit, Beredsamkeit und königlichem Anstand geschaffen, und sagten: „Gelobt sei Gott, der diesen Jüngling geschaffen! Wessen Sohn ist er? aus welchem Land? das ist kein Mensch, das ist ein edler Engel!“ Es wurde sehr vieles über den Prinzen gesprochen. Einer sagte: „Der Wächter des Paradieses war nachlässig und dieser ist daraus entflohen“. Ein anderer sagte: „Er ist ein Engel.“ Ein dritter sagte: „Er ist ein Djinn.“ Alle Leute blieben auf beiden Seiten stehen und sahen ihm nach, denn er war so hübsch, wie der Dichter sagt:

„O du, dessen Blicke in Liebe schmachten, wie viele Vornehme und Niedrige hast du getötet! die Menschen sind aus Wasser und Erde geschaffen, du aber aus Licht und Glanz! Sprichst du, so vermehrt sich mein Schmerz, und schweigst du, so wächst meine Sehnsucht. Du bist aus dem ewigen Paradies gestohlen worden, während der Engel Ridhwan nachlässig wachte.“

Als sie auf den Bazar kamen, trat ihnen ein alter, ehrwürdiger Mann entgegen und sprach zu ihnen. „Meine Herren! wer ist dieser Jüngling?“ Der Vezier fragte: „Wer seid ihr?“ Der Alte antwortete: „Ich bin der Oberste des Bazars.“ Da sagte der Vezier: „Dieser Jüngling ist mein Sohn, mit dem ich alle Länder bereise und in jeder großen Stadt ein Jahr verweile, damit er den Handel und die Sitten der Bewohner kennenlerne. Der andere sagte: „Wohl!“ und ließ ihm am schönsten Ort einen Laden einräumen. Der Vezier befahl den Dienern, ihn zu reinigen, eine Matratze herzurichten, die zehntausend Dinare wert war; darauf legte er einen goldgestickten ledernen Überzug mit goldenen Kissen und eine Lehne, mit Gold verziert und mit Straußfedern ausgestopft. Der Vezier stand vor dem Prinzen und andere Jünglinge wie Gazellen umgaben ihn. Der Prinz aber sah wie der Vollmond aus und wie ein Zweig in seinem Wuchs, die Schönheit zierte ihn von allen Seiten. Der Vezier empfahl ihm dann, sein Geheimnis zu verwahren, indem nur so der Zweck erreicht werden könnte, ließ ihn allein im Laden und ging nach Hause. Wer nun auf den Bazar kam, betrachtete den schönen Prinzen, und bald sprach man in der ganzen Stadt so viel von ihm, daß alle Leute kamen, an ihm zu sehen, was Gott an Schönheit, Liebenswürdigkeit, Wuchs, Ebenmaß usw. geschaffen. Dieser Bazar war zuletzt so gedrängt voll, nicht von Käufern und Verkäufern, sondern von Leuten, die den Prinzen sehen wollten, daß man kaum durchkommen konnte. Der Prinz sah sich auch nach allen Seiten um und suchte etwas von seiner Geliebten zu hören, was ihm aber nicht gelang; sein Liebesschmerz nahm so zu, daß er die Süßigkeit des Schlafes nicht mehr kostete, und doch durfte er nicht nach seiner Geliebten fragen.

Als er nun eines Tages betrübt und nachdenkend wie der Vollmond in seinem Laden saß und schon fürchtete, seine Mühe werde vergebens sein, und nicht wußte, was er anfangen sollte, da kam eine alte Frau mit zwei Sklavinnen hinter ihr und blieb an seinem Laden stehen, sah ihn an, bewunderte seine Schönheit und sagte: „Gelobt sei der, welcher diesen Jüngling geschaffen und ihn durch so viele Reize ausgezeichnet hat!“ Mit diesen Worten näherte sie sich ihm und grüßte ihn; als er ihren Gruß erwidert hatte, fragte sie: „Bist du von hier, mein Freund?“ Er antwortete: „Nein, bei Gott! meine Mutter, ich bin zum erstenmal hier, um die Stadt zu sehen.“ Sie sagte: „Du bist ein edler Gast; und“, setzte sie hinzu, „was hast du für Waren bei dir? zeige mir einmal so hübsches, als du bist, denn wer hübsch ist, kann nur hübsches bringen.“ Der Prinz fragte sie, was sie wolle? und sie antwortete: „Ein Kleid für die Prinzessin, das schönste, das es gibt.“

Als der Prinz den Namen der Prinzessin hörte, pochte sein Herz, er sprach kein Wort, holte einen Pack herbei und nahm ein Kleid heraus, das tausend Dinare wert war. Da es der Alten sehr gefiel, fragte sie: „Wie teuer, o Vollkommener?“ Er antwortete: „Es kostet nichts.“ Sie dankte und fragte noch einmal; er aber sagte: „Bei Gott! ich nehme nichts von dir und mache es dir zum Geschenk; gelobt sei Gott, der mich mit dir bekannt gemacht, so daß, wenn ich deiner bedarf, ich dich zu finden weiß.“ Sie war über die Freigebigkeit des Prinzen erstaunt und fragte ihn: „Wie heißt du?“ Er antwortete: „Ardschir.“ Sie sagte: „So nennen ja die Könige ihre Söhne und du trittst als Kaufmann auf?“ Er versetzte: „Mein Vater hat mich aus großer Liebe zu mir so genannt, doch ein Name bedeutet gar nichts.“

Die Alte nahm das Kleid und ging, seine Schönheit, Liebenswürdigkeit, hübsche Gestalt und Freigebigkeit bewundernd, von ihm weg zur Prinzessin, küßte die Erde vor ihr und sagte: „O meine Gebieterin! hier bringe ich etwas, desgleichen ich nie gesehen!“ Als sie fragte: „Was ist es denn?“ zog sie das Kleid hervor und sagte: „Lege es auseinander und betrachte es!“ Die Prinzessin tat dies, und es gefiel ihr sehr. Sie sprach: „O meine Amme! bei Gott! das Kleid ist schön, ich habe nie ein ähnliches gesehen!“ Da sagte die Alte: „O meine Herrin! hättest du den Eigentümer dieses Kleides gesehen! bei Gott, er ist ein Mensch, so schön, wie es keinen auf Erden gibt, mit länglichen Wangen, prächtigen Augen, mit einem vollen Wuchs, schlank wie ein Baumzweig, der sich sanft hin und her neigt, und einem Gesichte wie eine Lampe. Gepriesen sei Gott, der erhabene Schöpfer, der ihn aus gutem Samen geschaffene Als die Prinzessin die Beschreibung der Alten hörte, geriet sie in heftigen Zorn und sprach: „Du Alte, bist du besessen, oder hast du keinen Verstand? Habe ich dich nach seiner Schönheit und Anmut gefragt, daß du mir ihn schilderst? Glaubst du, ich höre gern von Männern sprechen, daß du dies tust?“ Die Alte, die den Zorn der Prinzessin fürchtete: erwiderte: „Bei Gott, meine Gebieterin! ich wollte nur sagen, daß, als ich nach dem Preis des Kleides fragte, er schwor, er werde nichts annehmen, er mache es Euch zum Geschenke, und so sehr ich ihn auch bat, er doch nichts von mir nahm.“

Als die Prinzessin dies hörte, war sie sehr erstaunt und sprach: „Das ist sehr wunderbar! Die Kaufleute reisen doch nur des Geldes willen in der Welt herum. Er soll uns aber nicht an Freigebigkeit übertreffen; geh und bring ihm den Wert des Kleides und sieh, ob er noch was Schöneres hat als dieses.“ Die Alte sagte: „Dein Wille ist mir Befehl!“ und konnte nicht erwarten, bis sie von ihr weg war. Sie ging sogleich wieder in den Laden des Prinzen, der sich sehr freute; denn er hatte nicht gehofft, sie in den nächsten Tagen wiederzusehen. Er stand vor ihr auf, als sie an seinem Laden hielt, und hieß sie willkommen. Sie sagte: „Die Prinzessin schickt dir den Wert des Kleides, nimm ihn und sieh dann, ob du noch was Schöneres hast.“ Der Prinz aber sprach: „Recht gerne, ich habe noch etwas Schöneres; doch nimm du den Wert des Kleides, denn ich habe geschworen, ich werde nichts annehmen, nicht einen einzigen Drachmen; wenn daher die Prinzessin das Kleid nicht annehmen will, so nimm du dessen Wert.“ Er holte hierauf einen Pack herbei, öffnete ihn und zog ein anderes Kleid hervor, mit Perlen, roten, blauen und gelben Rubinen und Saphiren besetzt, vom Wert eines Kaiserreichs. Als er es vor ihr auseinanderlegte, war der ganze Bazar von den Edelsteinen und Diamanten beleuchtet. Die Alte wurde ganz entzückt von der schönen Arbeit und sagte: „Bei Gott, das ist was Wunderbares! was kostet das, o Vollkommener an Eigenschaften?“ Er antwortete: „Es kostet nichts, nimm es nur und fürchte nichts!“ Sie sagte: „O mein Freund, laß doch diese Reden und sage mir, was es kostet!“ Er antwortete: „Das weiß nur Gott! aber, beim Allmächtigen! ich nehme nichts dafür, sondern ich mache es der Prinzessin zum Geschenk für die Gastfreundschaft, die ich hier finde; dieses Kleid ziemt nur ihr.“ Als die Alte diese Rede hörte, sagte sie: „O mein Freund, wisse, daß Aufrichtigkeit die höchste Tugend ist; was du hier sagst, hat gewiß irgend einen geheimen Grund, drum erkläre dich mir und vertraue mir dein Geheimnis, vielleicht kann ich dir in deiner Angelegenheit behilflich sein.“ Der Prinz ergriff hierauf ihre Hand, erzählte ihr seine ganze Geschichte und vertraute ihr seine Liebe zur Prinzessin, nur gestand er nicht, daß er ein Prinz sei. Die Alte schüttelte den Kopf und sagte: „Das ist nun die Wahrheit: aber, mein Sohn, du bist doch nur ein junger Kaufmann, und wenn du auch noch so viele Schätze besitzest. Verhehle mir nicht, wer du bist; du behauptest, du seiest ein Kaufmann, ich sage dir jedoch, sobald ein Kaufmann eine Stufe nur über seinen Rang sich erheben will, so strauchelt er. Drum, mein Sohn, wirb um die Tochter eines Kadi, oder eines Offiziers, oder eines Kaufmanns deinesgleichen. Aber, mein Sohn, wie kannst du deine Augen zur Tochter des Königs der Zeit, der Perle des Jahrhunderts, erheben, zu einer Jungfrau, die noch gar nicht weiß, wie die Welt beschaffen ist, wie die Straßen gebaut sind; die in ihrem Leben nichts als ihr Schloß und das Gemach gesehen, in dem sie wohnt und die Zitadelle ihres Vaters; die aber doch trotz ihrer Jugend sehr klug, verständig und geistreich ist und das schönste Betragen hat, so daß ihr Vater, der mächtige König, von allen seinen Kindern nur sie liebt, und so oft er vom Schlaf erwacht, sie besucht, ihr guten Morgen wünscht, ihr leuchtendes Antlitz küßt, nichts ohne ihren Rat beschließt; daher auch alle, die ihr und ihres Vaters Schloß bewohnen, sie sehr fürchten. Auch wage ich es nicht, mein Sohn, mit ihr von etwas derart zu sprechen. Dafür kann ich gar nichts tun, mein Sohn, so sehr auch mein Fleisch, mein Blut, meine Gebeine und Glieder mit dir Mitleid fühlen. Gewiß, könnte ich dich mit ihr vereinigen, ich würde es um deinetwillen auf Gefahr meines Lebens tun; willst du, so werde ich um das vornehmste Mädchen in der Stadt für dich werben.“ Der Prinz antwortete: „Ich kenne keinen Ersatz für sie; bei Gott, mein Herz sehnt sich nur nach ihr. Die Liebe zu ihr tötet mich, ich bin hoffnungslos, ganz rasend vor Liebe! Bei Gott, meine Mutter, habe Mitleid mit mir Fremden und mildere meinen Jammer; ich werde dich reich dafür b elohnen!“ Die Alte sagte: „Bei Gott, mein Sohn, mein Herz spaltet sich um deinetwillen, doch weiß ich nichts für dich zu tun.“ Der Prinz versetzte: „O meine Mutter, ich fordere nicht, daß du für mich sprechen sollst; bring ihr nur ein Briefchen von mir, sonst nichts!“ Sie sagte: „So schreibe, was du willst, ich will es ihr bringen.“ Als er dies hörte, freute er sich sehr, nahm Tinte und Papier und schrieb folgende Verse:

„O Hajat Alnufus! beglücke mit deiner Nähe einen Liebenden, den die Trennung auflöst! Mein Leben war von Freude und Wonne umgeben, und nun bringe ich die Nächte rasend und liebestrunken zu. Muß immer fern von dir seufzen und jammern, bin stets betrübt und hoffnungslos! die ganze Nacht koste ich keinen Schlaf und schaue immer nach den Sternen hinauf. O habe Mitleid mit einem bestürzten, gequälten Liebenden, dessen Herz stets betrübt und dessen Augen wach sind.“

Als er diese Verse geschrieben hatte, legte er das Papier zusammen, reichte es der Alten und gab ihr auch einen Beutel, in dem fünfhundert Dinare waren, mit den Worten: „Nimm das für die Antwort!“ Sie schlug es ab; er aber sagte: „Du darfst dich dessen nicht weigern!“ Sie nahm ihn, ging zur Prinzessin und brachte ihr das Kleid; als sie es auseinanderlegte, wurde das ganze Schloß von der schönen Arbeit und den vielen Edelsteinen beleuchtet, und die Sklavinnen und Dienerinnen, die es sahen, waren höchst erstaunt. Auch die Prinzessin bewunderte die Arbeit und die Edelsteine an dem Kleid und fand, daß es gar nicht zu schätzen war. Sie sagte zur Alten: „O Amme, ist dieses Kleid von demselben, bei dem du das erste kauftest, oder von einem anderen?“ - „Es ist vom demselben.“ - „Ist dieser Kaufmann aus unsrer Stadt oder aus einer fremden?“ „Meine Gebieterin, er ist ein Fremder und wohnt erst seit kurzer Zeit hier.“ Die Prinzessin sprach: „Es ist merkwürdig, daß diese beiden Kleider, für die sich gar kein Wert angeben läßt, von einem Kaufmann sind; wie reich muß der wohl sein! Ich habe in meinem Leben nichts Schöneres gesehen. Was verlangt er dafür?“ Die Alte antwortete: „Er gab es mir mit den Worten: „Das ist ein Geschenk, das ich der Prinzessin mache; es ziemt nur ihr. Auch gab er mir das Geld für das erste Kleid zurück und schwor, er werde es nicht nehmen: wolle es die Prinzessin nicht, so möge ich es behalten.“ Da sagte die Prinzessin: „Das ist ein großer Reichtum und eine unerhörte Freigebigkeit; ich fürchte sehr, er hat etwas anderes im Sinne. Hast du ihn gefragt, ob er irgend ein Anliegen habe, worin du ihm helfen kannst?“ - „Ich habe ihn gefragt und er antwortete: er habe ein Anliegen, wollte mir es aber nicht anvertrauen, sondern gab mir nur diesen Brief.“ Die Prinzessin nahm ihn, öffnete ihn und las; als sie ihn gelesen hatte, wurde sie ganz blaß und entstellt; sie sagte der Alten: „Wehe dir, O Amme! was denkt der verbannte Hund, der in unsere Stadt gekommen, daß er es wagt, mir zu schreiben? Bei Gott und dem Brunnen Samsam und der heiligen Mauer am Tempel zu Mekka! fürchtete ich nicht Gott, den Herrn der Welten, ich würde nach diesem Hund schicken, ihn gefesselt, mit abgeschnittenen Ohren und Nase hierherbringen und mit allen seinen Nachbarn vor seinem Laden aufhängen lassen!“ Die Alte wurde ganz blaß, ihre Schultern zitterten und ihre Zunge wurde gelähmt. Endlich sagte sie: „Was enthält denn der Brief, das dich so entrüstet? ich denke, er klagt dir seinen Zustand, oder verlangt Hilfe gegen irgend ein Unrecht, das ihm geschehend Sie antwortete: „Nein, bei Gott, es sind Verse und Worte der Leidenschaft; der Mensch muß entweder wahnsinnig, betrunken oder lebensmüde sein, daß er mir solche Verse zusendet, um meinen Verstand zu verwirrend Die Alte erwiderte: „Bei Gott! du hast recht, meine Gebieterin; doch was kehrst du dich an solche Worte, du wohnst ja hier in deinem hohen Schloß, das nicht einmal Vögel erreichen können, und das niemanden zugänglich ist. Drohe ihm mit dem Tode und schreibe ihm: Du Hund unter Kaufleuten, der sein ganzes Leben in der Welt herumreist, um Geld zu gewinnen! Bei Gott, wenn du aus deinem Schlafe nicht erwachst und aus deiner Trunkenheit nicht nüchtern wirst, so lasse ich dich und alle deine Nachbarn vor deinem Laden aufhängend Die Prinzessin aber sagte: „Ich fürchte, o Amme, wenn ich ihm schreibe, wird er sich noch mehr Hoffnung machen.“ Die Alte entgegnete: „Wie kann er das? wenn ihr ihm nur schreibt, daß ihr nichts mehr von ihm hören wollt, so wird er Angst und Furcht bekommen.“ Sie redete dann der Prinzessin solange zu, bis sie sich Tinte und Papier geben ließ und folgende Verse schrieb:

„O du, der vom Gram, Kummer und langen schlaflosen Nächten aus Liebe zu uns spricht! O Verblendeter! kannst du wohl die Nähe des Mondes verlangen? Hat je ein Mensch vom Mond die Befriedigung seiner Wünsche erlangt? Höre nun den Rat, den ich dir hier erteile: Laß ab, denn du schwebst in großer Gefahr! Kommst du noch einmal mit einer solchen Bitte, so erwarte eine herbe Züchtigung von mir; sei verständig, klug und bedacht, und höre meinem Rat; denn ich beschwöre bei dem, der alles so herrlich geschaffen und die Himmel mit Sonne und Mond geschmückt hat, wenn du noch einmal mit solchen Reden wiederkehrst, so lasse ich dich an den Zweig eines Baumes hängen!“ Nachdem sie dies geschrieben hatte, legte sie den Brief zusammen und gab ihn der Alten. Diese ging zum Prinzen, warf ihm den Brief hin und sagte: „Lese hier die Antwort und wisse, daß sie deinen Brief gelesen und dessen Inhalt verstanden hat, daß sie aber sehr erzürnt darüber war; ich habe ihr solange süße Worte gesagt, bis sie mir diese Antwort schrieben Der Prinz dankte ihr, öffnete den Brief und las. Als er dessen Inhalt verstanden, weinte er heftig. Die Alte aber sagte: „Warum weinst du so? Gott lasse nie dein Auge weinen, noch dein Herz trauern! Was schreibt sie denn, daß du so kummervoll bist?“ Er antwortete. „Was soll ich denn tun? Sie droht mir mit dem Tode und verbietet mir, ihr wieder zu schreiben. Aber bei Gott, meine Mutter, ich will lieber sterben, als so leben! Drum sei so gut und bringe ihr einen anderen Brief von mir, ich fordere nichts anderes von dir.“ Die Alte sagte: „Schreibe nur, ich will dir schon wieder Antwort bringen. Bei Gott, ich will gern mein Leben für dich wagen, wenn nur deine Wünsche erfüllt werden.“ Er dankte ihr und schrieb folgende Verse:

„Du drohst mir für meine Liebe mit dem Tode; nun, der Tod ist meine Bestimmung, der bringt mir Ruhe. Der Liebende zieht den Tod einem langen Leben vor, das er fern von der Geliebten zubringen soll. Wende dich, Geliebte, einem Unglücklichen zu, von dem alle Hilfe fern, und quäle nicht länger einen Verlassenen durch dein Verschmähen! Wie soll ich mich trösten, da mir niemand dich ersetzen kann? Wie soll ich mit zerknirschtem Herzen auf Milderung hoffen? Der Mond ist mein Gesellschafter und mein Schmerz tobt die ganze Nacht; kann den Trunkenen Gefahr nüchtern machen? O meine Herrin! habe Mitleid mit einem Sehnsuchtskranken; es ist ja kein Verbrechen, edle Menschen zu lieben.“

Als er dies geschrieben hatte, legte er das Papier zusammen und gab es der Alten nebst einem Beutel von vierhundert Dinaren mit den Worten: „Das ist für die Antwort.“ Die Alte wollte es nicht nehmen und sprach: „O mein Sohn, bei Gott! du überschüttest mich mit deiner Güte; doch sei guten Mutes und freudigen Auges! ich werde deinen Feinden zum Trotze dein Verlangen stillen.“ Sie nahm den Brief, ging zur Prinzessin und gab ihr denselben. Diese wurde ganz blaß und sagte: „O Amme, soll dieser Briefwechsel so fortgehend Diese antwortete: „O meine Gebieterin! gib mir nur eine Antwort, wie sie dir in den Sinn kommt.“

Dir Prinzessin nahm den Brief, las ihn und schlug die Hände übereinander; endlich sagte sie: „Wir sind schon einer Gefahr ausgesetzt, ohne nur zu wissen, wie wir dazu gekommen; vielleicht könnten wir entdeckt werden und ich meinen Ruf verlierend Die Alte fragte: „Wieso das, meine Gebieterin? Wer kann ein solches Geheimnis aufdecken? oder wer darf nur davon reden?“ Die Prinzessin versetzte: „Selbst wir dürfen von solchen Dingen nur mit Besorgnis und Furcht sprechen.“ „Nun“, sagte die Alte, „schreibe ihm einen recht derben Brief, und sage ihm: wenn du mir noch einmal schreibst, so lasse ich dir den Kopf abschlagen.“ Die Prinzessin aber erwiderte: „O meine Amme! ich fürchte, daß sich der Fremdling dadurch nicht abweisen läßt.“ Sie schrieb ihm dann folgende Verse:

„O du, der die Zufälle des Schicksals des Lebens nicht beobachtet, und dessen Herz nach Vereinigung schmachtet, hoffst du, o Getäuschter! den Himmel zu erreichen und den leuchtenden Mond einzuholen? Du wirst mehr Verachtung finden, als dein Herz ertragen kann; schneidende Schwerter werden dir den Tod geben, eine brennende Flamme wird dich verzehren und der Schmerz deine Haare bleichen. Drum nimm meinen Rat an, laß ab von der Liebe, der du dich hingegeben.“

Sie warf zornig der Alten den Brief vor; diese legte ihn zusammen und brachte ihn dem Prinzen. Als er ihn gelesen hatte, beugte er den Kopf zur Erde, sagte nichts und schrieb in seiner Verzweiflung mit den Fingern Worte vor sich hin. Da sagte die Alte: „Warum sprichst du nichts, mein Sohn?“ Er antwortete: „Was soll ich dazu sagen? Sie droht mir mit dem Tode und wird immer härter.“ - „Schreibe ihr nur wieder“, sprach die Alte, „ich übenehme es, dir Antwort zu bringen: sei nur guten Mutes, ich werde euch schon vereinigend Er dankte ihr und schrieb folgende Verse:

„Bei Gott! erweicht sich dein Herz nicht für einen Liebenden, der nach Vereinigung schmachtet? Meine Augen sind entzündet, denn sie vergießen jeden Abend blutige Tränen. O sei mild und gütig gegen einen aus Liebe zu deinen Reizen Verzweifelten, der die ganze Nacht schlaflos zubringt, weil er, o Schöne! liebevoll an dir hängt. Zerstöre nicht die Hoffnungen des Herzens, das nur für dich schlägt, gramvoll und abgehärmt ist! Bei Gott! verschmähe nicht länger den, der in Liebe zu dir untergeht.“

Der Prinz legte das Papier zusammen, gab es der Alten mit einem Beutel von dreihundert Dinaren und sagte ihr: „Nimm das, um deine Kleider waschen zu lassen!“ Sie sagte: „Bei Gott, verschone mich mit diesem Geld, du hast mir schon Gutes genug erwiesene Er sprach aber: „Du mußt es nehmen! „ Sie nahm es an und küßte seine Hände.

Als sie zur Prinzessin gekommen war, küßte sie den Brief und überreichte ihr ihn. Die Prinzessin sagte: „Was denkst du, o Amme! uns in solche Gefahr zu setzen durch das Hin- und Herbringen unsrer Briefe? Ich glaube, du hast keinen Verstand, daß du so den Rasenden beschützest, dem ich bald den Todeskelch reichen werde.“ Sie las dann den Brief und warf ihn weg; die Ader des Zornes trat zwischen ihren Augen hervor und niemand wagte es, sie anzureden. Sie begab sich nach dem Schloß des Vaters und fragte nach ihm, aber man sagte ihr, er befinde sich auf der Jagd. Sie kehrte vor Zorn zitternd zurück, ließ den Kopf hängen und redete mit niemand ein Wort. Erst nach drei Stunden beruhigte sie sich, und ihr Gesicht nahm wieder seinen lieblichen Ausdruck an. Als die Alte dies bemerkte, näherte sie sich ihr, küßte die Erde vor ihr und sagte: „Wohin hattest du deine edlen Schritte gewendet?“ Sie antwortete: „Nach dem Schloß meines Vaters.“ - „Hätte dir niemand dein Geschäft besorgen können, daß du dich selbst bemühtest?“ „Niemand konnte das versehen, denn ich ging zu ihm, um ihm die Geschichte mit den Kaufleuten zu erzählen, die auf dem Bazar sitzen und sich bis zu mir erkühnen, damit er sie züchtigen und vor ihre Läden hängen lasse; kein einziger Kaufmann soll in der Stadt bleiben.“ - „Bist du nur deshalb zu deinem Vater gegangen?“ - „Ja.“ - „Und was hat er beschlossene - „Er war auf der Jagd, und ich muß nun warten, bis er zurückkehrt.“ Da sagte die Alte: „Hättest du nun deinen Vater zu Hause gefunden und ihn von dem ganzen Vorfall in Kenntnis gesetzt, würden nicht die Leute, wenn er den jungen Kaufmann mit den Seinigen hätte hinrichten lassen, fragen, was sie denn verbrechen haben. Man würde sagen, sie haben die Prinzessin verführen wollen; andere würden sagen: sie haben die Prinzessin verführt, sie verließ deshalb ihr Schloß nicht, weil sie ganz den Kaufleuten lebte - kurz, jeder würde was anderes sagen; denn das Volk ist blind, und Ehre ist wie Milch. Ihr Tod wird dir nichts nützen, du wirst nur deinen Ruf verlieren. Nimm daher meinen Rat an, du bist ja eine kluge Herrin, laß ab von deinem Vorhaben und dankte Gott, daß dein Vater nicht zu Hause und daß du mich zuerst angehört. Doch das ist deine Sache.“

Als die Prinzessin diese Worte hörte und darüber nachdachte, fand sie, daß die Alte recht hatte, und sprach: „Bei Gott! meine Amme, du hast wahr gesprochen; der Zorn hatte nur meinen Verstand betäubt und mein Herz verstopft; gelobt sei Gott! daß ich meinen Vater nicht getroffen.“ Die Alte sagte: „Dein Entschluß ist dem erhabenen Gott angenehm; ich glaube, wir werden mit diesem Hund von Kaufmann nicht fertig, bis du ihm schreibst: Du Hund von Kaufmann! bei Gott! hätte ich den König getroffen, ehe er ausritt, so hingest du mit allen deinen Nachbarn an der Tür deines Ladens; doch wird dir dies, bei Gott, nicht fehlen! ich schwöre, daß ich jede Spur von dir von der Erde vertilgen werde, wenn du nicht ablässest. Gib mir dann den Brief, er soll ihn lesen, daß seine Achseln zittern und er aus seinem Schlaf erwache. „Da sagte die Prinzessin: „Wird er vor diesen Worten zittern?“ - „Und wie sollte er nicht zittern und von seinem Vorhaben abstehen?“ Sie schrieb ihm dann folgende Verse:

„Du knüpfst deine Hoffnung auf unsere Vereinigung und erwartest Gegenliebe von mir. Der Mensch fällt nur durch Selbsttäuschung, sie stürzt ihn ins größte Verderben; du hast keine Kraft keine Macht, kein Reich, und doch bekehrst du dich nicht. Handelte selbst ein Sultan meines Ranges so wie du, er würde doch vor der Gefahr zurückschrecken, denn der Krieg macht grau. Doch ich vergebe dir deine Schuld, vielleicht wirst du nun zu besserer Einsicht gelangen.“

Sie warf das Papier der Alten hin und sprach zu ihr: „O Amme! halte ihn doch ab von solchen Reden, sei nicht nachgiebig gegen sein Beharren in seiner Schuld.“ Die Alte sagte: „Bei Gott! ich will im keine Seite lassen, auf die er sich umwenden könnte.“ Sie ging damit zum Prinzen und gab ihm den Brief. Als er ihn gelesen und verstanden hatte, sprach er: „Ich bin Gottes und kehre zu ihm zurück. O meine Mutter! was soll ich tun? mein Herz zerspringt und meine Geduld versiegt.“ Die Alte sagte: „Laß den Mut nicht sinken! nach dem einen kommt das andere. Schreibe ihr nur, was du im Sinne hast, so Gott will, bringe ich dir wieder Antwort. Sei nur guten Mutes und heitern Blickes; so Gott will, muß ich euch doch vereinigen. Er dankte ihr und schrieb folgende Verse:

„Wenn mir in der Liebe niemand Schutz bietet, so wird meine Schuld mit dem Tode bestraft. Warum soll ich nicht nach dir verlangen, o höchstes Ziel? Ich trage bei Tag und bei Nacht eine Feuerflamme in meinem Inneren, und bete zu dem Gott des Firmaments, daß er mir deine Zuneigung verschaffe, denn schmerzlich plagt mich die Liebe!“ Er gab den Brief der Alten mit einem Beutel von hundert Dinaren und sagte: „Nimm dieses Geld und widersetze dich nicht.“ Sie nahm das Geld und den Brief und überreichte ihn ihrer Herrin. Die Prinzessin nahm ihn aber nicht, sondern sah ihn an und sagte: „Was hat er hier wieder für einen Brief geschickte Die Alte sagte: „Es ist die Antwort auf dein Schreiben.“ Sie nahm und las den Brief, und als sie damit zu Ende war, sah sie die Alte an und sprach zu ihr: „Wo sind deine Ermahnungen geblieben?“ Sie antwortete: „Er hat sich bekehrt und dich um Verzeihung gebeten.“ Die Prinzessin aber versetzte: „Bei Gott! er hat sich weder bekehrt noch entschuldigt.“ Die Alte sagte: „So antworte ihm nur, ich will dir schon sagen, was ich mit ihm anfange.“ Die Prinzessin erwiderte: „Soll ich ihm denn immerfort schreibend Die Alte erwiderte: „Du mußt das tun, um ihm alle Hoffnung zu nehmen und ihn ganz zu verwirrend Die Prinzessin nahm dann, als die Alte es durchaus wollte, Tinte und Papier und schrieb folgende Verse:

„Lange schon dauert die Zurechtweisung und die Sorge und der Kummer; wie oft muß ich dir in Versen schreiben: laß ab? Deine Widerspenstigkeit nimmt immer zu; ich verzieh dir, doch du ließest nicht ab. Verschließe nur deine Liebe und laß sie nie mehr laut werden, sonst werde ich kein Mitleid mehr mit dir haben. Du wirst sehr bald mächtige Stürme sehen, und die Vögel der Wüste werden dir zurufen! Kehre zurück zu einem frommen Wandel, du warst lange genug ruchlos.“

Sie warf das Papier in heftigem Zorn weg; die Alte hob es auf und lief damit zum Prinzen. Er nahm, öffnete es und las es. Da er aber daraus merkte, daß sie immer erzürnter gegen ihn wurde und ihm kein Mittel übrig blieb, sich ihr zu nähern und seine Wünsche gekrönt zu sehen, entschloß er sich, sie in einer Antwort zu verwünschen. Er schrieb daher folgende Verse:

„O Herr! befreie mich von den Fesseln meiner Liebe! Du kennst die Flamme, die mich verzehrt, und meine Sehnsucht, nach einem mitleidlosen Wesen. Wie lange soll ich die noch lieben, die mir so große Qual bereitet, und wie lange soll ich ihre Tyrannei ertragen? Wie lange soll ich noch unter den Fittichen der Nacht laut und heimlich klagen? Ich irre in einem bodenlosen Abgrund umher und niemand kommt mir zu Hilfe. Wie lange soll ich noch vergebens Trost und Geduld gegen ihre Liebe suchen? O Vogel der Trennung! sage mir doch einmal: du bist nun sicher gegen die Vorfälle und Tücken des Schicksals. Du lebst ruhig mitten in deiner Heimat, während ich von meiner Familie und meinem Vaterlande getrennt bin.“

Er legte den Brief zusammen und gab ihn der Alten mit einem Beutel von einhundert Dinaren. Sie ging zur Prinzessin und gab ihr den Brief. Als diese ihn ganz gelesen hatte, warf sie ihn weg und sagte: „Du unheilvolle Alte! Alles Böse kommt von dir! du treibst uns von einem Brief zum anderen und sagst immer: ich will dir Ruhe schaffen! nur damit ich ihm von neuem schreibe und der Briefwechsel solange fortgesetzt werde, bis zuletzt mein Ruf zugrunde geht.“ Sie befahl dann ihrem Diener: „Ergreift die Alte und prügelt sie!“ Sie wurde geprügelt, bis ihr das Blut aus der Nase und vom ganzen Körper herunterlief und sie ohnmächtig hinfiel. Dann befahl die Prinzessin einer ihrer Sklavinnen, sie an den Füßen zum Schloß hinauszuschleppen, neben ihr stehen zu bleiben, und wenn sie wieder zu sich komme, ihr zu sagen: „Die Prinzessin hat geschworen, dich umzubringen, wenn du wieder ins Schloß kommst.“

Man schleppte sie hinaus und es blieb jemand bei ihr stehen, der ihr, als sie wieder zu sich kam, sagte, was die Prinzessin befohlen hatte. Die Alte sprach: „Gott bewahre mich vor dem bösen Teufel! Bin ich rasend? Wenn auch die Prinzessin mir das nicht sagen ließe, so würde ich doch lieber sterben, als je zu ihr zurückkehren; da ich aber nun nicht gehen kann, so bitte ich dich, sei so gut, miete mir einen Esel, der mich nach Hause bringe.“ Die Sklavin holte ihr einen Esel und sie ritt darauf nach dem Laden des Prinzen. Dieser sagte ihr: „O meine Mutter! warum sehe ich dich in diesem Zustand? Du machst mir bange.“ Sie versetzte, indem sie ihm ihren Leib und ihre zerrissenen Kleider zeigte: „Das alles habe ich um deinetwillen erlitten.“ Als er dies hörte und ihren zerschlagenen Leib sah, kam er fast von Sinnen und sprach: „O meine Mutter! wer hat dir das getan?“ Sie erzählte ihm die Geschichte von Anfang bis zu Ende. Er wurde sehr betrübt darüber und sagte ihr: „O meine Mutter! es tut mir sehr leid, doch geschieht ja alles nach der Bestimmung des erhabenen Gottes; weißt du aber nicht, meine Mutter, wie es kommt, daß die Prinzessin die Männer haßt?“ Sie antwortete: „Wisse, mein Sohn, sie hat einen großen Garten, den größten und schönsten auf der ganzen Erde. Als sie einst in der Nacht schlief, sah sie im Traum einen Vogelfänger, der sein Netz auswarf und Weizen ausstreute. Nach einer kurzen Pause versammelten sich die Vögel umher und klaubten die Weizenkörner auf. Da fiel ein Männchen in das Netz und wurde verstrickt, und alle Vögel entflohen; nur ein Weibchen, das auch zugegen war, kam gleich wieder zurück, und biß solange mit dem Schnabel an dem Strick, der den Fuß des Männchens fesselte, bis es ihn brach und dadurch das Männchen befreite. Dies alles geschah, während der Vogelfänger schlief. Als er erwachte, sah er das Netz zerrissen; er flickte es und streute wieder Weizen aus. Nach einer Weile kamen die Vögel wieder, ein Weibchen fiel ins Netz und flatterte! erschrocken entflohen alle übrigen Vögel mit dem Männchen, das nicht zurückkehrte. Nach einer Weile wurde nun das Weibchen gefangen, losgemacht und geschlachtet. Hier erwachte nun die Prinzessin ganz erschrocken und sprach: So verfährt das männliche Geschlecht mit dem weiblichen! Das Weibchen hat auf Gefahr des eigenen Lebens das Männchen befreit, und als Gott beschlossen hatte, daß jenes falle, hat das Männchen es sterben lassen und ist ihm nicht zu Hilfe gekommen, bis der Vogelfänger es schlachtete. Gott verdamme jeden, der auf Männer sich verläßt! Seit jener Zeit haßt sie die Männer.“

Es sagt der Erzähler: Hierauf fragte der Prinz: „Kannst du mich nicht nach jenem Garten bringen? Bei Gott! ich möchte ihm nur so nahe sein, daß ich einen einzigen Blick auf sie werfen könnte, und wäre es auch mein Tod.“ Die Alte erwiderte: „Sie kommt jährlich nur einmal in diesen Garten.“ - „Und wann wird sie ihn besuchen?“ - „Wenn die Früchte reifen; sonst lebt sie immer in ihrem Schloß, und geht auch nur durch die geheime Türe in diesen Garten, der in der Nähe des Schlosses ist; außer ihrem und ihres Vaters Schloß hat sie noch nichts in der Welt gesehen. Ich will dir nun einen guten Rat geben: Wir haben noch einen Monat bis die Früchte reif werden; du weißt, mein Sohn, Liebe kann alles, du gehst nun von heute an nach dem Garten, den ich dir zeigen werde, knüpfst mit dem Gartenhüter ein freundschaftliches Verhältnis an und erzeigst ihm manche Wohltaten, damit er dich liebgewinne. Dann bittest du ihn, er möge dich den Garten sehen lassen, worin du täglich spazieren gehst; an dem Tage, bevor die Prinzessin in den Garten gehen will und ehe der Torhüter es weiß, daß sie kommen wird, wird er dir dann auch, wie immer erlauben, hineinzugehen; bringe sodann die Nacht darin zu, um, wenn die Prinzessin kommt, schon daselbst zu sein. Sobald du sie siehst, gehe ihr entgegen; vielleicht, wenn sie dich sieht, wird sie gerührt werden, denn die Liebe überwindet alles. Auch bist du so schön, mein Sohn, daß selbst ein Mönch, wenn er dich sähe, von deiner Schönheit hingerissen würde.“ Er dankte, brachte ihr ein Stück Seidenstoff mit goldenen Fransen und andere Stoffe, und sagte ihr: „O meine Mutter, nimm das statt deiner zerrissenen Kleider!“ Auch gab er ihr hundert Dinare, die sie nahm. Zuletzt zeigte sie ihm noch ihre Wohnung. Der Prinz aber erzählte dem Vezier alles, was ihm widerfahren, von Anfang bis zu Ende, und befahl seinen Dienern, den Laden zu schließen.

Als der Vezier dies hörte, sagte er: „Mein Sohn, wenn du aber in den Garten gehst und sie dich sieht und nicht gut aufnimmt, was willst du dann tun?“ Er antwortete: „O Vezier! es bleibt mir dann nichts übrig, als mein Leben zu wagen, sie mitten aus ihren Dienern herauszureißen, hinter mir auf mein Pferd zu setzen und mit ihr in die Wüste zu fliehen. Entkomme ich, so habe ich meinen Zweck erreicht, wo nicht, so bin ich dieses schlechte Leben los.“

Der Vezier sprach: „Mein Sohn, das kann nicht gut enden, du bist allein mit mir, wir sind hier fremd und dieses Land ist sehr weit von dem unsrigen entfernt; wie kannst du so etwas gegen einen der mächtigsten Könige der Zeit unternehmen, der über hunderttausend Zügel zu gebieten hat; könntest du auch seinen Truppen entkommen, so würden die Bürger dir im Wege sein; so darf ein verständiger Mann nicht handeln.“ Der Prinz entgegnete: „Was ist denn zu tun, Herr? mein Schicksal reißt mich dahin.“ Der Vezier sagte. „Wir wollen morgen in den Garten gehen und sehen, wie er ist und was mit dem Wächter angefangen werden kann.“ Sie brachten mit diesem Entschluß die Nacht zu. Als Gott einen schönen Morgen heranleuchten ließ, stand der Vezier auf und nahm den Prinzen mit nach dem Garten; vorher steckte er tausend Dinare zu sich.

Als sie nach dem Garten kamen, sahen sie hohe Mauern, viele Bäume und Bäche; Blumen dufteten, Vögel sangen und Früchte waren in Menge da, wie in den Gärten des Paradieses. An der Ur saß ein alter Mann. Als er sie sah, stand er vor ihnen auf und grüßte sie, sie aber erwiderten seinen Gruß. Er sprach zu ihnen: „Braucht ihr etwas, womit ich die Ehre haben kann, euch aufzuwarten?“ Der Vezier antwortete: „Wisse, o Alter! wir sind hier fremd, es ist uns sehr heiß, und unsere Wohnung ist weit von hier am anderen Ende der Stadt; sei also so gut, nimm dieses Geld und kauf uns etwas dafür zu frühstücken, öffne uns den Garten, und führe uns auf einen schattigen Platz, wo wir uns abkühlen können, bis das Essen kommt; wenn wir ausgeruht haben, so gehen wir wieder unseres Weges.“

Der Vezier dachte, auc in einer solchen Stunde nützt das Geld dem etwas, der es hat; er griff daher in die Tasche und nahm einen goldnen Dinar heraus, der fünf Mithkal wog, steckte ihn dem Alten in die Hand und sagte: „Kaufe dafür deinen Kindern etwas!“ Derselbe war schon siebzig Jahre alt und hatte niemals in seiner Hand etwas Gelbes gesehen als Limonenschalen. Als er daher den Dinar sah, flog sein Verstand davon. Er machte sich auf, öffnete ihnen die Türe und führte sie in den Garten unter einen großen schattigen Baum, neben dem Wasser floß. Dann sagte er ihnen: „Meine Herren! geht nicht ins Innere des Gartens, wegen der Haremstür, die ins Schloß der Prinzessin führt.“ Sie erwiderten: „Wir werden nicht von hier aufstehen, bis du wiederkehrst.“ Der Wächter ging dann fort und kam nach einer Weile mit allerlei Speisen zurück; sie aßen und tranken, und als sie fertig waren, betrachtete der Vezier den Garten und untersuchte ihn von allen Seiten. Er sah ein altes Schloß mit hohen Mauern, die aber gespalten waren und keinen festen Grund mehr hatten. Der Vezier fragte: „O Alter! wem gehört dieses Schloß und dieser Garten? ist es dein Eigentum, oder hast du es bloß gemietet?“ - „Herr, ich bin bloß der Wächter.“ Der Vezier fragte abermals: „Wieviel Lohn hast du monatlich?“ - „Einen Dinar.“ Da sagte der Vezier: „Man tut dir Unrecht, besonders wenn du Frau und Kinder zu ernähren hast.“ „Herr“, sprach der Alte, „ich habe acht Kinder und ihre Mutter.“ Der Vezier sagte: „Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! Ich teile deine Sorgen, o armer Mann! Was sagst du zu dem, der deiner Familie willen dir Gutes erweist?“ Der Alte antwortete: „Was du auch mir tuest, mag Gott gefällig und dir selbst zum Besten werden.“ Da sagte der Vezier: „Sieh, Alter, in diesem so schönen Garten steht ein altes, zerfallenes Schloß, das sich gar schlecht ausnimmt; ich will es ausbessern, frisch weißen, hübsch anstreichen und meinen Namen auf die Tür schreiben lassen.“ Der Alte fragte: „Was ist denn deine Absicht damit?“ - „Damit“, antwortete der Vezier, „wenn du oder deine Kinder es sehen, ihr für mich betet und euch meiner zum Besten erinnert; und wenn der Eigentümer kommt und dich fragt, wer das so hergestellt hat, du ihm antwortest: ich war es, Herr, ich wollte mit weißem Gesicht vor dir erscheinen, denn ich hoffte auf deine Wohltaten; und gewiß wird er dir dann die Auslage ersetzen und es wird zu deinem Nutzen ausfallend Er zog hierauf einen Beutel von fünfhundert Dinaren hervor und sagte ihm: „Nimm diesen Beutel, mach es dir bequemer mit deiner Frau und deinen Kindern und sage ihnen, sie sollen nach jedem Gebete uns Gutes wünschen.“

Als der Alte das Gold sah, entfloh sein Verstand. Er warf sich dem Vezier und dem Prinzen zu Füßen, küßte sie und wünschte ihnen Glück. Der Vezier sagte.- „Dein Abschied wird uns wehe tun.“ Der Alte fragte: „Wohin gehst du?“ Der Vezier antwortete: „Nach Hause.“ Der Alte rief wehmütig aus: „So wird sich dieses edle Gesicht von mir wenden? Ich kann eure Trennung nicht ertragen, und ihr habt mir ja versprochen, diesen Ort schöner herstellen zu lassen.“ Der Vezier antwortete: „So Gott will, kommen wir morgen früh und trennen uns dann nicht mehr von dir, weder bei Tag noch bei Nacht“, und ging fort. Der Prinz aber fragte: „O Vezier, was ist deine Absicht bei der Herstellung dieses Schlosses?“ Er antwortete: „Ich habe etwas im Sinne, das du, so Gott will, später erfahren sollst und worauf unser Wohl beruht.“

Am folgenden Morgen ging der Vezier zu dem Obersten der Maurer und Anstreicher und forderte von ihnen die beste Arbeit, die in der Stadt zu finden sei. Zu den Maurern sagte er: „Streicht dieses Haus schön weiß an.“ Als dies geschehen war, gab er ihnen den Lohn und schickte sie fort. Er ließ hierauf die Maler kommen und sagte ihnen. „Heute ist der Tag, wo wir eurer bedürfen; hört nun meinen Plan. Wisset, ihr Gelehrten! ich schlief eines Tages in diesem Garten und sah im Traum einen Jäger, der sein Netz auslegte und Weizen streute. Die Vögel versammelten sich um ihn her, um den Weizen aufzulegen; ein Männchen und ein Weibchen waren darunter; nach einer Weile fiel das Männchen in das Netz, und alle Vögel entflohen; das Weibchen aber kam wieder zurück und biß solange am Strick, der den Fuß des Männchens festhielt, bis es ihn losmachte und das Männchen mit ihm davonfliegen konnte. Dies alles geschah, während der Vogelfänger schlief. Als er erwachte, fand er das Netz verdorben, er besserte es wieder aus und streute wieder Weizen. Die Vögel kamen wieder und das Weibchen fiel in den Strick. Als dies die übrigen Vögel sahen, entflohen sie sämtlich mit dem Männchen; der Jäger aber nahm das Weibchen und schlachtete es. Als das Männchen wiederkehren wollte, um das Weibchen zu befreien, stürzte ein Adler über es her, zerriß es und trank sein Blut. Ich wünsche nun, daß ihr meinen Traum mit allen Figuren auf diese Wand malet, mit dem Männchen, wie es später der Adler ergreift und verzehrt. Führt ihr das nach meinem Wunsch aus, so werde ich es bei eurem Lohn nicht genau nehmen, sondern euch reichlich bezahlen.“ Sie sagten: „Herr! du sollst unsere Arbeit sehen.“ Sie holten allerlei Farben, bemalten das Schloß von innen und außen, und malten in die Mitte, was ihnen der Vezier beschrieben; derselbe war sehr damit zufrieden, denn es war ihm, als habe er den Traum vor Augen. Er dankte ihnen und gab ihnen reichlichen Lohn.

Als später der Prinz kam, um zu sehen, was der Vezier machen lasse, und den Traum der Prinzessin gemalt fand, mit dem Netze, dem Vogelfänger und den Vögeln, wie das Männchen sich verstrickt und vom Weibchen befreit wird, und wie später das Weibchen fällt, und das Männchen, als es zu Hilfe eilen wollte, vom Adler ergriffen wird, der es mit seinen Krallen zerreißt, sein Blut trinkt und sein Fleisch frißt, war er vor Verwunderung ganz außer sich.

Er eilte zum Vezier und sagte ihm: „O Vezier, ich habe ein Wunder gesehen; wenn es mit der Nadel in das Auge geschrieben wäre, so würde es jedem zur Belehrung dienen.“ Der Vezier sagte: „Was denn, Herr?“ „Ich habe dir den Traum der Prinzessin erzählt, der die Ursache ihres Hasses gegen die Männer war; soeben sah ich diesen nun gemalt wie ein Bild der Wirklichkeit, und außerdem noch etwas, das die Prinzessin nicht gesehen; hätte sie es gesehen, so wäre unser Sieg gewiß.“ Der Vezier fragte: „Was war es?“ Der Prinz antwortete: „Ich sah, wie das Männchen zurückkam, um das Weibchen zu befreien und ein Adler darüber herstürzte, es zerriß, sein Blut trank und sein Fleisch aß. O hätte doch die Prinzessin den Traum bis zum Ende gesehen, wie das arme Männchen vom Adler ergriffen wurde, daher er das Weibchen nicht befreien konnte.“ Der Vezier sagte: „Bei Gott, das ist wunderbare Der Prinz hörte nicht auf, sich zu verwundern und zu bedauern, daß die Prinzessin nicht alles gesehen. Er dachte bei sich: Träume ich am Ende nicht selbst? Der Vezier sagte: „Du hast mich gefragt, was ich mit der Ausbesserung dieses Schlosses wollte, und ich habe dir geantwortet, du wirst schon sehen, so Gott will. Nun, ich selbst habe diese Malerei angeordnet; ich habe den Malern befohlen, das Männchen in den Krallen des Adlers zu malen, damit es die Prinzessin sehe, das Männchen entschuldige und die Männer nicht mehr hasse.“ Als der Prinz dies hörte, freute er sich sehr, dankte dem Vezier und sprach: „Ein Mann wie du verdient es, Vezier der Könige zu sein. Bei Gott! wenn ich meinen Zweck erreiche und zu meinem Vater zurückkehre, so muß er dir noch mehr Gutes erweisen und dich mit einem höheren Range bekleidend Der Vezier küßte ihm die Hand und wünschte ihm viel Glück. Dann suchte er den Alten auf und sagte ihm: „Sieh, wie schön dieser Ort nun ist.“ Der Alte antwortete: „Eure Hoheit hat dies getan.“ Der Vezier sagte ihm weiter: „Wenn deine Freunde dich fragen, wer dies hat machen lassen, so sage nur, du habest so und so viel dafür ausgegeben, damit dir Gutes dafür erwiesen werde.“ Der Alte erwiderte: „Gut, ich werde gehorchen.“

Von diesem Tage an verließ der Prinz diesen Ort nicht mehr, beschenkte reichlich den Wächter und trennte sich nicht mehr von ihm, weder bei Tag noch bei Nacht. Das ist's, was diese betrifft; was aber die Prinzessin angeht, so hatte sie, als der Briefwechsel aufhörte, geglaubt, der junge Mann habe die Stadt verlassen; sie freute sich darüber sehr und lebte vergnügt, bis ihr eines Tages ihr Vater ein bedecktes Kästchen schickte. Als sie es öffnete, fand sie Früchte darin und fragte ihre Sklavinnen: „Sind die Früchte ganz reif?“ Sie antworteten: „Ja; o möchtest du uns die Vorbereitungen zu dem Spaziergang in dem Garten machen lassen! wir sehnen uns danach.“ Sie antwortete: „Wie kann ich das? Gehen wir doch kein Jahr in den Garten, um den Farbenwechsel und die herbstliche Natur zu sehen, zu spielen und uns zu freuen, ohne daß die Amme, die ich schlagen und vertreiben ließ, uns begleitete. Aber bei dem erhabenen Gott! ich sehne mich nach ihr und bereue, was ich ihr getan; sie ist doch immer meine Amme, und ich bin ihr meine Erziehung und lange Dienste schuldig; nur der Zorn hat mich dazu verleitete Als ihre Dienerinnen dies hörten, standen sie alle auf, beugten sich, küßten die Erde vor ihr und sagten: „Bei Gott! Herrin, verzeihe ihr, sei gnädig gegen sie und erlaube ihr, herzukommen.“ Die Prinzessin aber sprach: „Bei Gott! das war meine Absicht, ehe ihr es sagtet. Wer von euch geht zu ihr und bringt sie mir her, schon habe ich ein schönes Kleid für sie bereitet?“ Da traten zwei Sklavinnen hervor: die eine hieß Balid und die andere Suwad Alein, es waren die angesehensten und der Prinzessin liebste Sklavinnen unter allen, und sagten: „Wir wollen zu ihr gehen und sie hierher bringen.“

Die Prinzessin erlaubte es ihnen; sie gingen daher fort, nachdem sie ihre kostbarsten Kleider angezogen hatten, und klopften an dem Hause der Alten. Diese kam zu ihnen heraus, erkannte sie sogleich und drückte sie in ihre Arme, freute sich mit ihnen und erwies ihnen viele Ehre, denn sie wußte, wie hoch sie bei der Prinzessin standen. Als sie sich niedergelassen hatten, sagten sie: „O Amme! die Prinzessin hat dir verziehen, und bereut, was geschehen; sie sehnt sich wieder nach dir, denn sie erinnert sich der Erziehung, die du ihr gegeben, und der Zärtlichkeit, die du für sie hattest. Sie hat daher befohlen, dich mit Ehre zu ihr zurückzubringen, und schon hat sie ein schönes Kleid für dich bereitgelegt, das nur für dich paßt. Komm also mit zu ihr.“ Die Alte sprach: „Das kann nie sein und müßte ich den Todeskelch trinken. Wie kann ich zu ihr zurückkehren, nachdem sie mich vor meinen Freunden und Feinden so behandeln ließ, daß ich in meinem Blute schwamm und beinahe starb; ließ sie mich nicht wie eine Hündin an den Füßen zum Schloß hinausschleppen! Bei Gott! ich werde nie zu ihr zurückkehren, noch sie mehr bedienen, selbst wenn sie meine Augen mit Gold und Silber füllte!“ Die Sklavinnen sagten ihr: „O Amme; das ist nicht schön von dir; wir sind nun einmal deshalb zu dir gekommen, wo bleibt die Ehre, die du uns schuldig bist? Bedenke, wer zu dir gekommen ist! Gibt es eine höhere Person, als wir bei der Prinzessin sind?“ Sie antwortete: „Gott, der Allwissende, bewahre mich vor dem schlimmen Satan! Ich weiß, bei Gott, daß ich nicht so viele Ehre verdiene, und daß, wenn die Prinzessin mich nicht wieder auf eine hohe Stufe stellen wollte, sie euch nicht geschickt hätte. Aber immerhin werde ich in einem schlechten Ansehen bei ihren Dienern und Sklavinnen stehen, während früher der erste unter ihnen vor Angst starb, wenn ich ihn nur anschrie.“ Eine der Sklavinnen erwiderte: „Höre meinen Rat! Wisse, das Sprichwort sagt: Küsse die Hand, die du nicht beißen kannst! Bedenke daher, daß die Prinzessin noch jung und rasch ist; wenn sie aufgebracht wird, so wird sie dir andere Boten schicken, dich mit Gewalt holen und umbringen lassen: wer kann es ihr verbieten; wenn wir zurückkommen und ihr sagen, du wollest nicht kommen, so würde es dir gewiß nicht gut gehen. Komm also mit uns und sträube dich nicht länger.“

Als die Alte diese Worte hörte und sie wahr fand, sagte sie: „Bei Gott! wäret ihr nicht gekommen und ständet ihr nicht in so hohem Ansehen, ich wäre nicht zu ihr zurückgekehrt, und hätte sie mich auch umbringen lassen.“ Sie dankten ihr; die Alte aber machte sich sogleich auf und ging mit ihnen. Als sie zur Prinzessin kam, blieb sie in einiger Entfernung stehen, sah sie an und sprach: „Bei Gott! meine Gebieterin, ich verdiene nicht so viel Ehre; die Schuld ist auf meiner Seite und die Großmut auf der deinigen.“ Die Prinzessin aber sprach: „Bei Gott, o Amme! dein Ansehen ist groß bei uns, ich bin dir meine Erziehung schuldig; doch du weißt, Gott hat drei Dinge geschaffen, die er unter die Menschen verteilt hat: den Charakter, die Lebensnotdurft und den Tod; der Mensch kann nichts daran verbessern. So konnte ich mich auch nicht beherrschen und meinen Zorn zurückhalten; aber bei Gott, o Amme! ich bereue, was ich getan.“ Die Amme stand nun auf und küßte die Erde vor ihr, die Prinzessin aber ließ ein schönes Kleid bringen, überreichte es der Amme, und alle Diener und Sklavinnen freuten sich. Als dieses Gespräch zu Ende war, sagte die Prinzessin: „Wie steht's mit den Früchten? Ich glaube, die in unserem Garten sind reif.“ Da sagte die Alte: „O Herrin, es ist nun die Zeit, in der wir jedes Jahr in den Garten gehen; ich will mich heute erkundigen und euch Antwort bringen.“ Sie nahm dann wieder einen noch ehrenvolleren Platz ein, als früher. Sie ging sogleich zum Prinzen, der ihr freudig entgegenkam und sie umarmte. Seine Augen strahlten vor Freude, denn er hatte sie mit Sehnsucht erwartet. Als sie sich niedergelassen, erzählte sie ihm, was zwischen ihr und der Prinzessin vorgefallen, wie sie von ihr beschenkt worden, und daß sie nun morgen oder übermorgen in den Garten gehen wolle. Sie fragte ihn, ob er, wie sie ihn geheißen, dem Wächter Geschenke gemacht. Er antwortete: „Ja, er ist mein Freund.“ Er erzählte auch, was der Vezier getan und wie er den Traum der Prinzessin habe malen lassen.

Als die Alte diesen Plan hörte, gefiel er ihr, und sie freute sich sehr; sie sagte: „Bei Gott! weise diesem Freunde eine Stelle mitten in deinem Herzen an; denn diese Handlung beweist, daß er viel Verstand hat und gut zu raten versteht; das ist das Werk eines Fürsten und wird dich zum Ziele führen. Nun, mein Sohn, mache dich sogleich auf, geh ins Bad und ziehe deine schönsten Kleider an, denn es bleibt uns kein anderes Mittel mehr; gehe zum Wächter und mache, daß er dich in den Garten läßt. Bist du einmal darin, so suche ein Mittel, daß er dir darin zu übernachten erlaubt. Tue das aber gleich; denn hört einmal der Wächter, daß die Prinzessin in den Garten kommt, so darfst du ihm -die ganze Welt schenken, er wird dich nicht eintreten lassen, aus Furcht, sie möchte ihn umbringen lassen, und man könnte es ihm gar nicht übel nehmen. Kämpfe nur dafür, daß du im Garten übernachten darfst, und müßtest du ihn mit allem, was du besitzt, bestechen. Hast du dies erlangt, so verbirg dich im Garten an dem und dem Platze, bis du mich rufen hörst: O du mit verborgenen Reizen, befreie mich von meiner Furcht. Tritt alsdann hervor und zeige deine Schönheit; vielleicht, wenn sie dich sieht, wird ihr Herz dich lieben, du erreichst dein Ziel und deine Qual hat ein Ende.“ Der Prinz versprach, ihr zu gehorchen, gab ihr einen Beutel mit fünfhundert Dinaren und sprach: „Verrichte deine Geschäfte damit.“ Sie schwor, sie werde ihn nicht nehmen; der Prinz aber bestand darauf, sie müsse ihn nehmen; sie nahm ihn daher und kehrte wieder zur Prinzessin zurück. Der Prinz ging dann ins Bad und zog sein schönstes Kleid an, wie es nur die größten Könige tragen. Seine Wangen waren rot, seine Augen strahlten Liebe, seine Lippen schmachteten, er neigte sich lieblich hin und her mit seinem schönen Wuchs und er war von allen Seiten vollkommen schön. Er steckte dann 1000 Dinare zu sich und ging nach dem Garten. Als der Wächter ihn sah, freute er sich sehr, stand vor ihm auf, bewillkommte und grüßte ihn. Der Prinz stellte sich zornig; er fragte ihn daher, was er habe. Der Prinz antwortete: „O Scheich! ich wurde zu jeder Zeit bis auf den heutigen Tag von meinem Vater geliebt und in Ehren gehalten; heute aber hatten wir einen Wortwechsel, er schimpfte und schalt auf mich, schlug mich mit einem Stock und jagte mich aus dem Hause. Da ich nun keinen Freund und keinen Verwandten habe, an den ich mich wenden könnte, denn ich bin ja hier fremd und fern von meiner Familie, da ich ferner dachte: Wenn ich mich fremden Leuten anschließe, so wird mein Vater noch aufgebrachter gegen mich werden und die Sache wird schlimme Folgen haben, denn er ist ein sehr mißtrauischer Mann und würde leicht irgendeine Tücke des Schicksals befürchten: so schwor ich, mit keinem von Gottes Geschöpfen Freundschaft anzuknüpfen, und kam zu dir, o mein Onkel! Weil mein Vater dich als einen guten Mann kennt, damit du mir den Garten öffnest, daß ich bis abends darin verweile und darin übernachte, bis Gott zwischen mir und meinem Vater Frieden machen wird, und er erfahre, daß ich mit niemanden Freundschaft angeknüpft und nur im Garten geschlafen habe.“

Als der Alte dies hörte, schmerzte es ihn sehr, und er sagte: „Herr, ich will zu deinem Vater gehen und zwischen euch den Frieden herstellen.“ Der Prinz aber sprach. „Mein Vater hat eine unerträgliche Heftigkeit, und wenn du dich ihm in der Hitze seiner Leidenschaft vorstellst, so wird er sich nicht bereden lassen, weder von dir, noch von sonst jemanden: ich kenne ihn zu gut. Sind aber ein paar Tage vorüber, so wird er sich besänftigen lassen, und wenn du zu ihm gehst, so wird er dir Gehör geben.“ Der Alte sagte.- „Ich bin bereit zu gehorchen; doch geh mit mir in mein Haus, du kannst bei meiner Frau und meinen Kindern übernachten; dein Vater kennt mich ja und weiß, daß ich ein alter Mann bin, der Familie hat und wird es nicht übel nehmen.“ Der Prinz sagte: „Ich werde nirgends als in diesem Garten allein schlafen.“ Der Alte versetzte: „Bei Gott! Herr, es tut mir leid, dich allein hier schlafen zu lassen, während ich bei meiner Familie übernachte.“ Der Prinz aber wiederholte: „Ich tue das absichtlich, um meines Vaters Verdacht zu zerstreuen; ich weiß, daß ich dadurch sein Herz wieder gewinnen werde.“ Da sagte der Alte: „So will ich dir ein Bett bringen, worauf du schlafen kannst“, und der Prinz antwortete: „Das kann nichts schaden.“ Der Alte öffnete ihm die Türe, führte ihn in den Garten und brachte ein Stück Bett und eine Decke, denn er wußte noch nicht, daß die Prinzessin in den Garten kommen wolle. Das ist was ihn betrifft; was aber die Alte angeht, so ging diese zur Prinzessin und sagte ihr, die Früchte seinen reif. Die Prinzessin sprach: „Nun, so wollen wir nach unserer Gewohnheit in den Garten spazieren gehen, und zwar morgen, so Gott will; benachrichtige nur den Wächter davon.“ die Amme schickte nach ihm, und als er kam, sagte ihm die Prinzessin: „Wir wollen in den Garten gehen; schaffe also alle deine Diener hinaus, laß kein Geschöpf Gottes im Garten und mache ihn recht rein.“ Der Wächter sagte: „Ich habe gehört und gehorche“, ging zum Prinzen und sprach zu ihm: „Mein Sohn, die Prinzessin hat nach mir geschickt und mir gesagt, ich solle niemanden im Garten lassen, denn sie wird ihn mit ihren Sklavinnen besuchen; überlege nun, was du beginnen willst, Herr.“ Der Prinz entgegnete: „Ist dir jemals durch uns etwas Unangenehmes zugestoßen?“ - „Nein, bei Gott, Herr, nichts als Wohltaten und Geschenke.“ - „Nun, so wird dir auch in Zukunft nur Gutes durch uns zuteil werden. Ich will mich im Garten verbergen, daß kein Mensch und kein Djinn mich sehen soll, bis die Prinzessin ihn wieder verläßt.“ - „Wenn sie dich, oder nur deinen Schatten sieht, läßt sie mir den Kopf abschlagen - „Ich will mich so verbergen, daß kein Mensch mich sehen soll; sei nur guten Mutes.“ Bei diesen Worten reichte er ihm hundert Dinare und sagte: „Gib das aus und mache es deiner Familie bequem; laß dir wohl sein: Alles wird nur zu deinem Besten gereichen Als der Alte die hundert Dinare sah, wurde ihm leicht zu Mute; er warnte daher den Prinzen noch einmal, sich gar nicht zu zeigen, und ging fort.

Als es früh Morgens war, kamen die Diener und Sklavinnen zur Prinzessin; sie befahl ihnen, die Türe zu öffnen, die vom Schloß in den Garten führte, zog die kostbarsten königlichen Kleider an, aus Seidenstoffen mit Gold gestickt, mit Perlen und Rubinen usw. besetzt. Sie war so schön, daß sie Sonne und Mond beschämte. Auf ihrem Kopf trug sie eine Krone von frischer Aloe, mit Gold und Juwelen besetzt; sie legte ihre Hand auf den Hals der Alten, um durch die geheime Ihr in den Garten zu gehen. Da sah die Alte den Garten voll mit Dienern und Sklavinnen und sagte zur Prinzessin: „O meine Gebieterin! ist das ein Garten oder ein Spital?“ Die Prinzessin fragte: „Was willst du damit sagen, o Amme?“ Diese antwortete: „Der Garten ist so mit Dienern und Sklavinnen angefüllt; es sind etwa fünfhundert Diener und fünfhundert Sklavinnen da, die essen die Früchte, trüben die Bäche, verscheuchen die Vögel und stören uns in unseren Spielen und Spaziergängen; was bedarfst du ihrer? Gingest du von deinem Schloß auf die Straße, so würde deine Würde dieses Gefolge notwendig machen; hierher kamst du jedoch durch die geheime Tür, und kein menschliches Geschöpf Gottes sieht dich hier.“ Die Prinzessin sagte: „Bei Gott, o Amme! du hast recht; doch was ist zu tun?“ Die Amme antwortete: „Ich will die Diener und Sklavinnen wegschicken.“ Dies geschah, und es blieben nur ihre zwei liebsten Sklavinnen bei ihr.

Als die Alte nun Zeit und Ort günstig fand, sagte sie: „Komm, jetzt können wir hübsch spazieren gehen, meine Gebieterin.“ Die Prinzessin machte sich auf, legte ihre Hand auf die Schultern ihrer Amme, die zwei Sklavinnen aber gingen voraus und klatschten mit den Händen; die Prinzessin lachte mit ihnen und wiegte sich im Gehen. Die Alte führte sie herum und scherzte mit ihr, zeigte ihr die Bäume, reichte ihr Früchte und machte sie auf das Zwitschern der Vögel aufmerksam, bis sie an das alte Schloß kam. Als die Prinzessin dieses Schloß hübsch neu fand, sprach sie: „O Amme, ich sehe dieses Schloß wieder fest gemauert und die Wände und Altane frisch angestrichen und glänzend bemalt.“ Die Alte sagte: „Bei Gott! meine Gebieterin, du erinnerst mich wieder an das, was ich vergessen hatte. Ich habe nämlich von einem Kaufmann gehört, der Wächter habe Waren von ihm gemietet, sie verkauft und mit dem erlösten Geld dieses Schloß wieder aufbauen und malen lassen. Ich sah, wie der Kaufmann sein Geld von dem Wächter forderte, und hörte diesen sagen: Wenn die Prinzessin in den Garten kommt, will ich dich bezahlen. Ich fragte ihn hierauf: Warum hast du das Schloß hergestellt? und er antwortete: Bei Gott! ich sah den Grund ganz zerfallen und die Mauern gespalten.“ Die Prinzessin sprach: „Hast du ihn nicht gefragt, was er dabei beabsichtigte Die Alte antwortete: „Ich habe ihn gefragt, und er hat mir gesagt, er wolle den Platz recht schön machen lassen, und erwarte dafür den Lohn von dir, Prinzessin, die die Güte selbst sei; er hatte wohl keinen anderen Zweck, als die Hoffnung auf deine Gnade und Wohltaten.“ Die Prinzessin sprach: „Bei Gott! er hat etwas Gutes getan; durch das Aufbauen dieses Schlosses ist der ganze Platz verschönert; wie glänzen nun die Mauern und wie hübsch sieht das aus! Wir wollen ihm auch seinen schönen Lohn dafür geben.“ Sie befahl hierauf einer Sklavin, hundert Dinare herbeizuschaffen, und schickte die Amme nach dem Wächter. Als sie zu ihm kam, sagte sie: „Die Prinzessin will dich sprechen.“ Als er dies hörte, fürchtete er sich sehr, denn er dachte bei sich selbst: Die Prinzessin hat den jungen Mann gesehen; bei Gott! dies ist ein Unglückstag für mich. Er nahm weinend von seiner Familie Abschied und ging zur Prinzessin mit blassem Gesicht und so heftig zitternd, daß er fast umfiel. Als die Alte dies merkte, kam sie ihm zuvor und sagte: „O Scheich, küsse die Erde, danke dem erhabenen Gott und bete für die Prinzessin! Gott bewahre ihre Unschuld und mache ihr im Himmel ihre Rechnung leicht! Ich habe ihr gesagt, wie du Schulden gemacht hast, um dieses Schloß herzustellen, darum beschenkt sie dich auch mit hundert Dinaren, nimm sie von ihrer Sklavin, bete für sie und küsse die Erde vor ihr.“ Als der Alte diese Worte hörte, küßte er die Erde vor der Prinzessin, nahm die hundert Dinare und ging vergnügt nach Hause; seine Leute aber freuten sich mit ihm, und sie beteten zusammen für den, der die Ursache von allem war. Das ist's, was diese betrifft. Die Alte aber sagte zur Prinzessin: „Bei Gott! Herrin, nun ist dieser Ort einer der schönsten, die es gibt; komm, wir wollen uns ein wenig im Schloß umsehen.“ Sie gingen dann miteinander ins Schloß, wo die Prinzessin die schöne Malerei bewunderte und sich nach allen Seiten umsah, bis ihr Blick auf den gemalten Traum fiel; sie betrachtete ihn lange und sah immer danach hin; die Amme aber, die dies bemerkte, nahm die zwei Sklavinnen zu sich, damit sie nicht störten. Als die Prinzessin den ganzen Traum bis zu Ende gesehen hatte, wendete sie sich zur Alten und sprach: „O meine Amme! sieh einmal hier etwas; wenn es mit einer Nadelspitze aufs Auge gegraben wäre, so könnte jeder sich daran belehren.“ Die Alte fragte: „Was ist's, meine Gebieterin?“ Diese antwortete: „Habe ich dir nicht einst einen Traum erzählt, der die Ursache meines Hasses gegen die Männer war?“ - „Ja, Prinzessin“, sagte die Alte, „du tatest es.“ - „Nun“, versetzte diese, „komm und sieh dich einmal hier um und sag mir dann, was du gesehen.“ Die Alte betrachtete die Malerei, ging erstaunt zur Prinzessin und sagte ihr: „Me ine Gebieterin, hier ist der Traum im Garten, wie du ihn beschrieben hast, mit dem Vogelfänger, dem Netz und den Vögeln. Doch ich bewundere weder die Malerei, noch den Traum, sondern nur den Maler, der ihn nicht besser hätte zeichnen können, wenn du ihm ihn selbst erzählt hättest. Bei Gott! das ist wunderbar. Der Engel, der über Menschen und andere Geschöpfe wacht, hat wohl gehört, wie wir das Männchen mit Unrecht anklagten, daß es nicht zum Weibchen zurückkehrte, um es zu befreien; er hat daher diesen Traum hergemalt, um die Unschuld des Männchens zu beweisen und zu zeigen, was die Bestimmung über das Männchen verfügt.“

Die Prinzessin sprach: „Nun ist es entschuldigt, und wir denken nichts Böses mehr von ihm.“ Die Alte sagte: „O meine Gebieterin! es gibt nichts Zärtlicheres auf der Welt, als ein Männchen gegen sein Weibchen, bei allen Geschöpfen Gottes, besonders aber bei den Menschen. Oft hungert der Mann, um die Frau zu speisen, er bleibt nackt, um sie zu kleiden, erzürnt lieber seine Eltern, um sie zu befriedigen; sie fällt ihm an die Brust und er umarmt sie, sie können nicht mehr getrennt leben, er wird ihr dann teurer als ihre Familie und Kinder. So war einst ein König, der seine Frau so sehr liebte, daß, als sie starb, er aus Liebe sich mit ihr beerdigen ließ. So starb auch einst ein König, und als man ihn beerdigen wollte, sagte seine Frau zu ihren Leuten: „Laßt mich mit ihm das Grab teilen, wenn ihr nicht wollt, daß ich mich töte! Als sie sahen, daß sie dies ernstlich wollte, zogen sie ihr die hübschesten Kleider und den reichsten Schmuck an, und aus Liebe begrub sie sich selbst mit ihm.“

Die Alte fuhr dann fort, ihr von den Männern und Frauen zu erzählen, bis aller Männerhaß im Herzen der Prinzessin verschwunden war, und sie sprach: „O meine Amme! der arme Vogel, wir haben ihm Unrecht getan, und seinetwillen alle Männer gehaßt; nun sehen wir, daß er unschuldig war. Bei Gott, ich will die Männer nicht mehr hassen.“

Als die Alte merkte, daß kein Männerhaß mehr im Herzen der Prinzessin geblieben, sagte sie: „Wir haben uns nun hier genug umgesehen: nun laß uns auch im Garten zwischen den Bäumen spazieren gehen.“ Die Prinzessin machte sich auf, ging mit ihr, und man konnte so recht ihre Schönheit, Liebenswürdigkeit, ihren hübschen Wuchs und das Ebenmaß ihrer Glieder bewundern, als ein Blick des Prinzen auf sie fiel. Er starrte sie an und verlor seine Besinnung; seine Liebe zu ihr erreichte die höchste Stufe und er fiel ohnmächtig hin. Als er wieder zu sich kam und die Prinzessin verschwunden war, seufzte er tief. starb fast vor Sehnsucht und sprach folgende Verse:

„Als meine Augen ihre Reize sahen, wurde ich Liebesgefesselter ohnmächtig. Ich wurde wie ein Toter, der auf der Erde liegt, und meine Geliebte wußte nichts davon. Sie ging fort und zerstörte ein Herz, von Liebe gebunden; o dürfte ich doch nur ihr Sklave sein! O Herr! vereinige uns bald und verschaffe mir Hilfe durch meine Geliebte, ehe ich ins Grab steige. Ich werde nicht aufhören, sie zu lieben, bis sie mich tötet; vielleicht wird sie dann Mitleid mit mir haben und mich wieder ins Leben zurückrufen. Ich komme ihr zehn- und zehnmal entgegen, um ihretwillen ertrage ich Sehnsucht und Liebespein. O hilf mir durch ihre Liebe; denn, lebe ich ohne Hoffnung, so reicht mir die Liebe den Todeskelch. Tränen fließen stets aus meinen verwundeten Augen, die der Blindheit nahe sind. Ich kenne keinen Schlaf in den langen Nächten, ich durchwachte sie lieber, in meine Liebe vertieft. Selbst meine Feinde haben Mitleid mit mir, wenn sie den Gram sehen, den mir die Trennung verursacht. Wenn nur die Zeit einen einzigen Tag der Vereinigung brächte, gern wollte ich ihr mein Leben geben und ihr Sklave werden. Gott beschütze die Vereinigungstage und ihre Süßigkeit! und es lebe die Zeit, die mein Verlangen stillt.“

Die Alte führte die Prinzessin auf allen Seiten des Gartens umher, bis sie wieder an die Stelle kamen, wo der Prinz verborgen war. Da rief sie: „O du mit verborgenen Reizen! befreie mich von meiner Furcht.“ Als der Prinz diese Worte vernahm, verließ er die Stelle, wo er verborgen war, und trat in seiner ganzen Schönheit und in der Anmut seines Wesens zwischen den Bäumen hervor, so daß seine Schönheit den Mond beschämte. Die Prinzessin ging eben majestätisch einher, als ihr schöner Blick auf den Prinzen fiel. Sie betrachtete ihn lange, wie seine Augen die Sprache der Liebe redeten, wie seine Augenbrauen sich wölbten und seine Wangen sich färbten; sie fand ihn so schön, anmutig und hübsch gewachsen, daß sie ihren Verstand verlor, und die Pfeile seiner Augen ihr Herz verwundeten. Sie wandte sich zur Alten und sagte ihr: „O Amme! woher kommt dieser schöne Jüngling mit wunderschönem Wuchs, gleich dem Vollmond oder einem Licht in der Dunkelheit?“ Die Alte fragte: „Wo ist er?“ Die Prinzessin erwiderte: „Hier in unserer Nähe zwischen den Bäumen.“ Die Alte sah sich rechts und links um, als wüßte sie von nichts. Dann sprach die Prinzessin: „Wie mag er in den Garten gekommen sein?“ - „Ich weiß nicht.“ - „Wer ist wohl dieser junge Mann?“ - „Meine Gebieterin! er ist der, der die Briefe schickte.“ - „Bei Gott, meine Amme, er ist ein sehr hübscher Mann, es gibt auf der ganzen Erde keinen schönern; ist er wohl noch wie er war, oder hat er sich veränderte - „Bei Gott, meine Gebieterin, ich bin ihm vor drei Tagen erst auf der Straße begegnet, grüßte ihn und fragte nach seinem Befinden; er aber erwiderte mir: Gott war mir gnädig, und hat mir gegen alles dieses Kraft gegeben, d. h. gegen die Liebe, Sehnsucht und Verzweiflung. Es ist ihm, als hätte er sie nie gekannt, und es fällt ihm gar nichts mehr davon ein, gelobt sei Gott!“ Als die Prinzessin dies hörte, beugte sie den Kopf lange zur Erde; die Liebe bemächtigte sich ihres Herzens, es pochte heftig und sie sprach: „O Amme! vielleicht ist es später anders mit ihm geworden, oder vielleicht hat er die Wahrheit nicht gestandene Die Alte antwortete: „Bei Gott! ich habe ihm gesagt, so lang die Geliebte nicht erhört, dauert Liebe fort; er aber hat nur erwidert: Bei Gott! mein Herz denkt nicht mehr daran, denn der erhabene Gott hat meine Liebe in Haß verwandelt. „ Die Prinzessin schwieg und machte sich Mut, dies half jedoch nichts, denn sowie sie wieder einen Blick auf den Prinzen warf, brachten sie seine Schönheit und anmutsvolle Gestalt in Verwirrung, und sie sprach: „O Amme, winke ihm mit der Hand, daß wir ihn näher sehen.“ Die Alte antwortete: „Er wird nicht wollen und mich nicht anhören.“

Die Prinzessin beugte dann beschämt ihren Kopf zur Erde und enthielt sich weiterer Bitten, das Feuer der Leidenschaft aber raste in ihrem Inneren. Doch machte sie sich stark, um wieder einen Blick auf ihn zu werfen; sie wurde jedoch abermals von der Liebe besiegt, die Pfeile seiner Augen trafen sie und sie verlor ihre Stärke. Sie ergriff dann die Hand der Amme und sagte: „In meinem ganzen Leben bedarf ich deiner zum erstenmale, und du versagst mir deine Hilfe?“ Die Amme antwortete: „Bei Gott, meine Gebieterin, es ist kein schlechter Wille; gibt es für die Sklaven eine größere Freude, als ihrer Herrin willfahren zu können? Ich fürchte, er wird mich beschämen und meine Bitte nicht anhören, ich möchte lieber sterben, als mit einer schnöden Antwort zu euch zurückkehren. Doch ich will zu ihm gehen und in ihn dringen.“

Mit diesen Worten ging sie zum Prinzen, der die Prinzessin lachen gesehen hatte, und sagte ihm: >,Die Prinzessin ist von einer unauslöschlichen Flamme ergriffen, komm nur zu ihr und klage ihr deine Lage. Die Tage des Briefwechsels sind nun vorüber, jetzt kommen die der Vereinigung und der Vorwürfe.“ Der Prinz machte sich auf, außer sich vor Freude wegen der guten Botschaft; er glaubte zu träumen und wollte sogleich mit der Alten zur Prinzessin gehen. Die Alte aber sagte: „Halt, du gehst noch nicht mit, sie muß zu dir kommen; denn nun ist die Reihe an ihr, um Liebe zu flehen.“ Der Prinz sagte im Übermaß seiner Liebe und in der Heftigkeit seiner Flamme: „Laß mich doch zu ihr gehen und ihr meine Aufwartung machen.“ Die Alte aber versetzte: „Folge nur meinem Rat und bleibe hier ruhig sitzen.“ Der Prinz gehorchte ihr ungern, und die Alte kehrte allein zurück.

Als sie der Prinzessin nahe war, sprach diese: „O Amme, ich sehe dich mit kaltem Gesicht zurückkehren.“ Die Alte erwiderte: „Habe ich dir nicht gesagt, er wird mich beschämen und nicht kommen wollen?“ Die Prinzessin aber sprach: „Wärest du mit Ernst und ganzem Herzen zu ihm gegangen, er hätte sich nicht geweigert.“ Die Alte versetzte: „O meine Gebieterin! als er am Anfang Lust hatte, wünschte er nichts mehr, als daß du ihm gnädig erlauben möchtest, vor dir zu erscheinen; er wäre damals auf den Augen zu dir gegangen, nun aber ist seine Lust vorüber, und du verlangst nach ihm, komm also, wir wollen zu ihm gehen; vielleicht wird er sich vor dir schämen, wenn du selbst zu ihm gehst.“ Die Prinzessin sprach: „O Amme, wie kann ich zu ihm gehen? ich bin eine Jungfrau, kenne nur meinen Vater und dich, wie soll ich mich vor einem fremden Jüngling erniedrigen? was soll ich ihm sagen? wie kann sich mein Auge zu dem seinigen erheben? wie meine Zunge ihn anreden? Das kann nie sein, und müßte ich den Todeskelch trinken! Ich weiß kein Mittel und überlasse dir meine Angelegenheit.“ Die Amme sagte: „O meine Gebieterin, bei Gott, ich weiß kein anderes Mittel, als daß du zu ihm gehst, und niemand kann dies tadeln. Komm nur mit, ich will vorausgehen und für dich mit ihm sprechen; du brauchst nicht zu erröten.“ Die Prinzessin sprach: „Nun, o Amme, so geh mir voran. Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! Gott hat das über uns verhängt.“

Die Alte machte sich dann auf und die Prinzessin folgte ihr zum Prinzen, der wie der Vollmond dasaß. Da sagte die Alte: „Junger Mann, sieh einmal, wer vor dir erscheint: es ist die Prinzessin Hajat Alnufus (Seelenleben), die dir entgegenkommt; steh also vor ihr auf!“ Der Prinz stand bei diesen Worten auf, und die Alte ließ sie allein. Als sie nun einander gegenüberstanden und ihre Augen sich begegneten, waren beide von Liebe und Sehnsucht trunken; sie umarmten sich, fielen in Ohnmacht, und blieben lange auf der Erde liegen. Da die Alte fürchtete, sie möchten entdeckt werden, trug sie sie ins Schloß und sagte zu den Sklavinnen, die im Garten waren: „Benützt die Zeit zum Spaziergange, denn die Prinzessin schläft;“ und so gingen sie wieder fort. Als nun die Liebenden erwachten und sich im Schloß fanden, sprach der Prinz: „Wache oder träume ich?“ Sie umarmten sich wieder und klagten einander ihre Liebe und Sehnsucht; dann rezitierte der Prinz folgende Verse:

„Wenn das Licht der Sonne und das Leuchten des Mondes sich begegnen, wird das Firmament verdunkelt; wenn ihre strahlenden Wangen sich zeigen, wird die Morgenröte aus Scham blaß; und wenn bei ihrem Lächeln ein Blitz aus ihren Zähnen leuchtet, so wird die dunkle Abenddämmerung heller Morgen. Ihr Wuchs ist so ebenmäßig, daß, wenn sie erscheint, die Zweige des Ban eifersüchtig über sie werden. Der Mond besitzt nur einen Teil ihrer Reize, die Sonne wollte sie anfechten, konnte aber nicht. Wo hat die Sonne Hüften, wie sie die Königin meines Herzens hat? Wer besitzt gleich ihr solche schöne Form und solch herrliche Tugenden? Kein Liebender kann je ihrer Liebe widerstehen, mein Auge und mein Herz bezeugen es einstimmig! An sie war mein Herz durch Liebe gefesselt; schmachtet nicht jedes Herz vor Verlangen nach ihr?“ Als er diese Verse vollendet hatte, drückte sie ihn an ihre Brust und küßte ihn zwischen die Augen und auf den Mund. Dies gab ihm neues Leben. Dann klagte er ihr, was er gelitten vor heftiger Sehnsucht und tiefer Liebespein, Verzweiflung und Schlaflosigkeit in dunkler Nacht; wie ihn ihre Hartherzigkeit und lange Trennung geschmerzt. Als sie diese Worte hörte, küßte sie ihm Hände und Füße und sprach: „O Geliebter meines Herzens, o höchstes Ziel meiner Wünsche! die Trennung höre auf, Gott lasse sie nie mehr wiederkehren und mich alles Schlimme statt deiner treffen; er erhöre alle deine Wünsche. Wie leid tut mir, daß wir so viel Zeit verloren, ohne uns zu sehen. Welches Herz kann deine Entfernung ertragen? Wen erfüllt nicht mit Wonne die Süßigkeit deiner Umarmungen? Heftige Liebe hast du in mir erregt und eine heiße Flamme in meinem Busen angeschürt.“ Mit diesen Worten drückte sie ihn an ihre Brust und sprach noch folgende Verse:

„O du, der Mond und Sonne beschämt! Deine Anmut hat sich meines Herzens mit Gewalt bemächtigt, das Schwert deiner Blicke durchschneidet mein Inneres und ich weiß ihm nicht zu widerstehen. Ziehe den Bogen deiner Augenbrauen zurück, der mein Herz blutig getroffen! Deine Wangen und dein Wuchs gleichen einem blühenden Baumzweige mit schönen Früchten, haben mich verführt, so daß ich mich nicht mehr von dir trennen kann. Du hast mich lange gequält und mir schlaflose Nächte verursacht, am öffentlichen Tage wolltest du mich töten! Fern seien alle Schmerzen, verbannt die Trennung und stets freudig das Wiedersehen! O habe Mitleid mit einem zerrissenen Herzen, das, o Geliebter, deinen Schutz anfleht!“ Als sie ihre Verse vollendet hatte, wurde ihre Liebe entflammt, sie vergoß viele Tränen, schmachtete und war außer sich. Er näherte sich ihr und küßte ihre Füße, weinte und hatte Mitleid mit ihr. Sie sprachen dann miteinander, machten sich Vorwürfe und rezitierten Verse bis zur Asserstunde, als sie an das Weggehen denken mußten. Die Prinzessin sagte ihm: „O Licht meiner Augen und Innerstes meines Herzens, wann sehen wir uns wieder?“ Der Prinz, den diese Worte wie ein Pfeil trafen, sprach: „Bei Gott, ich liebe die Trennung nicht, meine Seele verläßt mich.“ Die Prinzessin sagte: „Bei deiner hohen Anmut und bei deinem schönen Antlitz! von dem Augenblick der Trennung wird der Schlaf mich fliehen und mein Herz in deiner Liebe versunken bleiben.“ Der Prinz aber ging aus dem Schloß. Er wandte sich noch einmal um und sah, wie die Prinzessin viele Tränen vergoß; er mußte ebenfalls heftig weinen und sprach folgende Verse:

„O Ziel meines Herzens! meine Flamme wird heftiger. O Leben der Seele! was ist zu tun? Auch wenn du nicht mit mir bist, begnüge ich mich mit deinem Bild im Traum. Dein Gesicht leitet die im Dunkeln Wandelnden wie der leuchtende Mond, während dein schwarzes Haar der Nacht gleicht. Deine Augen verbreiten das Licht des Tages, wenn sie nach den Edlen unter den Männern hinblicken. Ein Kuß von deinen Lippen ist wie Honig und Moschus und gewährt die süßesten Freuden. O Hajat Alnufus! befreie einen Gefesselten und beglücke ihn mit deiner Erscheinung im Traume!“ Als sie diese Verse hörte, umarmte sie ihn wieder und sagte: „Ich schwöre bei dem, der dich durch vollkommene Schönheit ausgezeichnet, daß ich ohne dich in der Mitte meiner Diener und Sklavinnen nicht leben kann; ich habe alle Geduld verloren, mein Herz ist auf heißen Kohlen und es ist mir, als ginge ich ins Grab. Doch die Leute sagen ein Sprichwort: Geduld ist der Schlüssel zur Freude. Wir wollen schon ein Mittel zur Vereinigung ersinnen, so Gott will.“ Sie nahm dann Abschied von ihm und ging fort, ohne zu wissen, wohin sie ihren Fuß setzte, vor Liebe und Gram. Als ihr Geliebter aus ihren Augen verschwunden war, wurde ihre Sehnsucht noch heftiger; sie ging in ihr Gemach, immer mit dem Prinzen beschäftigt.

Was den Prinzen angeht, so wuchs auch seine Leidenschaft immer mehr, so daß er die Süßigkeit des Schlafs nicht mehr kostete. Er erzählte dem Vezier, was vorgefallen, und schmachtete immer mehr. Auch die Augen der Prinzessin schlossen sich nicht mehr dem Schlafe, und sie wollte nichts essen. Als Gott den folgenden Morgen zum Guten heranleuchten ließ, schickte sie nach der Alten; als diese kam, fand sie die Prinzessin ganz verändert und fragte nach der Ursache. Die Prinzessin erwiderte: „Das alles ist deine Verführung, mein ganzes Unglück rührt von dir her, wo ist der Geliebte meines Herzens, der meinen Verstand besitzt?“ Die Alte antwortete: „Und wann hast du ihn denn verlassen? es ist ja erst eine Nacht seitdem verflossen.“

Die Prinzessin sagte: „O Amme, er ist so schön und liebenswürdig, daß ich gar keine Geduld habe, und ihn weder bei Tag noch bei Nacht, weder des Morgens noch des Abends vergesse; geh also und schaffe uns schnell wieder eine Zusammenkunft, denn ich bin in der schrecklichsten Qual und meine Seele ist dem Tode nahe.“ Die Alte sagte: „Habe Geduld, daß wir auf ein Mittel denken, wie die Sache verborgen bleibt, damit deinem Ruf nicht geschadet wird.“ Sie antwortete: „Es bleibt nichts mehr zu verbergen übrig, seitdem die Liebe sich meines Herzens bemächtigt hat und meine Neider schadenfroh werden.“

Es sagt der Erzähler: Dann fuhr die Prinzessin fort: „Wenn du uns nicht zusammenbringst, so werde ich dem König sagen, daß du mich verführt hast, und er wird dir den Hals abschlagen lassen; denn wärest du nicht gewesen, so hätte ich doch Ruhe vor allem diesem.“ Die Alte entgegnete: „Bei Gott, meine Gebieterin, habe doch nur ein wenig Geduld, denn das ist eine ernste Sache.“ Sie flehte dann solange, bis die Prinzessin ihr drei Tage Frist gestattete. Diese aber setzte hinzu: „Wisse, o Amme! daß mir diese drei Tage wie drei Jahre vorkommen, und gehen die vorüber, ohne daß du mir ihn bringst, so lasse ich dich umbringen.“ Die Alte ging in ihre Wohnung und überlegte die Sache.

Am folgenden Morgen suchte sie Kammermädchen auf, die ihr Salben und Farben gaben, öffnete eine Kiste, nahm Frauenkleider heraus und ging damit zum Prinzen. Sie klopfte an der Tür; er kam zu ihr heraus, freute sich, sie wiederzusehen, und fragte sie, wie sie sich befinde? Sie sagte ihm: „Mein Sohn, willst du eine Zusammenkunft mit der Prinzessin haben?“ Er antwortete: „Wie soll ich das nicht wünschen, da mein Leben dem Untergang nahe ist?“ Sie hieß ihn hierauf seine Kleider ausziehen. Als er dies getan, bemalte und färbte sie ihm Hände und Füße, reichte ihm ein königliches Kleid, putzte ihn wie ein Frauenzimmer auf, gab ihm goldene Armbänder und lehrte ihn, wie er als Frauenzimmer gehen müsse. Er ging eine Weile vor ihr her und glich einer Huri aus dem Paradies. Die Alte freute sich sehr und sagte: „Nun bleibt uns noch eins übrig: du mußt nämlich recht herzhaft sein, denn du kommst nun in ein königliches Schloß und wirst viele Diener und Kammerherrn des Königs an der Tür treffen. Wenn du zu schnell gehst, so ist's um uns geschehen. Hast du also nicht den Mut dazu, so sage es, damit ich eine andere List ersinnen kann.“ Der Prinz antwortete: „Wisse, mein Vater ist ein Kaufmann, der gewöhnt ist, mit allen Leuten, auch mit Fürsten und Königen, umzugehen; das macht mir gar keine Sorge, sei nur frohen Herzens.“

Als er dies gesagt hatte, ging er voran und sie folgte ihm. Da das Schloß mit Menschen angefüllt war, sah ihn die Alte an, ob er in Verlegenheit gekommen; sie fand ihn aber gar nicht verändert und er glich einer Huri. Sie war froh darüber. Als der Pförtner sie sah, erkannte er sie, da er aber noch ein Mädchen bei ihr erblickte, dem weder die Sonne noch der Mond an Schönheit verglichen werden konnte, sagte er: „Was die Alte betrifft, so ist sie die Amme; was aber die betrifft, die mit ihr geht, so kenne ich niemanden, der ihr gliche, als die Prinzessin, und die lebt zurückgezogen in ihrem Zimmer. Ich möchte doch wissen, wie sie auf die Straße gekommen ist, sie geht ja nie aus.“ Er stand dann auf, um die Wahrheit zu erforschen, ihm folgten etwa dreißig Diener mit gezogenen Schwertern. Als die Alte dies sah, sprach sie: „Ich bin Gottes und kehre zu ihm zurück, es ist um uns geschehend Der Pförtner erinnerte sich indessen der Strenge der Prinzessin, ihn überfiel die Furcht, und er dachte: Gewiß hat ihr der König erlaubt auszugehen, und zwar nach ihrem Wunsch, ohne daß jemand etwas davon wisse, was liegt mir daran; und so kehrte er wieder mit seinen Dienern um. Die Alte aber ging mit dem Prinzen immer vorwärts, und so oft sie jemanden begegnete, grüßte sie ihn mit dem Kopfe.

So kamen sie nun von einer Pforte zur andern, bis sie endlich an die siebente kamen, welche in das größte Schloß führte, wo des Königs Thron war, von wo aus man zu des Königs Gemächern gelangte. Es sagt der Erzähler: Als sie hier angelangt waren, blieb die Alte stehen und sagte: „Mein Sohn! nun kommen wir in das königliche Schloß und wir müssen durch viele Gemächer gehen, ehe wir in das der Prinzessin kommen; dieser Weg ist gefährlicher als der, den wir zurückgelegt, und wir kommen nicht gut durch, bis es dunkel geworden ist, und uns der Aufseher nicht mehr bemerkt. „ Der Prinz sagte: „Du hast recht; doch sind wir nun hier, hast du das nicht vorher berechnete Sie antwortete: „Fürchte nichts; ich weiß hinter dieser Tür eine tiefe Höhle mit einer Falltür, wo es sehr finster ist; ich will dich hinunterlassen, und wenn es Nacht wird, wieder herausholen, daß wir weitergehen; und der uns im Anfang beschützt hat, wird uns auch am Ende beschützen.“ Der Prinz sagte: „Tu, was du willst.“

So ließ sie ihn dann in die Grube hinunter und verließ ihn bis abends, holte ihn dann wieder herauf und führte ihn durch die Pforte des Königsschlosses zu dem Gemach der Prinzessin. Die Alte klopfte hier an der Tür, und eine Sklavin kam heraus. Als sie ins Gemach der Prinzessin traten, fand sie schon den Saal vorbereitet, alle Gefäße waren aufgestellt, die Divans mit Kissen hergerichtet; Wachslichter brannten in goldenen und silbernen Leuchtern, Süßigkeiten und Früchte standen bereit, und das Zimmer war mit Ambra, Moschus, Aloe, Kampfer usw. beräuchert, Sie saß auf einem Sofa, dessen Lehne mit Straußfedern gefüllt war, im Glanze der Wachslichter und der Lampen, doch überstrahlte sie selbst das Licht der Sonne. Als sie die Amme sah, sagte sie: „Wo ist der Geliebte meines Herzens, der Gebieter meiner Seele?“ Sie antwortete: „Herrin, ich konnte ihn nicht dazu bereden, aber hier bringe ich dir seine Schwester.“ Die Prinzessin sprach: „Bist du wahnsinnig, was soll ich mit seiner Schwester tun?“ Die Alte aber sagte: „O meine Gebieterin, sieh sie einmal an, ob sie dir gefällt; wenn nicht, so führe ich sie wieder weg.“

Mit diesen Worten entschleierte sie ihm das Gesicht, und siehe da! es war der Prinz, der Geliebte ihres Herzens. Als sie ihn erkannte, stand sie auf, drückte ihn an ihre Brust und fiel in Ohnmacht. Die Amme bespritzte sie mit Rosenwasser und Kampferpulver, bis sie wieder zu sich kam; sie küßte ihn dann auf den Mund und zwischen die Augen und sprach folgende Verse:

„Der Geliebte meines Herzens besuchte mich in der Dunkelheit, ich stand ehrfurchtsvoll vor ihm auf, hieß ihn sitzen und sagte ihm: O du mein Verlangen! mein einziger Wunsch! du besuchst mich in der Nacht, fürchtest du die Wächter nicht? Er erwiderte: Wohl fürchte ich sie, doch die Liebe ist Herrin meines Herzens und Geistes. Wir umarmten uns und schliefen eine Weile so süß, daß uns fast die Seele schwand. Doch dürft ihr uns nicht im Verdacht haben: wir schütteln den Saum unsrer Kleider aus, und nichts Unreines ist darin.“

Als sie diese Verse vollendet hatte, sprach sie: „O Licht meiner Augen! o Innerstes meines Herzens! so sehe ich dich endlich in meiner Wohnung, kann mich endlich an deiner Nähe ergötzen.“ Die Liebe wurde dann so mächtig in ihr, daß sie folgende Verse rezitierte:

„Der Geliebte meines Herzens besucht mich in der Dunkelheit, nachdem ich lange seine Ankunft erwartet hatte. Er rief: Geliebte! und ich antwortete: Sei willkommen! Ich küßte aus Unterwürfigkeit die Füße des Geliebten und sein Gesicht, dem nichts Übles nahen kann. Ich habe in meinem Leben keine solche Nacht gesehen. o wie süß habe ich sie durchwacht! Gott vergelte ihm nun auch, wie er es verdient, und belohne ihn, bei meinen Augen! solange der Zephyr weht.“

Als sie diese Verse vollendet hatte, drückte er sie an seine Brust und umarmte sie; er legte seine Wangen auf ihre Füße, beugte sein Gesicht zur Erde, weinte vor Liebe und sprach folgende Verse:

„O einzige Nacht unseres Lebens, wie süß ist sie, sie ersetzt mir alle anderen meines Daseins; ich nehme aus den Kelchen, was rein und klar darin ist, und wenn sie leer sind, gebe ich sie wieder zurück. Mein Leben gehört ihr, solange es währt. O Gott bewahre uns vor weiterer Trennung, denn schon haben wir genug gelitten.“

Er fiel dann in Ohnmacht, sie aber warf sich über ihn her und küßte ihm Hände und Füße. Sie brachten so die Nacht beisammen zu, rezitierten Verse, unterhielten sich, tranken, küßten und umarmten sich - mehr nicht. - Als der Morgen leuchtete, nahmen sie die Gefäße weg, legten das Bett zusammen und reinigten das Zimmer. Die Prinzessin setzte sich auf ihren Stuhl und ließ die Tür öffnen. Die Diener erschienen wie gewöhnlich vor ihr, die Sklavinnen machten ihre Aufwartung und gingen wieder fort. Als dies geschehen war, schloß sie die Türen und richtete alles wieder her, wie es war. Sie tranken dann wieder und benützten die Zeit, rezitierten Verse und umarmten sich die ganze Nacht und den ganzen Tag, ohne daß etwas vorfiel, und ohne daß sie verraten wurden. Am folgenden Morgen stellten sie wieder Wein auf, und so ging das lange fort.

Als aber der Vezier nach mehreren Tagen den Prinzen nicht wiederkehren sah und nichts von, ihm hörte, fürchtete er, es sei ihm ein Unglück zugestoßen, das ihm selbst auch das Leben kosten würde. Er dachte: Mir bleibt nichts übrig, als nach Hause zu gehen, um den König von allem in Kenntnis zu setzen, damit er mich nicht anklage, und kehrte auch in der Tat in sein Land zurück. Der Prinz blieb indessen bei der Prinzessin, ohne daß etwas vorfiel. Erst nach Verlauf eines Monats dachte der Prinz: Bei Gott, ich bin in großer Gefahr; wenn das herauskommt, werde ich umgebracht werden; ich weiß nicht, wohin das führen soll. Das Beste ist, ich stelle ihr dies vor und warne sie vor weiterem Leichtsinn: ich werde dann hören, was sie dazu sagt.

Als in einer Nacht der Wein ihnen wohlschmeckte, sie in Liebe glühten und der Prinz betrunken war, sprach er zur Prinzessin: „O Gebieterin des Mondes, o du, die ich lieben darf, wisse, daß ich nun dir nichts mehr verbergen will, wir sind ja zwei Seelen in einem Körper.“ Sie sagte: „Gewiß“, und er fuhr fort: „So wisse, daß mein Vater kein Kaufmann und kein Handwerker ist, sondern der große König, der Herr der Erde in der Länge und in der Breite, und ich bin sein Sohn Ardschir; ich bin's, der deinem Vater meinen Vezier schickte, daß er um dich werbe; als er ohne Erfolg von euch zurückkam, zürnte mein Vater sehr und sprach. Ein Mann wie ich soll irgend einem König eine Botschaft schicken, und diese soll unverrichteter Sache zurückkommen? In seinem Zorn ließ er die Zelte zubereiten und die Truppen ausrüsten, um gegen euch zu ziehen. Da ich nun fürchtete, daß mein mächtiger Vater mit seiner zahlreichen Armee, mit seinen Reitern und Verbündeten euer Land verwüste, eure Güter plündere, eure Krieger erschlage und eure Frauen gefangennehme, und dachte, du möchtest dir selbst den Tod geben und ich meinen Zweck nicht erreichen, näherte ich mich ihm, küßte die Erde vor ihm und machte ihn davon abwendig, denn ich sagte ihm: O mein Vater, ich will selbst dahin gehen und meine Angelegenheit besorgen. Er antwortete dann: Nimm meinen Vezier mit dir, daß er dir mit seinem Rat beistehe; auch gab er mir viel Geld und viele Geschenke mit. Ich verließ mit dem Vezier die Stadt, verkleidete mich als Kaufmann, und es geschah mit dir, wie du wohl weißt; du warst so hart gegen mich, daß ich fast starb, und nun hat Gott dein Herz für mich erweicht und es mir zugeneigt. Wir sind jedoch in großer Gefahr; wenn, was Gott bewahre, die Sache herauskommt, so ist's um uns geschehen, denn die Leute sagen: Bis das Heilmittel aus Irak kommt, stirbt der von einer Schlange Gebissene, d. h. meines Vaters Hilfe würde zu spät kommen, darum will ich dir nun alles gestehen.“

Als die Prinzessin vernahm, daß er ein vornehmer Prinz sei, fiel sie, Gott dankend, zur Erde, denn sie hatte sich stets Vorwürfe gemacht, innerlich und laut, und zu sich selbst gesagt: „O Hajat Alnufus, ist es so Weit mit dir gekommen, daß du dich einem Kaufmann hingibst, der des Geldes willen in der Welt herumreist. Wenn dein Geheimnis entdeckt wird, wie wird deine Schande groß unter den Prinzessinnen sein. Wäre dies mit einem Prinzen geschehen, so wäre die Schuld so groß nicht, und es ließe sich verzeihend So hatte sie immer zu sich gesprochen, die Liebe zu dem jungen Mann war jedoch stärker als alles gewesen. Wie sie aber nun hörte, daß er ein Prinz sei, bewunderte sie seine lange Geduld und Verschwiegenheit und sagte ihm: „O mein Geliebter, wie geduldig bist du für einen Prinzen, da doch Prinzen gewöhnlich hochmütig sind. Wie lange hast du meine harten Briefe, meine Drohungen ertragen, während ein anderer nach Hause gegangen wäre und seines Vaters Truppen geholt hätte. Doch habe ich dadurch deine Tugend kennengelernt, ich lobe nun deine Gesinnungen und deine Handlungen. Was hast du aber nun vor?“ Der Prinz sagte: „O Innerstes meines Herzens, o du mein höchstes Verlangen, ich will nun nach Hause reisen und meinem Vater alles erzählen, er soll den Vezier wieder zu deinem Vater schicken und um dich werben lassen, du nimmst den Antrag an, und so entgehen wir der drohenden Gefahr.“ Als die Prinzessin dies hörte, konnte sie nichts antworten und weinte sehr heftig. Der Prinz stillte ihre Tränen, beruhigte ihren Schrecken, küßte ihre Hände und Füße und sagte ihr: „Wenn ich einen Fehler begangen habe, so verzeihe mir, Gott sei uns gnädig.“ Er war solange zärtlich gegen sie, bis sie sich beruhigte. Endlich sprach sie: „O mein Geliebter, ich glaube nicht, daß du mich verlassen wolltest, und vermute wohl, daß du in der Ferne noch eine andere liebest; doch sage mir es lieber, damit ich mich gleich umbringe, ehe du dich von mir trennst.“ Der Prinz sagte: „Beil dem höchsten Herrn, mein Herz ist nie in ein Netz gefallen vor dir, und ich bin bereit, zu tun, was du begehrst.“ Hierauf heiterte sie sich wieder auf und sprach: „O Geliebter meines Herzens, wie kann ich zu deiner Abreise einwilligen? Der Zeit ist nicht zu trauen, und alles ist dem Wechsel unterworfen; wenn du nun in dein Land gehst, könntest du mich vergessen, oder dein Vater könnte seine Einwilligung nicht geben, und ich müßte sterben. Das beste ist, du bleibst in meiner Nähe und wir suchen ein Mittel, daß wir zusammengehen können, und ich bleibe dann bei deinen Leuten.“ Sie brachten noch viele Tage und Nächte so beisammen zu, bis sie einst in der Nacht, berauscht von Liebe und Wein, süß schliefen und des Morgens nicht erwachten. An jenem Morgen schickte gerade ein König ihrem Vater kostbare Geschenke, worunter auch eine wertvolle Halskette aus Edelsteinen war, die dem König sehr gefiel. Er dachte daher bei sich: Diese Halskette ziemt niemanden als meiner Tochter Hajat Alnufus.

Er rief dem Diener Kafur, dem sie so viele Zähne ausgerissen hatte, und sprach zu ihm: „Kafur, nimm diese Halskette, bringe sie meiner Tochter, grüße sie und sage ihr, diese Halskette sei mir von einem König zum Geschenk gemacht worden, ich schicke sie ihr, damit sie in ihrem Schatze verwahrt werde.“ Der Diener sagte: „Ich höre und gehorche“, nahm die Kette und ging an die Tür ihres Gemachs; er fand sie aber geschlossen und die Alte vor der Tür schlafend; er weckte sie auf und sprach zu ihr: „Liegt ihr noch beim hellen Morgen?“ Die Alte erwachte und erschrak. Er rief ihr zu: „Öffne die Tür!“ Sie aber fragte: „Was willst du in dieser Stunde?“ Er antwortete: „Der König schickte mich zur Prinzessin. ich habe etwas bei ihr zu tun.“

Die Alte wandte sich rechts und links, endlich sagte sie: „Ich habe die Schlüssel nicht bei mir, gehe einstweilen, bis ich sie bringe.“ Kafur rief ihr zu: „Bring schnell die Schlüssel her, denn ich eile und will hier warten.“ Da sie nun lange säumte und er sich vor dem König fürchtete, wenn er zu lange ausbleiben würde, zog er die Tür mit Gewalt an sich, bis das Schloß zerbrach und sie sich öffnete. Er kam dann an eine zweite Tür, die offen war, und so an eine dritte und vierte, bis er endlich an die Tür ihres Gemachs kam; er sah darin hübsche Teppiche, Wachslichter und Wein, und erstaunte sehr darüber. So ging er immer weiter, bis er an den Thron gelangte, auf dem die Prinzessin lag; er war aus Elfenbein und vergoldet, und eine seidene Decke lag darüber; er hob diese auf und sah die Prinzessin darunter liegen, mit einem hübschen Mann, wie der Mond, im Arme. Er sagte: „Bei Gott, ist es so weit mit der Prinzessin gekommen? Um dieses Jünglings willen haßte sie die Männer so, und riß mir die Zähne aus? Bei Gott! das soll dem König nicht verborgen bleiben.“ Er deckte sie wieder zu und ging nach der Tür; in dem Augenblick erwachte die Prinzessin, erschrak, als die Kafur sah, und rief ihm nach; er gab ihr aber keine Antwort. Sie stieg schnell vom Thron herunter, holte ihn noch an der Tür ein, hielt den Saum seines Kleides fest und sagte: „Kafur, verbirg, was Gott verborgen hat!“ Er antwortete: „Wer dich beschützt, bleibt doch nicht verschont. Du hast mir noch wenig Gutes getan, meine Zähne ausgerissen, mich häßlich und meine Feinde schadenfroh an mir gemacht!“ Mit diesen Worten riß er sich von ihr los, verschloß die Tür, stellte Diener davor und ging zum König. Dieser fragte: „Hast du die Kette abgegeben?“ Er antwortete: „Bei Gott, deine Tochter verdient mehr als dies.“ - „Was meinst du damit?“ - „Ich will es dir allein sagen.“ - „Sprich nur, wir brauchen nicht allein zu sein.“ Da aber mehrere Veziere, unter anderen auch der böse Großvezier, zugegen waren, sagte Kafur: „Wirf mir ein Tuch als Zeichen der Sicherheit zu.“ Der König warf es ihm zu. Dann sprach er: „O König, als ich zu Hajat Alnufus kam, fand ich ihr Gemach mit allerlei Teppichen versehen, Wachslichter brannten und Weingefäße waren aufgestellt. Ich sah sie auf ihrem Bett liegen mit einem jungen Mann in den Armen, schöner als die Sonne. So weit ist die Prinzessin gekommen, nachdem sie die Männer so sehr gehaßt! Ich verschloß die Tür und kam hierher, um dir Nachricht davon zu bringen.“ Als der König dies hörte, setzte er sich aufrecht, denn er hatte sich angelehnt, ließ den Pförtner rufen und sagte: „Nimm Diener mit dir, geh in meiner Tochter Gemach und bring sie hierher auf ihrem Thron mit dem, der bei ihr ist. Widersetzt sich dir jemand, so schlage ihm den Kopf ab.“

Der Pförtner trat in das Gemach der Prinzessin, wo er diese aufrecht stehend fand; ebenso den jungen Mann und beide weinten, Der Pförtner sagte: „O Prinzessin, lege dich mit dem jungen Mann auf den Thron, wie du gelegen warst, denn der König hat mir befohlen, euch so zu ihm zu bringen, und jedem, der sich widersetzt, den Kopf vor die Füße zu werfen.“ Da Hajat Alnufus für ihr und des Prinzen Leben fürchtete, sagte sie, es ist jetzt keine Zeit des Ungehorsams; wir wollen uns nun wieder legen, wie wir waren, und unsere Sache Gott überlassen, der verfügt in seinem Reich über alles nach seinem Willen.“ Sie legten sich, wie ihnen befohlen worden, und wurden so zum König getragen. Der König hob die Decke auf, und Hajat Alnufus erhob sich. Als der König sie sah, zog er sein Schwert, um ihr den Hals abzuschlagen. Der Prinz aber warf sich über sie her uns sagte: „O König, sie ist nicht schuldig, ich bin es allein, bring mich zuerst um.“ Der König holte aus, um den Prinzen zu erschlagen, sie aber warf sich über ihn her und sagte: „O König, bring mich um, und tu diesem jungen Mann nichts zuleid, denn er ist der Sohn des mächtigsten Königs.“ Als der König dies hörte, sprach er, zum Großvezier sich wendend: „Was sagst du dazu?“ Dieser antwortete: „Ich sage, daß wer in einer solchen Lage sich befindet, seine Zuflucht zu Lügen nimmt; man muß ihnen den Kopf abschlagen, sie vorher aber noch derb züchtigen.“ Der König ließ den Scharfrichter kommen, der mit zwei Jungen erschien, die wie Höllendiener aussahen. Der König sprach zu ihnen: „Nehmet diese Buhlerin und diesen Jungen, schlagt ihnen den Kopf ab, und fragt mich nichts weiter.“

Als der Scharfrichter diese Worte vernommen, legte er seine Hand auf ihren Rücken, um sie wegzuführen. Der König aber sagte: „Du Hund, bist du mild. wenn ich erzürnt bin? ergreife sie nur bei ihrem Zopf, schleppe sie weg auf ihrem Gesicht, ebenso den Jüngling, und breite die Blutmatte unter ihnen aus.“ Er zog hierauf sein Schwert, die Prinzessin aber trat einige Schritte zurück und war nur mit dem Prinzen beschäftigt. Der Scharfrichter holte mit dem Schwert dreimal aus und schwang es um seinen Kopf, während alle Anwesenden den Jüngling und die Jungfrau beweinten und zu Gott beteten, daß er ihnen einen Fürbitter schicke. Er hob dann das Schwert so in die Höhe, daß man das Schwarze unter seiner Achsel sehen konnte, und wollte eben zuschlagen, als man einen großen Lärm hörte und einen mächtigen Staub in der Luft sah. Alle Leute zitterten und dem Scharfrichter versagte die Hand. Der König sprach zu seinen Leuten: „Seht einmal, was es Neues gibt und dieser Staub bedeutet, der die ganze Luft erfüllt, und dieser Lärm, der uns so betäubt. Der Großvezier ging weg, und sah vor sich ein Volk, so zahlreich wie Heuschrecken, das Weh und Unglück schrie. Er kehrte zurück und rief in den Saal: „O ihr Leute, es ist eine Armee herangerückt, so zahlreich wie Heuschrecken, die alle Berge und Täler ausfüllt.“ Der König wurde sehr niedergeschlagen und sprach: „Was mag wohl die Ursache dieses Feldzugs sein? Geh einmal, Vezier, sieh, wer sie anführt, grüße ihn von mir und sage ihm, wenn er an einem unter uns Blutrache nehmen will, so würden wir ihm beistehen, bring mir dann seine Antwort.“

Der Vezier ging zur Stadt hinaus und sein Erstaunen wuchs, wie er Berg und Tal von Soldaten wimmeln sah. Er ging durch das Lager verschiedener Truppenabteilungen von morgens bis nachmittags, bis er endlich zum Zelt des Königs kam und den mächtigen König selbst und ganz fremde Gestalten sah. Seine Adjutanten riefen ihm zu: „Küsse die Erde!“ Er küßte sie und stand wieder auf, man schrie ihm aber von allen Seiten so oft, bis zu zwanzigmal, zu, daß er vor Furcht fast zu Boden fiel. Dann sprach er: „O König, Gott gebe dir langes Leben und erhebe deine Macht! mein König schickt mich zu dir, er grüßt dich, küßt die Erde vor dir und läßt dich fragen: in welcher Angelegenheit du dahergezogen kommst, damit er dir beistehe.“ Da antwortete ihm statt des Königs einer seiner Veziere: „Geh zu deinem Herrn zurück und sage zu ihm: der mächtige und verehrte Sultan hat einen Sohn, der schon vor langer Zeit in dieses Land gekommen ist, und von dem er seitdem nichts mehr gehört hat; wißt ihr, wo er ist, so nehme ich ihn und ziehe wieder fort. Ist ihm aber ein Unglück zugestoßen, so verwüsten wir euer Land, vertilgen jede Spur von euch, plündern eure Güter und erschlagen eure Helden. Sage das deinem Herrn und bringe uns wieder Antwort, ehe unsre Leute zur Tat schreitend Der Vezier sagte: „Ich gehorche“, und wollte weggehen; man schrie ihm aber zu: „Küsse die Erde!“ Er tat dies zwanzigmal und ging sehr besorgt fort, denn er fürchtete für sein und der Seinigen Leben.

Als er wieder zu seinem König kam, sagte er ihm: „O König, ein mächtiger Sultan ist's der dich überfallen hat; er hat einen Sohn in dieser Stadt verloren, es ist derselbe, den du umbringen lassen wolltest. Gelobt sei Gott, daß du dich nicht übereiltest und unser Land nicht verwüstet wird.“ Der König sprach: „Daran ist dein schlechter Rat nicht schuld.“ Er ließ den Scharfrichter kommen und rief ihm zu: „Wo ist der junge Mann, der Prinz? Er antwortete: „Herr, du hast mir befohlen, ihn ungesäumt umzubringen.“ Der König schrie ihn an: „Du Hund von einem Scharfrichter, dich werde ich ihm nachfolgen lassen!“ Derselbe sprach: „Herr, er lebt noch.“ Der König freute sich und sagte: „Bring ihn her.“ Als man ihn brachte, stand der König vor ihm auf und sprach: „Mein Sohn, ich bitte Gott um Verzeihung deinetwillen; sage doch deinem Vater nicht, wie wir gegen dich verfahren sind.“ Der Prinz sprach: „Bei deiner Gnade, ich weiche nicht von hier, bis meine und deiner Tochter Ehre von deinem Verdacht gereinigt ist. Wisse, deine Tochter ist Jungfrau, ist dem nicht so, so ist dir von Gott erlaubt, mein Blut zu vergießen.“ Der König sagte: „Sprichst du wahr? sage es lieber, daß wir keine zweite Schmach erleben.“ Er antwortete: „O König, deine Tochter ist eine verständige, tugendhafte Jungfrau, ihre Ehre ist unbefleckt.“

Der König freute sich sehr darüber, und alle Frauen und Sklavinnen im Schloß jubelten; der König umarmte den Prinzen, ließ ihm ein kostbares Bad bereiten, gab ihm ein unschätzbares Kleid und setzte ihm eine glänzende Krone auf. So ausgestattet ließ er ihn auf einem seiner Lieblingspferde mit allerlei Ehrenbezeugungen zu seinem Vater begleiten, und bat ihn, bei demselben anzufragen, ob er vor ihm erscheinen dürfe. Der Prinz sagte: „Gut, es wird dir alles gestattete Der König dankte ihm und sprach: „Mein Sohn, sage deinem Vater nichts von dem, was bei uns vorgefallen, da doch Gott ein so gutes Ende herbeigeführt.“ Der Prinz küßte die Erde vor ihm und ritt mit großem Gefolge fort, alle Bewohner der Stadt kamen auf die Straße, um den schönen Jüngling zu sehen, denn seine Geschichte wurde bekannt, und man freute sich über sein Entkommen, weil dadurch der Friede zwischen den beiden Königen erhalten wurde. Als der Sohn mit seinem Gefolge zu seinem Vater kam, jubelte die ganze Armee; alle Truppen mit den Vezieren erschienen vor dem König und wünschten ihm zur Rettung seines Sohnes Glück. Der Prinz ließ hierauf unter den Truppen bekanntmachen, daß es jedermann vergönnt sei, ihn zu sehen; wer nun früher auf den Markt gekommen und den jungen Prinzen vor seinem Laden sitzen gesehen hatte, wunderte sich darüber, wie er, ein großmächtiger Prinz, das hatte tun mögen.

Die Geschichte wurde nun bekannt und die Leute sahen die Größe des mächtigen Sultans. Auch der Prinzessin blieb dies nicht länger verborgen, sie sah von ihrem Schloß aus Berg und Tal mit Truppen wimmeln und sprach: „Die Majestät ist Gottes!“ Sie war aber noch immer ängstlich im Schloß ihres Vaters und wußte noch nicht, was er ihr tun werde; auch fürchtete sie, der Prinz möchte sie vergessen. Endlich sagte sie einer Dienerin, die bei ihr war: „Geh zu meinem Herrn, dem Prinzen Ardschir, fürchte dich nicht, denn er hat befohlen, man solle niemanden zurückweisen; wenn du zu ihm kommst, küsse ihm die Hände, sage ihm, daß du von mir abgesandt seist, auch melde ihm, daß deine Herrin noch im Schloß ihres Vaters unter Verwahrung ist und nicht weiß, was derselbe ihr tun wird; daß sie ihn bittet, doch auch ihrer zu gedenken, da er doch heute alles vermag. Sage ihm, wenn er mich noch liebt, so soll er bei meinem Vater um mich werben und mir dadurch Beweise von seiner Liebe geben; hat er keine Freude mehr an mir, so soll er seinen Vater bei dem meinigen für mich um Gnade bitten und nicht eher ruhen lassen, bis ihm mein Vater versprochen hat, mir kein Leid zu tun. Gott möge mir alsdann meinen Gram erleichtern! Sage ihm, daß die Trennung nur von ihm komme, daß die Liebe mich töten und bald ins Grab senden wird.“ Die Dienerin ging zum Prinzen und gab sich zu erkennen. Der Prinz stand vor ihr auf, umarmte sie und hieß sie willkommen. Als sie ihm den Auftrag der Prinzessin bekannt gemacht, mußte er so heftig weinen, daß ihm fast die Seele schwand; endlich sagte er ihr: „Sage deiner Herrin, ich sei ihr Sklave und ihr Gefangener, liebe nur sie allein, und werde, bei Gott, nie unseren Liebesbund brechen; ich habe schon mit meinem Vater von ihr gesprochen und werde nur mit ihr abreisen, denn ihr Vater wird sich dem meinigen nicht widersetzend Die Dienerin kehrte mit dieser Botschaft zu ihrer Herrin zurück und erzählte ihr alles, was vorgefallen. Die Prinzessin weinte vor Freude, lobte und dankte Gott. Als der Prinz abends allein bei seinem Vater war und ihm alles, was vorgefallen, von Anfang bis zu Ende erzählte, fragte ihn derselbe: „Nun, mein Sohn, was soll ich jetzt tun? Wenn du es verlangst, so laß ich ihr Land verwüsten und ihr Harem schänden.“ Der Prinz antwortete: „Bei Gott, mir ist nichts geschehen, was eine solche Strafe verdient; übrigens hängt mein Herz an Hajat Alnufus, sie ist eine verständige Jungfrau, ich kenne sie seit langer Zeit, sie liebt nur mich. Ich wünsche also von deiner Gnade, daß du ihrem Vater ein kostbares Geschenk schickest. Laß den teuern, zärtlichen und klugen Vezier dasselbe überbringen und zugleich um Hajat Alnufus für mich werben. Bei dieser Gelegenheit soll er in seinem Rang steigen und der größte aller Veziere werden, so wie ich ihm versprochene Sein Vater sagte: „Gern“, öffnete sogleich seine Schätze und nahm ein schönes Geschenk heraus von Moschus, Kampfer, Gold, Silber usw., so viel, daß man es gar nicht beschreiben kann, und legte es seinem Sohne vor. Dieser war sehr damit zufrieden, ließ den Vezier rufen und befahl ihm, es mitzunehmen und damit für die Prinzessin zu werben. Er nahm es, ging damit zum König, der, seit der Prinz ihn verlassen, in angstvoller Erwartung war, küßte die Erde vor ihm und sagte: „Mein König grüßt dich und läßt dir sagen, daß er deine Tochter für seinen Sohn wünscht!“ Der König sprach: „Gern;“ der Vezier gab ihm das Geschenk, der König nahm es an, freute sich dessen und ritt mit seinen Truppen aus. Der große Sultan kam ihm entgegen und grüßte ihn, sie wurden große Freunde und ritten miteinander in die Stadt, wo ein großes Hochzeitsfest gefeiert wurde.

Der mächtige Sultan verweilte noch einige Zeit hier, dann reiste er wieder mit seinem Sohn und Hajat Alnufus in sein Land zurück, und sie lebten vereint in Glück und Freude, bis sie die Gewißheit (der Tod) überfiel. Gelobt sei Gott, der Herr der Welten!

Dann sagte Schehersad: O glückseliger König! was ist das im Vergleich zur Geschichte des Hasan aus Baßrah und der Prinzessinnen von den Inseln Wak-Wak. Man erzählt nämlich: Es war in früheren Zeiten und längst verflossenen Äonen in der Stadt Baßrah ein wunderschöner und wohlgewachsener Jüngling. Man nannte ihn Hasan aus Baßrah; sein Vater war ein sehr reicher Kaufmann und hatte ihm bei seinem Tod viel Geld und Gärten hinterlassen, wovon Hasan und seine Mutter die einzigen Erben waren. Hasan fing nun an, ein geselliges Leben zu führen, besuchte Frauen und Jünglinge, gab viele Monate lang Mahlzeiten in seinen Gärten und kümmerte sich gar nicht mehr um den Handel, den sein Vater getrieben, sondern dachte nur daran, sein Vermögen zu genießen. Nach einiger Zeit verlor er sein ganzes Vermögen, er hatte schon alle Güter seines Vaters verkauft und es blieb ihm gar nichts mehr übrig, weder wenig noch viel, und keiner seiner Freunde wollte ihn mehr kennen. Er und seine Mutter hungerten drei Tage lang zu Hause. Er ging dann aus, ohne zu wissen, wohin. Da begegnete ihm ein Freund seines Vaters und erkundigte sich nach seinem Befinden. Hasan erzählte ihm, was ihm geschehen.

Der Mann sagte: „Mein Sohn, ich habe einen Bruder, der Goldarbeiter ist, wenn du willst, kannst du zu ihm gehen und sein Handwerk lernen: es liegt nur an dir, ein sehr geschickter Arbeiter zu werden.“ Hasan willigte ein, ging mit jenem, welcher ihn seinem Bruder empfahl, indem er ihm sagte: „Dieser Mann ist mein Sohn, unterrichte ihn mir zu Gefallen in deinem Handwerk.“

Hasan arbeitete nun bei diesem Mann und Gott war ihm gnädig. Eines Tages kam ein Perser mit einem großen Bart vorüber; er trug einen weißen Turban und sah wie ein Kaufmann aus, grüßte Hasan und dieser erwiderte mit Ehrerbietung seinen Gruß. Der Perser fragte: „Wie ist dein Name?“ Er antwortete: „Hasan.“ Er fragte wieder: „Hast du einen großen Schmelztiegel?“ Hasan holte einen. Der Fremde warf Kupfer hinein und stellte ihn über das Feuer, bis das Kupfer zerschmolz. Zuletzt nahm der Perser etwas wie Gras aus seinem Turban hervor und warf ein wenig davon in den Schmelztiegel. Nach einer Weile wurde das Kupfer zu feinem Golde, woraus er eine Goldstange machte. Abermals fragte er Hasan: „Bist du verheiratete Er antwortete: „Nein.“ Der Perser versetzte: „So nimm dies und heirate damit!“ und ging fort. Hasan war außer sich vor Freude, sein Herz hing an dem, was er gesehen, und er erwartete die Rückkehr des Fremden. Am folgenden Tag kam er wieder uns setzte sich vor Hasans Laden. Als nach Asser der Bazar leer wurde, kam er zu Hasan und grüßte ihn. Dieser erwiderte seinen Gruß und hieß ihn sitzen; er setzte sich und unterhielt sich mit ihm; endlich sagte er: „Mein Sohn, bei Gott! ich habe dich recht gern und meine Liebe ist göttlich rein, ohne Eigennutz; wenn mir Gott gnädig ist, so erkenne ich dich als meinen Sohn an. Gott hat mich eine Kunst gelehrt, die kein Mensch kennt, ich will dir sie mitteilen, du bleibst dadurch immer vor Armut geschützt, und bekommst Ruhe vor Feuer, Amboß und Hammer.“ Hasan sagte: „Herr! wann willst du mich sie lehren?“ Er antwortete: „Morgen, so Gott will, komme ich und mache in deiner Gegenwart aus Kupfer Gold.“ Hasan freute sich und sprach mit dem Perser bis zum Nachtgebet; dann stand er auf, verabschiedete sich von demselben, ging zu seiner Mutter und grüßte sie. Sie brachte Lebensmittel und aß mit ihm. Hasan aß ganz besinnungslos, denn alle seine Gedanken waren bei dem Perser.

Seine Mutter fragte ihn, warum er so in Gedanken dasitze, und er erzählte ihr alles, was ihm der Perser gesagt. Als sie dies hörte, zitterte ihr Herz, sie drückte ihn an ihre Brust und sagte: „Hüte dich vor solchen Gauklern, Schwarzkünstlern und Alchimisten, sie suchen nur den Leuten ihr Vermögen aufzuzehren.“ Hasan versetzte: „O meine Mutter! wir sind ja arme Leute, wir haben ja nichts, das sie bewegen könnte, uns zu betrügen, und der Perser ist ein alter Mann, der sehr fromm aussieht; Gott hat ihm Mitleid zu uns eingeflößt, und er hat mich als seinen Sohn angenommene Die Mutter schwieg betrübt, Hasan aber konnte vor Freude nicht schlafen. Als der Tag anbrach, stand er auf, nahm die Schlüssel, öffnete den Laden und setzte sich. Der Perser kam bald; Hasan stand vor ihm auf und wollte ihm die Hände küssen, er aber erlaubte es nicht, setzte sich und sagte zu Hasan: „Mein Sohn, mache den Schmelztiegel zurecht und lege den Blasebalg ans Feuer.“ Hasan tat dies und machte ein Kohlenfeuer: dann fragte der Perser: „Hast du Kupfer?“ Er antwortete: „Ich habe eine zerbrochene Platte.“ Der Perser ließ ihn sie mit einer Schere in kleine Stücke zerschneiden; warf sie in den Kessel und blies das Feuer, bis das Kupfer ganz zerschmolzen war, streckte hierauf die Hand nach dem Turban aus, zog ein zusammengewickeltes Papier hervor, öffnete es und streute ein gelbes Pulver, ungefähr eine halbe Drachme, in den Kessel, und befahl Hasan, mit dem Blasebalg zu blasen; Hasan tat dies, und es wurde eine Goldstange daraus vom feinsten Gold.

Als Hasan dies sah, strahlte sein Antlitz vor Freude, er wurde ganz rasend; er nahm die Stange in die Hand und drehte sie darin herum, zuletzt nahm er die Feile, feilte daran und sah, daß es ganz feines Gold war. Er verlor darüber fast den Verstand und beugte sich vor Freude über die Hände des Persers, um sie zu küssen. Der Perser sprach: „Gib die Stange dem Makler und laß dir das Geld dafür geben, ohne das jemand es bemerkte Der Makler probierte die Stange und fand, daß es reines Gold war; er fing an, sie für zehntausend Dirham auszurufen, die Kaufleute aber überboten einander bis auf fünfzehntausend Dirham. Hasan nahm das Geld, ging damit nach Haus, erzählte seiner Mutter von dem Glück, das ihm widerfahren war, und sagte ihr: „Ich habe diese Kunst erlernt.“ Die Mutter lachte und sprach: „Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen!“ und schwieg mit Schmerzen. Hasan aber nahm in seiner Unüberlegtheit einen Mörser und ging damit zum Perser, der vor seinem Laden saß. Dieser fragte ihn: „Mein Sohn, was willst du mit diesem Mörser?“ Er antwortete: „Verwandle ihn in Gold. Der Perser lachte und sprach: „Bist du toll? willst du zwei Goldstangen an einem Tag auf den Markt bringen? Weißt du nicht, daß man Verdacht gegen uns schöpfen würde und daß wir ums Leben kommen können? Wenn du diese Kunst von mir gelernt haben wirst, mein Sohn, so übe sie nur einmal im Jahr aus, sie genügt dir von einem Jahr zum andern.“ Hasan antwortete: „Du hast recht, Herr“, Er ging dann in den Laden und setzte den Schmelztiegel über das Feuer. Der Perser fragte ihn: „Was willst du tun?“ - „Lehre mich die Kunst.“ Der Perser lachte und sagte: „Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei dem erhabenen Gott! Du bist ein junger Mann ohne Verstand; eine so hohe Kunst kann man nicht so auf der Straße öffentlich lernen, die Leute würden sagen: Hier wohnen Goldmacher. Die Obrigkeit würde es erfahren und uns ums Leben bringen. Doch wenn du diese Kunst schnell im Geheimen lernen willst, so komm mit mir in mein Haus.“ Hasan konnte nicht erwarten, bis er den Laden geschlossen hatte und mit dem Perser auf die Straße gehen konnte. Während er damit beschäftigt war, fielen ihm die Worte seiner Mutter ein; er dachte lange nach und blieb stehen.

Als der Perser sich umdrehte und Hasan stehend sah, sprach er: „Du Elender! was stehst du so nachdenkend? Ich bin dir im Herzen gut, und du denkst dir Schlimmes?“ Als Hasan noch immer mit gebeugtem Kopf stehenblieb, sagte der Perser: „Wenn du mich fürchtest, so will ich mit dir in dein Haus gehen und dich dort meine Kunst lehren; geh mir nur voran.“ Hasan nahm den Weg nach seinem Haus, und der Perser folgte ihm. Hasan benachrichtigte seine Mutter von dem Besuch des Persers; sie brachte die Wohnung in Ordnung und verzierte sie; als sie aber fertig war, sagte ihr Hasan, sie möchte einstweilen zu einem Nachbarn gehen und ihn mit dem Perser allein lassen. Sie ging fort und überließ ihnen das Haus, Hasan aber führte den Perser hinein. Als er im Haus war, nahm Hasan eine Platte, ging damit auf den Markt, um einige Speisen zu kaufen, stellte sie dem Perser vor und sagte ihm: „Iß, Herr, von meinem Brot und Salz, zum Zeichen unsrer Freundschaft, und Gott verlasse den, der dem Bunde untreu wird!“ Der Perser erwiderte: „Du hast recht, mein Sohn.“ Dann lächelte er und sagte: „Wer kennt die hohe Bedeutung des Brotes und des Salzes?“ Sie aßen dann miteinander und als sie gegessen hatten, sagte der Perser: „Mein Sohn Hasan, bring auch einige süße Speisen!“ Hasan ging auf den Markt und holte zehn Tassen voll süße Speisen; als sie dies aßen, sagte der Perser: „Gott belohne dich dafür! Leute wie du verdienen es, daß man ihren Umgang suche, ihnen Geheimnisse vertraue und sie nützliche Dinge lehre.“ Als sie genug gegessen hatten, sprach der Perser: „Bring nun die Gerätschaften!“ Kaum hatte Hasan diese Worte gehört, so lief er wie ein junges Pferd, das man in den Klee läßt, in seinen Laden, holte die Gerätschaften und stellte sie dem Perser vor. Dieser zog aus seinem Turban ein Papier hervor und sagte: „O Hasan, bei dem Brot und bei dem Salz! wärest du mir nicht teurer als mein Sohn, so würde ich dir diese Kunst nicht mitteilen. Dieses Papier enthält alles, was ich noch von dem Pulver besitze, doch will ich die Materialien herbeischaffen und es vor dir bereiten und die Kunst offenbaren. Wisse, mein Sohn, wenn man zu zehn Pfund Kupfer nur eine halbe Drachme von dem Pulver nimmt, das in diesem Papier ist, so wird reines Gold daraus.“ Weiter sagte er: „O mein Sohn Hasan! in diesem Papier sind noch drei ägyptische Ok; ehe sie verbraucht sind, werde ich wieder neues Pulver verfertigen.“ Hasan nahm das Papier und fand das Pulver noch feiner als das frühere; er fragte den Perser: „Herr, wie heißt das, wo findet man es und in was wird's zubereitete Der Perser lachte und sagte: „Frage lieber, woher du ein vorwitziger Junge bist! mache nur dein Gold und schweige.“ Hasan holte eine Kupferplatte aus dem Haus, zerschnitt sie mit der Schere, rührte sie im Kessel herum und streute etwas Pulver aus dem Papier darauf, bis eine feine Goldstange daraus wurde. Als er dies sah, freute er sich sehr und kam ganz außer sich vor Erstaunen. Während aber nun Hasan beschäftigt war, die Goldstange herauszuheben, zog der Perser einen Beutel aus seiner Kopfbinde hervor, der ein Stück Bendj aus Kreta enthielt, so groß, daß, wenn ein Elefant daran gerochen hätte, er von einer Nacht zur anderen hätte schlafen müssen. Er tat ein wenig davon in die süße Speise und sagte zu Hasan: „O Hasan, nun bist du mein Sohn und mir teurer als mein Lebensgeist zwischen meinen Seiten. Ich habe eine Tochter, so schön und wohlgewachsen, daß nie ihresgleichen gesehen worden; ich sehe, du allein passest für sie, und sie nur für dich; so Gott will, verheirate ich dich mit ihr.“ Hasan sprach: „Herr, ich bin dein Sklave, was du mit mir beginnst, geschehe mit Gott!“ Der Perser sagte weiter: „Mein Sohn, habe Geduld, es wird dir gut gehen.“ Mit diesen Worten reichte er ihm die süße Speise mit Bendj; er nahm sie, küßte ihm die Hand und steckte sie in den Mund; denn er wußte nicht, was im Verborgenen seiner harrte; - der Herr alles Verborgenen offenbart Geheimnisse nur nach seinem Willen! - Sobald er sie aber geschluckt hatte, fiel er zu Boden.

Als der Perser ihn getroffen sah, stand er freudig auf und sprach: „Bist du endlich gefallen, du Hund von Araber! schon zwei Jahre suche ich dich vergebens.“ Er umgürtete sich dann, band ihm Hände und Füße zusammen, legte ihn in eine leere Kiste, nahm auch die Goldstangen und legte sie in eine andere Kiste, die er verschloß. Er ging dann auf die Straße, holte zwei Träger und ließ die Kisten zur Stadt hinaustragen ans Ufer des Stroms, wo ein Schiff für den Perser bereitstand und der Schiffshauptmann ihn erwartete. Als der Schiffshauptmann und die Mannschaft den Perser kommen sahen, gingen sie ihm entgegen und trugen die Kisten auf das Schiff. Der Perser aber sprach zum Hauptmann: „Jetzt schnell fort! unser Geschäft ist abgetan, unser Ziel ist erreichte Der Hauptmann schrie den Matrosen zu, sie spannten die Segel und das Schiff lief mit günstigem Wind aus.

Das ist's, was den Perser und Hasan angeht; was aber seine Mutter betrifft, so hatte sie ihren Sohn bis abends erwartet; als sie nichts mehr von ihm hörte, ging sie in ihr Haus zurück, das sie offen fand. Da sie beim Eintreten niemand darin sah, die zwei Kisten und alles Gold vermißte, merkte sie, daß ihr Sohn verloren sei und daß der Pfeil des Schicksals ihn getroffen. Sie schlug sich daher ins Gesicht, zerriß ihre Kleider, schrie und jammerte: „O mein Sohn, mein Sohn! Frucht meines Herzens!“ Sie sprach noch folgende erhabene Verse:

„Meine Geduld schwindet, mein Weh und mein Jammer nehmen zu, seitdem du fern bist! Bei Gott! wie soll ich ein ferneres Dasein ertragen, seitdem mein Heiligtum verloren ist. Wie soll ich schlafen, da mein Teurer mir entrissen worden? wie in solchem Elend fortleben? Du bist geschieden und hast das Haus und seine Bewohner öde zurückgelassen und mein klares Getränk getrübt. Du warst mein Beistand in jedem Unglück, mein Glanz, mein Stolz und mein Vermittler unter den Menschen. O daß es nicht Tag würde, solange du meinen Augen entzogen bist, bis ich dich zurückkehren sehe! „

Sie weinte und jammerte bis zum folgenden Morgen; da kamen die Nachbarn zu ihr und fragten sie nach ihrem Sohn; sie erzählte ihnen, was ihm mit dem Perser geschehen; und daß sie keine Hoffnung habe, ihn wiederzusehen; in ihrem Jammer lief sie im Zimmer auf und ab und weinte. Mit einem Male fielen ihre Augen auf die Wand, worauf sie zwei Zeilen geschrieben sah. Sie ließ den Rechtsgelehrten kommen, um sie zu lesen; der Inhalt der Verse aber war folgender:

„Ich sah Leilas Traumgestalt gegen Morgen umherwandeln, während meine Freunde in der Wüste schliefen, und ich erschrak, und als wir vor dieser Erscheinung erwachten, war die Wohnung leer und das Wiedersehen fem.“

Als Hasans Mutter dies hörte, schrie sie laut auf: „Ja, mein Sohn, die Wohnung ist leer und das Wiedersehen ist fern!“ Die Nachbarn wünschten ihr Geduld und baldige Wiedervereinigung und verließen sie. Sie aber ließ mitten im Haus ein Grabmal bauen, schrieb Hasans Namen darauf und den Tag seines Verschwindens, und trennte sich nicht mehr von demselben.

Das ist, was Hasans Mutter angeht; wir kehren nun wieder zu Hasan und dem Magier zurück, denn dieser Perser war ein Magier, der die Muselmänner haßte und, so oft er konnte, einen Muselmann umbrachte. Er war ein Feueranbeter, ein Goldmacher, ein Astrolog, wie der Dichter sagt:

„Ein Niederträchtiger, Widerspenstiger, Sohn eines Hundes und einer schlechten Mutter, Sohn eines bösen Abtrünnigen. Es ist an ihm kein Fleck so groß, daß eine Mücke sich darauf setzen könnte, worauf nicht irgend eine Schändlichkeit haftet!“ Dieser Verdammte hieß Bahram; jedes Jahr opferte er einen Muselmann, um irgend ein Ziel zu erlangen. Als ihm nun seine List mit Hasan gelungen und er einen ganzen Tag mit ihm herumgefahren war, ließ er des Abends Anker werfen. Am folgenden Morgen befahl er seinen Sklaven, die Kiste herauszuholen, in der Hasan war. Er öffnete sie, zog ihn heraus, bespritzte ihn mit Essig und blies ihm in die Nase. Hasan mußte nießen, erwachte und lobte den erhabenen Gott. Er sah sich um und fand sich mitten im Meer, der Perser saß ihm gegenüber. Wie er nun merkte, daß der Verdammte ihn betrogen und daß er sich selbst in das Unglück gestürzt hatte, vor dem er von seiner Mutter gewarnt worden war, sagte er die Worte, deren sich niemand zu schämen hat: „Es gibt keine Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! ich bin Gottes und kehre zu ihm zurück. O Gott, sei mir gnädig in deinem Beschluß und gib mir Mut in der Versuchung, o Herr der Welten!“ Er wandte sich hierauf zu dem Perser und redete ihn sanft an: „Herr, was ist das für ein Verfahren? wo bleibt der Bund und der Eid, den du mir geschworen? Du bist dem Brot und Salz untreu gewordene Der Perser sah ihn an und schrie ihm zu: „Du Hund! Sohn eines Hundes! Kenne ich Salz und Brot? Ich habe 999 junge Leute deinesgleichen getötet, mit dir werden es tausend sein.“

Hasan schwieg, denn er sah ein, daß der Pfeil des Schicksals ihn getroffen hatte. Der Magier ließ ihn losbinden und ihm ein wenig Wasser zu trinken geben. Der Verruchte lachte hierauf und sprach: „Bei dem Feuer und dem Licht! ich glaubte nicht, dich zu fangen, doch das Feuer hat dich mir geliefert und mich in den Stand gesetzt, mein Vorhaben auszuführen; ich will dich nun auch ihm opfern, damit es mit mir zufrieden werde.“ Hasan sagte: „Du bist dem Brot und dem Salz untreu gewordene Der Magier hob seine Hand auf und schlug Hasan, bis er weinend mit den Zähnen auf den Boden in Ohnmacht fiel. Der Magier befahl dann seinen Sklaven, Feuer anzuzünden. Hasan fragte: „Was willst du mit dem Feuer?“ Der Magier antwortete: „Sieh dieses Feuer, die Quelle des Lichts und der Funken, betest du es an, gleich mir, so schenke ich dir die Hälfte meines Vermögens und gebe dir meine Tochter zur Frau.“ Hasan schrie: „Wehe dir, du Magier! du betest das Feuer an und nicht den allmächtigen Herrn! das ist eine abscheuliche Religion!“ Der Magier erzürnte sich, fiel vor dem Feuer nieder und befahl den Sklaven, Hasan auf sein Gesicht hinzustrecken. Er nahm dann eine lederne geflochtene Peitsche und schlug Hasan, bis seine Seiten wund waren. Hasan schrie um Hilfe, aber niemand half ihm; er hob daher sein Auge zum allmächtigen König und nahm seine Zuflucht zu ihm. Seine Tränen flossen heftig, er verlor allen Mut und sprach folgende Verse:

„O Gott! ich unterwerfe noch deinem Urteil: ich ertrage mein Schicksal geduldig, wenn du es so willst. Man tut mir Gewalt an und verurteilt mich mit Unrecht; vergib mir durch deine Gnade alle früheren Vergehen!“ Der Magier befahl, ihn aufrecht zu setzen und mit Wasser zu bespritzen; als dies geschehen war, ließ er ihm etwas zu essen und zu trinken geben, Hasan wollte jedoch nichts essen. Der Verruchte folterte ihn nun die ganze Reise durch; Hasan aber ertrug geduldig Gottes Ratschluß und flehte zu dem, der seine Lage kannte und über ihn wachte, während der Gottlose immer hartherziger gegen ihn wurde. Nach einer Reise von drei Monaten schickte Gott, gepriesen sei sein Name! einen kalten schwarzen Wind über das Schiff, das Meer war trüb und schlug mächtig Wellen; der Schiffshauptmann und die Matrosen sprachen. „Das alles geschieht dieses Jünglings willen, den der Magier so quält; das ist nicht Gottes Wille und nicht der seines Gesandten! „ Sie vereinigten sich und erschlugen die Sklaven des Magiers, so daß nur er noch allein übrig war. Wie er dies sah, fürchtete er für sein Leben, nahm Hasan die Fesseln ab und entschuldigte sich bei ihm; er zog ihm seine schmutzigen Kleider aus und gab ihm andere dafür, versprach ihm auch, er wolle ihn die Kunst lehren und ihn in sein Land zurückbringen. Er sagte: „Mein Sohn, verzeihe mir, was geschehen, du sollst in Zukunft nur Freude erleben.“ Hasan aber sprach: „Wie kann ich dir nunmehr noch trauen?“ Er antwortete: „Gäbe es keine Schuld, wo bliebe die Verzeihung; ich habe dies nur getan, um dich zu versuchen und deine Standhaftigkeit zu prüfen; du weißt, daß alles in der Hand Gottes ist.!“ Der Schiffshauptmann und die Matrosen freuten sich, ihn gerettet zu haben. Hasan betete für sie und dankte Gott; der Wind legte sich und wurde günstig, die Dunkelheit hörte auf und das Schiff segelte glücklich weiter. Hasan fragte den Magier: „O Herr, wo gehen wir den hin?“ Er antwortete: „Nach dem Wolkenberg, wo das Elixier sich findet, das wir für unsere Alchimie brauchen;“ und schwor bei Feuer und Licht, bei dem Schatten und der Hitze, er werde ihn nicht mehr betrügen. Hasan war vergnügt und frohen Herzens darüber, aß und trank und schlief mit dem Magier. So vergingen wieder drei Monate. Nachdem sie ein halbes Jahr auf dem Meer zugebracht, landeten sie an einer großen Wüste, die mit Steinen von weißer, gelber, schwarzer und blauer Farbe angefüllt war. Sobald das Schiff vor Anker lag, stand der Perser auf und sagte zu Hasan: „Komm, wir haben unser Ziel erreicht.“

Hasan ging mit dem Perser ans Land, nachdem dieser dem Hauptmann das Schiff empfohlen und ihm gesagt hatte, er solle ihn einen ganzen Monat erwarten. Als sie vom Schiff eine Strecke entfernt waren, nahm der Perser eine kupferne Trommel aus der Tasche, auf welcher allerlei Namen und Talismane gestochen waren. Er schlug darauf und es erhob sich auf einmal ein Staub aus der Wüste heraus. Hasan war ganz erstaunt, fürchtete sich und bereute es, das Schiff mit ihm verlassen zu haben. Als der Perser sah, wie er ganz blaß geworden, sprach er: „Mein Sohn Hasan, bei dem Feuer und dem Licht! du hast nichts mehr von mir zu fürchten, und müßte ich nicht mein Geschäft in deinem Namen verrichten, so hätte ich dich gar nicht mitgenommen; erwarte nur Gutes. Der Staub, den du siehst, ist ein Wesen, auf dem wir reiten und das uns helfen soll, diese weite Wüste zu durchziehen. „ Nach einer kleinen Weile bildete sich der Staub zu drei vortrefflichen Kamelen; der Perser bestieg eins, Hasan das andere, und auf das dritte packten sie ihre Lebensmittel. Nach einer siebentägigen Reise kamen sie in ein großes bebautes Land, wo sie eine auf vier goldnen Säulen ruhende Kuppel sahen. Sie stiegen ab, traten darunter, aßen, tranken und ruhten. Als Hasan sich umsah, bemerkte er etwas, das sehr hochgelegen war; er frage den Perser, was es wäre. Dieser antwortete: „Es ist ein Schloß.“ Hasan sagte: „Laß uns dahin gehen, es sehen und dort ausruhen.“ Der Magier erzürnte sich und sprach: „Rede nicht mehr von diesem Schloß, denn dort wohnt mein Feind, mit dem ich ein Abenteuer hatte, das ich dir erzählen muß.“ Mit diesen Worten ergriff er Hasan an der Hand, lief mit ihm weg und schlug die Trommel; sogleich kamen die Kamele wieder, und sie ritten wieder sieben Tage lang. Am achten Tag sagte der Magier: „Hasan, was siehst du?“ Er antwortete: „Ich sehe Wolken und Nebel vom Osten bis Westen.“ Da sagte der Magier: „Das sind weder Wolken noch Nebel, sondern das ist ein sehr hoher Berg, daß er die Wolken spaltet, denn keine kann sich über ihn erheben. Dieser Berg ist unser Ziel, droben findet sich, was wir suchen, dich aber mußte ich mitnehmen, weil ich es nur durch dich erhalte:“ Hasan verzweifelte am Leben und sagte: „Bei dem, was du anbetest! bei deinem Glauben; was haben wir hier zu suchen?“ Er antwortete: „Unsere geheime Kunst kann nur mit Hilfe einer Pflanze gelingen, auf die nie eine Wolke kommt, und ein solche findet sich nur auf diesem Berg; ich will dich nun hinaufbringen und dir das Geheimnis der Kunst mitteilen, die du lernen willst.“ Hasan sagte vor Angst: „Gut, Herr!“ Er gab jedoch alle Lebenshoffnungen auf und weinte über die Trennung von seiner Mutter und seinem Vaterland, auch machte er sich Vorwürfe, daß er gegen seine Mutter ungehorsam gewesen war, und sprach folgende Verse:

„Betrachte das Werk deines Gottes, wie er helfend dir Freude bringt. Verzweifle nicht in der Gefahr: wie vieles Wunderbare harrt dein, ohne daß du es siehst.“

Sie reisten vier Tage lang, bis sie an den Berg kamen; daselbst angelangt, setzten sie sich auf dessen Fuß. Da sah Hasan auf dem Berg ein Schloß, und er sprach zum Magier.- „Wer konnte da oben ein Schloß hinbauen?“ Der Magier antwortete: „Das ist die Wohnung der Djinn, der Werwölfe und der Teufel!“ Mit diesen Worten näherte er sich Hasan, küßte ihn und sagte: „Verzeihe mir meine erste Treulosigkeit, Ich schwöre dir, daß ich dich nicht mehr hintergehen werde; schwöre du mir auch, es geschehe, was da wolle, mich nicht zu verlassen und Glück und Unglück mit mir zu teilen!“ Hasan sagte: „Recht gern.“ Der Magier holte dann eine kleine Mühle, nahm Weizen aus einem Sack, malte ihn und knetete drei Laibe daraus, hierauf zündete er Feuer an und backte sie. Als dies geschehen war, nahm er die kupferne Trommel und trommelte, worauf sogleich die Kamele kamen; er schlachtete eins davon, zog ihm die Haut ab und sagte zu Hasan: „Höre, was ich dir anempfehle, sonst ist unser Tod unvermeidliche Hasan sagte: „Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! Sprich nur!“ Der Perser sagte: „Ziehe diese Haut um dich, ich will sie zunähen und dich liegen lassen; der Vogel Rock wird dann kommen und dich auf die Spitze des Berges hintragen; bist du oben, so nimm dieses Messer, zerschneide die Haut, worauf die Vögel wegfliegen werden; ist dieses geschehen, so sieh auf mich herunter und ich werde dir sagen, was du zu tun hast.“

Mit diesen Worten gab er ihm die drei Laibe und einen kleinen Schlauch Wasser, nähte die Haut um ihn zu und ging weg. Sogleich kam das Junge eines Rocks und flog mit ihm auf den Berg und legte ihn nieder. Als Hasan merkte, daß er droben war, spaltete er die Haut, schlüpfte heraus und sprach mit dem Magier von oben herunter. Als dieser seine Stimme hörte, tanzte er vor Freude und sagte: „Geh ein wenig rückwärts und sage mir, was du siehst.“ Hasan machte nur ein paar Schritte und erblickte viele morsche Gebeine und Holz daneben. Der Magier aber rief hinauf: „Nun ist der Zweck erreicht! nimm sechs Bündel von diesem Holz.“ Als Hasan dies getan, sprach der Magier: „Du Tropf! du Hund! nun habe ich meinen Zweck erreicht, du magst nun sterben oder nicht!“ und ging fort. Hasan sagte: „Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! Der Verruchte hat mich verraten.“ Er setzte sich, seufzte und sprach folgende Verse:

„Die ewige Bestimmung hat es so gewollt; wohl konnte ich fehlen, aber nicht die Bestimmung, denn sie ist unabänderlich. Wenn Gott mit einem Mann etwas vorhat, der Verstand, seine Ohren und gute Augen hat, so macht er seine Ohren taub, sein Herz blind und zieht ihm seinen Verstand wie ein Haar aus, bis sein Spruch bei ihm durchdringt; dann gibt er ihm den Verstand zurück, daß er sich belehre. Wenn etwas geschehen ist, frage nicht: Wie? denn alles geschieht nach Gottes Ratschluß und Bestimmung!“ Hasan stand auf, wendete sich rechts und links und sprach: „Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! „ Er ging auf dem Berg herum und dachte an den Tod. So kam er an das Ende des Berges und sah unter sich ein blauschwarzes Meer, das Wellen schlug, die hohen Bergen glichen. Hasan setzte sich, las einiges aus dem Koran, betete zu Gott, daß er ihm entweder einen leichten Tod gebe, oder ihn aus dieser Not befreie. Er sprach hierauf das Sterbegebet und sprang ins Meer. Der erhabene Gott ließ ihn glücklich vom Wind ins Meer tragen; der Engel der Meere bewahrte ihn auch im Wasser und brachte ihn wieder ans Land durch die Macht Gottes, gepriesen sei er! Hasan dankte Gott und ging umher, um Früchte zu suchen, denn ihn hungerte; das bemerkte er, daß er sich gerade wieder an der Stelle befand, wo er früher mit dem Magier gewesen; er freute sich über sein Entkommen und pries den erhabenen Gott. Als er weiter ging, sah er ein großes, sich hoch erhebendes Schloß; es war das, wovon der Magier ihm gesagt hatte, dort wohne sein Feind. Hasan ging hinein, denn er dachte: vielleicht finde ich hier Rettung; auch war die Tür offen und an dem Hausgang war eine Bank, auf der zwei Mädchen saßen wie Monde, sie hatten ein Schachspiel vor sich und spielten.

Als eine von ihnen den Kopf in die Höhe hob und Hasan sah, schrie sie freudig: „Bei Gott, ein Mensch! Ich glaube, es ist der, den der Magier Bahram dieses Jahr gebracht hat.“ Als Hasan dies hörte, fiel er vor ihr nieder, weinte und sagte: „Es ist derselbe, Herrin! bei Gott ich bin jener Elende.“ Hierauf sagte die jüngere der beiden Mädchen: „Ich nehme dich zum Zeugen, daß ich vor Gott mit diesem Manne einen Bund der Freundschaft schließe, daß ich Trauer und Freude, so wie den Tod mit ihm teilen will. Sie umarmte und küßte ihn, ergriff seine Hand und ging mit ihm ins Schloß; ihre Schwester folgte. Sie zogen Hasan alle seine schmutzigen Kleider aus und kleideten ihn in die Gewänder eines Königs; dann stellten sie ihm kostbare Speisen vor, setzten sich zu ihm, aßen mit ihm und sagten: „Erzähle uns, wie es dir mit diesem Hund, dem ruchlosen Zauberer, gegangen, seitdem du in seine Hand gefallen, bis zum Augenblick deiner Befreiung; wir wollen dir dann auch unser Abenteuer mit ihm erzählen von Anfang bis zu Ende, damit, wenn du ihn wiedersiehst, du dich vor ihm hütest.“ Als Hasan diese Worte hörte, und diese Aufnahme sah, beruhigte er sich und kam wieder zu seinem Verstand; er erzählte ihnen alles, was ihm widerfahren, sagte ihnen auch, er habe den Magier nach diesem Schloß gefragt, und derselbe habe geantwortet: Sprich nicht von diesem Schloß, es ist von Teufeln und von Iblis bewohnt. Die Mädchen gerieten in heftigen Zorn und sagten: „Macht uns der Hund zu Teufeln und Iblis!“ „Bei Gott“, sagte die Jüngere, „ich will ihn den schlimmsten Tod sterben lassen!“ Hasan fragte: „Wie willst du zu ihm gelangen, um ihn zu töten?“ Sie antwortete - „Er ist in einem Garten, Meschid genannt; dort will ich ihm in Bälde den Tod bereiten.“ Die ältere Schwester aber sprach: „Bei Gott! was Hasan von diesem Hund erzählt, ist alles wahr; doch erzähle ihm nun auch unsere Geschichte, damit er sie auch beherzigen Da sprach die Jüngere: „Wisse, mein Bruder, wir sind Töchter eines mächtigen Königs der Djinn, der viele Truppen und Verbündete und abtrünnige Geister zu Dienern hat; seine zwei älteren Brüder sind Zauberer. Er bekam sieben Töchter von einer einzigen Frau, aber aus Dummheit, Stolz und Eifersucht wollte er ihnen keine Männer geben. Er ließ einst seine Veziere und Freunde kommen und sagte ihnen: Wißt ihr einen Ort, der weder von Menschen noch von Genien besucht wird, an dem aber doch viele Bäume, Früchte und Bäche sind? Sie antworteten: Was willst du damit? Da ist der Wolkenberg mit einem Schloß, das ein abtrünniger Geist erbaute, der von unserem Herrn Salomo, Sohn Davids (Friede sei mit ihm!), dahin verwiesen worden ist; seitdem er umkam, ist es unbewohnt geblieben, weil es ganz einsam liegt. Rund herum sind Fruchtbäume, und Bäche fließen dort, deren Wasser süßer als Honig und frischer als Schnee ist; es hat noch nie ein Aussätziger davon getrunken, ohne davon geheilt worden zu sein. Als mein Vater von diesem Ort hörte, schickte er uns mit seinen Truppen dahin und ließ uns mit allen nötigen Speisen und Getränken versehen. Unsere fünf Schwestern sind jetzt auf der Jagd in diesem blumigen Tal, worin unzählbare Gazellen und anderes Wild umherstreifen. Es ist nun an uns die Reihe, für sie zu kochen. Wir haben stets zu Gott gebetet, er möchte uns doch einen Menschen bescheren, der uns Gesellschaft leiste; gelobt sei nun Gott, der uns mit dir zusammengebracht!“ Hasan freute sich, wurde frohen Herzens und dankte Gott, der ihn diesen Weg der Rettung geführt und ihm die Herzen zugeneigt. Die Jüngere, die ihn so gut aufgenommen, führte ihn in ein Zimmer, aus dem sie allerlei Stoffe und Teppiche herausnahm. Nach einer Weile kamen die übrigen Schwestern von der Jagd und freuten sich, als man ihnen von Hasan erzählte; sie gingen zu ihm, grüßten ihn und wünschten ihm zu seiner Rettung Glück. Er lebte in Freude, Genuß und Liebe, ging mit ihnen auf die Jagd, schlachtete was sie gefangen, und sie freuten sich seiner Gesellschaft. So wurde bald sein Körper wieder gesund, er heilte von allen Übeln, und wurde dick und stark von der Ehre, die man ihm erwies und von seinem Aufenthalt zwischen sieben Monden, die ihn auf alle Weise zu befriedigen strebten, in einem Schloß, das mit den wunderbarsten und kunstvollsten Arbeiten ausgeschmückt war, mitten zwischen blumigen Gärten, von gleich hübschen und wohlgewachsenen Mädchen geliebt, die ihm den süßen Wein ihres Speichels zu trinken gaben. Die jüngste Schwester erzählte den übrigen die Geschichte des Magiers, der sie für Teufel ausgegeben, und alle schworen, ihn umzubringen.

Im folgenden Jahr kam der versuchte Magier Bahram wieder mit einem gefesselten Jüngling, hübsch wie der Mond, in die Nähe des Schlosses. Hasan stand an einem Bach unter den Bäumen und sah ihn. Sein Herz klopfte und er wurde blaß; er ging zu den Mädchen und sagte ihnen: „Bei Gott, meine Schwestern, helft mir diesen Verruchten umbringen, den wir jetzt leicht ergreifen können, denn er ist wieder mit einem jungen gefangenen Muselmann da, den er auf alle Weise quält. Ich will nun meine Blutrache an ihm nehmen, ihn töten, mein Herz an ihm kühlen, und diesen Jüngling befreien, ehe er ihn, wie er mir getan hat, von einem Rock auf den Berg bringen läßt und sich dann von ihm entfernt. Ich eile nun, um eine belohnungswerte Tat zu vollbringen, und gebe diesen Jüngling seiner Heimat, seinen Verwandten und Freunden zurück: diese fromme Tat übe ich für euch, daß Gott euch dafür belohne.“ Die Mädchen sagten: „Wir gehorchen Gott und dir, o Bruder Hasan.“ Sie verschleierten sich, zogen Kriegsgewänder an, umgürteten ihre Waffen, brachten dem Hasan ein vortreffliches Pferd und eine vollkommene Kriegsrüstung mit einem guten Schwert, und gingen auf den Magier zu.

Als sie in seine Nähe kamen, sahen sie, wie er schon ein Kamel geschlachtet und ihm die Haut abgezogen hatte, wie er den Jüngling peinigte und ihm sagte: „Stecke dich in diese Haut!“ Hasan aber nahte sich unbemerkt von hinten und schrie ihn an, daß er vor Schrecken erstarrte. Dann trat er zu ihm hin und sagte: „Laß ab von diesem Jüngling, du Verruchter! du Feind Gottes und der Muselmänner! du Hund! du Treuloser! du Übeltäter! du ruchloser Anbeter des Feuers und des Lichts! du, der bei Hitze und Schatten schwört!“ Als der Verruchte sich umkehrte und Hasan sah, wollte er ihn wieder mit süßen Worten täuschen, und sprach zu ihm: „O mein Sohn, wie hast du dein Leben gerettet? wie bist du vom Berg heruntergekommene Hasan antwortete: „Derjenige, der dein Leben in meine Hand geliefert hat, war der Retter; ich will dich foltern, wie du mich gefoltert; du Ungläubiger! du Gottloser! der vom rechten Weg abgewichen, nun bist du verloren; dir hilft kein Bruder und kein Freund mehr, dein Tod ist gewiß! Hast du nicht gesagt: Wer dem Brot und dem Salz untreu wird, den verläßt Gott? und doch warst du treulos. Nun hat dich Gott in meine Gewalt gegeben, und dein Entkommen ist fern.“ Der Magier sprach: „O mein Sohn Hasan! bei Gott, du bist mir teurer als mein Leben, o Licht meiner Augen!“ Hasan aber ging auf ihn zu, zog das glänzende Schwert aus der Scheide, versetzte ihm einen Hieb auf die Schultern, so daß das Schwert von seinen Lebensgeistern glänzend hervorkam und Gott sandte schnell seine Seele in die Hölle; wehe einem solchen Aufenthalt! Hasan nahm den Sack, den der Magier bei sich hatte, öffnete ihn und zog die Trommel und den Schlegel heraus. Damit trommelte er, bis die Kamele wie der Blitz herbeigelaufen kamen. Hasan entfesselte den Jüngling, sattelte ihm ein Kamel, gab ihm Lebensmittel auf die Reise und nahm Abschied von ihm. So rettete der erhabene Gott diesen Jüngling aus der Not und führte ihn in seine Heimat zurück. Die Mädchen freuten sich, als sie den Magier von Hasan erschlagen sahen, und wunderten sich, daß Gott diesen Verruchten gerade durch ihn hatte sterben lassen; sie wünschten ihm Glück zu seiner Rettung und sprachen: „O Hasan, du hast hier eine Tat vollbracht, mit der du Kranke heilst und bei dem erhabenen König Wohlgefallen findest!“ Hasan kehrte mit den Mädchen ins Schloß zurück und lebte mit ihnen sehr angenehm in Essen, Trinken, Spiel und Scherz; er gedachte nicht mehr seiner Mutter. Während sie nun das freudigste Leben führten, erhob sich auf einmal ein mächtiger Staub aus der Wüste, der die ganze Luft verfinsterte. Die Mädchen sagten zu Hasan: „Steh auf, geh auf dein Zimmer, oder verbirg dich im Garten zwischen den Bäumen und Reben, dann hast du nichts zu fürchten.“ Hasan verbarg sich auf seinem Zimmer, das er hinter sich verschloß. Als dann der Staub sich legte, sah man, wie sich darunter eine Armee bewegte, die wie das Meer lärmte, es waren Truppen vom Vater der Mädchen. Die Mädchen hießen die Truppen absteigen und bewirteten sie drei Tage lang. Sie fragten die Kriegsleute, wie es ihnen gehe und was sie neues bringen? Sie antworteten: „Wir kommen, um euch zu holen im Namen des Königs. Einer der Nachbarfürsten wird seine Tochter verheiraten, und euer Vater will euch die Freude machen, dem Fest beizuwohnen.“ Die Mädchen fragten: „Wie lange sollen wir abwesend bleiben?“ Sie antworteten: „Mit der Hin- und Herreise und dem Aufenthalt einen Monat.“ Die Mädchen gingen dann zu Hasan, benachrichtigten ihn davon und sagten ihm: „Hasan, dieser Ort gehört dir, laß dir wohl sein und sei heiter! fürchte nichts, es wird niemand zu dir kommen, hier sind die Schlüssel zu unserm Schloß. Nur bitten wir dich bei unserer Freundschaft, öffne diese eine Tür nicht, denn du hast es nicht nötig!“ Sie nahmen Abschied von ihm und zogen mit den Truppen fort. Als Hasan allein im Schloß war, wurde sein Herz sehr beklommen, er wurde ungeduldig, mißmutig und hatte banges Gefühl, denn seine Trauer über ihr Scheiden war groß. Er erinnerte sich ihrer Gesellschaft und Unterhaltung, und sprach folgende Verse:

„Die ganze Ebene kommt meinen Augen eng vor und mein ganzes Herz ist betrübt; alle Freude ist vorüber, seitdem sie fern sind, und der Tränen Strom ergießt sich aus meinen Augenhöhlen. Der Schlaf flieht mein Auge, seitdem sie von mir gegangen, und mein ganzes Innere ist betrübt.“

Es sagt der Erzähler der wunderbaren und entzückenden Geschichte: - und Friede sei mit unserm geliebten Herrn Mohammed, der den, der für ihn betet, vor der Feuerpein bewahrt, Gott habe Wohlgefallen an seinen reinen, vortrefflichen Verwandten und Gefährten! Amen. Hasan ritt jeden Tag auf die Jagd, schlachtete und aß, doch ohne Lust, zehn Tage lang. Nachher wurde seine Brust sehr beklommen, und er wußte nicht mehr, was er anfangen sollte. Er ging im Schloß umher und durchsuchte alle Gemächer, bis er in die Zimmer der Mädchen kam, worin er viele Schätze und Kostbarkeiten sah, doch hatte er wegen ihrer Abwesenheit keine Freude daran; auch brannte sein Herz wegen der Tür, die er nicht öffnen sollte. Er dachte bei sich: Gewiß hat meine Freundin mir deshalb den Zugang zu diesem Zimmer versagt, weil etwas darin ist, das niemand sehen soll. Indessen hat sie das Gold nicht verschlossen, allerlei Kostbarkeiten und Kleinodien liegen auch offen da, bei Gott, ich will die Tür öffnen und sehen, was in diesem Zimmer ist, und sollte ich auch sterben müssen. Er holte die Schlüssel und öffnete die Tür, fand aber nichts als mitten im Zimmer eine Treppe von jemanischen Steinen. Hasan stieg die Treppe hinauf auf die Terrasse des Schlosses und dachte: dies ist der Ort, den ich nicht sehen sollte. Er ging auf der Terrasse herum und sah unter dem Schloß schöne Wiesen, Gärten und Bäume, Blumen, Bäche, Wildbret und Vögel, die alle den einzigen allmächtigen Gott priesen; er sah auch das Meer, das hohe Wellen schlug. So ging er lange umher und sah sich nach allen Seiten um, bis er endlich an einen Pavillon kam, der mit allerlei Edelsteinen, wie Rubin, Smaragd und Diamanten, verziert war; er bestand aus zwei Lagen Gold und einer Lage Silber. Mitten in diesem Pavillon war ein kleiner See, voll mit Wasser, und darüber ein netzförmiges Gitterwerk von Sandel-, Aloe- und anderm wohlriechenden Holze, mit goldnen Stangen, die mit allerlei Edelsteinen und Perlen verziert waren und über demselben waren Reben mit Trauben wie Rubine, jede Beere so groß wie ein Taubenei. Auf der Seite des Sees sah man einen Thron von Aloeholz, mit Perlen, Edelsteinen und mit goldenen Stangen geschmückt; die Vögel zwitscherten auf den Bäumen in verschiedenen Sprachen und priesen den einzigen allmächtigen Gott. Als Hasan dies sah, war er höchst erstaunt und wußte nicht mehr, wo er war. Er setzte sich und sah verwundert umher, ohne jemanden zu entdecken, als Vögel und Tiere; er dachte: welchem König mag wohl dieser Ort gehören? oder ist das wohl der Garten Irem mit den Pfeilern, von denen man erzählt? Wer vermag so etwas herzustellen? Während er so in Verwunderung saß, kamen zehn Vögel aus der Wüste auf das Schloß zu; Hasan aber sah sie nach diesem Lusthaus fliegen, um Wasser zu trinken. Da er fürchtete, wenn sie ihn sähen, möchten sie entfliehen, stand er auf und verbarg sich vor ihnen. In einem Augenblick ließen sie sich um den See herum nieder, und er bemerkte einen von den Vögeln durch seine Schönheit vor den anderen hervorragen, und die übrigen neun umgaben ihn wie seine Diener. Der große Vogel pickte die anderen und quälte sie, bis sie vor ihm entflohen. Hasan sah allem aus der Ferne zu, ohne daß sie ihn bemerkten. Sie setzten sich dann auf den Thron, jeder Vogel aber zog mit seinen Krallen sein Kleid aus, und sieh da! es waren Federnkleider, aus denen zehn Jungfrauen schlüpften, schöner als der Mond. Sie stiegen alle in den See, badeten sich, spielten und lachten; der große Vogel aber hob sie in die Höhe und tauchte sie wieder unter, bis sie vor ihm entflohen und keiner hob die Hand gegen ihn auf.

Als Hasan sie sah, kam er ganz außer sich und verlor seinen Verstand. Er dachte, die Mädchen hätten ihm nur deshalb verboten, jene Türe zu öffnen; denn sein Herz wurde gefesselt, als er sie so ausgelassen im Wasser mit den übrigen spielen sah, und ungestört betrachten konnte, er bedauerte nur, sich ihnen nicht nahen zu dürfen. Er bewunderte besonders die Oberste der Mädchen und fiel in das Netz ihrer Liebespfeile, denn das Auge sieht, das Herz entflammt und die menschliche Leidenschaft führt zur Sünde. Er weinte und fühlte in seinem Herzen eine unauslöschliche Liebesflamme. Die Mädchen stiegen indessen wieder aus dem Bassin, der Unglückliche aber blieb immer in ihre Betrachtung versunken und bewunderte Gottes Geschöpfe: doch was kann Gott nicht schaffen! Wie sein Auge wieder auf die Oberste der Mädchen fiel, da flog sein Verstand ganz davon. Als alle aus dem Wasser waren, zogen sie ein mit Gold, Perlen und Edelsteinen besetztes Kleid an, nur die Oberste trug ein grünes Gewand. Der Glanz ihres Angesichts überstrahlte den Vollmond, und ihr schöner Wuchs alle Baumzweige; und das Verlangen nach ihr raubte jedem den Verstand; sie war, wie der Dichter sagt:

„Ein munteres Mädchen, von deren Wangen die Sonne ihren Glanz entlehnt, erschien in einem grünen Hemd, wie ein grünes Blatt mit Kirschen.“

Als sich die Mädchen angekleidet hatten, setzten sie sich, unterhielten sich miteinander und lachten; die oberste aber neckte immer die andern, fiel bald über diese und bald über jene her, und keine wagte es, die Hand gegen sie auszustrecken. Hasan stand auf glühenden Kohlen, ganz von Sinnen und vor Liebe außer sich, und sprach zu sich: „O hätte ich doch diese Tür nicht geöffnet, und diese Reize nicht gesehen. Wie willst du, Hasan, zu ihrem Besitz gelangen? wie willst du dir einen Vogel, der in der Luft fliegt, zueignen? Bei Gott, Hasan, du hast dich in ein bodenloses Meer geworfen und in eine Sache eingelassen, der du nicht gewachsen bist; du mußt nun aus Verzweiflung sterben, und niemand wird deinen Tod erfahren, wie sollten solche Reize mich nicht töten?“ Er betrachtete dann noch einmal das schöne Mädchen, das alle Menschen an Schönheit übertraf. Und wie anders? ihr Mund war wie Salomos Siegelring, ihre Haare wie die finstere Nacht, ihre Augen bezaubernd wie die der Gazelle, ihre Nase wie die eines Adlers. Sie hatte Wangen wie Anemonen, Lippen wie Rubinen, Zähne wie Perlen in Korallen gereiht, eine Zunge voll Süßigkeiten wie ein königlicher Tisch, einen herrlichen Busen, kurz, alle ihre Reize waren vollkommen, wie der Dichter sagt:

„Ein schönes Mädchen! ihr Speichel ist wie Honig, ihr Auge schärfer als ein indisches Schwert; ihre Bewegungen beschämen die Zweige des Ban, und wenn sie lächelt, so gleicht sie der Arthemis. Du sagst, ihre Wangen seien wie Doppelrosen, doch sie empört sich darüber und spricht: Wer wagt es, mich mit einer Rose zu vergleichen? wer schämt sich nicht, zu behaupten, mein Busen sei so reizend wie die Frucht eines Granatapfelbaumes? Bei meiner Schönheit und Anmut! bei meinen Augen und schwarzen Haaren! wer wieder solche Vergleiche macht, den verbanne ich aus meiner Nähe und töte ihn durch die Trennung; denn findet er in den Zweigen des Ban meinen Wuchs, und in den Rosen meine Wangen, was hat er bei mir zu suchen?“ Die Mädchen lachten und spielten immer fort, Hasan aber bewunderte ihre Reize und vergaß seine Schwestern, deren Abwesenheit ihn so verstimmt hatte, bis zur Asserzeit. Da sagte die Schöne zu den übrigen: „O ihr Prinzessinnen! es wird spät, wir haben noch weit und sind schon müde, kommt, laßt uns aufbrechend Sie zogen hierauf alle zugleich ihre Federnkleider an und flogen, wie sie gekommen waren, als Vögel davon, die Schöne aber flog in der Mitte, und Hasan verzweifelte. Er wollte aufstehen, konnte aber nicht: er weinte, jammerte und sprach folgende Verse:

„Ich wäre ein Treuloser, wenn ich, nach eurer Entfernung, die Süßigkeit des Schlafes kostete. Seitdem ihr geschieden, haben sich meine Augen nicht mehr geschlossen, auch schmeckt mir keine Ruhe seitdem ihr fortgewandert. Es ist mir, als sehe ich im Traum euer Bild, o wären die Träume doch wahr! ich liebe den Schlaf nur in der Hoffnung, euch im Traum zu sehen!“ Er ging dann ein wenig und setzte sich wieder, konnte aber nur mit großer Mühe den Weg finden, um wieder in die untere Etage des Schlosses zu gelangen, dann schleppte er sich so fort, bis er an die Tür des Zimmers kam. Als er darin war, schloß er sie, legte sich hin, war aber ganz in Gedanken versunken, aß und trank nicht und konnte den ganzen Tag keine Ruhe finden. Als es Nacht wurde, weinte und seufzte er; er erwähnte den Namen unseres Herrn Mohammed, und sprach folgende Verse:

„Die Vögel flogen abends davon und schrieen: Wer aus Liebe stirbt, hat keine Schuld, solange man beisammen verweilt, kann man nicht von Liebe sprechen, wird aber die Sehnsucht heftig, so bleibt sie nicht mehr verborgen. Mir erschien das Bild derjenigen, deren Stirne dem Morgen gleicht, und sie verwandelt meine Nacht in Tag. Ich seufze nach ihr, wenn freie Menschen schlafen und den Kelch der Ruhe schlürfen. Ich bin freigebig mit meinen Tränen, ich gebe gerne all mein Gut, mein Herz und meinen Verstand, denn Freigebigkeit ist Gewinn. Was bleibt dem Liebeskranken übrig, als der Liebe alles zu opfern? Man sagt, es ist verboten, vergängliche Dinge zu lieben, und erlaubt der Liebenden Blut zu vergießen. So oft mir dein Bild vorschwebt, klage und seufze ich, denn was kann der Verzweifelte mehr tun, als klagen, da er doch ohne Flügel nicht fliegen kann!“ Als die Sonne aufging, öffnete er die Zimmertür und stieg wieder auf die Terrasse; er setzte sich an eine Stelle, dem Altan gegenüber und wich nicht bis abends; die Vögel aber kamen nicht, und er weinte solange, bis er ohnmächtig auf den Boden fiel. Als er wieder zu sich kam, stieg er hinunter. Er legte sich nieder, bis der nächste Morgen begann und die Sonne Berge und Täler beleuchtete, hatte jedoch keine Ruhe; die ganze Nacht schlief er nicht, konnte weder essen noch trinken; er war traurig und niedergeschlagen, weil er immer an seine Liebe dachte, und sprach folgende Verse:

„Sie beschämt die leuchtende Morgensonne und alle Baumzweige; o möge doch das Schicksal sie mir zurückbringen, damit sie den Trennungsschmerz mildere und mein Herz beruhige; o könnte ich des Abends sie umarmen und Wange auf Wange, und Hals auf Hals legen! Wer sagt, die Liebe sei süß? gewiß hat die Liebe gar zu bittre Tage!“ Als Hasan diese Verse vollendet hatte, sah er einen großen Staub sich aus der Wüste erheben; er ging schnell hinunter und verbarg sich, denn er dachte, daß es die Bewohner des Schlosses seien. Sehr bald darauf erschienen wirklich die sieben Mädchen mit Soldaten, die sich im ganzen Schloß verbreiteten. Sie zogen ihre Kleider und Kriegsrüstung aus, die Jüngste aber, Hasans Freundin, ging sogleich, ohne sich umzukleiden, auf sein Zimmer, fand ihn jedoch nicht; sie suchte solange, bis sie ihn in einem anderen Zimmer erblickte; er war schwach, mager und blaß und hatte hohle Augen, weil er weder gegessen, noch getrunken, noch geschlafen ' hatte, alles aus Liebe und Sehnsucht nach dem Mädchen. Als seine Freundin ihn in diesem Zustand fand, wurde ihr ganz unwohl; sie fragte ihn, was ihm zugestoßen, 'und sprach: „O erzähle mir's doch, ich gebe mein Leben hin, mein Bruder! um dir zu helfen.“ Hasan weinte, bis er in Ohnmacht fiel, und sprach dann folgende Verse:

„Bleib fern von Zuständen, die gelbe Flecken erzeugen! von innen Verwesung, von außen Brand. Der Anfang ist Erinnerung und das Ende ist Kummer.“

Seine Freundin staunte über diese beredten Worte, und sagte zu ihm: „O mein Bruder! wann ist dir ein solches Unglück widerfahren, daß du solche Verse im Munde führst und so viele Tränen vergießt? Bei Gott und bei dem Brot, das wir zusammen genießen, erkläre mir deinen Zustand und verhehle mir nichts, sage mir, was dir in meiner Abwesenheit widerfahren, denn dein Zustand betrübt mich sehr. Hasan seufzte und vergoß Tränen wie ein Platzregen; er sprach: „Ich fürchte, o Schwester! du wirst mir nicht beistehen in meinem Verlangen, und ich werde aus Verzweiflung sterben müssen.“ Sie aber schwor: „Bei Gott, mein Bruder, ich verlasse dich nicht und kostete es auch mein Leben!“ Hasan erzählte ihr, daß er die Tür geöffnet habe und was er gesehen, von Anfang bis zu Ende, wie ihn nun die Liebe zu dem Mädchen so unglücklich mache, daß er schon zehn Tage weder an Essen noch Trinken Freude habe; er weinte dann wieder und sprach folgende Verse:

„Gib mir das Herz zurück, wie es in meiner Brust war, gib meine Augen dem Schlaf zurück, dann scheide! glaubtet ihr, die Nächte würden den Liebesbund lösen? möge jeder untergehen, der ihn bricht!“ Er setzte seine Klagen solange fort, bis seine Freundin ihn bemitleidete und mit ihm weinte. Sie sprach zu ihm: „Sei frohen Herzens und heitere Auges! ich will jede Gefahr mit dir teilen und auf Mittel denken, wie du in ihren Besitz gelangst, müßte ich auch mein eigenes Leben dabei opfern! Verbirg jedoch dein Geheimnis vor meinen Schwestern, sonst sind wir beide verloren. Wenn sie dich fragen, ob du jene Türe geöffnet hast, so antworte: Nein, sondern ich bin niedergeschlagen von meiner langen Einsamkeit in diesem Schloß, es wurde mir in eurer Abwesenheit gar zu unheimliche Hasan sagte: „Dein Rat ist gut, ich will ihn befolgen.“ Er heiterte sich wieder auf, öffnete jedoch aus Furcht vor den Mädchen die Tür nicht mehr, seine Lebensgeister aber kehrten wieder zu ihm zurück. Als seine Freundin dies bemerkte, brachte sie ihm zu essen und zu trinken, ging zu ihren Schwestern und sagte ihnen mit Tränen in den Augen, ihr Freund sei krank und habe schon zehn Tage lang nichts gegessen. Als sie fragten, was er für eine Krankheit habe, antwortete sie: „Sie entstand aus Verlangen nach uns, denn die Tage unserer Abwesenheit schienen ihm länger als tausend Jahre. Der Unglückliche ist zu entschuldigen, er ist hier fremd und mußte ganz allein bleiben, ohne Gesellschaft und Erheiterung; er ist noch so jung, ihn schmerzt die Trennung von seiner Mutter, die eine alte Frau ist und um ihn weint, und die er nur in unserer Gesellschaft vergessen hatte.“ Als die Schwestern dies hörten, weinten sie aus Mitleid mit ihm; sie entließen die Truppen, gingen zu Hasan und grüßten ihn; ihr Kummer war groß, als sie sahen, wie seine Reize abgenommen hatten und wie mager sein Körper geworden war. Sie weinten, trösteten ihn und erzählten ihm alles Wunderbare, was sie auf der Reise gesehen, und was dem Verlobten widerfahren sei. So suchten sie ihn mit den süßesten Reden aufzumuntern: wie konnte er sieben Mädchen, schön wie der Mond, länger widerstehen? Doch war Hasan so sehr mit seiner Liebe beschäftigt, daß ihm die Gesellschaft der Mädchen gar nicht angenehm war, denn er wollte wieder aufs Schloß steigen. Die Mädchen verließen ihn aber einen ganzen Monat lang nicht, und bedauerten ihn sehr, da sie seine Krankheit täglich zunehmen sahen. Nach einem Monat hatten jedoch die Mädchen wieder Lust, auf die Jagd zu reiten. Sie fragten die Jüngste, ob sie mit wolle? Diese aber antwortete: „Bei Gott, meine Schwestern, ich kann nicht mit euch gehen, solange mein Freund in einem so kranken Zustand ist.“ Die Mädchen lobten die gute Tat ihrer jüngsten Schwester, und sagten: „Du wirst gewiß einst den Lohn ernten für die Wohltaten, die du diesem Fremden erweist.“ Mit diesen Worten verabschiedeten sie sich, nahmen Lebensmittel auf zwanzig Tage mit und ritten fort.

Sobald die Mädchen das Schloß verlassen hatten, ging die jüngste Schwester zu Hasan und sagte ihm: „Steh auf und zeige mir den Ort, wo du die Mädchen gesehen.“ Voller Freude, weil er schon der Erfüllung seiner Wünsche entgegensah, rief er: „Im Namen Gottes!“ und wollte mit ihr gehen. Er war aber so schwach, daß er gar nicht aufstehen konnte, und seine Freundin mußte ihn auf ihren Armen tragen. Sie öffnete die Tür, die zur Treppe führte, und stieg mit ihm auf die Terrasse. Als sie oben waren, zeigte ihr Hasan die Stelle, wo er die Mädchen nackt gesehen, sowie auch den Pavillon und das Bassin, in das sie gestiegen. Dann sagte sie. „Beschreibe mir das Aussehen deiner Geliebten.“ Als Hasan sie beschrieb, wurde seine Freundin plötzlich ganz blaß. Hasan fragte: „Was hast du? Warum wirst du auf einmal so entstellte Sie antwortete: „Wisse, mein Freund, dieses Mädchen ist die Tochter des mächtigsten Königs der Genien, ihr Vater herrscht über Menschen und Djinn, über Zauberer und Wahrsager und über viele Stämme; auch unser Vater steht unter seiner Oberherrschaft. Er hat viele Verbündete und gebietet über weite Länder und Städte und Inseln, niemand kann ihn bezwingen, so zahlreich ist seine Armee, so groß sein Königreich und so unermeßlich sein Schatz. Er hat seinen Töchtern, die du gesehen, ein Land, das man in nicht weniger als einem Jahr durchreisen kann, übergeben; kein Mensch und kein Djinn kann dahin gelangen, denn es ist rings umher von einem Strom umgeben. Unter seinen vielen Truppen befindet sich auch eine Abteilung, die aus fünfundzwanzigtausend kriegerischen Mädchen besteht, welche, wenn sie ihre Pferde besteigen, die tapfersten Helden schlagen, und seine sieben Töchter haben mehr Mut und Kraft, als ein Löwe. In dem eben erwähnten Land, das eine Ausdehnung von einer jährigen Reise hat, regiert die älteste Prinzessin, welche so viel Klugheit, List, Tapferkeit, Ritterlichkeit und Zauberkünste besitzt, daß, wenn sie wollte, sie leicht unser Reich zerstören könnte; die Mädchen, die sie begleiten, sind die Großen ihres Reichs und ihre Leibwache, und die Federhäute, mit denen sie fliegen, sind Zauberwerk von Genien. Willst du diese Prinzessin, diese ausgezeichnete Perle, dir zueignen und an ihren Reizen dich ergötzen, so warte hier, denn sie kommt am Anfang jeden Monats hierher; wenn aber die Mädchen kommen, so verbirg dich recht sorgfältig, denn wenn sie dich erblicken, so sind wir verloren, wir alle samt unserem Vater. Merke dir nun wohl, was ich dir sage, bleibe in der Nähe irgendwo sitzen, wo du sie sehen kannst, ohne von ihnen gesehen zu werden; wenn sie dann ihre Kleider ausziehen, so gib acht, wo die Prinzessin ihr Federkleid hinlegt, nimm es und verwahre es wohl, denn nur mit diesem Kleid kann sie nach ihrem Reich zurückkehren. Laß dich aber ja nicht von ihr bereden, wenn sie es zurückfordert und sagt: ich bin ja bei dir, du kannst mich ja festnehmen; denn sobald sie ihr Kleid hat, bringt sie dich um, zerstört unser Schloß und tötet unsere Vater. Sehen dann die anderen Mädchen, daß das Kleid der Prinzessin gestohlen worden, so fliegen sie fort und lassen sie allein. Sobald du bemerkst, daß sie die Hoffnung, ihre Gefährtinnen wiederzusehen, aufgegeben hat, so gehe auf sie zu, ergreife sie bei den Haaren, ziehe sie zu dir hin, und führe sie in dein Gemach, denn du bist ihr Herr. Verwahre aber das Federnkleid wohl, denn solange du dieses hast, ist sie in deiner Gewalt. Ich rate dir daher, ihr gar nicht zu sagen, daß du es genommen.“

Als Hasan diese Rede seiner Freundin hörte, beruhigte sich sein Gemüt, er erhob sich neu gestärkt, küßte das Haupt seiner Freundin und betete für sie. Sie gingen dann wieder herunter und brachten die Nacht beisammen im Schloß zu. Sobald am folgenden Morgen die Sonne aufging, stieß Hasan wieder auf die Terrasse, die er bis abends nicht verließ, so daß seine Freundin ihm zu essen und zu trinken hinaufbringen mußte. So ging das fort, bis der Neumond ihm das erwartete Glück brachte; denn mit ihm kamen auch die Vögel wie der Blitz herangezogen. Hasan verbarg sich schnell an einem Ort, wo er sie sehen konnte, ohne von ihnen bemerkt zu werden. Sie ließen sich herunter und zogen ihre Federgewänder aus. Der große Vogel zog nach Gottes Bestimmung sein Gewand in der Nähe Hasans aus, und ging ins Bassin zu den übrigen Vögeln. Hasan machte sich ganz leise unter Gottes Schutz auf und nahm, während sie im Wasser untertauchten und allerlei Scherze trieben, ohne von ihnen bemerkt zu werden, das Gewand der Prinzessin weg. Nach dem Bad stiegen sie wieder aus dem Bassin, und jede zog ihr Gewand wieder an. Als aber die Prinzessin, welche zuletzt ausgestiegen war, ihr Federkleid nicht mehr fand, da stieß sie ein lautes Geschrei aus und schlug sich ins Gesicht; die anderen Mädchen kamen zu ihr und fragten sie, warum sie so jammere; und als sie hörten, daß sie ihr Federgewand vermisse, weinten sie mit ihr und wußten nicht, was sie von diesem Raube denken, noch was sie tun sollten. Da es indessen schon spät war und sie fürchteten, es möchte ihnen, wenn sie länger blieben, auch ein Unglück widerfahren, nahmen sie Abschied von ihr und flogen davon. Als sie sich entfernt hatten, sagte sie: „Ich beschwöre dich bei Gott, du, der du mein Kleid genommen, gib mir es zurück; Gott lasse dich nie einen solchen Verlust fühlen! „

Sobald Hasan diese Worte hörte, die süßer als Julep waren, bemächtigte sich seiner eine heftige Leidenschaft, die ihm alle Besinnung raubte; er stürzte gewaltig auf sie zu, faßte sie bei den Haaren, zog sie an sich, trug sie in sein Zimmer hinunter und warf ein seidenes Tuch über sie. Er schloß dann das Zimmer zu und ging, um seiner Freundin zu sagen, daß er nun seine Geliebte in seiner Macht habe, daß sie aber weine und vor Verzweiflung sich in die Hand beiße. Als seine Freundin dies hörte, ging sie mit ihm auf sein Zimmer und küßte die Erde vor der niedergeschlagenen Prinzessin und grüßte sie. Diese rief: „So schlecht behandelt ihr Prinzessinnen? Ihr kennt doch meinen Vater, seine Macht, sein Reich und seine Armee; ihr wißt, daß alle Könige furchtsam vor ihm zittern wegen seiner vielen Zauberer, Gelehrten, Wahrsager, Genien, Dämonen und Truppen, welche so zahlreich sind, daß nur der erhabene Gott ihre Zahl kennt, und dennoch beherbergt ihr einen Mann bei euch und macht ihn mit unsern und euren Zuständen bekannt. Wie seid ihr zu diesem hergelaufenen Fremden gekommen? Hasans Freundin antwortete: „O Prinzessin, der Mann hat nichts Böses vor, die Weiber sind ja doch nur für die Männer, und die Männer für die Weiber geschaffen; er hat nur einen Blick auf dich geworfen, und dahin ist seine Gesundheit und Heiterkeit.“ Sie erzählte ihr dann alles, wie sie es von Hasan vernommen, redete ihr freundlich zu und suchte sie zu trösten, aber die Prinzessin blieb eine Weile ganz bewußtlos.

Als die Prinzessin wieder zu sich kam, fiel Hasans Freundin teilnehmend über ihre Hände und Füße her und küßte sie. Dann holte sie ihr ein schönes Kleid und zog es ihr an, brachte ihr Speisen und aß mit ihr, suchte sie durch gute Worte aufzuheitern und ihr für Hasans Schicksal Mitleid einzuflößen: aber die Prinzessin weinte die ganze Nacht durch.

Am folgenden Morgen, als sie sah, daß ihr Jammern ihr keine Rettung verschaffte, hörte sie auf zu weinen, wurde ruhiger und sagte: „Gott hat nun einmal über mein Haupt beschlossen, ich soll in der Fremde, fern von meinen Verwandten und von meinem Vaterland, leben; ich muß den Ratschluß des Herrn mit Ergebung ertragene Hasans Freundin richtete ihr dann ein Zimmer im Schloß her, leistete ihr Gesellschaft und tröstete sie solange, bis sie endlich ganz munter wurde und sich nicht mehr über ihre Trennung von den Ihrigen betrübte. Jene ging dann zu Hasan und sagte ihm: „Geh zu deiner Geliebten, küsse ihr Haupt und ihre Hände und sei recht zärtlich gegen sie.“ Hasan besuchte sie, küßte ihre Füße, ihr Haupt und ihre Wangen, und sagte ihr: „O Herrin der Schönen, Leben der Seele, Freude des Auges! Sei doch ganz ohne Sorgen, ich werde dich nicht hintergehen, ich will dein Sklave sein bis zum Tode, und diese meine Freundin erbietet sich als deine Sklavin; auch fordere ich nichts, was den Geboten Gottes und seines Propheten (Gott sei ihm gnädig!) zuwider ist, ich will dich gesetzmäßig heiraten, und mit dir nach meinem Vaterland, nach Bagdad, reisen, wo meine teure Mutter wohnt, die dich mit ihren Augen bedienen wird; auch kaufe ich dir Sklaven und Sklavinnen. Sieh, unser Land ist hübsch und von schönen Menschen mit freundlichen Gesichtern bewohnt.“

Als Hasan so gesprochen, ohne daß sie ihm geantwortet, wurde an die Tür des Schlosses geklopft; Hasan ging, um zu sehen, wer draußen sei, und siehe, es waren die Mädchen, welche von der Jagd zurückkehrten. Hasan ging ihnen freudig entgegen, auch sie freuten sich sehr und wünschten ihm Glück zu seiner Wiedergenesung. Sie stiegen von ihren Pferden ab, und nachdem sie sich in ihren Gemächern umgekleidet hatten, ließen sie den Ertrag der Jagd herbeibringen, um einiges schlachten, anderes im Schloßhof herumlaufen zu lassen. Hasan nahm eine Schürze vor, um einiges zu schlachten, das noch auf Mittag gekocht werden sollte, und die Mädchen freuten sich, ihn in ihrer Mitte zu sehen. Hasan ging nun zur Ältesten und küßte ihr Haupt, dann auch zu den übrigen und küßte eine nach der andern. Sie sagten: „Laß doch, o Bruder, das sind wir dir schuldig, du bist gewiß vornehmer, als wir.“ Da weinte und seufzte er. Die Mädchen fragten: „Was hast du? Warum weinst du und betrübst uns so durch deinen Kummer? Wenn du Heimweh hast, so wollen wir dich mit dem Nötigen ausstatten und du kannst in deine Heimat zu deiner Mutter zurückkehren.“ Er sagte: „Bei Gott, ich habe keine Lust, euch zu verlassen.“ Da sagten sie: „Warum bist du denn so niedergeschlagene Hasan schämte sich, ihnen etwas von der Prinzessin zu sagen, auch befürchtete er ihre Einreden.

Als er daher schwieg, sagte seine Freundin zu ihren Schwestern: „Er hat einen Vogel in der Luft gefangen, und ihr sollt ihm helfen, ihn zu verzehrend Sie sagten alle: „Wir sind bereit, dir in allem beizustehen, erzähle uns nur deine Geschichte.“ Hasan sagte seiner Freundin: „Erzähle du sie ihnen, denn ich schäme mich.“ Als diese hierauf ihren Schwestern Hasans Abenteuer erzählte, und Hasan ihre Reize geschildert hatte, wünschten sie zu ihr geführt zu werden. Hasan ging vor ihnen her und öffnete die Tür seines Zimmers. Sobald sie diese schöne Prinzessin sahen, küßten sie die Erde vor ihr und bewunderten ihre herrliche Gestalt und ihre Reize, grüßten sie und sagten ihr: „O Prinzessin, wir schwören dir, daß wir von allem, was mit dir geschehen ist, nichts wußten; hat sich dir Hasan etwa auf eine unanständige Weise genähert?“ Sie antwortete: „Nein!“ - „Bei Gott“, fuhren sie fort, „wenn er das getan hätte, so wäre ihm der Tod aus unserer Hand sicher gewesen. Doch es ist natürlich, daß Männer Frauen lieben, und diese sind ja nur für jene geschaffen; hat er doch bei seiner heftigen Liebe nichts Unerlaubtes begehrt. Wüßten wir, daß Mädchen ohne Männer leben könnten, so würden wir ihn von seinem Begehren abzuhalten suchen; oder wüßten wir nicht, daß er das Federngewand verbrannt hat, so würden wir es ihm nehmen.“ Dann befreundete sich eines der Mädchen ganz besonders mit ihr, gewann ihr Vertrauen und erlangte bald ihre Einwilligung, sie mit Hasan zu verloben. Das Brautpaar gab sich die Hand und der Hochzeitstag wurde mit vielen Festlichkeiten begangen. Als Hasan sich des Abends am Ziel seiner Wünsche sah, sprach er im Taumel der Liebe folgende Verse:

„Dein Wuchs hat mich bezaubert, dein weites Auge und dein Gesicht, das im Schönheitswasser perlt. Ich erblicke in dir die reizendste Gestalt. Die Hälfte deines Leibes ist von Rubinen, ein Dritteil von Diamanten, ein Fünftel von Moschus, ein Sechstel von Ambra, und du gleichst ganz einer Perle, bist nur noch strahlender. Weder unter Evas Nachkommen, noch in den Gärten der Ewigkeit ist eine vortrefflicher, als du! Es steht nun bei dir, ob du deinen Sklaven vor Liebe töten, oder ihm verzeihen willst. O Zierat der Welt, o mein höchstes Verlangen, wer kann mit Ruhe dein schönes Gesicht sehen?“ Die Mädchen, welche vor der Türe standen, als Hasan diese Verse rezitierte, sagten zur Prinzessin: „Hörst du die Worte der Liebe und tadelst uns noch?“ Hasan rezitierte hierauf noch tausend andere Verse, welche die Prinzessin sehr entzückten. Vierzig Tage vergingen in allerlei Belustigungen und Festen, bei welchen Hasan von den Mädchen auf alle Weise erfreut und beschenkt wurde.

Die Prinzessin war vollkommen getröstet und fand so viel Wohlgefallen an diesem Aufenthalt, daß sie die Ihrigen ganz vergaß. Nach vierzig Tagen erschien Hasan im Traum seine Mutter, um ihn trauernd, ganz mager und blaß und entstellt, und sagte ihm: „Mein Sohn Hasan, du lebst noch in dieser Welt und hast mich vergessen? Mein Sohn, sieh, wie ich durch deine Trennung geworden bin; ich werde dich nie vergessen, bis zum Tod. Auch habe ich dein Grab in meinem Haus gebaut, weil ich dich nie vergessen will. Mein Sohn, wird mein Auge dich je wiedersehen? Werden wir, wie früher, vereinigt leben?“ Bei diesen Worten erwachte Hasan, mit tränenden Augen, traurig und niedergeschlagen. Als des Morgens die Mädchen wie gewöhnlich ihn besuchten, sah er sie gar nicht an und ging ihnen nicht entgegen. Sie fragten die Prinzessin, was ihm fehle? Diese antwortete: „Bei Gott, ich weiß nicht, er hat mir nichts gesagt.“

Als sie dann dem Verlangen ihrer Freundinnen gemäß ihn fragte, erzählte er ihr seinen Traum, den sie den Mädchen wieder erzählte. Hasan sprach vor Wehmut und Mitleid mit seiner Mutter folgende Verse:

„Wir bleiben betrübt und verzweifelt, denn wir suchen deine Nähe und finden sie nicht, die Qualen der Leidenschaft stürmen über uns und das Liebesglück lastet schwer auf uns.“

Als die Mädchen diese Verse hörten, weinten sie aus Mitleid mit ihm und sagten ihm: „O unser Bruder, o Hasan! Niemand von uns wird dich abhalten wollen, deine Mutter zu besuchen, wir werden dir vielmehr noch mit allen unsern Kräften beistehen; doch unter der Bedingung, daß du dich nicht auf immer von uns trennst, sondern uns zweimal im Jahre besuchst.“ Als Hasan hierzu recht gern einwilligte, machten sich die Mädchen auf und sorgten für seinen Proviant, sowie auch für allerlei kostbare Stoffe und Edelsteine für ihn und seine Gemahlin. Dann schlugen sie die Trommel, es kamen Kamele von allen Seiten her, aus denen sie die besten, die sie zur Reise brauchten, herauswählten; auch beluden sie fünf Maulesel mit verschiedenem Schmuck und Seltenheiten des Landes, und fünfundzwanzig mit Lebensmitteln und anderen Kleinigkeiten.

Die Mädchen bestiegen dann ihre Pferde und begleiteten die Prinzessin und Hasan drei Tage lang. Dann schwor Hasan, sie möchten jetzt zurückkehren, worauf sie Abschied nahmen. Hasans Freundin weinte heftig, als sie ihn umarmte, und fiel in Ohnmacht. Als sie wieder zu sich kam, sprach sie folgende Verse:

„Gäbe es doch keinen Trennungstag, denn er verscheucht den Schlaf aus den Augen! Wir müssen nun voneinander scheiden, und auf den Tag des Glücks folgt ein Schmerzenstag.“

Sie beschwor ihn dann noch einmal, wenn er seine Mutter gesehen und einige Zeit in der Heimat zugebracht habe, doch ja nicht zu unterlassen, sie wieder zu besuchen. „O meine Schwester, Seele meines Körpers!“ rief Hasan, „ich gehe ja sehr ungern von hier fort, und tu es nur, um meine Mutter wiederzusehen; mein Geist bleibt bei euch, wie sollte ich euch vergessen und eure Entfernung mit Gleichgültigkeit tragen!“ Dann sagte sie ihm: „Wenn du in Not und Gefahr bist, so schlage auf die Trommel des Juden, die Kamele werden zu dir kommen, besteige sie sogleich und kehre zu uns zurück.“ Nachdem er nochmals geschworen, daß er wiederkehren werde, schieden sie endlich voneinander mit innigstem Bedauern, und besonders die jüngste Schwester konnte sich gar nicht fassen und hörte nicht auf zu weinen.

Hasan reiste indessen Tag und Nacht, durch Wüsten und Einöden, und rauhe Gegenden und Täler, bis ihn Gott glücklich nach Baßrah gelangen ließ. Als er an sein Haus kam, legte er seine Ladung vor die Türe und entließ die Kamele. Eben wollte er die Tür öffnen, da hörte er, wie seine Mutter mit schwacher, kläglicher Stimmt folgende Verse rezitierte:

„Wie kann die schlafen, welche die Ruhe verloren, die Nächte durchwacht, wenn andere schlummern? Sie war reich an Gütern, Familie und Ruhm, ist aber jetzt fremd und verlassen. Der Liebesgram hat sich ihrer bemächtigt, und offenbart, was sie leidet, trotz ihrer Fassung. Feurige Kohlen und Seufzer sind in ihrem Herzen und die heftigste Sehnsucht. Ihr Schicksal in der Liebe verkündet ihren Schmerz und ihre Trauer, und ihre Tränen bezeugen es.“

Als Hasans Mutter die Verse, welche ihren Sohn tief erschütterten, vollendet hatte, klopfte er heftig an die Tür. Sie fragte: „Wer ist da?“ und Hasan antwortete: „Öffne nur!“ Sie öffnete die Ur, und als sie ihren Sohn vor sich sah, stieß sie einen Schrei aus, umarmte ihn und fiel in Ohnmacht. Hasan pflegte sie, bis sie wieder zu sich kam, dann umarmte er sie, führte sie ins Zimmer und ließ auch sein Gepäck hineinbringen, und die Prinzessin sah bald Hasan, bald seine Mutter an. Hasans Mutter rezitierte, als sie wieder zu sich kam, in ihrer Freude über die Ankunft ihres Sohnes, folgende Verse:

„Als wir uns wiederfanden, klagten wir einander einen Teil unserer Leiden, denn durch einen Boten bleibt jede Mitteilung unvollständig; gemietete Klageweiber weinen nicht wie selbstbetrübte, so könnte auch kein Bote dir sagen, was ich selbst fühlte.“

Dann setzten sie sich und die Alte fragte Hasan, wie es ihm mit dem Perser gegangen. Er antwortete: „Es war kein Perser, sondern ein Magier, einer, der das Feuer und nicht den allmächtigen Herrn anbetet.“ Er erzählte ihr dann, wie er von ihm behandelt worden, wie er ihm entkommen und die Mädchen gefunden habe, sodann,- wie er die Prinzessin gefangen, und zuletzt, wie er seine Mutter im Traum gesehen, wodurch ihn endlich Gott wieder mit ihr vereinigt. Seine Geschichte erstaunte sie sehr und sie dankte Gott für seine Rettung. Begierig wandte sie sich dann nach dem Gepäck, das Hasan mitgebracht hatte, und ließ sich beschreiben, worin es bestehe. Endlich näherte sie sich auch der Prinzessin, um sie näher kennenzulernen, und sie bewunderte die Schönheit ihres Gesichts nicht weniger, als ihren herrlichen Wuchs und anmutiges Wesen. Noch einmal dankte sie Gott für die Rettung und glückliche Rückkehr des Sohnes, setzte sich an die Seite der Prinzessin, küßte ihr die Hände und Stirn und gab ihr die freundlichsten Worte.

Am folgenden Morgen ging sie nach dem Bazar und kaufte ihr zehn Paar Kleider von den kostbarsten Stoffen der Stadt, schenkte ihr auch andere Kleinodien. Nachdem sie auch manches zur Hauseinrichtung sich angeschafft hatte, sagte sie zu ihrem Sohn: „Mein Sohn!“ wir können mit unserm vielen Geld nicht in dieser Stadt wohnen bleiben, denn du weißt, daß wir arm waren, die Leute werden uns daher. als Chemiker (Zauberer) ansehen und uns nicht in Ruhe lassen; laß uns daher lieber in die Friedensstadt nach Bagdad ziehen; dort, wo wir unter dem Schutz des Kalifen leben, errichtest du ein Handelsgeschäft, führst dabei einen frommen Lebenswandel, wie es einem Mann ziemt, dem Gott ein so großes Vermögen geschenkt und den er auf eine so wunderbare Weise erhalten hat.“ Hasan stimmte diesem Rat bei, ging sogleich an den Tigris und mietete ein Schiff nach Bagdad, ließ all sein Geld und seine Habe, seine Mutter und seine Gemahlin dahin bringen, verkaufte sein Haus, bestieg das Schiff und segelte in zehn Tagen mit günstigem Wind nach Bagdad. Sobald sie ankamen, ging Hasan in die Stadt und mietete ein Magazin in einem Chan, wohin er sein Gepäck und seine Leute brachte, um dort zu übernachten. Am folgenden Morgen kleidete er sich um, ging durch die Stadt und ließ sich zu einem Makler führen. Der Makler fragte ihn, was er von ihm wolle. „Ich will ein schönes, neues, geräumiges Haus kaufen“, erwiderte Hasan. Der Makler zeigte ihm die Häuser, die er feil wußte, und Hasan, dem ein Haus, das einem Vezier gehört hatte, am besten unter allen gefiel, kaufte es für 1050 Dinare, obgleich es 10.000 Dinare wert war, und bezahlte es. Er kehrte dann in den Chan zurück und brachte seine Leute und alles, was er dort hatte, in sein neugebautes Haus. Hierauf ging er wieder auf den Bazar und kaufte die nötigen Mobilien für das Haus und Sklaven zu seiner Bedienung.

Hasan lebte drei Jahre lang recht vergnügt mit seiner Frau, die ihm zwei Knaben gebar; den einen nannte er Naßir und den anderen Manßur. Nach dieser Zeit sehnte er sich nach seinen Freundinnen, den Mädchen, die ihm so viel Gutes erwiesen; er ging daher aus und kaufte allerlei Dinge, die er bei ihnen vermißt hatte: Süßigkeiten, Kleidungsstücke, Zucker, Früchte u.s.w., und brachte es nach Hause. Als seine Mutter ihn fragte, wozu er dies gekauft, sagte er: „Ich habe beschlossen, meine Schwestern zu besuchen, die mir so viele Wohltaten erzeigt und denen ich nebst Gott mein ganzes Glück zu verdanken habe; ich will meine Sehnsucht nach ihnen stillen, mich dankbar gegen sie zeigen, und, so Gott will, kehre ich bald wieder zurück.“ Die Mutter bat ihren Sohn, nicht lange wegzubleiben. Hasan sagte seiner Mutter, wie sie sich gegen seine Gattin verhalten sollte, und bat sie, das Federnkleid, das er in einer Kiste unter dem Magazine verborgen hatte, wohl zu verwahren, daß seine Frau es nicht entdecke und mit ihren Kindern davongehe und nie wiederkehre. „Hüte dich“, sagte er, „mit irgend jemanden davon zu sprechen, denn wie leicht könnte es ihr wieder zu Ohren kommen. Du weißt, daß sie die Tochter eines großen Königs ist, der viele Truppen und Verbündete hat, und dem viele Priester und Wahrsager gehorchen. Erweise ihr alle möglichen Liebesdienste, aber lasse sie durch keine Tür, durch kein Fenster und durch keine Wand sehen. Auch lasse niemanden zu ihr kommen, denn ich fürchte sogar die Luft, die sie anweht. Stößt ihr durch deine Vernachlässigung ein Unglück zu, so töte ich mich vor Verzweiflung, schone aber auch dein Leben nicht.“ - „Gott bewahre!“ rief Hasans Mutter; bin ich denn von Sinnen, daß du mir derartiges anzuempfehlen brauchst? Reise nur ruhig fort und kehre in Frieden wieder, du wirst sie wiedersehen, und sie wird dir selbst erzählen, wie ich mich gegen sie benommen habe; ich bitte dich nur, bleibe nicht länger aus, als du zur Reise brauchst.“

Nun wollte die Bestimmung, daß die Prinzessin die ganze Rede unbemerkt mit anhörte. Hasan ging zur Stadt hinaus, schlug die Trommel, und es kamen zwanzig Kamele, die er mit allerlei Kostbarkeiten aus Irak belud. Er sagte dann seiner Mutter, seiner Frau und seinen Kindern, von denen das eine zwei Jahre und das andere ein Jahr alt war, Lebewohl. Noch einmal schärfte er seiner Mutter ein, wie sie sich verhalten sollte, dann bestieg er sein Pferd und schlug den Weg nach dem Schloß seiner Schwestern ein. Er reiste Tag und Nacht durch Täler und Berge und Wüsten zehn Tage lang, bis er endlich zu dem Schloß gelangte.

Hasans Besuch überraschte seine Freundinnen sehr angenehm, und nicht minder erfreut waren sie, als sie die kostbaren Geschenke sahen, die ihnen Hasan aus seiner Heimat mitgebracht hatte. Nach der herzlichsten Bewillkommnung führten sie Hasan wieder in sein altes Zimmer und erkundigten sich nach seiner Mutter und Gemahlin. Die jüngste Schwester, seine Freundin, war so glücklich, ihn wieder zu sehen, daß sie in ihrer Freude folgende Verse sprach:

„Ich atme die Luft ein, die von deinem Land herweht und des Morgens an dir vorüberstreifte. Ich frage den Wind nach dir, so oft er aus deiner Heimat kommt; außer dir aber fällt mir niemand ein.“

Hasan brachte drei Monate höchst vergnügt bei seinen Freundinnen zu, inzwischen ereignete sich folgendes in seinem Haus:

Am ersten Tag nach seiner Abreise sagte die Prinzessin mit weinender Stimme zu seiner Mutter: „O Herrin!“ ich bin nun schon drei Jahre hier und noch bin ich in kein Bad gekommene Hasans Mutter antwortete: „O meine Gebieterin, o Prinzessin! so Gott will, wenn dein Gemahl kommt, werde ich ihn bewegen, daß er dir nach Wunsch ein Bad einrichten lasse.“ Sie setzte dann noch, als die Prinzessin weinte, hinzu: „O meine Tochter! weißt du nicht, daß wir hier fremd sind und keine Bekannten haben, daß ich daher sehr um dich besorgt sein muß; wäre dein Mann hier, so würde er dich selbst bedienen, so aber will ich dir Wasser wärmen und deinen Kopf waschen.“ - „Teure Gebieterin“, versetzte die Prinzessin, „sprächest du so zu einer deiner Sklavinnen, so würde sie nach dem Sklavenmarkt verlangen und nicht länger bei dir bleiben. Doch die Männer sind zu entschuldigen, die sind eifersüchtig und ihr Verstand sagt ihnen, daß, sobald eine Frau ihr Haus verläßt, sie alles Schlimme begeht. Indessen sind nicht alle Frauen einander gleich; auch weißt du ja, daß wenn eine Frau etwas ernstlich will, sie unbesiegbar ist, und daß sie nur von ihrer Vernunft und ihrem Glauben sich leiten läßt.“

Die Prinzessin weinte dann und seufzte und jammerte über ihre Einsamkeit und Trennung von den Ihrigen solange, bis Hasans Mutter, die nichts gegen ihre Klagen einzuwenden hatte, sie bemitleidete und, sich in den Willen des erhabenen Gottes fügend, alles, was man zum Bad braucht, zusammenpackte und am folgenden Morgen mit der Prinzessin und ihren Kindern ins Bad ging. Als sie sich entkleideten, erstaunten alle anwesenden Frauen über die Reize der Prinzessin, alle standen um sie herum und bewunderten das edle Geschöpf Gottes und priesen den erhabenen Schöpfer. Bald sprach man in der ganzen Stadt so viel von ihr, daß die Frauen scharenweise ins Bad kamen, um sie zu sehen. Nun wollte die Bestimmung, daß unter den vielen Frauen, welche das Bad besuchten, auch eine Sklavin des Kalifen Harun Arraschid sich befand, welche Tochfat (Geschenk) hieß. Als diese ein Gedränge im Bad sah, daß man gar nicht durchkommen konnte, und vernahm, daß es einer Fremden willen geschah, näherte sie sich ihr, und auch sie bewunderte ihre Schönheit, denn so schön wie sie hatte selbst der Kalif kein Mädchen in seinem Harem. Tochfat fand so viel Wohlgefallen an der Prinzessin, daß sie nicht daran dachte, sich zu baden, sondern sie immerfort anstaunte, bis sie ganz gewaschen war und sich wieder ankleidete, wodurch ihre Reize noch erhöht wurden. Tochfat folgte ihr auch, als sie mit ihrer Schwiegermutter das Bad verließ, bis an ihr Haus und merkte es sich.

Als Tochfat ins Schloß des Kalifen zur Frau Subeida kam, fragte sie diese, warum sie solange ausgeblieben. Tochfat antwortete: „O meine Herrin, ich habe etwas Wundervolles gesehen, desgleichen ich nie, weder in diesem Schloß, noch in der ganzen Stadt Bagdad gefunden; das hat mich so beschäftigt und sich so ganz meiner Sinne bemächtigt, daß ich, bei deinem Haupte! mich nicht einmal gewaschen und nicht einmal einen Tropfen Wasser berührt habe.“ Subeida fragte: „Und was war es denn?“ - „O meine Herrin“, antwortete Tochfat, „ich habe ein Frauenzimmer im Bad gesehen mit zwei Kindern wie der Mond, ihresgleichen hat man nie, weder unter den Persern, noch unter den Türken, noch unter den Arabern gesehen. Bei deiner Huld, o Gebieterin! wenn der Kalif sie sieht, läßt er ihren Mann umbringen, um sie zu heiraten, und dann wird er gewiß an allen anderen Frauen keine Freude mehr haben.“ Subeida fragte: „Wer ist denn ihr Gemahl?“ - „Er heißt Hasan aus Baßrah“, antwortete Tochfat; „ich bin ihr bis an ihr Haus gefolgt, es gehörte dem Vezier und hat zwei Tore, eins nach dem Fluß und eins nach der Stadt; ich fürchte, der Kalif möchte von ihr hören und trotz des Gesetzes ihren Mann umbringen lassen, um in ihren Besitz zu kommen.“ Da sagte die Frau Subeida: „Wehe dir, o Tochfat, ist sie denn so schön, daß der Fürst der Gläubigen um ihretwillen seinem Glauben und dem Gesetz zuwiderhandeln wird? Bei Gott, die muß ich sehen, ist sie so, wie du sie geschildert, gut, wo nicht, so laß ich dir den Kopf abschlagen, du Verdammte! Hat nicht der Fürst der Gläubigen dreihundertundsechzig Mädchen in seinem Schloß, so viel als Tage im Jahr, und nicht eine sollte ihr gleichkommen?“ - „Nein“, erwiderte Tochfat, „bei Gott! auch in ganz Bagdad, in ganz Persien und Deilam findet man ihresgleichen nicht, Gott hat gar keine mehr so wie sie geschaffene Hierauf ließ die Frau Subeida den Verschnittenen Masrur rufen und sagte ihm: „Weißt du wohl, Masrur, warum ich nach dir geschickt habe?“ Er sagte: „Nein, bei deiner Gnade, meine Herrin!“ - „Ich habe dich rufen lassen“, versetzte sie, „damit du mir das Frauenzimmer herbringst, das im Haus des Veziers wohnt, welches zwei Tore hat; geh schnell und bring auch die Alte und die Kinder mit, säume nur nicht, denn ich erwarte sie mit Ungeduld!“ Mit den Worten: „Ich gehorche“, verließ sie Masrur, und ging sogleich nach dem Haus des Veziers und klopfte an die Tür. Hasans Mutter kam heraus und fragte: „Wer ist da?“ Masrur antwortete: „Ein Diener des Kalifen.“ Als sie ihm die Tür öffnete, begrüßte er sie, und auf ihre Frage, was er begehre, sagte er: „Die Frau Subeida, Tochter Kasems, Gemahlin Harun Arraschids, Abkömmlings Abbas, Onkel des Propheten (Gott sei ihm hold!), läßt dich und deine Schwiegertochter und ihre Kinder zu sich bitten. Die Frauen, die deine Schwiegertochter im Bad gesehen, haben ihr nämlich so viel von ihr erzählt, daß sie sie zu sehen wünscht.“- „O mein Herr Masrur!“ rief die Alte, „wir sind hier fremd und ihr Gatte, der abwesend ist, hat mir streng verboten, mit seiner Frau auszugehen oder sie jemandem zu zeigen. Ich fürchte sehr, es möchte ihr was zustoßen, und wenn dann mein Sohn zurückkehrt, wird er sich umbringen. Ich erbitte mir als Wohltat, fordere nicht, was ich nicht gewähren kann.“ - „O meine Gebieterin!“ versetzte Masrur, „wüßte ich, daß dir irgend eine Gefahr droht, ich würde dich nicht zum Mitgehen auffordern; aber die Frau Subeida will euch nur sehen, dann könnt ihr wieder nach Hause gehen. Fürchte nicht, du möchtest es bereuen; ich werde, so Gott will, euch alle unversehrt zurückbringen.“ Da die Mutter Hasans nicht widerstehen konnte, umschleierte sie die junge Frau und ging mit ihr und ihren Kindern vor Masrur nach dem Schloß des Kalifen. Masrur stellte sie der Frau Subeida vor, welche, sobald die Prinzessin sich vor ihr verbeugt hatte, ihr sagte: „Entschleiere dich doch, ich will das Gesicht sehen, das alle Frauen bezaubert hat.“ Die Prinzessin küßte die Erde vor ihr und enthüllte ein Antlitz, das den Mond am Himmel beschämt. Gelobt sei der, der sie so beschaffen!

Die Frau Subeida und alle übrigen Anwesenden starrten sie mit Bewunderung an; ihr strahlendes Gesicht beleuchtete das ganze Schloß so, daß alle Frauen, die, wie Subeida selbst, in ihren kostbarsten Kleidern und mit dem reichsten Schmuck erschienen waren, ganz bezaubert wurden von ihrer Schönheit. Die Frau Subeida, welche auch das ganze Schloß hatte ausschmücken lassen, ging auf die Prinzessin zu, umarmte sie, ließ sie neben sich sitzen, hing ihr eine Halskette mit Diamanten um und sagte: „Du gefällst mir gar zu gut und machst mir viel Freude, o Herrin der Schönen! äußere nur einen Wunsch gegen mich, es soll dir nichts versagt werden!“ - „Ich bitte dich, meine Herrin!“ sagte die Prinzessin, „befiehl meiner Schwiegermutter, daß sie dir mein Federnkleid bringe, ich will es vor dir ankleiden, du sollst dann sehen, wie ich herumfliege und dir allerlei Spaß machen, worüber du dich wundem wirst, und wovon man sich von Geschlecht zu Geschlecht erzählen wird.“ Die Frau Subeida fragte: „Wo ist dein Federnkleid?“ - „Es ist bei meiner Schwiegermutter verborgenen, versetzte die Prinzessin, „lasse dir es nur herbringend Die Frau Subeida beschwor die Alte bei ihrem Leben, ihr das Federnkleid zu holen, und versprach ihr, sie wolle ihr dasselbe wieder zurückgeben lassen. „Die Frau lügt“, erwiderte die Alte, „gibt es wohl einen Menschen, der Federn hat und fliegen kann?“ Aber die Prinzessin sagte: „Bei deinem Leben, meine Herrin, es ist in ihrer Schatzkammer in einer Kiste verborgenen Da nahm die Frau Subeida eine diamantene Kette von ihrem Hals und zog einen kostbaren Ring aus ihren Ohren und überreichte sie der Alten, indem sie zu ihr sagte: „Bei meinem Haupt, geh und hole ihr das Federngewand, daß wir uns eine Weile an ihr ergötzen, dann sollst du es wieder haben.“ Als die Alte nochmals beteuerte, sie habe kein derartiges Kleid gesehen und wisse nicht, was sie meine, machte sich die Frau Subeida über sie her, schrie sie an, nahm ihr den Hausschlüssel, gab ihn Masrur mit dem Befehl, damit in ihr Haus zu gehen, die Tür ihrer Schatzkammer einzubrechen und darin so lang zu graben, bis er eine Kiste finde; diese sollte er aufbrechen und ihr alsbald bringen, was darin sei. Als Masrur mit den Schlüsseln fortging, folgte ihm die Alte traurig und bereute es, ihre Schwiegertochter ins Bad geführt zu haben, weil sie einsah, daß sie es nur aus Schlauheit gewünscht hatte. Sie öffnete selbst die Schatzkammer, und Masrur grub die Kiste hervor, nahm das Federnkleid heraus, legte es in ein Tuch und brachte es der Frau Subeida. Diese betrachtete es von allen Seiten und es gefiel ihr sehr, denn es war mit vieler Kunst gearbeitet. Sie fragte dann die Prinzessin: „Ist dies dein Federnkleid?“ und als ihre Frage bejaht wurde, überreichte sie es ihr. Die Prinzessin freute sich sehr, als sie ihr Kleid noch fand, wie es war, sie entfaltete es, nahm ihre Kleider zu sich, umhüllte das Gewand und wurde nach des erhabenen Gottes Bestimmung wieder ein Vogel. Die Frau Subeida und alle Anwesenden waren höchst erstaunt, als die Prinzessin sich hin und her schwang, wie ein Vogel einherschritt und mit den Flügeln flatterte. Sie fragte mit klarer Zunge: „Gefällt euch dies?“ Die Anwesenden antworteten- „O ja, Herrin der Schönen, was du machst, ist schön.“ Da sagte sie: „Das ist aber noch schöneres, und breitete ihre Flügel aus und flog mit ihren Kindern auf die Kuppel des Schlosses und blieb auf dem Dach über dem Saal stehen. Voller Bewunderung riefen die Anwesenden abermals: „Bei Gott! was du tust, ist schön.“ Die Prinzessin aber, die nach ihrer Heimat zurückfliegen wollte, sprach folgende an Hasan gerichtete Verse:

„Du, der du mich verlassen, um zu deinen Freundinnen zu eilen, der du bei ihnen recht vergnügt lebst und das Leben für klar und wolkenlos hältst, ich mußte allein, im Liebesnetze gefangen, zu Hause zurückbleiben und er flog davon. Er war im Besitz meines Kleides und glaubte mich ganz in seiner Gewalt zu haben. Er empfahl seiner Mutter, es wohl zu verwahren in einem verschlossenen Raum mitten im Haus. Doch ich hörte und merkte mir dies und freute mich sehr darüber. Darum wünschte ich ins Bad zu gehen, damit man von mir spreche, und so wurde ich auch in dieses Schloß geladen, in das wir mit Verwunderung eilten. Als man hier an mir Wohlgefallen fand, rief ich: O meine Herrin! o mein Herz! ich habe ein kostbares Federnkleid, ihr sollt Wunder sehen, wenn ich's anziehe, ihr werdet alle eure Sorgen darüber vergessen. Hierauf mußte Masrur es holen, und als er es eilig brachte, nahm ich es ihm ab und fand es noch unbeschädigt, ergriff meine Kinder und warf es um und flog auf die Terrasse des Schlosses. Nun sage ich dir, o Mutter Hasans, wenn Hasan zurückkehrt und mich noch liebt, so soll er schnell nachkommen.“

Als die Prinzessin diese Verse vollendet hatte, sagte Frau Subeida: „Komm jetzt wieder zu uns herunter, daß wir uns deiner Unterhaltung erfreuen, o Herrin der Schönheit. Gelobt sei Gott, der dir so viele Reize verliehenen Aber sie antwortete: „Weit entfernt, die Vergangenheit kehrt nicht wieder!“ Dann sagte sie, zur Alten sich wendend: „O Mutter des armen, traurigen Hasan! Bei Gott, es wird mir fern von dir unheimlich werden, was aber deinen Sohn betrifft, so sage ihm: wenn die Nächte der Trennung ihm lang scheinen, wenn er sich wieder mit mir vereinigen will, soll er zu mir auf die Inseln Wak-Wak kommen.“ Kaum hatte sie diese Worte gesprochen, als sie mit ihren Kindern davonflog. Da schlug sich Hasans Mutter ins Gesicht und schrie und weinte, bis sie in Ohnmacht fiel. Als sie wieder zu sich kam sagte sie zu Frau Subeida: „Was hast du getan, o Herrin!“ Diese antwortete: „Ich wußte nicht, daß es solche Folgen haben würde. Hättest du mir ihre Geschichte erzählt, und mich mit ihren Umständen bekannt gemacht, so wäre ich nicht auf meinem Wunsch bestanden; ich wußte ja nicht, daß sie fliegen kann, sonst hätte ich sie das Federnkleid nicht anziehen lassen, oder hätte sie die Kinder nicht zu sich nehmen lassen; doch jetzt hilft alles Gerede nichts mehr, ich bitte dich daher, mir darum nicht zu grollen.“ Da die Alte sich nicht zu helfen wußte, sagte sie: „Ich spreche dich von jeder Schuld frei“, ging wieder nach Hause, schlug sich ins Gesicht, bis sie in Ohnmacht fiel und als sie wieder zu sich kam, sprach sie, voller Sehnsucht nach der Prinzessin, den Kindern und ihrem Sohne folgende Verse:

„Eure Entfernung von der Heimat entlockt mir bittere Tränen. Ich schreie laut wegen der Glut, welche die Trennungsschmerzen in mir angefacht, und die Tränen machen meine Augenlider wund. Das ist Trennung, gibt es eine Wiederkehr? Euer Scheiden hat mein Innerstes enthüllt. O, kehrtet ihr doch zur treuen Liebe wieder, dann würde sich die Zeit für mich verjüngen.“

Sie ließ dann drei Grabmäler in ihrem Haus bauen, und weinte darauf Tag und Nacht. Je länger die Abwesenheit ihres Sohnes dauerte, um so unruhiger wurde sie, und oft drückte sie ihre Gefühle durch folgende Verse aus:

„Dein Bild schwebt zwischen meinen Augenlidern, stets gedenke ich dein, wenn mein Herz pocht und wenn es ruht. Deine Liebe durchströmt alle meine Gebeine, wie der belebende Saft alle Früchte auf den Zweigen. An dem Tag, wo ich dich nicht sehe, wird meine Brust so beklommen; denn ich weiß nicht, wann ich dich wiederfinde. O du, dessen Liebe mein ganzes Herz erfüllt, so daß mein Wahnsinn noch größer als meine Liebe ist, fürchte den Allbarmherzigen, habe Mitleid mit mir und fühle die Brust, die eine rasende Glut verzehrt.“

So weinte die Alte immerfort, bis Hasan zurückkehrte. Dieser hatte den Mädchen gleich bei seiner Ankunft schwören müssen, daß er drei Monate bei ihnen zubringen wolle. Nach einem Monat versahen sie ihn mit Geld und Lebensmitteln, begleiteten ihn eine Strecke weit und nahmen ihm das Versprechen ab, daß er sie bald wieder besuchen werde. Dann nahm eine nach der anderen von ihm Abschied. Der jüngsten Schwester fiel die Trennung so schwer, daß sie in Ohnmacht fiel; Hasan drückte sie an sein Herz und küßte sie, bis sie wieder zu sich kam, dann sprach sie folgende Verse:

„Wie weh tut mit der Abschied! Welchen Schmerz bringt nur der Trennungstag! Wann wird die Sehnsuchtsflamme durch deine Nähe wieder erlöschen? Wann wird durch deine Rückkehr mir wieder ein freudiges Leben blühen?“ Als ihn hierauf die zweite Schwester umarmte, sprach sie weinend folgende Verse:

„Nimmst du Abschied, so ist mir, als müßte ich vom Leben scheiden, denn an dir verliere ich meinen besten Freund; bist du fern, so tobt die Hölle in meinem Herzen, in deiner Nähe blüht mir das beseligende Paradies.“

Die Dritte umarmte ihn dann und sprach folgende Verse:

„Wenn wir uns ohne Abschied trennen, so geschieht es nicht aus Mangel an Liebe oder Übersättigung; du bist mein wahres Leben und bleibst es stets, und wie könnte ich von meinem Leben Abschied nehmen?“ Als ihn dann die Vierte umarmte, sprach sie weinend folgende Verse:

„Verlasse uns nicht, denn wir können deine Entfernung nicht ertragen und haben weder Kraft, um von dir Abschied zu nehmen, noch Tränen genug, um sie auf der verwaisten Wohnung zu vergießen.“

Die Fünfte sprach folgende Verse, als sie ihn umarmte:

„Sobald die Kamele dich davontragen und heißes Verlangen nach dir mein Herz raubt, da sage ich: „Besäße ich doch ein Königreich, um mit Gewalt jedes Fahrzeug zu rauben!“ Die Sechste sprach folgende Verse, als sie ihn umarmte:

„In die Ferne zieht der, für welchen ich mein Leben hingegeben hätte, und mit ihm weicht auch der Schlaf aus meinen Augen. Wie schön war die Zeit, die ich mit ihm verlebt! O Herr, bring mir den Teuren wieder und wäre es auch nur im Traum.“

Zuletzt kam die Siebente und sprach folgende Verse:

„Eure Trennung ist mir ein bittrer Trank, mein Innerstes sträubt sich gegen den Abschied. Gott weiß, daß ich Euch nur deshalb ohne Abschied ziehen lasse, weil ich fürchte, Euer Herz möchte in Schmerz sich auflösen.“

Hasan sagte dann allen Lebewohl und sprach folgende Verse:

„Meine Tränen fließen am Trennungstag gleich Perlen, die zu einer Kette sich aneinander reihen. Mit dem Aufbruch der Karawane schwindet meine Kraft und meine Geduld, und mein Herz ist nicht mehr bei mir. Ich sagte ihnen Lebewohl, gab mich meinem Schmerz hin und mied den Umgang mit Freunden wie eine öde Wüste. Ich kehrte um, unglückselig war der Weg und nichts freute mein Herz als die Hoffnung des Wiedersehens. O Freund, höre die Worte der Liebe - Gott bewahre, daß ich zu dir rede und du nicht aufmerkest - O meine Seele, da du fern von ihnen bist, so sage auch den Freunden des Daseins Lebewohl und wünsche nicht die Trennung zu überdauern.“

Hasan reiste Tag und Nacht, bis er nach Bagdad kam, in die Friedensstadt und das Heiligtum der Abassiden; er wußte noch nicht, was in seiner Abwesenheit sich ereignet hatte. Als er zu seiner Mutter kam, fand er sie mager und abgezehrt vom vielen Wachen und Weinen und Fasten, sie sah wie ein Zahnstocher aus und war so schwach, daß sie ihm seinen Gruß nicht einmal erwidern konnte. Sie weinte und fiel in Ohnmacht, als er sie nach seiner Frau und seinen Kindern fragte. Hasan durchsuchte ungeduldig das ganze Haus, und da er keine Spur von ihnen fand, wurde sein Herz beklommen, und ganz außer sich lief er in seine Schatzkammer. Da fand er die zerbrochene Kiste in der offenstehenden Kammer und zweifelte nicht mehr daran, daß seine Frau ihr Federnkleid genommen habe und mit ihren Kindern davongeflogen sei. Er ging zu seiner Mutter, die indessen sich wieder ein wenig erholt hatte, und fragte sie noch einmal nach seiner Frau und seinen Kindern. Sie schwieg eine Weile, dann sagte sie: „Mein Sohn, Gott vermehre dein jenseitiges Wohl für diesen Verlust! Hier sind ihre drei Gräber.“ Als er dies hörte, stieß er ein jämmerliches Geschrei aus, fiel in Ohnmacht und blieb von morgens bis mittags bewußtlos hegen. Seine Mutter blieb neben ihm sitzen und weinte über ihn, denn sie glaubte nicht, daß er wieder zu sich kommen würde. Endlich erwachte er wieder; da schlug er sich ins Gesicht und weinte, zerriß seine Kleider und durchsuchte noch einmal das ganze Haus und rezitierte folgende Verse:

„Andere vor mir haben schon über Trennungsschmerz geklagt, Lebende und Dahingeschiedene sind schon durch Entfernung von Geliebten erschüttert worden, doch nie habe ich ähnliches dem, was meine Brust birgt, gesehen oder gehört.“

Er nahm hierauf ein Schwert, ging auf seine Mutter zu und sagte ihr: „Wenn du mir nicht die Wahrheit gestehst, schlage ich dir den Kopf ab und bringe mich selbst um.“

Die Alte sagte zitternd. „Stecke dein Schwert ein und setze dich, ich will dir erzählen, was vorgefallen ist.“ Als er dies getan, erzählte sie ihm die ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende, dann setzte sie zu ihrer Entschuldigung hinzu: „Hätte die Prinzessin nicht so sehr geweint, daß ich fürchtete, du möchtest bei deiner Rückkehr mir zürnen, daß ich sie nicht ins Bad geführt, so wäre sie nie wieder zu ihrem Kleid gelangt; und auch dann hätte sie es nicht wieder erhalten, wenn nicht die Frau Subeida mit Gewalt mir den Schlüssel genommen und ihn Masrur gegeben hätte. Du weißt doch, daß niemand mächtig genug ist, um dem Kalifen zu widerstehen. So kam es denn, daß sie wieder ihr Federnkleid erhielt, mit dem sie samt ihren Kindern und dem von der Frau Subeida erhaltenen Schmuck davonflog. Doch sagte sie mir noch von der Terrasse herunter: Wenn die Nächte der Trennung deinem Sohne lang werden und der Wind der Liebe und Sehnsucht ihn anweht, so soll er zu mir nach den Inseln Wak-Wak kommen. Nun weißt du alles, was in deiner Abwesenheit vorgefallen ist. Friede sei mit uns!“ Als die Alte ausgeredet hatte, stieß Hasan einen lauten Schrei aus, fiel wieder in Ohnmacht und blieb bewußtlos, bis der Tag zu Ende ging. Als er wieder zu sich kam, schlug er sich ins Gesicht, krümmte sich wie eine Schlange auf dem Boden umher, und seine Mutter, welche weinend bei ihm stand, hörte, wie er gegen Mitternacht folgende Verse sprach:

„Haltet ein und betrachtet den Zustand des Verlassenen, vielleicht werdet ihr nach der Scheidung Mitleid fühlen. Er sieht so elend aus, daß ihr ihn verleugnen werdet, als hättet ihr, bei Gott, ihn nie gekannt. Die Liebe zu euch hat ihn dahin gebracht, daß er sich von den Toten nur durch sein Wehklagen unterscheidet. Haltet die Trennung nur für nichts Leichtes, sie ist dem Sehnsuchtsvollen bitterer als der Tod.“

Hasan ging dann fünf Tage weinend und jammernd im Hause umher, ohne etwas zu essen oder zu trinken, bis ihn seine Mutter beschwor, er möge doch aufhören zu fasten. Aber er hörte nicht auf sie, sondern fuhr fort zu weinen und zu jammern und sprach folgende Verse:

„Ich habe meiner Seele eine unerträgliche Liebesbürde aufgeladen. Meine Leiden vermehren sich mit jeder Stunde, ich lebe gedankenlos dahin, und Tag und Nacht sind mir ganz gleich; ehemals fürchtete ich den Tod, jetzt aber betrachte ich ihn als ein Heilmittel.“

Erst gegen Morgen schlief Hasan ein; da sah er im Traum seine Frau, welche sehr betrübt war und ihre Flucht zu bereuen schien. Hierauf erwachte er wieder und sprach folgende Verse (und wir beten für den Herrn aller Herren):

„Dein Bild verläßt mich keinen Augenblick, Ich habe ihm den besten Platz in meinem Herzen eingeräumt; ich lebte keine Stunde mehr, wenn ich nicht Wiedervereinigung hoffte, und erschiene mir nicht dein Bild im Traum, so würde ich nie schlafen.“

Des Morgens war Hasan noch niedergeschlagener als zuvor, und so lebte er einen ganzen Monat lang fort, schlief nicht bei Nacht, aß wenig, weinte viel und war sehr traurig. Dann beschloß er, zu seinen Freundinnen zu reisen, um bei ihnen Rat zu holen; er schlug die Trommel, da kamen die Kamele gelaufen, er bestieg eines derselben und belud die übrigen mit Kostbarkeiten Iraks als Geschenke für seine Freundinnen, empfahl seiner Mutter das Haus, nahm Abschied von ihr und ritt nach dem Wolkenberg vor das Schloß der Mädchen. Als er vor ihnen mit den Geschenken erschien, freuten sie sich und hießen ihn willkommen, doch fiel ihnen sein Kommen auf und sie sagten: „Da du uns erst vor einem Monat verlassen, so hat deine schnelle Rückkehr gewiß eine besondere Ursache.“ Hasan antwortete ihnen weinend durch folgende Verse:

„Meine Seele ist mit dem Verlust der Geliebten beschäftigt und freut sich nicht mehr mit dem Leben und seinen Süßigkeiten. Für meine Krankheit kennt man kein Heilmittel, nur der Arzt selbst kann sie heilen. Geliebte, die du mich verlassen und des süßen Schlafs beraubt, so oft ein Wind geht, frage ich ihn nach dir, ob er dem Aufenthalt der Geliebten nahe war, dessen Lieblichkeit meine Tränen erregen. O Wind, der du in ihrem Land wehest, vielleicht kannst du mich mit ihrem Duft anhauchen. Möchte doch das launige Schicksal seine Zügel umlenken und mir meine Geliebte wiederbringen, meine Hoffnungen erfüllen und mir wieder selige Tage schenken!“ Er weinte dann wieder, bis er in Ohnmacht fiel, und als er zu sich kam, sprach er folgende Verse:

„Ich beschwöre dich bei Gott, o du Quelle meiner Leiden, kannst du deine Freude daran haben, daß die Liebe mich so peinige? Du hast mich verlassen, ohne daß ich etwas verbrechen habe; habe Mitleid mit dem, den die Trennung so schwer verwundet.“

Hasan blieb abermals eine Weile bewußtlos liegen, dann sprach er heftig weinend noch folgende Verse:

„Verlassen hat mich der Schlaf, die Nächte durchmachend vergieße ich immer mehr Tränen, o ihr Liebende, die Liebe hat in meine Brust ein brennendes Feuer geschleudert. und so oft ich meiner Geliebten gedenke, fließen Tränen, von Seufzern begleitet.

„O wüßte ich doch, ob ihre Liebe der meinigen gleicht, ob ihre Leiden so groß wie die meinigen sind! Gott verdamme jede Trennung, die so bitter ist! Und was will wohl von uns die Trennung? Stets schwebt ja dein schönes Bild vor meinen Augen, wenn wir auch noch so weit voneinander entfernt sind. Klagt mein Herz, so heile ich es mit deinem Namen und freue mich, wenn ich die Taube singen höre. Doch die Taube, die ihren Geliebten ruft, vermehrt meine Sehnsucht und meinen Schmerz. Ich weine und seufze zu jeder Stunde nach dir, o Geliebte, die ich schon so lange nicht gesehen. Doch hast du mich auch verlassen und die Treue gebrochen, ich bin dir stets nahe und treu; gewiß wird uns einst das Schicksal wieder vereinen.“

Als seine Freundin diese Worte hörte und ihn wieder in Ohnmacht sah, setzte sie sich neben ihn und weinte; auch die übrigen Schwestern weinten mit. Nach und nach erholte sich Hasan wieder, und nach wiederholten Fragen seiner Freundinnen nach der Ursache seiner Verzweiflung erzählte er ihnen, was in seiner Abwesenheit zu Hause vorgefallen, bis zu dem Augenblick, wo seine Frau mit ihren Kindern davongeflogen. Sie fragten dann, ob sie beim Wegfliegen ihrer Mutter nichts gesagt? Hasan antwortete: „Sie hat gesagt, wenn ich mich nach ihr sehne, so soll ich zu ihr auf die Inseln Wak-Wak kommen.“ Die Mädchen winkten einander zu, als sie dies vernahmen, sahen einander an, schüttelten den Kopf, beugten ihn, hoben ihn dann wieder auf und sagten: „Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen. Strecke deine Hand gegen den Himmel aus, und so wenig als du ihn erreichen kannst, kannst du wieder zu deiner Gattin und deinen Kindern gelangen.“ Bei diesen Worten stürzten Hasans Tränen wie Platzregen auf seine Wangen herunter, und er sprach folgende Verse:

„Die schönen Augen und Wangen haben mich entzückt, meine Geduld schwand, als Schlaflosigkeit eintrat, und zarte Mädchen haben eine Liebesglut in mir angefacht, die meinen Körper so aufzehrt, daß kein Fleisch und kein Saft mehr an mir ist. Mädchen wie Gazellen auf Hügeln, mit einem Gesicht, in das sich die frömmsten Einsiedler verlieben müßten, sie kamen des Morgens majestätisch daher, wie ein junger Kata, jeder ihrer Schritte brachte mir herbere Liebespein, ich liebte eine derselben, von zarter Gestalt, und mein Herz geriet bald in Flammen. Eine liebliche, feingebaute Gazelle, aus deren dunklem Haar ein strahlendes Gesicht hervorleuchtet. Sie hat mich in Verwirrung gebracht, aber wie mancher Held ist schon von solchen Wangen und Augen verletzt worden?“ Als Hasan diese Verse vollendet hatte, sagte ihm die jüngste Schwester, die ihn noch tiefer als seine übrigen Freundinnen bemitleidete: „Fasse dich und verzage nicht, wer Geduld hat, erreicht sein Ziel; Geduld ist der Schlüssel der Erlösung, so hat ein Dichter auch gesagt:

„Laß dem Schicksal freien Lauf und kümmere dich um nichts! Denn in dem Augenblick, wo du dich über etwas grämst, kann Gott schon wieder alles geändert haben.“

„Darum“, fuhr sie fort, „fasse Mut und sei stark! Wer zehn Jahre leben soll, stirbt nicht im siebenten; das Weinen und Trauern macht nur krank, sei munter und gescheit und bleibe ruhig bei uns, bis ich, so Gott will, ein Mittel finde, dich mit deiner Gattin und deinen Kindern wieder zu vereinigen.“ Hasan aber fuhr fort zu weinen und sprach folgende Verse (wir aber beten für unsern Herrn Mohammed):

„Wird auch mein Körper geheilt, so bleibt doch meine Seele krank: nur die Vereinigung mit dem Geliebten kann den Liebeskranken helfen.“

Er setzte sich dann neben seine Freundin, die ihn über die Ursache des Entfliehens seiner Gattin ausfragte, und als er ihr alles erzählt hatte, sagte sie: „Bei Gott, ich wollte dir raten, das Federnkleid zu zerreißen, da machte mich der Teufel daran vergessene Sie fuhr dann zehn Tage lang fort ihn zu trösten, er aber hatte weder Lust zu schlafen noch zu essen, und in seiner Trostlosigkeit sprach er folgende Verse:

„Die Liebe hat so tiefe Wurzeln in meinem Herzen gefaßt, daß mich kein anderes Wesen, außer meiner Geliebten, mehr erfreut; sie gleicht an Schönheit einer Gazelle, und mein Herz ist ihr Weideplatz. Ist meine Kraft und meine Geduld dahin, so weine ich, wenn auch meine Tränen nichts nützen.“

Als Hasans Freundin sah, wie er vor Liebe und Sehnsucht ganz außer sich war, ging sie weinend zu ihren Schwestern, fiel über sie her, küßte ihre Füße und bat sie, ihrem Freunde beizustehen, daß er wieder mit seiner Gattin und seinen Kindern vereinigt werde, und daher ein Mittel ausfindig zu machen, wie er nach den Inseln Wak-Wak gelange. Sie vergoß so viele Tränen, bis endlich ihre Schwestern voll Rührung ihr sagten: „Fasse Mut, wir wollen uns bemühen, ihn, so Gott will, wieder zu den Seinigen zu bringen.“ Indessen mußte Hasan doch auf das nächste Jahr sich vertrösten lassen, denn nur durch einen vieIvermögenden Onkel der Mädchen, welcher besonders seine älteste Nichte unaussprechlich liebte, so daß er ihr nichts versagte, konnte ihm geholfen werden. Dieser durfte aber, wenn er nicht von selbst erschien, nur jedes Jahr einmal durch Weihrauch, den er seiner Geliebten gegeben hatte, herbeigerufen werden. Als nun der Monat Muharrem des neuen Jahres vorüber war und der Onkel nicht ankam, sagte die ältere Schwester zur jüngeren: „Gib ein wenig Weihrauch her aus dem Beutel, den mir der Onkel geschenkt und zünde Feuer an.“ Die Kleine tat dies freudig, und kaum hatte die Ältere Weihrauch aufs Feuer gelegt und dabei an ihren Onkel gedacht, da erhob sich ein mächtiger Staub aus der Wüste, und es kam ein alter Mann zum Vorschein, auf seinem Elefanten dahertrabend. Die Mädchen freuten sich sehr mit ihm, grüßten, umarmten, küßten ihn, setzten sich um ihn herum und fragten ihn, warum er diesmal solange ausgeblieben? Er antwortete: „Ich war bisher beschäftigt, wollte mich aber eben auf den Weg machen, als ich euren Weihrauch roch, da warf ich mich schnell auf einen Elefanten und eilte hierher. Und nun, was wollt ihr von mir, meine Nichten?“ - „Du weißt“, antwortete die Älteste, „wir haben dir einmal von unserem Freund Hasan erzählt, den der Magier Bahram hierher gebracht, und von der Prinzessin, die er geheiratet und in seine Heimat geführt hat.“ - „Jawohl, ich erinnere mich“, versetzte der Onkel, „und was ist ihm denn geschehend - „Die Prinzessin“, fuhr die Nichte fort, „ist ihm untreu geworden und mit den zwei Kindern, die sie ihm geboren, davongeflogen, während er bei uns war. Beim Wegfliegen hat sie seiner Mutter gesagt: Wenn dein Sohn kommt und die Nächte der Trennung lang findet und sich nach mir sehnt, so komme er zu mir auf die Inseln Wak-Wak.“ Als der Onkel dies hörte, schüttelte er den Kopf und biß sich auf die Finger, beugte den Kopf eine Weile zur Erde, kratzte den Boden mit seinen Fingern und sah sich nach Hasan um, der aber versteckt war, so daß er ihn nicht bemerkte, und verstummte. Da sagten die Mädchen: „O Onkel, gib uns doch eine beruhigende Antwort!“ Aber er antwortete: „O meine Nichten, der junge Mann ist verloren, er hat sich schrecklich in die Gefahr gestürzt; er kann nie nach den Inseln Wak-Wak gelangen.“ Die Mädchen riefen dann Hasan hervor, er grüßte den Alten, küßte ihm den Kopf und setzte sich neben ihn. Da sagten die Mädchen zu ihrem Onkel: „Erkläre Hasan selbst, was du uns eben gesagt.“ Der Alte begann: „Mein Sohn, gib deine peinigenden Wünsche auf! Strecke deine Hand gegen den Himmel aus: kannst du ihn erreichen, so gelangst du auch wieder zu deiner Gattin und deinen Kindern. Niemals wirst du auf die Inseln Wak-Wak kommen, und hättest du fliegende Genien und wandernde Sterne bei dir; denn zwischen dir und diesen Inseln liegen sieben Meere, sieben Täler und sieben himmelhohe Berge. Wie willst du dahingelangen? Wer soll dich dahinbringen? Ich beschwöre dich bei Gott, laß von der ganzen Sache ab und denke dir, deine Frau und Kinder seien gestorben; kümmere dich nicht weiter ab! Das ist mein Rat, wenn du ihn annehmen willst.“

Als Hasan dies hörte, weinte er, bis er in Ohnmacht fiel; die Mädchen weinten um ihn herum, und die Jüngste zerriß ihre Kleider und schlug sich ins Gesicht, bis sie bewußtlos zu Boden sank. Der Alte, gerührt von ihrer Teilnahme an ihres Freundes Unglück, versprach ihnen seinen Beistand, und sich zu Hasan wendend, rief er ihm zu: „Fasse Mut und sei unverzagt, dann kannst du mit Gottes Willen noch zur Erfüllung deiner Wünsche gelangen. Folge mir nur!“ Hasan machte sich auf, nahm von den Mädchen Abschied, die sich sehr freuten, daß ihr Onkel sich seiner annehmen wollte, und setzte sich hinter dem Alten auf den Elefanten. Nachdem sie drei Tage und drei Nächte so schnell wie der Blitz dahinflogen, kamen sie an einen hohen Berg, dessen Steine ganz blau waren. Mitten am Berg war eine Höhle mit einer eisernen Tür. Der Alte ergriff Hasans Hand, ließ den Elefanten los und klopfte an die Tür der Höhle. Da kam ein schwarzer, kahler Sklave heraus, der wie ein Teufel aussah, in der rechten Hand ein Schwert und in der linken einen Schild trug; sobald er den Alten erkannte, warf er Schwert und Schild weg und küßte ihm die Hand. Der Alte nahm dann Hasan mit in die Höhle, und der Sklave schloß die Tür hinter ihnen. Die Höhle, in welche sie eingetreten, war sehr geräumig, und ein überwölbter Weg führte sie in einer halben Stunde nach einer großen Ebene. Als sie diese durchschritten hatten, kamen sie an einen Winkel mit zwei großen Türen aus Messing gegossen. Der Alte öffnete eine Türe und sagte zu Hasan: „Bleib hier an der Tür sitzen; hüte dich aber, sie zu öffnen, bevor ich zurückkehre und dir das Nötige mitbringe. „ Er ging nun zur Tür hinein, blieb eine Weile aus, kam dann mit einem schwarzen, rundleibigen, leichtfüßigen Pferd heraus, das so schnell lief, daß sein eigener Staub es nicht erreichen konnte, und schon gesattelt und gezäumt war. Dieses führte der Alte Hasan zu und ließ es ihn besteigen. Sie ritten dann miteinander durch die zweite Tür und kamen in eine große Wüste; hier zog der Alte einen Brief hervor und sagte zu Hasan: „Reite jetzt auf deinem Pferd fort, wohin es dich führt. Bemerkst du dann, daß es an der Tür einer Höhle, wie diese, stehenbleibt, so steige ab, lege ihm den Zaum auf den Sattelknopf und laß es frei; es wird dann allein in die Höhle gehen. Du aber mußt außen stehenbleiben und darfst fünf Tage lang nicht von der Stelle weichen. Am sechsten Tag wird ein alter, ganz schwarz gekleideter Greis mit langem, weißem Bart zu dir herauskommen, küsse ihm sogleich die Hand und berühre deinen Kopf mit dem Saum seines Kleides und weine vor ihm, bis er dich fragt, was du willst. Du gibst ihm dann diesen Brief, den er, ohne ein Wort zu fragen, dir abnehmen und dich wieder allein lassen wird. Du mußt abermals fünf Tage warten; kommt dann am sechsten Tage der Alte selbst wieder heraus, so wisse, daß dein Wunsch erfüllt wird, kommt aber einer seiner Jungen, so wisse, daß er dich umbringen will. (Friede sei mit uns!) Fürchtest du also für dein Leben, so begib dich nicht in diese Gefahr, besteige lieber meinen Elefanten wieder, der soll dich zu meinen Cousinen bringen, und diese werden dich mit den nötigen Lebensmitteln zur Rückkehr nach deiner Heimat versehen, wo dir Gott das Verlorene durch Besseres ersetzen kann. Du kannst tun, was du willst, doch weißt du wohl, mein Sohn, daß, wer nicht viel wagt, auch nicht viel zu erwarten hat.“

Hasan erwiderte dem Alten: „Wie kann mich das Leben freuen, solange meine Gattin und meine Kinder fern von mir leben? Nie werde ich Ruhe finden; bei Gott, ich kehre nicht zurück, bis ich sie wieder gefunden oder der Tod mich erreichte Er weinte und jammerte dann und sprach folgende Verse:

„Ich stand mit zerknirschtem Herzen hier und klagte laut über den Verlust meiner Geliebten. Vor Sehnsucht küßte ich den Staub, den der Wind mir zuwehte, doch konnte dies meine brennende Qual nicht lindern. Wenn mein Auge ihre leere Wohnung sieht, so zerreißt der Liebesgram mir das Herz. Gott stehe denen bei, die von mir geschieden, ich aber nicht vergessen kann, deren Entfernung mich dem Grab nahe bringt. Man sagte mir: „Habe Geduld“, aber sie ist mit ihnen verschwunden, und mir ist nun Jammer und peinlichste Sehnsuchtsglut geblieben. Nie hat jemand gleich mir geliebt, noch gleich mir solche Trennungsschmerzen empfunden. Zu wem soll ich meine Zuflucht nehmen, seit ich sie verloren, sie waren mein Trost in jedem Unglück. Aber ich will bei unserer Wiedervereinigung mich freuen! Die Erde will ich, Gott dankend, küssen und dem Freudenboten mein Herz schenken.“

Als der Alte diese Verse hörte, dachte er wohl, daß Hasan von seinem Vorhaben nicht ablassen und jeder Gefahr trotzen würde. Indessen sagte er ihm doch noch: „Wisse, mein Sohn, die Inseln Wak-Wak bestehen aus sieben Inseln; auf den ersten sechs befinden sich mächtige Scharen von Jungfrauen, die letzte aber ist von Geniert, Teufeln, abtrünnigen Geistern und Zauberern bewohnt, und bisher ist noch nie jemand zu ihnen gelangt und wieder zurückgekehrt. Drum beschwöre ich dich bei Gott, mein Sohn, reise wieder zu den Deinigen zurück, denn deine Gattin ist die Tochter des Königs der sieben Inseln; wie willst du zu ihr kommen? Gehorche mir, mein Sohn, vielleicht gibt dir Gott eine bessere statt ihrer.“ Aber Hasan erwiderte: „Bei Gott, mein Herr, wenn man mich in Stücke zerrissen würde ich sie doch nur immer mehr lieben; ich will nach diesen Inseln gehen und nicht anders als mit meiner Gattin und meinen Kindern umkehren, so Gott will.“ Der Alte fragte zum letztenmal: „Willst du durchaus dahingehend Hasan, dessen Herz daran hing, das Pferd zu besteigen, antwortete: „Ja, ich bitte dich um deine Hilfe und dein Gebet für mich, vielleicht wird mich Gott wieder mit den Meinigen vereinen.“ Er weinte dann vor heftigem Verlangen und sprach folgende Verse:

„Nur nach euch, Beste unter den Sterblichen, geht mein Verlangen, ihr seid mir wie mein Gesicht und Gehör. Ihr thront in meinem Herzen, das ist eure Wohnung, und verlaßt ihr sie, so bin ich trostlos. Glaubt nicht, daß ich eure Liebe entbehren kann, so unglücklich sie mich Armen auch gemacht. Mit euch entfloh auch alle meine Freude, und das Wachen wurde mir süßer als der Schlaf. Mit meinen Trennungsschmerzen sehe ich die ganze Nacht nach den Sternen hin, weine so viele Tränen, daß sie einem Regen gleichen. O Nacht, wie lange scheinst du dem von Liebe entbrannten Unglücklichen, der stets nach dem Mond und den Sternen blickt! Wenn du, o Wind, durch das Tal wehest, in welchem sie lagern, so bringe ihnen meinen Gruß - denn kurz ist das Leben - schildere ihnen einen Teil meiner Leiden, denn die Teuren sind ohne Nachricht von mir.“

Hasan fiel in Ohnmacht, als er diese Verse rezitiert hatte, und als er wieder zu sich kam, sagte ihm der Alte: „Mein Sohn, du hast eine Mutter, laß sie die Schmerzen deines Untergangs nicht empfinden!“ Hasan schwor nochmals, er würde nie ohne seine Gattin und Kinder zurückkehren, lieber wolle er sterben. Weinend sprach er noch folgende Verse:

„Ich schwöre euch, die Zeit der Trennung hat nichts an meiner Liebe geändert, ich gehöre nicht zu denen, die dem Liebesbund treulos werden. Ich fühle so viel Liebe, daß, wenn ich sie schildern wollte, man mich für rasend halten würde. Nichts als Seufzer, Blut, Trauer und Sehnsucht: wie kann man in solchem Zustand länger leben.“

Es sagt der Erzähler dieser wunderbaren und entzückenden Geschichte - während wir alle für unsern geliebten Herrn Mohammed, den Herrn des Mantels und des Zepters, und für seine Familie und seine Gefährten, die Reinen, beten - als Hasan diese Verse vollendet hatte, wußte nun der Alte ganz bestimmt, daß er entschlossen sei, lieber zu sterben, als sein Vorhaben aufzugeben; er wünschte ihm Glück zur Reise, empfahl ihm noch einmal, was er tun sollte und überreichte ihm den Brief, indem er ihm sagte, er habe ihn in diesem Brief dem alten Sohn der Balkis, Enkel des versuchten Iblis, seinem Lehrer und Meister, empfohlen, dem Menschen und Geniert ergeben sind. Hasan nahm dann Abschied und ließ dem Pferd die Zügel, und es flog mit ihm schneller als der Blitz zehn Tage lang fort. Da sah Hasan einen großen Berg, schwarz wie die Nacht, der den ganzen Horizont von Osten bis Westen einnahm. Als er in die Nähe des Berges kam, fing sein Pferd an, unter ihm zu wiehern. Da kam eine unzählbare Menge Pferde, so viel als Regentropfen, herbeigeströmt, die an seinem Pferd herumstrichen, so d aß Hasan sich sehr fürchtete. Aber sein Pferd ging immer weiter, von den übrigen umgeben, bis es an die Höhle kam, die ihm der Alte beschrieben hatte. Hasan stieg vor der Tür ab und hing die Zügel um den Sattelknopf; das Pferd trat in die Höhle, und Hasan blieb außen stehen, nachdenkend, wie das wohl enden würde. So brachte er fünf Tage und fünf Nächte weinend, traurig und schlaflos zu. Er dachte an seine Entfernung von seiner Heimat und allen Seinigen und machte sich tausenderlei Gedanken. Er sprach dann folgende Verse:

„Wie lang soll ich mein Herz pflegen, das zerfließt, und meine Augen, die stets Tränen vergießen? Nichts als Trennung, Trauer, Sehnsucht, Einsamkeit, Heimweh und mächtige Liebe. Hat aber auch meine Liebe mich ins Verderben gestürzt, welchen Edlen verschont je das Geschick?“ Als Hasan diese Verse vollendet hatte, kam der Scheich Abu Risch, der schwarzgekleidete Sohn der Balkis, zu ihm; sobald dieser ihn sah und der ihm gemachten Schilderung nach erkannte, warf er sich ihm zu Füßen, legte den Saum seines Kleides auf seinen Kopf und weinte und jammerte. Der Alte fragte ihn: „Was ist dein Verlangen, mein Sohn?“ Hasan antwortete - „Es ist in diesem Brief ausgedrückt“, und überreichte ihm das Schreiben. Der Alte nahm es ihm ab, sprach kein Wort und ging wieder in die Höhle zurück. Hasan blieb, wie ihm befohlen worden, an der Tür stehen und weinte fünf Tage lang und war sehr betrübt über seine Einsamkeit und rezitierte folgende Verse:

„Gepriesen sei der Herr des Himmels, jeder Liebende lebt in Qual, wer die Liebe nicht kostet, kennt den Schmerz nicht. Könnte ich meine Tränen sammeln, so würde ich Ströme von Blut vor mir sehen. Mancher Freund wendet sich von mir ab, und neigt er sich mir zu, so tadelt er mich, wenn ich von meinen Tränen spreche. Aber Vögel weinen über meine Einsamkeit und wilde Tiere der Wüste, Genien, welche auf Bergen hausen, weinen und alle Bewohner der Luft.“

Hasan weinte dann, bis der Morgen anbrach, da kehrte endlich der Alte weiß gekleidet zurück und gab ihm ein Zeichen, daß er ihm folge; Hasan ging freudig mit ihm in die Höhle, denn schon ahnte er, daß sein Verlangen in Erfüllung gehen würde. Nach einer halben Tagesreise kamen sie an eine gewölbte, mit Edelsteinen besetzte Tür von Stahl, mit Edelsteinen beschlagen. Der Alte öffnete und ging mit Hasan hinein. Da kamen sie durch sieben gewölbte Gänge und Zimmer mit goldverzierten Steinen; dann traten sie in einen großen Saal mit Marmor belegt, in dessen Mitte ein Garten war, mit allerlei Bäumen, Blumen und Früchten bepflanzt, die Vögel sangen auf den Bäumen und priesen die Macht des Schöpfers. In jeder Ecke des Saales war ein Springbrunnen angebracht mit goldenen Löwen, aus deren Mund Wasser hervorquoll. Auf jeder Seite des Saales war ein erhöhter Platz mit einem Divan, auf dem ein Scheich saß mit vielen Büchern und goldenen Rauchpfannen und Weihrauch vor sich, und um jeden dieser Scheichs bildete sich ein Kreis von anderen Männern, die in den Büchern lasen. Hasan und sein Führer wurden ehrerbietig empfangen, und dieser gab den Scheichs ein Zeichen, daß sie ihre Umgebung entlassen möchten. Als dies geschehen war, setzten sich drei Scheichs zu Abu Risch und fragten ihn, wen er bei ihnen einführe. Dieser sagte hierauf zu Hasan: „Erzähle du ihnen selbst deine Geschichte von Anfang bis zu Ende.“ Hasan erzählte weinend alles, was ihm widerfahren. Als er zu Ende war, sagten die Männer: „Ist der es also, den der Magier Bahram in einer Kamelhaut von Adlern auf den Wolkenberg bringen ließ?“ - „Ich bin derselbe“, wiederholte Hasan. Sie wendeten sich dann an den Führer mit den Worten: „O Oberster aller Scheichs! wie ist er vom Berg heruntergekommen, auf den ihn Bahram gebracht, und was hat er auf demselben gesehen?“ Abu Risch sagte wieder zu Hasan: „Gieb diesen Scheichs Auskunft über alles, was du weißt.“ Als dies geschehen war, sagten die Scheichs, über Hasans Erzählung erstaunt, zu ihrem Meister: „Bei Gott, dieser junge Mann ist zu bedauern, kannst du ihm nicht beistehen, daß er wieder zu seiner Gattin und seinen Kindern gelange?“ Der Meister antwortete: „Das ist eine schwere Sache, ich habe ihm geraten, davon abzulassen, er hat aber meinen Rat nicht angenommen. Ihr wißt ja, wie schwer es ist, nach den Inseln Wak-Wak zu gelangen, ihr kennt ja die Macht des Beherrschers dieser Inseln; auch habe ich ihm geschworen, daß ich nie sein Land betreten, noch irgend etwas gegen ihn unternehmen wollte; wie kann ich ihn daher zur Prinzessin bringen?“ Da sagten die Scheichs: „O Meister! dieser Mann ist unglücklich und will sich gern in jede Gefahr begeben, du mußt ihm helfen, da er dir einen Brief von deinem Freund gebracht hat.“ Hasan küßte dem Meister die Füße, legte den Saum seines Kleides auf sein Haupt und rief schluchzend: „O Meister! vereinige mich mit meiner Gattin und meinen Kindern oder laß mich sterben!“ Die Scheichs, welche an Hasans Schicksal den innigsten Anteil nahmen, sagten zu ihrem Meister: „O Herr! verscherze den himmlischen Lohn nicht, den du dir durch die Rettung dieses Fremdlings zuziehen kannst; überdies ist er dir ja auch von deinem Freund empfohlen. „ - „Nun, so wollen wir ihm beistehen und, so Gott will, alle unsere Kräfte für ihn anwenden“, rief endlich Abu Risch. Als Hasan diese Worte hörte, küßte er voller Freude dem Meister und den übrigen Scheichs die Füße. Der Meister nahm hierauf Tinte und Papier und schrieb einen Brief, versiegelte ihn und überreichte ihn Hasan. Auch gab er ihm ein ledernes Beutelchen mit Weihrauch und sagte: „Gib wohl acht auf dieses Beutelchen, und wenn du in der Not bist, so nimm ein wenig Weihrauch heraus, gedenke mein und ich erscheine zu deiner Rettung.“ Er befahl dann einem der Anwesenden, den fliegenden Genius Dahnesch herbeizuschaffen; diesen ließ der Meister nahe treten, sagte ihm etwas ins Ohr, worauf Dahnesch den Kopf schüttelte und sagte: „Ich gehorche, Meister!“ Dann wendete sich dieser zu Hasan und sagte ihm: „Mein Sohn, reise mit diesem fliegenden Geist, und wenn er dich gen Him mel hebt und du hörst, wie die Engel Gott preisen, so sprich kein Wort, sonst geht ihr beide zugrunde. Am zweiten Tag deiner Reise wird er dich auf ein weißes Land, wie Kampfer, niedersetzen, auf dem du zehn Tage lang zu wandern hast, bis du vor das Tor einer Stadt kommst, in der du einkehren mußt. Du fragst dann nach dem König, und wenn du zu ihm gelangst, so grüße ihn und überreiche ihm diesen Brief und merke dir wohl die Befehle dieses Königs.“ Hasan versprach zu gehorchen, nahm Abschied von den Scheichs, die ihn noch einmal dem Geist empfahlen, und dieser nahm ihn auf den linken Arm und flog einen Tag und eine Nacht so hoch mit ihm in die Luft, daß er die Lobpreisungen der Engel hörte. Am folgenden Morgen setzte er ihn auf ein weißes Land und verschwand wieder.

Hasan ging zehn Tage und zehn Nächte lang immer vorwärts, bis er an das Tor einer Stadt kam. Er ging in die Stadt und fragte nach dem König, und als man ihn vor ihn führte, küßte er die Erde vor ihm und grüßte ihn. Der König fragte ihn, was er wolle; da küßte Hasan den Brief, den er bei sich trug, und überreichte ihn dem König. Sobald dieser ihn gelesen hatte, sagte er einem von seiner Umgebung: „Führe diesen jungen Mann in das Fremdenhaus!“ Dort bewirtete man ihn drei Tage lang, und die angesehensten Männer am Hof leisteten ihm Gesellschaft und ließen sich von seinen Abenteuern und seiner wunderbaren Reise erzählen. Am vierten Tag kam ein Diener und führte ihn zum König; dieser sagte ihm: „Der Meister schreibt mir, du wolltest nach den Inseln Wak-Wak reisen; aber, mein Sohn, ich kann dich jetzt unmöglich dahin schicken, du müßtest viele Gefahren ausstehen und furchtbare, öde Wüsten durchwandern. Ich heiße zwar mächtiger Sultan, und meine Truppen füllen die ganze Erde aus, doch finde ich es jetzt nicht geraten, dich zu Land dahin zu befördern, weil eine große, wohlausgerüstete Armee an deren Grenze gelagert ist, die vergebens einzufallen sucht; warte daher, bis demnächst ein Schiff von den Inseln Wak-Wak hier landet, da schicke ich dich zu Wasser dahin und empfehle dich den Schiffsleuten, da ich doch infolge der Empfehlung des Meisters dich nicht unverrichteter Dinge zurückschicken kann. Fragt dich jemand, wer du bist, so sage: ich bin der Schwager des Königs Hasun, des Herrn des Kampferlandes. Wenn dich dann der Hauptmann ans Land setzt, so wirst du viele Bänke finden, setze dich unter eine derselben, bleibe ruhig sitzen und sprich kein Wort bis Nacht. Siehst du dann Scharen von Jungfrauen die Waren umgeben, so fasse die Herrin der Bank, unter welcher du sitzest, und flehe sie um Schutz an. Gewährt sie ihn dir, so bist du am Ziel, denn sie bringt dich zu deiner Gattin und zu deinen Kindern; wo nicht, so trauere über dein ohne Hoffnung verlorenes Leben. Wisse, mein Sohn, daß du dich in Lebensgefahr begibst, denn ich kann weiter nichts für dich tun, gelingt dein Unternehmen nicht, so bist du verloren. Doch stände Gottes Hilfe dir nicht nahe, so hättest du gar nicht hierher gelangen können, und wäre deine Lebensfrist abgelaufen, so konnte dich nichts vor dem Herrn des Elefanten schützen, auch wärest du nicht in die erste Höhle gekommen und nicht zu meinem Meister.“ Als Hasan die Worte des Königs Hasun hörte, sprach er folgende Verse:

„Mir ist vom Himmel meine Lebenszeit bestimmt, die muß ich erreichen, erst wenn sie abgelaufen ist, kann ich sterben: solange aber die Stunde nicht gekommen, dürfen Löwen im Wald mich überfallen, so besiege ich sie.“

Als Hasan die Verse vollendet hatte, sagte er zum König: „O mächtiger Herr! wann werden die Schiffe von den Inseln Wak-Wak kommen!“ - „In einem Monat“, erwiderte der König, „die Kaufleute werden eine Weile hier bleiben, um ihre Handelsgeschäfte zu verrichten, dann kehren sie wieder zurück und kommen erst in einem Jahre wieder.“ Hierauf ließ der König Hasan wieder in sein Gasthaus bringen und ihm das Nötige zutragen. Hier blieb er einen Monat, bis die Schiffe ankamen; der König ging dann mit ihm und einigen Kaufleuten den Schiffen entgegen, die sich in großer Zahl einstellten, aber nicht ans Land kamen, sondern die Kaufleute bestiegen kleine Nachen, um am Ufer ihre Handelsgeschäfte zu verrichten. Als sie nach einiger Zeit sich wieder zur Rückkehr anschickten, ließ der König alles Nötige für Hasan vorbereiten, rief einen Hauptmann zu sich und sagte ihm: „Nimm diesen jungen Mann mit dir, ohne daß ihn jemand bemerke und bringe ihn nach den Inseln Wak-Wak; schiffe ihn nur dort aus, du brauchst ihn nicht wieder zurückzubringen.“ Da der Hauptmann den Befehl des Königs zu vollziehen versprach, warnte dieser Hasan, daß er niemandem seine Geschichte erzähle und nahm Abschied von ihm. Hasan wünschte ihm langes Leben und immerwährenden Sieg über seine Feinde. Der Hauptmann sperrte ihn dann in eine Kiste, trug sie in einen Nachen und brachte sie aufs Schiff, so daß die Schiffsleute glaubten, sie enthalte Waren. Die Schiffe segelten bald ab, und nach einer Fahrt von zehn Tagen landeten sie glücklich an den Inseln Wak-Wak, wo der Hauptmann Hasan ans Land setzte.

Da Hasan am Ufer viele Bänke angeschlagen fand, wie ihm der König Hasun gesagt hatte, verbarg er sich unter einer der schönsten derselben. Nach Sonnenuntergang kam eine Schar Jungfrauen, so zahlreich wie Heuschrecken, herangezogen, mit gezogenem Schwert in der Hand und ganz mit Eisen bepanzert. Nachdem sie die Waren, die die Schiffe gebracht, eine Weile besehen hatten, kamen sie, um auszuruhen, und eine von ihnen setzte sich auf die Bank, unter welcher Hasan saß. Dieser ergriff sogleich ihre Schleppe, legte sie auf seinen Kopf, küßte ihre Füße und sagte weinend: „Schutz! Hilfe! erbarme dich dessen, der fern von seiner Heimat, von seiner Frau und seinen Kindern ist und um ihretwillen keine Gefahr scheut, Gott wird sich auch deiner erbarmen und dir Schutz geben!“ Als die Jungfrau diese im Tone der größten Verzweiflung ausgesprochenen Worte hörte, sagte sie ihm gerührt: „Sei frohen Mutes, bleibe nur noch verborgen bis morgen Nacht; so Gott will, wird es dir gut gehen.“ Hasan verbarg sich wieder, und die Jungfrauen durchwachsen auf ihren Sitzen mit brennenden Kerzen, aus welchen Ambra, Aloe und Moschusduft sich verbreitete, die ganze Nacht in allerlei Spielen und Lustbarkeiten. Am folgenden Morgen kamen die Nachen wieder ans Land, und es wurde den Tag über viel gekauft und verkauft. Sobald dann die Nacht hereinbrach, kam das Mädchen, das Hasan um Schutz angefleht hatte, wieder zu ihm, überreichte ihm einen Panzer, einen Helm, ein Schwert, einen goldenen Gürtel und eine Lanze und ging schnell wieder fort, aus Furcht, verraten zu werden. Hasan dachte wohl, sie habe diese Gegenstände für ihn gebracht; er setzte daher den Helm auf, zog das Panzerhemd an, umgürtete das Schwert, nahm die Lanze in die Hand und setzte sich auf den Rand der Bank und hörte nicht auf, Gott zu preisen und seinen Schutz anzusehen. Während er so dasaß, kamen auf einmal die Jungfernscharen mit Fackeln und Laternen an ihm vorüber; da folgte er ihnen nach einem Platz, wo viele Zelte aufgeschlagen waren, und trat mit einer Jungfrau in ein Zelt. Als diese ihre Rüstung und den Schleier abnahm, legte Hasan auch seine Waffen nieder und betrachtete die Jungfrau, und siehe da, sie war alt und das häßlichste Geschöpf auf der Welt. Sie hatte triefende Augen, eine große Nase und kahle Augenbrauen; sie war eine Plage, und Hasan wußte nicht, ob er sie für ein Schwein oder für eine schwarzgefleckte Schlange oder eine schäbige Wölfin halten sollte. Aber auch die Alte, welche Schawahi hieß, war sehr erstaunt, als sie Hasan bemerkte. „Wer bist du und wer hat dich hierhergebracht?“ fragte sie Hasan. Hasan fiel vor ihr nieder, legte sein Gesicht auf ihre Füße, weinte und jammerte und flehte sie, indem er die Schleppe ihres Kleides faßte, um Schutz an. Schawahi bemitleidete Hasan und versprach ihm ihren Schutz; dann sagte sie ihm: „Nie ist einem Menschen so etwas wie dir widerfahren, und stände dir nicht der erhabene Gott bei, so wärest du nicht mehr; doch nun beruhige dich, mein Sohn, und sei frohen Mutes, du hast nichts mehr zu fürchten und wirst, so Gott will, dein Ziel erreichen.“

Hierauf schickte die Alte sogleich nach der Generalleutnantin der Armee und befahl ihr, unter den Truppen bekannt zu machen, daß sie am folgenden Tage ausrücken müßten, indem jede Zurückbleibende mit dem Tode bestraft werden sollte. Die Generalleutnantin ging, um Schawahis Befehl zu vollziehen, und Hasan schloß daraus, daß die Alte an der Spitze der Armee stand. Nachdem diese noch verschiedene andere Befehle erteilt hatte und der Morgen heranbrach, rückten die Truppen aus, aber die Alte blieb bei Hasan und sagte ihm: „Tritt näher, mein Sohn, und sage mir, warum du trotz aller Gefahren in dieses Land gekommen bist? Sage mir die Wahrheit und verhehle mir nichts! Du gehörst nun zu den meinigen, stehst unter meinem Schutze, und wenn du aufrichtig bist, so helfe ich dir in deinem Unternehmen und kostete es mein Leben. Fürchte nun gar nichts mehr, denn da du bei mir bist, so wird kein Mensch im ganzen Lande dir etwas zuleide tun.“

Als Hasan der Alten hierauf seine ganze Geschichte vom Anfang bis zu Ende erzählte, schüttelte sie ihren Kopf und sagte: „Gepriesen sei Allah, der dich gerettet und zu mir geführt hat; wärest du einer anderen in die Hände gefallen, so hättest du gewiß den Tod gefunden. Aber dein Vorhaben ist wohlgesehen bei Gott, und deine wahre Liebe zu deiner Gattin und deinen Kindern wird dich ans Ziel deiner Wünsche führen. Ich will mein möglichstes tun, dir zu helfen; doch, mein Sohn, deine Gattin ist nicht hier, sie wohnt auf der siebenten Insel Wak-Wak, und man hat von hier bis dahin sieben Monate lang Tag und Nacht zu reisen. Man kommt von hier aus zuerst in ein Land, welches das Land der Vögel genannt wird: da schreien die Vögel und machen ein solches Geräusch mit ihren Flügeln, daß die Reisenden kein Wort mehr voneinander hören. Durch dieses Land hat man elf Tage zu reisen, dann kommt man in das Land der wilden Tiere: dort lärmen Hyänen und Wölfe und Löwen auf eine solche Weise durcheinander, daß man ganz toll davon wird, und doch hat man zwanzig Tage lang in ihrer Mitte zu wandern. Hierauf kommt man in das Land der Geniert: dort stoßen die Geister ein lautes Geschrei aus, und man sieht nichts als sprühende Funken, Flammen und Rauch, da kann man nichts mehr sehen noch hören und kaum vorwärts kommen, da darf man gar nicht den Kopf umdrehen, oder man ist des Todes, da muß der Reiter den Kopf auf den Sattelknopf legen und kann ihn drei Tage lang nicht aufheben. Dann kommt man an einen himmelhohen Berg und an einen Strom, der nach den Inseln Wak-Wak fließt. Nach einer Tagereise erhebt sich ein anderer Berg, welcher Wak-Wak heißt, weil auf diesem Berge Bäume sind, auf denen Köpfe wie Menschenköpfe wachsen und die bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang rufen: „Wak! Wak! gepriesen sei der Schöpfer!“ Die Armee der Sultanin dieser Inseln, die ein guter Reiter in nicht weniger als einem Jahre durchstreifen kann, besteht aus lauter Jungfrauen und kein Mann darf sich sehen lassen. Ein Strom trennt uns von dem Lande, wo die männlichen Untertanen der Sultanin wohnen. Aber nicht nur über Mädchen, sondern auch über eine unzählbare Menge Genien und Teufel und Zauberer gebietet diese Sultanin. Wenn du dich also fürchtest und nicht weiter mit uns gehen willst, so schicke ich jemanden mit dir ans Ufer und lasse dich wieder auf einem Schiff in dein Vaterland bringen, willst du aber bei uns bleiben, so steht es dir frei, du sollst so sicher sein, als wärest du in meinem Auge, bis du mit Gottes Willen dein Ziel erreicht haben wirst.“ - „O Herrin!“ rief Hasan aus, „ich werde mich nicht von dir trennen, solange ich lebe, bis ich meine Gattin und meine Kinder wiedergefunden.“ - „Nun“, versetzte Schawahi, „so fasse Mut; so Gott will, bringen wir dich ans Ziel; ich will sogleich der Königin Nachricht von dir geben und ihre Hilfe ansprechend Hasan wünschte ihr viel Gutes, küßte ihre Hände und ihren Kopf und dankte ihr für ihren zugesagten Beistand.

Hasan blieb nun über seine Lage nachdenkend bei Schawahi, weinte und rezitierte folgende Verse:

„Der Moschus des Wiedersehens duftet, der Zephyr weht von der Wohnung der Geliebten her, und ich gerate außer mir vor Liebesschmerz. Die Nacht der Vereinigung wird zum lichten Morgen und der Trennungstag zur schwarzen Nacht. Der Abschied von der Geliebten ist hart und das Leben fern von ihr eine grausame Qual. Ich finde keinen Zufluchtsort und auf der ganzen Welt keinen wahren Freund, dich vergessen ist unmöglich, ich höre nicht auf gemeine Tadler. O Einzige an Schönheit! auch meine Seele ist einzig. O du Unvergleichliche! mein Herz ist dahin. Wer dich liebt und Tadel scheut, ist tadelnswert.“

Schawahi ließ dann die Trommel rühren, die Armee brach auf, Hasan, im Meer seines Nachdenkens versunken, folgte der Alten, rezitierte allerlei Verse, und die Alte gab sich viele Mühe, ihn zu trösten und zu ermutigen. So gingen sie bis zur ersten Insel der Vögel. Als sie dahin kamen, hörten sie ein so lautes Gezwitscher, daß Hasan glaubte, die ganze Welt stürze zusammen; er wurde im Kopfe verwirrt, verlor den Verstand, wurde ganz betäubt, fiel in Ohnmacht, war dem Tode sehr nahe und dachte bei sich selbst, wenn es im Lande der Vögel so zugeht, was wird's erst im Lande der wilden Tiere geben? Die Alte lachte ihn aus und sagte: „Mein Sohn, wenn du in der ersten Insel dich so benimmst, was willst du auf den anderen Inseln tun?“ Hasan wendete sich zu dem erhabenen Gott und erflehte seinen Schutz und seine Hilfe zur Erfüllung seiner Wünsche.

Als sie nun in ununterbrochenem Marsche das Land der Vögel durchzogen hatten, kamen sie in das der wilden Tiere; da hörte Hasan ein Lärmen, daß er glaubte, die ganze Welt drehe sich um. Dieses Geräusch war noch weit stärker, als das der ersten Insel. Dann erreichten sie das Land der Genien, die Hasan so erschreckten, daß er es bereute, sich in ihr Land gewagt zu haben; doch betete er zu Gott und entkam auch glücklich aus dem Tale der Genien. Sie gelangten hierauf an einen Fluß an dem Fuße eines sehr hohen Berges, schlugen an dessen Ufer ihre Zelte auf und die Alte errichtete Hasan eine. Bank von vergoldetem Zypressenholz, mit Perlen und Edelsteinen besetzt. Die Truppen stellten sich vor der Alten auf, die ihnen Speisen und Getränke bringen ließ, und als sie gegessen und getrunken hatten, entkleideten sie sich, um im Flusse zu baden und dann zu schlafen, denn nun hatten sie nichts mehr zu befürchten. Hasan verhüllte sein Gesicht, so daß man nur seine Augen sehen konnte, und da er neben Schawahi saß, hielt ihn niemand für einen Mann. Als daher die Mädchen ihre Kleider ausgezogen und im Flusse eine Abteilung nach der anderen sich badete, konnte Hasan die verschiedenartigsten Reize an diesen schönen Jungfrauen bewundern und an dem Lieblichsten, was Gott erschaffen, seine Augen ergötzen. Die Alte hatte absichtlich ausrufen lassen, die Mädchen sollten alle vor ihrem Zelte sich baden, damit, wenn Hasans Gattin unter ihnen sich fände, er sie erkenne. Aber Hasan sah seine Gattin nicht unter ihnen. Zuletzt kam eine Jungfrau mit zehn Sklavinnen und dreißig Dienerinnen, die sich ebenfalls entkleideten. Nachdem die Herrin allerlei Spaß und Mutwillen mit den Dienerinnen im Wasser getrieben hatte, stieg sie wieder ans Land; man trocknete sie mit seidenen Tüchern ab und brachte ihr Kleider und Schmuck von Genienarbeit, worauf sie wieder mit ihren Dienerinnen sich entfernte. Hasan war ganz außer sich, als er diese sah, und sagte der Alten: „Diese hat sehr viel Ähnlichkeit mit dem fliegenden Mädchen, das ich auf dem Schlosse meiner Freundinnen gesehen, auch hat diese es ebenso mit ihren Dienerinnen gemacht. Aber doch“, fuhr Hasan fort, „ist sie nicht meine Gattin. Nein, bei meinem Leben! keine unter allen ist so schön und so hübsch gewachsen wie meine Gattin.“ Die Alte bat Hasan, ihr einmal seine Gattin deutlich zu beschreiben; „denn“, sagte sie, „ich kenne alle Mädchen auf der Insel Wak-Wak, ich bin ja ihre Anführerin, und weiß ich einmal, welche deine Gattin ist, so werde ich mich bemühen, ihrer habhaft zu werden.“ - „Meine Gattin“, begann Hasan, „hat ein ovales Gesicht wie der leuchtende Mond, einen Wuchs wie die Zweige des Ban, einen wohlgeformten Busen, schwarze Haare, einen feinen Körper, weiße Zähne, eine süße Zunge, sie hatte Lippen wie Korallen, Wangen wie zwei Rosen, mit einem kleinen braunen Mal, schwarze Augenbrauen, einen kleinen Mund und zartgebaute Hüften.“ Da sagte die Alte: „Beschreibe sie noch einmal!“ und Hasan setzte noch hinzu: „Meine Gattin hat ein schönes ovales Gesicht, einen langen Hals, eine leuchtende Gesichtsfarbe, Wangen wie Anemonen, einen Mund wie ein Siegelring von Karneol, Zähne, die wie Perlen glänzen und zwischen denen Moschus hervorduftet.“ Als die Alte dies hörte, beugte sie den Kopf eine Weile zur Erde, dann erhob sie ihn zu Hasan und sagte: „Ich gehe durch dich zugrunde. O hätte ich dich nie gekannt, denn ich kenne nun deine Gattin; sie ist die älteste Tochter des Königs, der über sämtliche Inseln Wak-Wak regiert, öffne nur deine Augen und schärfe deinen Verstand und erwache aus deinem Schlafe, denn wenn diese deine Gattin war, so wirst du sie nie mehr wiedersehen; zwischen dir und ihr ist so weit, wie vom Himmel bis zur Erde; kehre nur bald um, sonst gehen wir beide zugrunde.“

Als Hasan dies hörte, weinte er, bis er in Ohnmacht fiel. Aber Gott hatte der Alten zu ihm so viel Liebe wie zu einem Sohne eingeflößt; sie weinte neben ihm, bis er wieder zu sich kam. Dann sagte er: „O meine Herrin! wie soll ich jetzt umkehren, da ich nun einmal so weit gekommen bin? Ich hätte nie gedacht, daß du mich verlassen würdest.“ Schawahi erwiderte: „Mein Sohn, ich glaubte, deine Gattin sei ein gewöhnliches Mädchen; hätte ich gewußt, daß sie eine Prinzessin ist, so hätte ich dich nicht so weit kommen lassen. Doch, mein Sohn, du hast ja nun alle Mädchen gesehen, sage mir, welche dir am besten von ihnen gefällt: du sollst sie statt deiner Gattin haben. Denke dir, deine Gattin und ihre Kinder wären gestorben, nimm daher eine andere und kehre in Frieden nach Hause zurück, ehe du dem König in die Hand fällst, sonst kann ich nichts mehr für deine Rettung tun. Ich beschwöre dich, tue dies, und laß mich nicht deinen Untergang sehen.“ Hasan schlug den Kopf zur Erde nieder und sprach weinend einige Verse, welche seine innige Liebe zu seiner Gattin aussprachen.

Als er seine Verse vollendet hatte, sagte sie ihm jedoch noch einmal: „Mein Sohn, ich weiß nichts zu tun; wenn ich mit dir in die Hauptstadt gehe, so ist's um dich geschehen, und wer weiß, was die Königin tun wird, wenn sie deine Ankunft erfährt, da doch sonst kein Mensch zu ihr gelangt. Und wie soll ich dich mitnehmen in die Stadt, wo die Jungfrauen, die du im Bade gesehen und die vor dir nie einen Mann erblickt haben, dich bald wieder erkennen?“ Hasan schwor, er habe keinen unkeuschen Blick auf sie geworfen. Aber die Alte fuhr fort: „Mein Sohn, geh in deine Heimat zurück, suche dein Leben zu retten, ich will dir das schönste Mädchen und die reichsten Schätze geben.“ Hasan weinte, küßte ihr die Füße und sagte: „Da ich so weit gekommen bin, soll ich nun, ohne mein Ziel zu erreichen, umkehren? Jetzt, wo ich im Lande meiner Geliebten bin und ein baldiges Wiedersehen erwarte? Vielleicht ist mir das Glück günstig!“ Hierauf rezitierte er wieder Verse, klagte und jammerte solange, bis Schawahi ihm schwor, sie wolle das Äußerste wagen, um ihn wieder in den Besitz seiner Gattin und Kinder zu setzen.

Hasan fühlte sich wieder neu gestärkt und unterhielt sich den ganzen Tag mit der Alten. Des Abends trennten sich die Mädchen, ein Teil von ihnen ging in die Stadt, ein anderer in die Zelte, und Schawahi ging auch mit Hasan in die Stadt, führte ihn zu einem einsamen Platze, wo ihn niemand sehen konnte, damit die Königin noch nichts von ihm erfahre, bediente ihn selbst und erzählte ihm von der Härte und Strenge des Königs, seines Schwiegervaters. Hasan bat sie nochmals, ihn nicht zu verlassen, da er doch einmal auf sie sein Vertrauen gesetzt. Sie fing an, ernstlich darüber nachzudenken, wie sie den jungen Mann zu seiner Gattin bringen könnte, da er sich doch von nichts abschrecken ließ und keine Gefahr scheute, um nur wieder zu ihr zu gelangen, wie das Sprichwort sagt: „Der Liebende hört nicht die Worte des Gleichgültigen.“ Endlich beschloß sie, Hasans Angelegenheit der Königin dieser Insel, welche Nur Alhuda hieß, vorzutragen. Diese war eine der sieben Schwestern von Hasans Gattin, und ihr Vater mit seinem Heer residierte auf einer anderen Insel, welche durch ein tobendes Meer von den übrigen Inseln getrennt war.

Schawahi konnte ohne Schwierigkeit zu Nur Alhuda ins Schloß gehen, denn sie war ehedem Erzieherin der Prinzessinnen gewesen und stand noch bei ihnen und bei ihrem Vater in großem Ansehen. Als Nur Alhuda die Alte sah, stand sie vor ihr auf, umarmte sie und fragte sie nach der Veranlassung ihres Besuchs. Sie antwortete: „Bei Gott, o Königin der Zeit, ich habe eine Angelegenheit, in der du mir behilflich sein sollst, ich würde sie dir nie mitteilen, wenn ich nicht so viel Vertrauen zu dir hätte.“ - „Was ist dein Anliegen?“ fragte Nur Alhuda; „erzähle nur, kostete es mein Leben, so soll dir mein Beistand nicht fehlen; ich, mein Gut, meine Truppen, alles steht zu deiner Verfügung.“ Die Alte erzählte ihr Hasans Geschichte von Anfang bis zu Ende. Sie zitterte aber wie ein schwaches Rohr bei stürmischem Wetter und rief: „Gott bewahre mich vor der Strenge der Königin!“ als sie ihr gestand, daß sie ihm am Ufer Schutz gewährt, ihn bewaffnet mit zur Armee genommen und nun in der Stadt verborgen habe. Auch setzte sie hinzu: „Sieh, meine Tochter, ich habe ihn vor deiner Strenge gewarnt; aber er weinte, rezitierte Verse und sagte: Lieber will ich sterben, als ohne meine Gattin und Kinder leben; ich habe nie mehr Unerschrockenheit gesehen, als er besitzt, so sehr hat sich die Liebe seiner bemächtigt.“ Als die Alte vollendet hatte, geriet Nur Alhuda in heftigen Zorn, schlug den Kopf eine Weile nieder, hob ihn dann wieder zur Alten hin und sagte: „Du versuchte Alte! Wer hat dir die Macht gegeben, uns einen Mann hierher zu bringen? Hast du je ein solches Beispiel erlebt? Bei meinem Haupte! Wärest du nicht meine Erzieherin und Dienerin, ich würde dich gleich mit ihm in erbärmlichster Weise umbringen lassen, daß deine Geschichte überall als Warnung diene. Doch geh jetzt und bring ihn schnell hierher, oder ich lasse dir den Kopf abschlagen, du Verdammte. „ Die Alte ging ängstlich bebend fort und wußte nicht, ob sie im Himmel oder auf der Erde war und dachte: Das ist ein Unglück, das mir Gott zugeschickt hat. Als sie zu Hasan kam, sagte sie zu ihm: „O du, dessen Lebensziel herangenaht, steh auf! Die Königin will dich sprechen.“ Auf dem Wege nach dem Schlosse hörte Hasan nicht auf, den Namen Gottes zu erwähnen und ihn um Beistand in seiner Bedrängnis anzuflehen, während die Alte ihn belehrte, wie er mit der Königin sprechen sollte, worauf er antwortete: „Wenn das göttliche Urteil gefällt ist, so wird der Hellsehende doch blind.“ Im Schloß angelangt, warf sich Hasan vor der Königin, die verschleiert war, nieder, grüßte sie und sprach folgende Verse:

„Lang daure dir ein überschwengliches Glück, solange die Welt besteht; Gott vermehre stets deinen Ruhm und deine Macht und stehe dir gegen alle deine Feinde bei.“

Als Hasan diese Verse gesprochen hatte, gab die Königin der Alten durch einen Wink zu verstehen, sie möchte statt ihrer Hasan anreden. Da sagte die Alte: „Mein Sohn! die Königin erwidert dir deinen Gruß und fragt dich, wie du heißt und wie deine Gattin und deine Kinder heißen?“ Hasan antwortete: „O Königin der Zeit! Dein Sklave heißt Hasan, meine Heimat ist Baßrah, von meinen Kindern heißt das eine Naßir und das andere Manßur, den Namen meiner Gattin aber weiß ich selbst nicht.“ Hierauf fragte ihn die Königin selbst: „Aus welchem Orte hat deine Gattin deine Kinder entführt?“ Hasan erwiderte: „Aus Bagdad, o Königin.“ Hierauf fragte sie: „Was hat deine Gattin gesagt, als sie mit ihren Kindern davonflog?“ Hasan antwortete: „Sie hat meiner Mutter gesagt: wenn dein Sohn wiederkehrt und die Nächte der Trennung lang findet und sich nach mir sehnt, so soll er zu nur auf die Inseln Wak-Wak kommen.“ - „Dies beweist“, versetzte die Königin, „daß sie dich noch liebt: wie kannst du glauben, sie sei dir nicht mehr zugetan? Wäre dies der Fall, so hätte sie dir ihren Aufenthaltsort nicht genannt und dich nicht aufgefordert, ihr dahin zu folgen.“ Hasan antwortete: „O Herrin aller Könige, Zuflucht der Reichen und der Armen! Ich habe dir alles gesagt, wie es sich ereignet hat, und gar nichts verheimlicht, nun erflehe ich deinen Schutz; bei dem erhabenen Gott, habe Mitleid mit mir und verschmähe diese gute Tat und den Lohn vom Herrn nicht, lindere meinen Schmerz und erfreue mein Auge durch die Vereinigung mit meiner Gattin und meinen Kindern.“ Nur Alhuda schüttelte lange den Kopf, endlich hob sie ihn ernst gegen Hasan hin und sagte: „Ich werde dir alle Mädchen von der Insel vorstellen und aus Mitleid zu dir deine Gattin dir wiedergeben, wenn du sie unter ihnen erkennst; findest du sie aber nicht, so lasse ich dich vor der Tür meines Schlosses hängen.“ „Gern“, rief Hasan aus, „nehme ich diese Bedingung an, Königin der Zeit.“ Er rezitierte dann folgende Verse:

„Ihr habt Liebesschmerz in mir erregt und seid selbst ruhig, ihr schlaft, während ihr meinen wunden Augen den Schlaf geraubt habt. Ihr habt mir Treue geschworen und wurdet treulos, als ich euch mein Herz geschenkt. Ich war ein Neuling in der Liebe, als ich mich euch hingab, seid nicht grausam gegen mich, sonst beklage ich mich über euer Unrecht. Fürchtet ihr nicht Gott, wenn ihr einen Liebenden tötet, der des Nachts die Sterne beobachtet, während andere schlafen? Bei Gott! o meine Genossen! wenn ich sterbe, so schreibt auf meinen Grabstein: Hier ruht ein Märtyrer der Liebe. Vielleicht wird einer, der gleich mir die Liebe kennt, wenn er vorübergeht, mich grüßen.“

Nur Alhuda erteilte hierauf den Befehl, daß alle Mädchen ins Schloß kommen sollten;

die Alte mußte sie Hasan hundertweise vorführen, bis zuletzt kein Mädchen in der Stadt übrig blieb, das Hasan nicht gesehen hätte. Die Königin fragte ihn dann: „Hast du deine Gattin gefunden?“ und als er „Nein!“ antwortete, geriet sie in heftigen Zorn und sagte zu der Alten: „Laß nun alle Mädchen aus dem Schlosse herkommen und stelle sie ihm vor. Als auch diese ihm vorgestellt wurden und er seine Gattin nicht sah, zitterte die Königin Nur Alhuda vor Zorn und befahl den Leuten, die sie umgaben, Hasan wegzuschleppen und ihn zu enthaupten, damit ein andermal sich kein Fremder mehr erkühne, ihr Land zu betreten. Hasan wurde auf dem Gesicht fortgeschleppt, man verband ihm die Augen, hob die Schleppe seines Kleides in die Höhe und der Scharfrichter stand schon mit entblößtem Schwerte da und erwartete nur den Wink der Königin um ihn zu enthaupten; da trat die Alte hervor, ergriff die Schleppe der Königin, küßte die Erde vor ihr und sagte: „O Königin! Bei der Erziehung, die ich dir gegeben, übereile dich nicht! Du weißt, in welche Gefahr sich dieser arme Mann schon begeben und wievielen Leiden und Schrecknissen er schon getrotzt hat, weil das Auge des Himmels über ihm wachte, und ihm ein langes Leben bestimmt war. Nun ist er in dein Land gekommen im Vertrauen auf deine Gerechtigkeitsliebe, und du willst ihn töten lassen? Alle Reisenden werden dich eine Feindin der Fremden und eine Mörderin nennen. Übrigens fällt er ja immer deinem Schwert anheim, wenn seine Gattin sich später nicht findet, du kannst ihn ja immer noch umbringen lassen. Ich habe ihm nur in der Hoffnung auf deine Güte Schutz gegeben und weil ich auf deine Billigkeit und Gnade vertraute. Sieh nur, wie beredt er ist, wie er alle seine Gefühle in Versen auszudrücken weiß; seine Worte sind wie aneinandergereihte Perlen, und da er doch einmal hier ist und mit uns gegessen hat, so müssen wir ihn lieben und bedenken, wie schwer die Trennung ist, sie ist der Tod, besonders die von den Kindern. Du sollst indessen schuldlos an seinem Tode sein, wenn du ihm auch dein Antlitz zeigst; tust du das aber nicht, so laß mich nur mit ihm umbringend Die Königin sagte lächelnd: „Sollte ich etwa seine Gattin sein? Doch bringt ihn her!“ Hasan wurde wieder zur Königin geführt, und als sie sich vor ihm entschleierte, stieß er ein lautes Geschrei aus und fiel in Ohnmacht. Die Alte pflegte ihn, bis er wieder zu sich kam; aber sobald er einen zweiten Blick auf die Königin warf, sank er wieder bewußtlos zu Boden.

Als Hasan sich durch die Pflege der Alten wieder erholt hatte, sah er der Königin. wieder ins Gesicht und schrie so laut, das fast das Schloß zusammenstürzte. Auf die Frage der Alten, was dies bedeute, antwortete er: „Diese ist entweder selbst meine Gemahlin oder hat mit ihr die vollkommenste Ähnlichkeit.“ Da sagte die Königin zur Erzieherin: „Der Mensch ist rasend oder er lügt; denn wie würde er sonst sagen, ich sei seine Gattin?“ - „Entschuldige ihn!“ rief die Alte; „denn wer an Liebesqual leidet, für den gibt's kein Mittel mehr, der gleicht einem Rasenden.“ Hasan weinte und sprach folgende Verse:

„Ich sehe ihr Ebenbild und zerfiele vor Sehnsucht, und vergieße heiße Tränen auf ihrem Wohnorte und bete zu dem, der mich mit ihrer Trennung heimgesucht, daß er mich wieder mit ihrer Vereinigung beglücke.“

Dann sagte Hasan, wieder zur Königin sich wendend: „Nein, bei Gott, du bist es nicht.“ Die Königin sagte lachend: „Fasse dich, laß deine Tollheit und Raserei; sieh mich recht an und erkläre dich deutlicher, vielleicht ist deine Hilfe nahe.“ Hasan sagte: „O Herrin aller Könige, Zuflucht der Reichen und der Armen! ich habe dich wohl betrachtet und gefunden, daß du meine Gattin bist oder ihr vollkommen gleichst, was willst du mehr von mir wissen?“ - „Sage mir“, erwiderte die Königin, „worin hat deine Gattin Ähnlichkeit mit mir?“ Hasan antwortete: „Sie hat deine leuchtende Stirn, die Röte deiner Wangen, deinen hübschen Wuchs, deine süßen Worte, deine schöne Gesichtsbildung, deine lieblichen Augen, deinen blendendweißen Teint.“ Als die Königin dies hörte, lächelte sie, schaukelte sich hin und her und warf einen wohlgefälligen Blick auf sich selbst; Schweißtropfen bedeckten ihre Stirn, ihre Wangen röteten sich, ihre Augenbrauen wölbten sich und ihre Augen sprühten Feuer; mit der größten Lebhaftigkeit sagte sie zur Alten: „Führe Hasan wieder in seine Wohnung zurück, dort bediene ihn selbst, bis ich über ihn ins klare komme: denn ein Mann, der aus Liebe zu seiner Gattin so viel tut, verdient unsere Hilfe. Hast du ihn zurückgeführt, so komme schnell wieder zu mir, und so Gott will, wird alles zum Besten enden.“ Die Alte ging hierauf mit Hasan in ihre Wohnung und befahl ihren Sklavinnen, alles zu tun, was er von ihnen verlange. Dann kehrte sie wieder zur Königin zurück, die ihr befahl, sich zu bewaffnen und mit tausend wackeren Reitern sich zu ihrem Vater zu begeben, ihre jüngste Schwester zu grüßen und sie zu bitten, sie möchte den Kindern die Panzer anziehen, die ihnen ihre Tante geschenkt, und sie ihr schicken, denn sie sehne sich sehr nach ihnen, empfahl ihr aber, ja nichts von Hasan zu erwähnen. „Hast du einmal die Kinder bei dir“, fuhr die Königin fort, „so lade auch meine Schwester zu einem Besuche ein, eile du aber mit den Kindern voraus, sie mag langsam nachkommen. Nimm du auch einen anderen Weg, als sie, reise Tag und Nacht, halte dich keinen Augenblick auf der Reise auf und kehre so bald als möglich mit den Kindern zu mir zurück. Hüte dich aber wohl, einem Menschen etwas von deinem Auftrage zu sagen; ich schwöre dir dafür den heiligsten Eid, daß, wenn meine Schwester seine Gattin ist, ich sie ihm wiedergeben und mit ihren Kinder in seine Heimat reisen lasse. Ich will nun sehen, wenn die Kinder Ähnlichkeit mit ihm haben, so glaube ich ihm. Sage ihr, daß ich sie schon lange nicht gesehen habe, und ich mich nach ihr sehne. Du hast gehört, wie Hasan sagte, sie habe vollkommene Ähnlichkeit mit mir, und Gott weiß, daß eine Frau, wie sie beschrieben, keine andere als meine jüngere Schwester Manar Alnisa sein kann.“ Die Alte traute diesen Worten und wußte nicht, daß sie beschlossen, Hasan töten zu lassen, wenn ihre Schwester nicht seine Gattin sein sollte. Sie küßte die Erde vor ihr, gab Hasan Nachricht von dem Befehle der Königin, und dieser, ganz außer sich vor Freude, küßte der Alten die Stirn; sie aber sagte: „Küsse mich nicht auf die Stirn, sondern auf den Mund, als Zeichen des Dankes für dein Heil.“ Sie sagte ihm dann noch: „Sei heiter und frohen Mutes, mein Sohn, so Gott will, wirst du durch mich an dein Ziel gelangen.“

Die Alte bewaffnete sich dann, nahm tausend ausgerüstete Streiter mit, stieg ins Schiff und fuhr in drei Tagen nach der Insel, wo der König mit Manar Alnisa residierte. Sie ließ ihre Truppen vor der Stadt lagern und ging allein zur Prinzessin Manar Alnisa, grüßte sie und sagte ihr: „Die Königin ist böse, daß du sie so selten besuchst.“ Manar Alnisa ließ sogleich die Zelte zur Reise hervorholen und legte allerlei Geschenke für ihre Schwester zurecht. Auch der König, welcher von der Terrasse aus die Zelte vor der Stadt sah, und hörte, daß Nur Alhuda ihre Schwester Manar Alnisa zu sich eingeladen habe, ließ allerlei Kostbarkeiten aus seiner Schatzkammer holen, um sie ihr zu schicken, auch ließ er viele Truppen zu ihrer Begleitung ausrücken, denn er hatte eine besondere Vorliebe zu Manar Alnisa (Frauenlicht), welche die einzige Tochter ihrer Mutter war. Die anderen sechs Töchter waren von einer anderen Mutter. Die älteste hieß Licht der Leitung (Nur Alhuda), die zweite Morgenstern, die dritte Morgensonne, die vierte Perlenbaum, die fünfte Herzenserquickung und die sechste Mädchenkrone. Als die Alte die Vorbereitungen zur Reise sah, erschien sie wieder vor Manar Alnisa und küßte die Erde vor ihr, und auf ihre Frage, ob sie noch ein Anliegen habe, antwortete die Alte: „Deine Schwester bittet dich, deinen Kindern die Panzer anzuziehen, die sie dir geschickt hat, um sie mir mitzugeben, daß ich ihr dadurch die freudige Botschaft von deiner Ankunft bringe.“ Als sie dies hörte, erblaßte sie, senkte ihr Haupt und sagte. „O meine Amme! mein Herz bebt vor Angst.“ - „Fürchtest du für sie bei deiner Schwester?“ fragte Schawahi; „bewahre Gott vor einem solchen Gedanken! Gott erhalte deinen Verstand! Doch ich zürne dir nicht: die Liebe ist immer argwöhnisch; aber, gelobt sei Gott! Du kennst meine Zärtlichkeit gegen Kinder, ich habe dich ja auch einst erzogen und alle deine Schwestern. Ich werde auf deine Kinder achtgeben und sie mit meinen Augen bedienen; ich werde ihnen meine Wangen als Teppich unterlegen und sie in meinem Herzen aufbewahren, du brauchst sie mir nicht zu empfehlen; sei nur guten Mutes und schicke sie deiner Schwester, ich werde höchstens ein oder zwei Tage vor dir ankommen.“ Die Alte schwatzte noch lange so fort, bis Manar Alnisa aus Furcht, ihre Schwester zu erzürnen, ihr nachgab und trotz einer geheimen Ahnung ihre Kinder mit ihr schickte. Die Alte war sehr sorgsam für die Kinder, und reiste schnell mit ihnen fort und brachte sie ihrer Tante Nur Alhuda. Diese freute sich sehr mit ihnen, küßte sie, drückte sie an ihre Brust und setzte sich zwischen sie; dann sagte sie zur Alten: „Bring jetzt Hasan her; ich habe ihm meinen Schutz versprochen und er hat nichts von meinem Zorne zu befürchten, da er doch einmal meine Wohnung betreten und so viele Gefahren überstanden hat.“ Die Alte sagte: „Ich will ihn holen, doch wenn er kommt und diese Kinder die seinigen nennt, so mußt du sie ihm geben, wenn nicht, so mußt du ihn unbeschädigt in seine Heimat zurückschicken.“ Als die Königin dies hörte, rief sie zornig aus: „Woher kommt diese Liebe zu einem Fremdling, der es wagt, zu uns zu kommen und unsere Geheimnisse zu erforschen? Er wird dann erzählen, daß er uns unverschleiert gesehen hat und uns in seinem Lande einen schlechten Ruf machen. Alle Könige und Kaiser werden davon hören, alle Karawanen werden die Neuigkeiten umhertragen und selbst alle Kaufleute werden sagen: Es ist jemand auf die Inseln Wak-Wak gekommen und hat das Land der Zauberer, der Wahrsager, der Geister, der Vögel und der wilden Tiere glücklich durchstreift. Das geschehe nie! Ich schwöre bei dem, der die Himmel gebaut, die Erde ausgedehnt und alles geschaffen und gezählt hat, wenn dies nicht seine Kinder sind, so schlage ich ihm selbst den Kopf ab.“

Nur Alhuda schrie dann die Alte an und befahl zwanzig Mamelucken, mit ihr zu gehen und ihr sogleich den jungen Mann zu bringen, der in Schawahis Hause sich aufhalte. Die Alte wurde blaß, ihre Achseln zitterten, alle ihre Gelenke waren gelähmt und kaum hatte sie Kraft genug, mit den Mamelucken in ihr Haus zu gehen. Als Hasan sie sah, stand er auf und grüßte sie, sie aber erwiderte seinen Gruß nicht, sondern sagte ihm: „Habe ich dich nicht lange genug gewarnt, warum hast du mir kein Gehör geschenkt und mich mit in dein Elend gezogen? Nun geh, die treulose Verräterin will dich sprechen.“ Hasan stand mit zerknirschtem Herzen auf und rief, am Leben verzweifelnd: „O Herr des Friedens, rette mich! O Gott, sei gnädig in der über mich verhängten Heimsuchung, o Allbarmherziger.“ Er ging dann in der Mitte von zwanzig Mamelucken, einem Pförtner und der Alten, zur Königin und sah, wie sie mit seinen beiden Kindern, Naßir und Manßur, spielte.

So viel, was Nur Alhuda und Hasan angeht; was aber Manar Alnisa betrifft, so wollte diese am folgenden Morgen sich auf den Weg machen, als ein Pförtner des Königs ihr sagte: „Der König grüßt dich und wünscht dich bei sich zu sehen.“ Ihr Vater ließ sie, als sie mit dem Pförtner vor ihm erschien, auf das Sofa an seine Seite sitzen und sagte zu ihr: „Wisse, meine Tochter, ich habe diese Nacht einen Traum gehabt, der mir Besorgnisse für dich einflößte - „Was hast du im Traume gesehen?“ fragte die Prinzessin. „Ich habe im Traume eine Schatzkammer gesehen, angefüllt mit Perlen und Edelsteinen, doch von allen Kostbarkeiten gefielen mir nur sieben Perlen. Von diesen sieben wählte ich die kleinste, welche die schönste und klarste war; sobald ich aber, glücklich, sie zu besitzen, sie in die Hand nahm, da kam ein Vogel aus einem fremden Lande vom Himmel heruntergestürzt, nahm mir die Perle weg und kehrte wieder dahin zurück, wo er hergekommen war. Dies machte mich so traurig, daß ich erwachte und noch wachend den Verlust der Perle bedauerte. Ich ließ daher die Traumdeuter rufen und erzählte ihnen meinen Traum. Sie sagten mir: Du wirst die jüngste deiner sieben Töchter verlieren und zwar wird sie dir mit Gewalt entrissen werden; diese bist du, meine Teuerste, und nun willst du zu deiner Schwester reisen; wer weiß, was dir zustoßen kann. Gehe also nicht, kehre wieder in dein Schloß zurück. „ Als Manar Alnisa die Worte ihres Vaters hörte, klopfte ihr das Herz vor Angst für ihre Kinder; sie beugte eine Weile den Kopf, hob ihn dann wieder gegen den König auf und sagte: „O edler König und mächtiger Herr! Die Königin Nur Alhuda hat mich eingeladen und erwartet mich jede Stunde, denn sie hat mich schon in vier Jahren nicht gesehen; wenn ich nicht zu ihr reise, wird sie böse werden; mache dir nur keine Sorge um meinetwillen; das Höchste ist, daß ich einen Monat von hier abwesend sein werde, dann kehre ich, so Gott will, wieder. Wer erreicht denn dieses Land? Wer betritt die Kampferinseln und die kristallene Zitadelle, wer durchwandert die Inseln der Vögel, Tiere und Geister? Sei nur ruhig, niemand kann unser Land betreten.“ So sprach sie fort, bis ihr der König erlaubte, abzureisen, und ihr tausend Reiter als Geleit mitgab, denen er befahl, auf sie zu warten und sie wieder zu ihm zurückzubringen. Dabei erteilte er ihnen auch den Befehl, die Prinzessin nur zwei Tage bei ihrer Schwester zu lassen. Manar Alnisa nahm dann mit beklommenem, ahnungsvollem Herzen vom König Abschied, dessen Worte tiefen Eindruck auf sie gemacht hatten, und reiste aus Besorgnis für ihre Kinder, ohne sich irgendwo aufzuhalten, drei Tage und drei Nächte durch, bis sie an den Fluß kam, den sie mit ihren Sklaven und Dienern und Vezieren überschritt, um in das Schloß ihrer Schwester zu gelangen.

Folgendes hatte sich inzwischen mit Hasan, der schon früher zu Nur Alhuda geführt wurde, zugetragen. Sobald er seine Kinder sah, fiel er bewußtlos nieder, aber auch in seinen Kindern regte sich die kindliche Liebe; sie entwischten aus dem Schoße ihrer Tante und fielen über Hasan her, und der erhabene Gott legte ihnen die Worte: „O Vater!“ in den Mund. Die Alte und die Anwesenden, bis zu Tränen gerührt, riefen: „Gelobt sei Gott, der die Getrennten wieder vereinigt hat!“ und Hasan, wieder zum Bewußtsein zurückgeführt, umarmte seine Söhne und drückte seine Freude in zierlichen Versen aus. Wir aber beten für unsern Herrn Mohammed, den Meister der Wundertaten.

Als Nur Alhuda sich überzeugt hatte, daß Hasan Vater dieser Kinder und Gatte ihrer Schwester war und sie jetzt aufsuchte, zürnte sie ihrer Schwester sehr, auch Hasan überhäufte sie mit Schmähungen, und trat ihn mit Füßen, bis er umfiel. Dann sagte sie zu ihm: „Steh auf und rette schnell dein Leben, denn hätte ich nicht geschworen, daß dir nichts Schlimmes widerfahren dürfe, wenn deine Worte sich bestätigten, so wäre deinem Leben von meiner eigenen Hand schon ein Ende gesetzte Sie schrie dann die Alte so heftig an, daß sie zu Boden fiel, und sagte ihr: „Bei Gott! müßte ich nicht meinen Eid brechen, ich hätte dich mit ihm auf die schlimmste Weise umgebracht. Geh jetzt schnell in deine Heimat zurück“, sagte sie, wieder zu Hasan sich wendend, „denn ich schwöre, wenn ich dich wieder sehe, schlage ich dir und dem, der dich herbringt, den Kopf ab. „ Sie ließ dann Hasan von ihren Sklavinnen wegführen. Hasans Verzweiflung war jetzt größer als jemals; er sah die Unmöglichkeit ein, länger auf diesen Inseln zu verweilen, und wußte auch nicht, auf welche Weise er wieder seine Heimat erreichen könnte. Indessen dachte er immer an seine Gattin und richtete folgende Verse an sie:

„Du hast dich entfernt und bist doch meinem Herzen so nahe. Bei Gott, ich werde dich nie aufgeben, bei allem Mißgeschick will ich doch in meiner Liebe ausharren. Ich konnte einst keine Stunde von dir getrennt leben, wie soll ich eine Abwesenheit von Monaten ertragen? Ich bin eifersüchtig auf den Zephyr, der dich anweht, o du Holde, Schöne!“ Als Hasan diese Verse vollendet hatte, entfernte er sich vom Schlosse, aus dem man ihn auf dem Gesichte hinausgeschleppt hatte, stolperte aber immerfort über seine Schleppe und konnte nach solcher Mißhandlung kaum an seine Rettung glauben. Die Alte war höchst betrübt um seinetwillen, doch konnte sie der Königin in ihrem Zorne nicht widersprechen, Hasan wußte nicht, wohin sich wenden und was beginnen, und die weite Erde schien ihm zu eng. Indessen, obschon Hasan niemanden hatte, den er um Rat fragen konnte, führte ihn doch die Bestimmung ans Ziel seiner Wünsche. Er selbst hatte zwar alle Hoffnung auf ein glückliches Entkommen schon aufgegeben, denn wie wollte er alle jene Wege, auf welchen er gekommen war, wieder allein zurücklegen? Auch für seine Kinder und seine Gattin fing er an zu fürchten, weil er nicht wußte, was ihnen von der Königin bevorstehe. Jetzt erst bereute er es, in dieses Land gekommen zu sein und keinen Rat angenommen zu haben, und sprach folgende Verse:

„Laßt mein Auge über den Verlust meiner Geliebten weinen! denn mein Schmerz ist so groß, daß es keinen Trost für mich gibt. Die Trennungskelche machten die Runde, ich mußte sie ausschlürfen, und was ist herber als der Verlust der Geliebten? Sagt mir, wann wird der Teppich des Unwillens, der zwischen uns ausgebreitet ist, wieder aufgehoben werden? Ich wachte, während ihr schliefet, ihr glaubtet, ich habe euch vergessen, während ich trostlos bin. Mein Herz ist verwundet vom Trennungsschmerz, und ihr, mein Arzt, versagt mir die Heilung. Seht ihr nicht, in welche Lage mich eure Entfernung gebracht? Ich demütige mich vor den Würdigen und dem Unwürdigen. Sorgsam hatte ich meine Liebe verborgen, doch die Tränen haben sie bekannt gemacht und mein Herz verzehrt sich in Liebesflamme. Habt Mitleid mit mir, denn ich bin dem Bündnisse treu geblieben, öffentlich und innerlich. Wird wohl das Schicksal uns einst wieder vereinen? Du bist wohl ein Teil meiner selbst, und meine Seele ist eng mit der deinigen verbunden. Darum, Geliebte, gib mir bald Nachricht und heile die Trennungswunde, die du mir geschlagen!“ Hasans Gattin, welche einige Tage nach dieser Begebenheit bei ihrer Schwester anlangte, fand ihre Kinder weinend und immer ihren Vater rufend. Sie drückte ihre Kinder, selbst weinend, an ihr Herz und sagte ihnen höchst bestürzt: „Wie fällt euch jetzt euer Vater ein? Ich habe mir das selbst angetan, ich habe selbst mein Haus verwüstet. Bei Gott, wüßte ich ihn noch beim Leben, ich würde euch zu ihm führen.“ Sie seufzte dann, vergoß viele Tränen der Reue über ihre Flucht und der Sehnsucht nach ihrem Gatten, und sprach folgende Verse:

„O mein Freund! trotz der Entfernung liebe ich dich doch noch immer; stets wendet sich mein Auge nach deiner Wohnung, und mein Herz ist voller Erinnerung an die Vergangenheit. Wie manche Nacht haben wir selig beisammen zugebracht, voller Zärtlichkeit und Liebesfreude.“

Da Nur Alhuda aus diesen Versen schloß, daß die alte Liebe sich wieder ihrer Schwester bemeistert hatte, stand sie zornig auf und schlug ihr so derb ins Gesicht, daß sie zu Boden stürzte; hierauf schimpfte sie sie auf die gemeinste Weise und sagte: „Bei Gott, jetzt sehe ich erst, daß du in Wahrheit diesen hergelaufenen Mann geliebt hast. Konntest du denn keinem Prinzen, keinem Vezierssohne, keinem jungen Emir deine Liebe schenken? Wie konnte dir dieser gemeine Mann so gefallen, daß du dich ihm ganz hingabst und zwei Kinder von ihm gebarst? Aber, du Nichtswürdige, ich werde dich und deine Kinder auf deiner Brust schlachten; doch zuerst will ich dich aufs schmerzlichste peinigen, und so wie du unsere Ehre nicht geschont hast, werde ich dein Fleisch schonungslos zerreißen und es dir zu essen geben; auch deinem Vater will ich deine Schandtat erzählen. „ Sie ließ sie dann gebunden auf den Boden hinstrecken, schob ihre Ärmel zurück, fiel mit einem Stock über sie her und ließ keine Stelle an ihrem ganzen Körper, die sie nicht durchprügelte, bis sie ganz leblos liegen blieb. Sie ließ sie dann in eine Grube werfen, in welcher Schlangen und Skorpione waren; statt der goldenen Ringe ließ sie ihr eine schwere eiserne Kette anlegen, statt ihrer kostbaren Kleider ganz zerlumpte anziehen; sogar ihren Kopfputz ließ sie ihr abnehmen. Nachdem sie eine Wache vor die Grube beordert hatte, durchmusterte sie die Geschenke ihres Vaters und ihrer Schwester, nahm einen Teil davon heraus und legte das übrige in ihre Schatzkammer. Hierauf schrieb sie ihrem Vater: „Wisse, daß deine Tochter einen hergelaufenen Mann von Irak geliebt und von ihm zwei Kinder geboren hat. Sie liebt ihn noch und wollte ohne dein Wissen zu ihm reisen; so wenig liegt ihr an unserer Ehre und deinem makellosen Rufe. Eine solche Dirne verdient nicht länger zu leben; darum habe ich, sobald ich ihre Absicht, zu entfliehen, kannte, sie einsperren lassen, bis ich dich um Rat gefragt, was mit ihr und ihren Kindern geschehen soll, damit diese Schande nicht für ewige Zeiten auf uns hafte.“ Diesen Brief schickte sie mit den Truppen, die ihre Schwester zu ihr begleitet hatten, fort, und befahl ihnen, ihr schnell wieder Antwort zu bringen. Sobald der König den Brief gelesen hatte, antwortete er darauf seiner Tochter: „Wenn das, was du mir geschrieben, erwiesen ist, so verfahre mit Manar Alnisa, wie es dir gutdünkt, ich überlasse dir diese Sache; entscheide, wie du willst. Friede sei mit uns!“ Als die Königin diesen Brief wieder erhielt, ließ sie ihre Schwester zu sich führen; diese schwamm in ihrem Blute, hatte ein härenes Gewand an, war mit schweren eisernen Ketten beladen und auf ihrem Gesicht war die tiefste Demütigung und Verzweiflung zu lesen. Als sie sich in solcher Erniedrigung sah und an ihr früheres angenehmes Leben und an ihr früheres Ansehen dachte, sprach sie folgende Verse:

„Habt Mitleid mit der einst Geehrten, die jetzt im Kerker schmachtet mit schweren Ketten, gepeinigt und verhöhnt. Wer vermag bei so langer Trennung mein Herz zu trösten? Könnte ich doch vor Schmerz sterben! wie leicht wäre mir der Tod. O Schicksal, das uns einst so günstig war, wie lange wirst du noch Trennung über uns verhängen?“ Nur Alhuda, bei der jedes Mitleidsgefühl gegen ihre Schwester erloschen war, spie vor ihr aus, ließ sie auf eine hölzerne Leiter hinstrecken und mit ihren Haaren daran festbinden, und befahl ihren Dienern, sie zu prügeln. Manar Alnisa weinte laut und schrie um Hilfe, doch niemand kam, sie zu befreien. Sie sagte dann: „O Schwester! Bist du auch gegen mich hartherzig, so habe doch mit diesen kleinen Kindern Mitleid.“ Aber Nur Alhuda wurde durch diese Worte nur noch mehr aufgebracht, schalt ihre Schwester eine Buhlerin und sagte: „Gott erbarme sich dessen nicht, der mit dir Mitleid fühlt!“ - „Und was habe ich denn verbrechen, daß du so gegen mich verfährst?“ fragte Manar Alnisa; „ich rufe den Herrn der Erde und des Himmels als Zeugen an, daß ich mich gesetzmäßig verheiratet -habe, ich verdiene daher die Schmach nicht, die du auf mich häufst; ich habe nie ein unsittliches Leben geführt. Gott weiß, daß ich die Wahrheit rede.“ Als die Königin dies hörte, sage sie: „Du wagst es noch, dich zu rechtfertigend fiel dann selbst über sie her und schlug sie, bis sie in Ohnmacht fiel. Man mußte sie lange mit Wasser bespritzen, bis sie wieder zu sich kam. Endlich brach sie in folgende Verse aus:

„Wenn ich schuldig bin und ein Unrecht begangen habe, so bereue ich es und bitte um Gnade.“

Nur Alhuda schrie voller Wut ihre Schwester an: „Du Dirne, wagst es noch, dich in meiner Gegenwart bei deinem Geliebten in Versen zu entschuldigen, daß du ihn verlassen hast und in deine Heimat zurückgekehrt bist?“ Sie ließ sich dann eine Rute bringen, schob die Ärmel zurück und schlug sie wieder auf den Rücken, auf den Leib, auf die Schultern und den ganzen übrigen Körper, dann ruhte sie sich ein wenig aus, fiel aufs neue über sie her, bis sie kein Lebenszeichen mehr von sich gab. Als die Alte dies sah, ging sie weinend fort und verwünschte die Königin. Diese hörte es aber, ließ sie durch ihre Diener ergreifen und auf den Boden werfen, nahm eine Peitsche und schlug sie auch, bis die in Ohnmacht fiel; dann ließ sie sie bewußtlos von den Dienern wieder fortschleppen. Das ist's, was die Königin, ihre Schwester und die Alte angeht; nun, sagt der Erzähler, höre, was inzwischen mit Hasan sich ereignete. Dieser hatte mühsam sich bis vor das Tor der Stadt geschleppt und war so in seinem Inneren zerrüttet, daß er den Tag nicht mehr von der Nacht zu unterscheiden wußte. Außerhalb der Stadt ruhte er unter einem Baume aus, weinte über seine Verlassenheit und rezitierte folgende Verse:

„Laß der Bestimmung nur die Zügel frei und bekümmere dich um nichts, wenn auch die Unglücksfälle dich überfallen; denn in dein Augenblick, wo du darüber dich entsetzest, kann Gott schon alles wieder geändert haben.“

Als Hasan diese Verse gesprochen hatte, schöpfte er wieder neue Hoffnung auf Rettung und Vereinigung, als er aber einige Schritte in der einsamen, gefahrvollen Wüste gemacht hatte. kehrte seine Verzweiflung wieder, und er rezitierte folgende Verse:

„O Zephyr, wenn du durch das Land meiner Geliebten wehest, so grüße sie und sage ihr, daß ich ein Sklave der Liebe bin und daß meine Pein jede andere übertrifft, vielleicht bringst du mir ihren Hauch wieder und belebst damit ein stets betrübtes Herz.“

Er entfernte sich dann vom Baume und ging den Fluß entlang. Da sah er zwei Knaben von den Söhnen der Zauberer und Weissager miteinander streiten; vor ihnen lag ein kupferner Zepter, auf welchem allerlei Talismane gestochen waren, und eine kleine lederne Mütze, deren oberer Teil aus drei Stücken zusammengesetzt war, auf welchem in Stahl Namen und Siegel gestochen waren. Hasan trat zwischen sie und fragte, warum sie einander so schlügen? „O Herr“, sagte der älteste, „da Gott dich hierher geführt hat, so richte du zwischen uns! wir sind zwei Zwillingsbrüder, unser Vater war einer der mächtigsten Zauberer dieses Landes; er hat diese Höhle hier bis zum seinem Tode bewohnt und hat uns diesen Zepter und diese Mütze hinterlassen; nun will jeder von uns diesen Zepter haben; ich bin aber zuerst auf die Welt gekommen, entscheide also!“ Als Hasan dies hörte, sagte er: „Was ist wohl der Unterschied zwischen beiden? Der Zepter ist höchstens sechs Kupfermünzen wert und die Mütze nicht weniger als drei.“ Da sagte der Jüngere: „O Herr, du kennst ihren Wert nicht.“ - „Nun, worin besteht denn ihr Wert?“ fragte Hasan. Sie antworteten: „Es ist ein wunderbares Geheimnis darin verborgen; der Zepter und die Mütze sind soviel wert, als der ganze Ertrag der Inseln Wak-Wak.“ - „Erklärt euch deutlicher“ sagte Hasan, und sie fuhren fort: „Unser Vater hat hundertundfünfundreißig Jahre gelebt, bis er in den vollen Besitz dieser Kleinodien gelangte und durch geheime Talismane und Zeichnungen nach dem kreisenden Firmamente sie zu seinem Dienste verpflichtete. Aber als er am Ziel seiner Bemühungen war, erreichte ihn der Tod. Was nun die Mütze angeht, so macht sie jeden, der sie aufsetzt, unsichtbar; der Zepter aber verleiht dem, der ihn besitzt, die Oberherrschaft über die sieben Klassen Genien, und sobald er damit auf den Boden schlägt, werden ihm ihre Häupter wie ihre Unteren dienstbar.“ Als Hasan dies hörte, beugte er eine Weile den Kopf zur Erde und dachte: Wahrhaftig ich bedauere diese Kinder, doch bedarf ich jetzt dieser Gegenstände eher als sie, um mich, meine Frau und meine Kinder aus der Hand dieser gewalttätigen Nur Alhuda und aus diesem furchtbaren Lande zu befreien. Gewiß hat der erhabene Gott sie daher getrieben als Mittel zu meiner Rettung. Er hob dann das Gesicht zu ihnen empor und sagte: „Ich will sehen, wer von euch am schnellsten laufen kann, der soll den Zepter haben; wollt ihr meine Entscheidung gelten lassen?“ Als sie einwilligten, nahm Hasan einen feinen Stein und schleuderte ihn so weit, daß man ihn gar nicht mehr sah; während aber die zwei Knaben danach um die Wette liefen, setzte er die Mütze auf, nahm den Zepter in die Hand und stellte sich auf einen anderen Platz, um zu sehen, ob sie wirklich eine besondere Tugend besitzen. Die Kinder kamen zurück, aber der kleinere, welcher mit dem Steine zu Hasan laufen wollte, fand keine Spur mehr von ihm; und einer fragte den andern: „Wo ist unser Richter hingekommen? Ist er in den Himmel gestiegen oder in die Erde versunkene Sie suchten lange und fanden ihn nicht, obschon Hasan auf dem eingenommenen Platze stehen geblieben war. Sie schalten dann einander und sagten: „Nun ist beides verloren und keiner von uns hat weder Zepter und Mütze; das hat unser Vater vorausgesagte und hierauf kehrten sie wieder zur Stadt zurück. Auch Hasan, als er von der Eigenschaft der Mütze überzeugt war, ging wieder in die Stadt, ohne daß ihn jemand sah, und verfügte sich aufs Schloß ins Zimmer der Alten. Da er sie überraschen wollte, näherte er sich einem Simse über ihrem Haupte, worauf allerlei Glas und Porzellan aufgestellt war, schüttelte daran und warf etwas davon auf den Boden. Die Alte erschrak, schlug sich ins Gesicht, stand auf und sagte: „Ich glaube, die Königin Nur Alhuda hat einen Teufel gegen mich geschickt; ich bete aber zu dem erhabenen Gott, daß er mich und den armen fremden Hasan vor ihrem Zorne schütze; denn wenn sie gegen ihre Schwester, die ihr Vater von Herzen liebt, so verfährt, wie wird sie erst gegen Fremde sein? Ich beschwöre dich beim allgnädigen, erhabenen, mächtigen Herrn und bei dem, was auf Salomons Siegel geschrieben ist, antworte mir, du unsichtbarer Geist!“ Hasan antwortete: „Ich bin kein Teufel, ich bin der verzweifelte, unglücklich liebende Hasan.“ Er zog dann seine Mütze ab und die Alte erkannte und grüße ihn, und bat ihn, ihr zu erzählen, wie er auf einmal sich unsichtbar machen konnte.

Als Hasan der Alten sein Zusammentreffen mit den Kindern erzählt hatte und den Zepter und die Mütze zeigte, freute sie sich sehr und sagte: „Gelobt sei Gott, der tote Gebeine, wenn sie schon zu Staub geworden, wieder belebt. Bei Gott! Es wäre um dich und deine Gattin geschehen gewesen. Nun kenne ich diese Kleinodien; der Mann, der sie gemacht, war mein Meister in der Zauberkunst und hat hundertundfünfunddreißig Jahre gebraucht, bis er diesen Zepter und diese Mütze verfertigte und ist dann gestorben, als sie fertig waren. Auch habe ich gehört, wie er seinen Kindern sagte: diese Schätze sind nicht für euch, ein fremder Mann wird sie euch mit Gewalt entreißen, ohne daß ihr es merket. Die Kinder sagten hierauf: O Vater, sage uns, wie er sie uns nehmen wird, und er antwortete: Das ist längst in geheimer Wissenschaft so beschlossen, ich weiß selbst nicht, auf welche Weise.

„Nun“, fuhr die Alte fort, „bist du im Besitze deiner Gattin und deiner Kinder. Höre, was ich dir sage: Ich mag bei dieser Ruchlosen, die meine Ehre so geschändet hat, nicht länger bleiben: ich werde in die Zauberhöhle gehen und dort bei dem Zauberern mein Leben beschließen; du aber, mein Sohn, setze die Mütze auf, nimm den Zepter in die Hand, geh zu deiner Gattin und befreie sie von ihren Ketten; schlage nur mit dem Zepter auf die Erde und sage: Erscheinet, ihr Diener dieser Talismane! Und wenn dann einer von den Häuptern der Genien sich dir naht, so befiehl ihm, was du willst.“ Hasan nahm dann Abschied von ihr, setzte die Mütze auf, nahm den Zepter in die Hand und ging in das Gemach, wo seine Gattin war; er fand sie regungslos auf eine Leiter gestreckt und mit den Haaren festgebunden. Ihre Augen waren rotgeweint, ihr Gesicht war ganz entstellt und ihre Kinder spielten unter der Leiter.

Als Hasan seine Gattin in diesem erbärmlichen Zustande sah, weinte er, und als er seine Kinder wahrnahm, zog er seine Mütze ab. Da schrieen die Kinder: „O unser Vater!“ Hasan setzte schnell die Mütze wieder auf, so daß seine Gattin über den Ausruf der Kinder erstaunte und, da sie niemanden erblickte, sie fragte: „Wie fällt euch jetzt euer Vater ein?“ Sie weinte dann so heftig, daß die Tränen in zwei Bächen von ihr strömten und den Boden tränkten, und auf ihren Wangen waren zwei schwarze Furchen von den Tränen sichtbar, denn sie hatte nicht einmal eine Hand frei, um sie zu trocknen. Die Mücken sättigten sich nach Lust an ihrem Körper und niemand störte sie. Hasan zeigte sich dann den Kindern abermals, indem er die Mütze abnahm, und sie schrien wieder: „O Vater!“ Manar Alnisa weinte noch heftiger und sagte: „Wie fällt auch auf einmal euer Vater ein?“ Dann sprach sie folgende Verse:

„Der leuchtende Mond ist nicht mehr im Hause, drum, mein Auge, laß deine Tränen reichlich fließen. Er ist fern von mir, wie soll ich mich nun fassen? Wo Mut und Kraft schöpfen? O mein Geliebter! Immer bist du noch meinem Herzen nahe und immer frage ich, wann werde ich dich wiedersehen? Ich will alles vergessen, wenn er nur wiederkehrt und Mitleid zeigt mit meinem Schmerze und meinen Tränen. Meine Sehnsuchtsglut lodert so heftig. daß alle Tränenwolken, die sich darüber ergießen, sie nicht löschen können.“

Hasan konnte nun nimmer länger seine Gattin so leiden lassen, und nahm daher seine Mütze herunter, um sich ihr sichtbar zu machen. Als sie ihn erkannte, schrie sie, daß fast das Schloß zusammenstürzte; dann sagte sie: „Wie bist du hierher gekommen? vom Himmel oder von der Erde?“ Sie weinte dabei so heftig, daß Hasan mit ihr weinen mußte. Sie sagte dann: „Wir haben jetzt keine Zeit zu weinen, oder uns Vorwürfe zu machen und viel zu reden. Das Schicksal hat entschieden und unsere Augen wurden blind und die Feder hat nach Gottes Ratschluß aufgeschrieben. Nun beschwöre ich dich bei Gott, rette dein Leben, ehe dich jemand erblickt, sonst ist's um uns beide geschehend Hasan antwortete: „Bin ich nicht mit Lebensgefahr hierher gekommen? Nun will ich sterben oder mit dir und meinen Kindern, trotz deiner ruchlosen Schwester, zurückreisen.“ Als sie dies hörte, sagte sie lächelnd: „Mich kann nur der erhabene Gott retten, sorge du aber für deine Erhaltung und stürze dich nicht selbst in den Abgrund; hier ist eine mächtige Armee, mit der sich niemand messen kann, und könntest du auch mit mir und meinen Kinder aus dieser Stadt entfliehen, wie willst du von diesem entlegenen Lande in deine Heimat kommen? Mache dich daher schnell auf, verlasse mich und füge nicht neuen Kummer zu dem meinigen.“ - „Bei meinem Leben, o Licht meiner Augen“, versetzte Hasan, „ich werde dieses Schloß nicht ohne dich verlassen, sondern dich den Feinden zum Trotze mitnehmen. - „Wie kannst du das?“ fragte sie, „wie willst du über Geister und Zauberer gebieten?“ Er antwortete: „Mit dieser Mütze und diesem Zepter rette ich dich“, und erzählte ihr hierauf die Geschichte mit den Kindern.

Da trat plötzlich die Königin zu ihnen ins Zimmer, und Hasan hatte kaum noch Zeit genug, sich durch das Aufsetzen der Mütze unsichtbar zu machen. „Mit wem hast du gesprochene fragte sie ihre Schwester. Manar Alnisa antwortete: „Mit wem anders als mit diesen Kindern?“ Nur Alhuda fiel mit einer Peitsche über sie her, bis sie in Ohnmacht fiel, dann ließ sie sie in ein anderes Zimmer schleppen und ging fort.

Als Manar Alnisa von ihren Wächtern verlassen wurde, nahm Hasan die Mütze ab. Da sagte ihm Manar Alnisa: „Sieh, was mir widerfährt, es ist alles Folge meines Ungehorsams gegen dich, zürne mir nur nicht, daß ich dich verlassen habe, das Weib erkennt den Wert des Mannes erst nach der Trennung von ihm. Ich habe schwer gesündigt und flehe Gottes Gnade an, Hasan erwiderte: „Du hast nicht gefehlt, ich bin der Schuldige, weil ich von dir weggereist bin und dich bei Leuten zurückgelassen habe, die deinen Wert nicht kannten. Wisse nun, Geliebte meines Herzens, ich werde dich diese Nacht abholen und mit dir abreisen.“ Sie weinte heftig und ihre Kinder weinten mit ihr, und die Mädchen, welche hinzutreten und Hasan nicht sahen, bemitleideten ihre Herrin und verwünschten die Königin.

Hasan wartete bis die Nacht heranbrach und die Wächter Manar Alnisa verlassen hatten. Dann umgürtete er sich, band sie los, nahm seinen ältesten Sohn auf den Arm und verließ mit seiner Gattin, welche den Jüngeren trug, unter Gottes Schutz das Schloß.

Als sie aber zum Schlosse hinaus wollten, fanden sie das Tor von außen geschlossen, da gaben sie alle Hoffnung auf eine glückliche Fahrt auf und Hasan rief bestürzt: „Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! Alles habe ich voraus berechnet, nur das nicht; nun wird es Tag werden und wir fallen wieder in die Hand unserer Feindin; was ist da zu tun?“ Da sagte seine Frau: „ O Hasan! Wir wollen uns selbst töten, um einmal Ruhe zu finden und nicht neuen Qualen entgegenzugehen.“ Während sie so sprachen, sagte jemand von außen: „Bei Gott! ich öffne euch, wenn ihr mir meine Bitte gewährt.“ Als sie von außen angeredet wurden, fürchteten sie sich noch mehr und wollten wieder in ihr Gemach zurückgehen. Da rief dieselbe Stimme wieder: „Warum antwortet ihr mir nicht?“ Hasan erkannte jetzt die Stimme der Alten und rief ihr voller Freude zu: „Öffne mir, dein Wille geschehe, es ist keine Zeit zum Sprechen.“ Aber sie erwiderte: „Bei Gott! ich öffne nicht, oder ihr müßt mir schwören, daß ihr mich mit euch nehmen wollt, denn ich mag nicht länger bei dieser ruchlosen Königin bleiben, ich will euer Schicksal teilen, mit euch gerettet werden oder umkommen, denn diese Dirne erschreckt mich jeden Augenblick um euretwillen, und du, meine Herrin, weißt doch, in welchem Ansehen ich bei dem König stehe.“ Da schworen sie der Alten, daß sie sie mitnehmen wollten. Als das Tor aufging, sahen sie die Alte auf einem großen roten Löwen sitzen, um dessen Hals ein Strick von Palmenfasern gewunden war, und der sich unter ihr schneller als der Wind herumtummelte. Sie sagte ihnen, indem sie sich vor sie hinstellte: „Folgt mir und fürchtet nichts! Ich habe vierzig Kapitel von der Zauberkunst auswendig gelernt: Das geringste davon genügt mir, um vor Tagesanbruch diese Stadt in ein wogendes Meer und alle Mädchen, die darin sind, in Fische zu verwandeln. Doch wagte ich es nicht, einen solchen Zauber zu gebrauchen, aus Furcht vor dem König; aber ihr sollt nun Wundertaten von mir sehen, kommt nur schnell!“ Hasan und seine Gattin folgten der Alten zur Stadt hinaus. Da schlug Hasan mit seinem Zepter auf die Erde und sagte: „Ich beschwöre euch, ihr Diener dieser Talismane, erscheinst und gehorchet meinem Willen!“ Sogleich spaltete sich die Erde und es traten zehn Geister hervor, so groß, daß ihre Füße den Boden berührten und ihr Kopf die Wolken spaltete. Sie verbeugten sich dreimal vor Hasan und sagten: „Was beliebt unserem Herrn und Gebieter? Wir sind bereit, alles für dich zu tun; forderst du mit Gottes Erlaubnis, daß wir die Meere austrocknen oder Berge versetzend Hasan war sehr erfreut über diese Worte, welche ihn in seinem Vorhaben bestärkten. Er fragte sie: „Wie heißt ihr? Wer seid ihr? zu welchem Stamme und zu welcher Familie gehört ihr?“ Sie antworteten ihm einstimmig: „Wir sind zehn Könige, jeder von uns gebietet über sieben Stämme Djinnen und Teufel, welche Berge und Wüsten und Meere bewohnen; du kannst uns befehlen, was du willst, wir sind Sklaven dessen, der den Zepter besitzt, den du in der Hand hast.“ Als Hasan dies hörte, freute er sich noch mehr und sagte: „Zeiget mir einmal eure Truppen und Hilfsgenossen.“ - „O unser Herr“, versetzten sie, wir fürchten für dich und die, welche bei dir sind, denn unsere Leute sind sehr zahlreich und haben allerlei Gestalt, Gesicht und Farbe, die einen haben einen Kopf ohne Leib, die anderen einen Rumpf ohne Kopf; viele gleichen wilden, reißenden Tieren. Drum wollen wir dir nur die Anführer der wilden Tiere und die Obersten der Truppen zeigen. Doch was willst du sonst von uns?“ Hasan antwortete: „Ihr sollt mich, meine Gattin, meine Kinder und diese fromme Frau sogleich nach Bagdad tragen.“ Da fragten die Geister: „Auf welche Weise sollen wir dich dahin bringen?“ Hasan antwortete: „Auf euren Rücken sollt ihr uns tragen und so schnell fliegen, daß wir vor Tagesanbruch in Bagdad eintreffend Die Geister beugten lange den Kopf zur Erde, und als Hasan sie fragte, warum sie nicht antworteten, sagten sie: „O unser Herr und Gebieter! Bei dem höchsten Namen, bei dem Bunde Salomos, des Propheten Gottes (Friede sei mit ihm!) wir haben gelobt, niemals einen Menschen auf unserem Rücken zu tragen; aber wir wollen dir gesattelte Djinnenpferde bringen, die euch schnell in eure Heimat bringen werden.“ „Wie weit ist denn von hier nach Bagdad?“ fragte Hasan. „Sieben Jahre hat ein wackerer Reiter daran zu reisen“, antworteten die Geister, Hasan war sehr erstaunt und sagte: „Ich bin doch in weniger als einem Jahre hierher gekommen.“ Sie versetzten: „Gott hat dir die Herzen seiner frommen Diener zugeneigt, sonst hättest du dieses Land nie erreicht, ja nicht einmal mit deinen Augen gesehen; weißt du, daß du mit dem Alten auf dem Elefanten und auf dem fliegenden Pferd in drei Tagen eine Strecke von drei Jahren zurückgelegt hast, und daß der andere Alte mit dir in einem Tage einen ähnlichen Weg zurückgelegt hat? Und von Bagdad nach dem Schlosse der Mädchen hat man auch ein Jahr zu reisen: So hast du eine Entfernung von sieben Jahren.“

Als Hasan dies hörte, rief er: „Gepriesen sei Allah, der das Schwere leicht und das Ferne nahe macht, und der mir das Schwierigste leicht gemacht hat.“ Er fragte dann die Geister, in wieviel Zeit er auf ihren Pferden nach Bagdad kommen werde? Sie antworteten: „In weniger als einem Jahre; jedoch haben wir noch viel Schreckliches durchzumachen, wir kommen durch wilde, wasserlose Wüsten, und wir fürchten für euch die Bewohner dieser Insel und die Bosheit des mächtigen Königs und seiner Zauberer und Wahrsager, sie möchten mit uns Krieg führen und euch wieder gefangen nehmen; auch gegen uns wird man aufgebracht sein, wer uns sieht, wird uns für Übeltäter halten, weil wir eine königliche Prinzessin für einen gewöhnlichen Menschen entfahren, wärest du allein, so würden wir die Sache leichter finden. Indessen derjenige, der dich hierher geführt, kann dich auch wieder in Frieden in dein Vaterland zurückbringen und mit den Deinigen dich vereinen, vertraue nur auf Gott.“ Hasan dankte ihnen und bat sie, schnell die Pferde herbeizuschaffen. Da stampften sie die Erde mit den Füßen, bis sie sich spaltete, dann versanken sie eine Weile und kamen wieder herauf mit drei gesattelten und gezäumten Pferden. An jedem Sattel hing ein Quersack, welcher auf der einen Seite einen Schlauch mit Wasser und auf der anderen Lebensmittel enthielt. Hasan bestieg ein Pferd und nahm einen seiner Söhne zu sich, seine Frau ein anderes mit dem anderen Sohne, und die Alte bestieg das dritte Pferd. Nachdem sie die ganze Nacht in der Ebene fortgeritten waren, kamen sie des Morgens ins Gebirge, und bald darauf mußten sie einen unterirdischen Weg einschlagen. Hier sah Hasan auf einmal einen Geist vor sich, so lang wie eine Rauchsäule, die bis zum Himmel hinaufsteigt. Hasan sagte einige Sprüche aus dem heiligen Koran und nahm seine Zuflucht zu Gott gegen alle bösen Teufel. Je näher er dem schwarzen Wesen kam, je mehr Sprüche sagte er her. Als er endlich dem Geiste, dessen Füße in der Tiefe der Erde ruhten und dessen Haupt bis zu den Wolken reichte, gegenüberstand, verbeugte sich jener vor ihm und sagte: „Fürchte dich nicht vor mir, ich bin ein muselmännischer Einwohner dieser Insel und glaube, wie du, an die Einheit Gottes. Ich habe von deiner Ankunft und von deiner ganzen Geschichte Nachricht erhalten, und da ich aus diesem Lande auswandern und ein unbewohntes Land fern von hier beziehen will, um dort in der Einsamkeit Gott anzubeten, so werde ich euch begleiten und euer Führer sein, bis ihr diese Insel verlasset und ich werde euch nur des Nachts erscheinen, seid also ohne Angst wegen meiner!“ Hasan nahm das Anerbieten dieses Geistes mit Dank an und bat ihn, ihm voranzugehen. Die folgende Nacht verging bei Scherz und munterem Gespräch. Hasan erzählte seiner Gattin alle seine Abenteuer, sie entschuldigte ihre Flucht, und entwarf ein trauriges Bild von ihrem inzwischen geführten Leben; dabei flogen die Pferd mit ihnen wie der Blitz, Als der Morgen heranbrach, griffen sie nach dem Quersack, aßen und tranken, reisten dann wieder weiter, immer mit dem Geiste vor ihnen her, der sie auf einem unbetretenen Wege am Ufer des Meers führte. So setzten sie einen ganzen Monat lang ihre Reise durch Berg und Tal fort. Am einunddreißigsten Tage erhob sich auf einmal ein Staub hinter ihnen, der die ganze Atmosphäre verdunkelte, Hasan war ganz blaß, als er den Staub sah und dazu noch ein furchtbares Schreien und Lärmen hörte, und die Alte rief ihm zu: „Mein Sohn! Die Truppen der Inseln Wak-Wak haben uns eingeholt und werden sogleich Hand an uns legen; schlage die Erde mit deinem Zepter.“ Als Hasan dies tat, erschienen die zehn König wieder und grüßten ihn und sagten: „Fürchte nichts!“ Hasan freute sich und sagte: „Ihr handelt schön, ihr Herren der Genien. Das ist eure Zeit.“ Sie sagten ihm hierauf: „Besteige mit deiner Gattin und deinen Kindern diesen Berg und laß uns hier unten bei dem Feinde. Wir wissen, daß ihr in der Wahrheit seid, eure Feinde aber im Irrtum leben; Gott wird uns den Sieg über sie verschaffend Hasan und die Seinigen stiegen dann von den Pferden herunter und lie ßen sich von Geistern auf den Berg tragen. Dann kamen die Bewohner der Inseln Wak-Wak mit ihren Anführern in zwei Abteilungen herangezogen und stellten sich in Schlachtordnung auf. Nach einer kleinen Weile erschienen Hasans Schutzgeister mit ihren Scharen ihnen gegenüber und der Angriff wurde allgemein. Die Djinnen spieen Feuer, daß der Rauch bis zum Himmel stieg und beide Heere dem Gesichte entzog, die Köpfe flogen von den Rümpfen herunter, das Blut floß in Strömen, das Getöse nahm immer zu, das Schwert war geschäftig, bis es schartig und stumpf wurde, die Kriegsflamme loderte hell auf, die Mutigen sprangen voran, die Feigen entflohen. Der Richter der Wahrheit entschied zwischen ihnen: Die einen kamen um, die anderen wurden gerettet; so dauerte der Kampf den ganzen Tag fort. Des Abends stiegen sie von ihren Pferden ab und die Könige besuchten Hasan. Nachdem er ihnen für ihren Beistand gedankt und ihnen vollständigen Sieg gewünscht hatte, fragte er sie, welchen Ausgang ihr Krieg mit der Königin Nur Alhuda genommen? Sie antworteten: „Sie werden nur noch drei Tage standhalten, schon haben wir einen Sieg erfechten und mehrere Tausende von den Ihrigen erschlagen und gefangen, sei nur guten Muts.“

Die Geister verließen dann Hasan wieder, beschützten ihre Truppen die ganze Nacht durch und priesen ihren Propheten Mohammed. Sobald der Morgenstern leuchtete, begann der Kampf wieder von neuem; man fiel sich mit Schwert und Lanzen an, und die beiden Heere glichen zwei gegeneinander tobenden Meeren oder zwei hohen zusammenstoßenden Bergen. Der Kampf dauerte den ganzen Tag fort und auch die Nacht brachte man auf dem Rücken der Pferde zu, aber das Heer der Königin hatte schon abgenommen, neigte sich zur Flucht und wurde endlich gänzlich geschlagen.

Nur wenige entgingen dem Tode; die Königin selbst, mit den Vornehmsten des Reichs wurde gefangen. Als der folgende Tag heranbrach, gingen die zehn Könige zu Hasan, verbeugten sich vor ihm und errichteten ihm einen vergoldeten Thron mit Perlen und Edelsteinen verziert. Daneben errichteten sie einen zweiten von Elfenbein für seine Gattin und endlich einen dritten für die Alte. Dann führten sie ihnen die Gefangenen in Fesseln vor, unter ihnen auch die Königin Nur Alhuda. Als die Alte diese sah, sagte sie: „Du verdienst wohl, daß man dich an den Schweif von zwei durstigen Pferden binde, und dir zwei ausgehungerte Hunde nachschickte, die dein Fleisch zerreißen, das man dir dann selbst zu essen gäbe, du Gottlose! Wie konntest du so gegen deine Schwester verfahren, die doch nach der Vorschrift Gottes und seines Propheten geheiratet hat, sind doch die Frauen für die Männer geschaffene Hasan erteilte sogleich den Befehl, alle Gefangenen niederzumetzeln, und auch die Alte schrie: „Laßt keinen einzigen beim Leben!“ Als aber Hasans Gattin ihre Schwester in Ketten sah, brach sie in Tränen aus. Da fragte Nur Alhuda: „Wer ist der Mann, der uns besiegen und gefangennehmen konnte? Hier ist ein wunderbares Ereignis. „ Manar Alnisa antwortete: „Der Mann, der unser aller Herr ist und der auch den Königen der Geister gebietet, die euch besiegt haben, verdankt seine ganze Macht einer Mütze und einem Zepter.“ Als Nur Alhuda dies hörte, fiel sie vor ihrer Schwester nieder und weinte, bis diese, von Mitleid ergriffen, zu Hasan sagte: „Was willst du mit meiner Schwester hier beginnen? Sie hat dir doch nichts Böses getan, das eine Strafe verdienten Hasan erwiderte: „Waren die Mißhandlungen, die du von ihr erlitten, für mich nicht das Allerschlimmste, was sie mir hätte antun können?“ „Das alles“, entgegnete Manar Alnisa, „war über mich verhängt. Übrigens, mein Vater wird sich schon genug über meine Abreise grämen, soll er auch noch meiner Schwester Tod beweinen?“ Hasan fügte sich in den Willen seiner Gattin und ließ nicht nur seine Schwägerin, sondern auch alle übrigen Frauen entfesseln. Manar Alnisa umarmte dann ihre Schwester, weinte eine Weile mit ihr, setzte sich neben sie und erzählte ihr die ganze Geschichte mit Hasan, der inzwischen mit Dank sein Heer entließ. Dann sagte sie: „Wer so gehandelt und mit solcher Beharrlichkeit seinen Vorsatz verfolgt hat, verdient keine Zurücksetzung.“ Nur Alhuda versetzte: „Es ist wahrhaft wunderbar, was er nach deiner Erzählung gelitten hat, und alles um deinetwillen?“ „Allerdings“, erwiderte Manar Alnisa. Sie brachten dann die Nacht beisammen zu und am folgenden Morgen nahmen sie voneinander Abschied. Hasan schlug mit dem Zepter wieder die Erde und bestellte zwei Pferde. Als seine Diener sie brachten, bestieg er das eine mit einem Sohne, sowie seine Gattin das andere mit dem anderen Sohne, und die Königin mit der Alten kehrten in ihre Heimat zurück. Nach einer Reise von einem Monate kam Hasan mit seiner Gattin vor eine Stadt, die von Bäumen und Flüssen umgeben war. Sie stiegen ab und wollten unter einem Baume ausruhen, als eine Schar Reiter auf sie zukam. Hasan ging ihnen entgegen und siehe da, es war der König Hasun, der Herr des Landes Kafur und der kristallnen Veste mit den angesehensten Bewohnern der Stadt. Nach gegenseitigem Bewillkommnungen stieg der König ab, setzte sich zu Hasan, beglückwünschte ihn und ließ sich von ihm erzählen, was ihm seit seiner Trennung widerfahren. Als Hasan seine Geschichte vollendet hatte, sagte der König Hasun: „Mein Sohn, noch nie ist jemand glücklich von den Inseln Wak-Wak zurückgekommen; gelobt sei Gott, der dich auf eine wunderbare Weise gerettet.“ Hasan und seine Gattin bestiegen dann nach dem Wunsche des Königs ihre Pferde wieder und ritten mit ihm in die Stadt, wo sie drei Tage mit vieler Auszeichnung bewirtet wurden. Am vierten Tage bat Hasan den König um die Erlaubnis, seine Reise wieder fortzusetzen; der König begleitete sie noch zehn Tage weit, nahm dann Abschied von ihnen und kehrte um.

Hasan reiste mit seiner Gattin wieder einen ganzen Monat ununterbrochen fort, bis sie an eine große Höhle kamen; da sagte er seiner Gattin: „Warte hier ein wenig: Hier wohnt der große Meister Abu Risch, dem ich die Bekanntschaft mit dem König Hasun verdanke.“ Sowie aber Hasan in die Höhle gehen wollte, kam Abu Risch ihm entgegen. Hasan stieg vom Pferde, grüßte ihn und küßte ihm die Hand. Abu Risch lud Hasan und seine Gattin in die Höhle ein und ließ sich von ihnen erzählen, was ihnen auf den Inseln Wak-Wak widerfahren, und als er die Geschichte mit der Mütze und dem Zepter hörte, sagte er zu Hasan: „Ohne diese wärest du nicht glücklich davongekommen.“ Während sie so im Gespräche begriffen waren, wurde an die Türe geklopft: Es war der alte Abd Alkadus, welcher auf einem Elefanten herangeritten kam, der wie die Nacht aussah. Abu Risch freute sich seiner Ankunft und führte ihn auch in die Höhle. Als Hasan ihn erkannte, stand er vor ihm auf und grüßte ihn; dieser erwiderte seinen Gruß und Hasan erzählte auf Verlangen des Abu Risch noch einmal seine ganze Geschichte. Abd Alkadus sagte dann zu Hasan: „Mein Sohn, du bist nun wieder im Besitze deiner Frau und deiner Kinder, und bedarfst des Zepters und der Mütze nicht mehr; bedenke nun, daß du durch unsere Hilfe nach den Inseln Wak-Wak gelangt bist, und schenke mir den Zepter und Abu Risch die Mütze.“ Hasan, der Wohltaten dieser beiden Männer eingedenk, schämte sich, ihnen etwas abzuschlagen; er versetzte jedoch: „Gerne will ich eure Bitte gewähren, wenn aber mein Schwiegervater mich mit seinen Truppen verfolgt, womit rette ich mich dann?“ Abd Alkadus erwiderte: „Sei ohne Furcht, wir schützen dich gegen ihn und gegen jeden andern.“ Hasan konnte nun nicht länger mehr sich weigern; er gab daher Abu Risch die Mütze und sagte zu Abd Alkadus: „Begleite mich nach Hause und du erhältst dann den Zepter.“ Der Alte nahm diesen Vorschlag freudig an und schenkte Hasan viel Geld, Perlen und Edelsteine. Nach drei Tagen traf Abd Alkadus die nötigen Anstalten zur Reise. Hasan und seine Gattin bestiegen ihre Pferde und Abd Alkadus den Elefanten, der aus der Wüste hertrabte, und nahmen Abschied von Abu Risch, der wieder zur Höhle zurückging. Nach einer langen Reise, auf welcher der Alte sie stets den besten Weg führte, kamen sie endlich wieder in bewohntes Land und bald zeigte sich in der Ferne die Spitze des Wolkenbergs, das grüne Schloß mit der Kuppel, den Säulen und dem Springbrunnen. Da sagte der Alte zu Hasan: „Freue dich, du wirst diese Nacht bei meinen Nichten zubringend Hasan und seine Gattin waren außer sich vor Freude über diese Nachricht. Sie ruhten eine Weile bei der Kuppel aus, aßen und tranken, dann brachen sie wieder auf und entdeckten bald das Schloß ihrer Freundinnen. Als sie in dessen Nähe kamen, traten die Mädchen zu ihnen heraus, und nach gegenseitiger Begrüßung sagte der Alte: „Nun, meine Nichten, hier bin ich wieder mit eurem Freunde Hasan, der durch mich seine Gattin und seine Kinder wiedergefunden hat.“ Die Mädchen umarmten Hasan, beglückwünschten ihn und gaben ihm zu Ehren ein großes Fest.

Die jüngste Schwester weinte lange an seinem Hals und klagte ihm, was sie durch die lange Trennung von ihm gelitten und wie sie sich nach ihm gesehnt habe. Hasan sagte: „Ich weiß, daß ich nur dir all mein Glück zu verdanken habe. Gott lohne es dir! Ich werde nie vergessen, was du zu jeder Zeit für mich getan.“ Nachdem er ihr dann alles erzählt hatte, was ihm inzwischen widerfahren, wandte sie sich zu Manar Alnisa, umarmte sie, drückte sie und ihre Kinder an ihre Brust und sagte: „O Prinzessin! Hattest du denn kein Mitleid in deinem Herzen, daß du mit den Kindern diesen Mann verlassen, ihm so viele Leiden verursachen und ihn in so große Gefahren stürzen konntest?“ Manar Alnisa antwortet lächelnd: „O meine Herrin! Was sein soll, das geschieht; niemand kann seiner Bestimmung entfliehen. Es war einmal über meinen Gatten verhängt, ihm war Speise und Trank zugemessen und das Land, das er durchschreiten, und die fremden Menschen, die er sehen sollte, laß uns Gott für seine Rettung loben.“ Hasan brachte zehn Tage in allerlei Festlichkeiten und Belustigungen auf dem Schlosse zu. Dann machte er sich reisefertig und seine Freundin gab ihm viele Kostbarkeiten, Speisen und Getränke mit und umarmte ihn und küßte ihn auf die Stirne. Als die Stunde der Abreise herannahte, sprach Hasan folgende Verse:

„Schwer ist der Trost des Liebenden, hart die Trennung von der Freundin. Trennung und Zurückstoßen ist Qual, das Opfer der Liebe wird zum Märtyrer. Wie lange wird dem Liebenden die Nacht, wenn er fern von der Geliebten ruht! Tränen fließen über seine Wangen her, und die Tränen rufen: Wird es noch lange so währen?“ Sodann schenkte Hasan dem Alten den Zepter und nahm von ihm sowohl als von den Mädchen Abschied, und nach einer siebzigtägigen Reise langte er in der Friedensstadt Bagdad an. Seine Mutter hatte während seiner Abwesenheit nichts als geweint und getrauert, und alle Freude an den Genüssen des Lebens verloren. Schon war jede Hoffnung, ihren Sohn wieder zu sehen, aus ihrem Herzen geschwunden. Sie rezitierte, als er an die Türe klopfte, folgende Verse:

„Bei Gott, o Herr, heile die, welche du krank gemacht, ihr Körper ist abgemagert und ihr Herz gebrochen, sei gütig und kehre zur Liebenden wieder, denn sie ist in Trennungsschmerz versunken. Möchte doch Gottes Bestimmung uns bald wieder vereinen!“ Als sie diese Verse vollendet hatte, rief Hasan: „O meine Mutter! Es gefiel Gott, uns wieder zu vereinigend Als die Alte die Stimme ihres Sohnes hörte, konnte sie nicht erwarten, bis sie ihn sah; sie öffnete schnell die Türe, und als sie Hasan mit seiner Frau und seinen Kindern erblickte, fiel sie vor Freude in Ohnmacht. Hasan bespritzte sie, bis sie wieder zu sich kam, dann umarmte er sie und weinte. Auch Manar Alnisa küßte und umarmte ihre Schwiegermutter. Diese sagte zur Prinzessin: „Wenn ich mich irgendwie gegen dich verfehlt habe, so flehe ich Gottes Verzeihung an.“ Dann fragte sie Hasan, warum er solange weggeblieben? Worauf er ihr alles, was ihm auf der Reise widerfahren, erzählte. Als die Alte von dem Zepter und der Mütze hörte, sagte sie: „Mein Sohn, du warst leichtsinnig im Verschenken der Mütze und des Zepters, denn hättest du sie noch, so wäre ja die ganze Erde in der Länge und in der Breite dein Eigentum. Doch gelobt sei Gott, der dich und deine Frau und deine Kinder gerettete Hasan erzählte ihr hierauf ausführlich, was er den Alten verdankte, so daß ihm keine Wahl blieb, sie zu beschenken. Am folgenden Morgen zog Hasan ein feines Kleid an, ging auf den Markt und kaufte die schönsten Sklaven und Sklavinnen, die feinsten Stoffe zu Kleidern, Edelsteine zu einem Schmucke, Divane und anderes Hausgerät, wie sie nur Kaiser besitzen, und lebte mit seiner Mutter, Gattin und Kindern in Glück und Freude, bis sie der Tod erreichte. Die Sklavin Harun Arraschids. Harun Arraschid ging einst am Gemache einer seiner Sklavinnen vorüber, mit der er schon lange entzweit war. Sie war vom Weine erhitzt und hatte einen langen Mantel an, den sie selbstgefällig nachschleppte. Raschid trat zu ihr und wollte sie umarmen. Sie aber sagte: „O Fürst der Gläubigen, du hast mich schon solange verstoßen, daß ich mich nicht mehr auf deinen Besuch vorbereitete. Warte also bis morgen, da will ich mich gehörig schmücken und zu dir kommen.“ Am folgenden Morgen gab der Kalif den Befehl, daß man niemanden zu ihm lasse, und erwartete die Sklavin. Da sie aber nicht kam, ging er zu ihr und fragte sie, warum sie ihr Versprechen nicht gehalten? Sie antwortete: „O Fürst der Gläubigen, der Tag löscht die Worte der Nacht wieder aus.“ Der Kalif verließ sie und ließ die Dichter, welche im Vorsaale harrten, hereinrufen; sie hießen: Rakaschi, Mußab und Abu Nuwas. Raschid erzählte ihnen sein Abenteuer und befahl ihnen, Verse zu dichten mit dem Schlußverse: Der Tag löscht die Worte der Nacht aus. Da sagte Rakaschi:

„Wie wolltest du sie vergessen, wenn dein Herz ihr stets entgegenschlägt? Ein Mädchen, das niemanden besucht und von niemanden besucht werden will, ließ dich vor Liebe rasen, als du sie besuchtest, und als du wiederkamst, sagte sie: der Tag löscht die Worte der Nacht aus.“

Mußab sprach dann folgende Verse:

„Bei Gott, liebtest du wie ich, so wäre in Bagdad kein Haus mehr weit genug. Seht, wie meine Augen triefen und wie bei ihrer Erwähnung eine brennende Flamme mich durchglüht. Wo bleibt euer Versprechen, meine Herrin? Sie aber antwortete: Der Tag löscht die Worte der Nacht aus.“

Dann sprach Abu Nuwas:

„Eine Nacht saß sie, vom Weine gerötet, doch voller Würde, im Schlosse, ein Mantel umhüllte ihre Schultern und ein Zephyr umwehte einen schmiegsamen Zweig, der kleine Granatäpfel trug; da sagtest du ihr: Gewähre mir doch eine Zusammenkunft! Besuche mich morgen, entgegnete sie; als du aber erschienst, sagte sie: Der Tag löscht die Worte der Nacht aus.“

Raschid sagte: „Gott verdamme dich, Abu Nuwas! Man glaubt ja, du wärest zugegen gewesene Er ließ jedem fünftausend Drachmen geben, Abu Nuwas aber zehntausend und noch ein kostbares Ehrenkleid.

Dann fuhr Schehersad fort: Geschichte der Dichter mit Omar, Sohn des Abd Alafis. Man erzählt ferner: Als Omar, Sohn des Abd Alafis, Kalif wurde, verfügten sich die Dichter zu ihm, wie sie es bei den früheren Kalifen gewöhnt waren. Sie warteten lange vor der Türe und wurden nicht vorgelassen. Als endlich ein Mann, Namens Adi, zum Kalifen ging, bat ihn der Dichter Djerir, er möchte doch ihm und den übrigen Dichtern beim Kalifen Zutritt verschaffen.

Als Adi zu Omar kam, sagte er ihm: „Die Dichter stehen schon lange im Vorsaale und werden nicht vorgelassen; weißt du nicht, daß ihre Worte von Dauer und daß ihre Pfeile vergiftet sind?“ Omar sagte: „Was habe ich mit den Dichtem gemein?“ - „Der Prophet (Gottes Huld sei mit ihm)“, erwiderte Adi, „hat auch die Dichter, die ihn lobten, beschenkt und an ihm muß jeder Muselmann Beispiel nehmen.“ - „Und wer hat den Propheten gelobt?“ - „Abbas, Sohn des Mirdas, dem er ein Ehrenkleid schenkte, indem er zu Bilal sagte: Wir müssen seine Zunge unschädlich machen.“ - „Kannst du etwas von ihm rezitierend - „Ja wohl;“ und auf Omars Verlangen rezitierte er folgende Verse:

„Ich sah dich, du edelstes aller Geschöpfe. mit deinem Buche, das die Wahrheit offenbarte, welche vor dir ganz verdunkelt war, Du hast durch den Islam schwarze Wolken zerstreut und durch die Offenbarung die Flammen der Hölle gelöscht. Du hast den Weg der Wahrheit wieder hergestellt, von dem jedermann abgewichen war. Hoch ist dein Platz auf dem Throne des Glückes, und durch dich ist auch Gottes Ruhm noch erhöht worden.“

Omar fragte dann: „Wer ist vor der Türe?“ Adi antwortete: „Omar, Sohn des Abi Rabia.“ „Gott entferne diesen!“ rief der Kalif; „sind nicht folgende Verse von ihm:

„Dürfte ich, wenn ich sterbe, die Wangen meiner Geliebten küssen und läge sie im Grabe neben mir, so würde ich mich wenig um Paradies und Hölle kümmern.“

„Wäre dieser Mann nicht ein Feind Gottes“, fuhr Omar fort, „so würde er sie sich für diese Erde wünschen und sich dann zu frommen Handlungen wenden. Bei Gott! Der soll nicht vor mir erscheinen. Wer ist noch im Vorsaale?“ - „Djumeil“, antwortete Adi. Da sagte Omar: „Der hat in einem Gedichte gesagt:

„O könnten wir doch beisammen leben, und wenn wir sterben, in einem Grabe ruhen! Ich wünsche, solang ich lebe, nichts anderes, als daß einst ein Grabstein uns bedecke!“ „Der soll mir wegbleiben! Wer ist noch vor der Türe?“ - „Achtal, aus dem Stamme Tagleb“, antwortete Adi. Omar sagte: „Sind nicht folgende Verse von diesem Ungläubigen:

„Ich habe in meinem Leben keinen Ramadan gefastet und auch kein Fleisch der Opferfeste gegessen; ich stehe nicht, wie andere, vor Tag auf, wenn man zum Gottesdienste ruft. Ich trinke früh vom besten Weine und bete erst, wenn der Tag hell leuchtet.“

„Der soll, bei Gott, meinen Teppich nicht betreten. Wer ist noch draußen?“ Adi antwortete: „Djerir.“ Omar sagte: „Wenn durchaus jemand vor mich kommen soll, so sei es dieser!“ Adi ging und rief Djerir zum Kalifen. Er kam und sprach folgende Verse:

„Derjenige, der den Propheten Mohammed sandte, hat jetzt das Kalifat einem gerechten Imam übergeben, dessen Gerechtigkeitsliebe und Treue die ganze Welt umfaßt, so daß jeder ohne zu straucheln ;ich aufrecht hält. Auch ich erwarte freudig von ihm eine reiche Gabe, denn die Liebe zu irdischen Gütern ist dem Menschen angeboren.“

Der Kalif unterbrach ihn mit den Worten: „Djerir, fürchte Gott und sage nur die Wahrheit! „

Djerir fuhr dann fort:

„Wie manche Witwe schmachtet fern von dir in lamama, wie manche schwächliche Waise, verlassen wie ein junges Hühnchen, das nicht fliegen und nicht laufen kann. Wir hoffen aber, daß uns die Milde des Kalifen den Regen ersetzen wird, der uns fehlte.“

Als der Kalif die Verse hörte, sagte er: „Bei Gott, Djerir, ich besitze nur noch hundert Drachmen, die soll dir mein Diener geben.“ Djerir ging wieder zu den übrigen Dichtern und sagte ihnen: „Der neue Kalif ist ein Mann, der lieber Arme als Dichter beschenkt, doch bin ich mit ihm zufrieden.“

Mit diesen Worten schloß Schehersad ihre Erzählung. In der nächsten Nacht begann sie jedoch eine neue Geschichte, wie folgt: Geschichte der zehn Veziere. Man erzählt, o König der Zeit und Herr des Jahrhunderts, begann Schehersad: In der Stadt Kanim Madud residierte in grauer Vorzeit ein König, welcher Asad Bacht hieß. Sein Reich dehnte sich von den Grenzen Indiens bis an das Meer und nach Sebestan aus. Er hatte zehn Veziere, die das Reich verwalteten, und er selbst war ein verständiger und wohlunterrichteter Mann. Eines Tages ging er mit einiger Begleitung auf die Jagd, da sah er einen Bedienten zu Pferd, der einen Maulesel am Zaume führte, welcher ein seidenes Zelt trug, das mit Gold durchwirkt war und einen Gurt, der mit Perlen und Edelsteinen verziert war. Der König trennte sich von seinem Gefolge und ging auf die Reiter zu, welche dem Zelte folgten, und fragte sie, wem dieses Zelt gehöre? Einer der Diener, welcher den König nicht erkannte, antwortete: „Das Zelt gehört dem Vezier Isfahend, der seine Tochter, welche darin ist, dem König Sad Schah zur Gattin geben will.“ Während der Diener so sprach, hob die Braut, welche Bahrdjur hieß, den Vorhang vom Zelte weg, um zu sehen, wer mit dem Diener spreche. Der König sah sie und fand sie so schön und wohlgestaltet, daß er, von Liebe entbrannt, dem Diener sagte: „Kehre mit deinem Maulesel um, ich bin der König Asad Bacht und will selbst deine Herrin heiraten; ihrem Vater wird es lieb sein, denn er ist ja mein Vezier.“ Der Diener sagte: „O König (Gott erhalte dich lange!), laß mich ihrem Vater, meinem Herrn, Nachricht davon geben; du kannst sie dann mit seiner Einwilligung nehmen, es ziemt dir doch nicht, sie ohne sein Wissen zu heiraten, das würde ihn kränken.“ Aber der König sagte: „Ich habe keine Geduld, solange zu warten, bis du zu ihrem Vater gehst und wiederkehrst: Es wird keine Schande für ihren Vater sein, wenn ich sie heirate.“ - „O mein Herr!“ rief der Diener nochmals, „was man übereilt, bringt wenig Segen; stürze dich durch deine Übereilung in keine Gefahr, ich weiß, dein Verfahren wird ihren Vater beleidigen und die Sache wird nicht gut enden.“ Der König sagte aber: „Isfahend ist mein Sklave wie jeder andere: Wenig liegt mir daran, ob er zufrieden ist oder nicht.“ Er ergriff hierauf die Zügel des Maultiers, führte Bahrdjur in seinen Palast und heiratete sie. Der Diener kehrte mit den Reitern zu ihrem Vater zurück und sagte ihm: „O Herr! Du bist nun so viele Jahre ein treuer Diener des Königs, und doch hat er deine Tochter ohne deine Einwilligung zu sich genommen.“ Als der Vezier dies hörte, geriet er in heftigen Zorn, versammelte viele Truppen und sagte ihnen: „So lange der König mit seinen Frauen sich begnügte, hatten wir keinen Harm, nun gelüstet er nach unserm Harem, wir müssen daher uns einen Ort suchen, wo unsere Frauen sicher sind.“ Dann schrieb er dem König (um ihn desto sicherer zu hintergehen): „Ich bin ein Sklave deiner Sklaven; meine Tochter ist deine Sklavin; der erhabene Gott schenke dir ein langes, freudiges Leben! Ich war bisher immer deinem Dienste treu und zur Verteidigung deines Landes gegen alle Feinde gerüstet; nun werde ich aber noch wachsamer sein, da ich gewissermaßen, seitdem du meine Tochter geheiratet, auch Anteil daran habe.“ Diesen Brief sandte der Vezier durch einen Boten mit vielen Geschenken ab. Der König freute sich sehr damit, und überließ sich ganz dem Vergnügen und Wohlleben.

Nach einiger Zeit kam der Großvezier zum König und sagte: „Wisse, o König! Der Vezier Isfahend ist dein Feind geworden, weil ihm dein Verfahren gegen seine Tochter mißfallen hat. Freue dich nur nicht mit seiner Botschaft und traue seinen süßen Worten nicht.“ Der König achtete auf diese Worte, nach einiger Zeit nahm er aber die Sache leicht und fuhr fort, leichtsinnig zu leben. Der Vezier Isfahend aber ließ ein Schreiben an alle Fürsten ergehen, in welchem er sie von dem Verfahren des Königs gegen ihn in Kenntnis setzte und auf die Gefahr, die einer jeden Familie drohe, aufmerksam machte. Da versammelten sie sich bei Isfahend und beschlossen, den König umzubringen. Sie zogen an der Spitze ihrer Truppen gegen den König, und er ahnte nichts, bis schon das Kriegsgeschrei die Stadt füllte. Da sagte er zu seiner Gattin Bahrdjur: „Was ist zu tun?“ Sie antwortete: „Tu', was du für gut hältst, ich gehorche in allem.“ Da ließ sich der König seine zwei besten Pferd bringen, nahm so viel Gold, als er konnte, floh in der Nacht mit seiner Gattin in die Wüste Kirman und ließ Isfahend als Herrn der Stadt und des Thrones. Der flüchtige König mußte aber bald einhalten und in einer Höhle die Entbindung seiner Gattin abwarten. Zwar erleichterte ihr Gott die Geburt eines Sohnes, schön wie der Mond, den sie alsbald in ein seidenes, goldgesticktes Kleid einwickelte, und die Nacht durch nährte. Des Morgens sagte aber der König: Wir können uns hier nicht länger mit dem Jungen aufhalten, auch können wir ihn nicht mit uns schleppen; das Beste ist daher, wir lassen ihn hier, Gott kann ihm wohl jemanden schicken, der ihn aufnimmt und erzieht.“ Sie weinten dann heftig, legten den Knaben neben eine Quelle, ließen einen Beutel von tausend Dinaren zu seinen Häupten zurück, bestiegen ihre Pferde und setzten ihre Flucht fort. Nun wollte die Bestimmung, daß gerade eine Räuberbande in der Nähe dieses Berges eine Karawane ausplünderte und in dieser Höhle ihre Beute unter sich teilte. Als die Räuber den Knaben im seidenen Kleide und das Gold neben ihm liegen sahen, riefen sie: „Gott sei gepriesen! Durch welches Verbrechen mag wohl dieses Kind daher gekommen sein?“ Die Räuber teilten das Gold unter sich, und ihr Hauptmann nahm den Knaben als seinen Sohn an, gab ihm Milch und Datteln, bis er nach Hause kam, dann bestellte er ihm eine Amme. Der König und die Königin setzten indessen ihre Flucht fort, bis sie zum König von Persien kamen, der sie sehr gut aufnahm und ihnen viel Gold und Truppen schenkte. Nachdem Asad Bacht einige Tage bei ihm ausgeruht hatte, machte er sich mit den Truppen gegen seine Residenz auf, schlug die Armee Isfahends und bemeisterte sich wieder seines Thrones. Als er wieder die Ruhe hergestellt hatte, schickte er Boten ins Gebirge, um sein Kind zu holen. Sie kamen aber zurück und sagten dem König, sie haben es nicht finden können.

Der Prinz wurde bei den Räubern erzogen, die ihn auf allen ihren Raubzügen mit sich nahmen. Eines Tages zogen sie gegen eine Karawane in Sebestan. Da aber die Karawane eine überaus reiche Ladung und ein zahlreiches tapferes Geleit bei sich hatte, auch wegen der Unsicherheit dieser Gegend nach allen Seiten Wachen aufstellte, war sie beim Anzuge der Räuber schon zur Gegenwehr gerüstet. Der Kampf war heftig, doch zuletzt siegte die Karawane; ein Teil der Räuber blieb, einige entflohen und der junge Prinz wurde gefangen. Als die Kaufleute den Jungen betrachteten, der so schön und so lieb wie der Mond aussah, fragten sie ihn: „Wer ist dein Vater? Und wie bist du zu diesen Dieben gekommen?“ Er antwortete: „Ich bin der Sohn des Räuberhauptmanns.“ Die Kaufleute führten den Gefangenen vor den König Asad Bacht, seinen Vater, und erzählten ihm den ganzen Vorfall mit den Räubern.

Der König sagte, er wolle ihn behalten, worauf die Kaufleute erwiderten: „O König der Zeit! Gott hat ihn dir geschenkt, wir alle sind ja deine Sklaven.“ Der König entließ sie dann, nahm den Jungen zu vielen anderen in seinen Palast, und da er nach einiger Zeit viel Bildung, Verstand und Kenntnisse an ihm wahrnahm, vertraute er ihm seine Schätze an, die bisher die Veziere verwaltet hatten, und erteilte Befehle, daß nichts ohne diesen Jüngling geschehe. Dieser Zustand dauerte zwei Jahre lang fort, in denen der König nichts als Gutes und Treues von seinem Sohne sah; er liebte ihn daher immer mehr und konnte nicht mehr ohne ihn sein. Als die Veziere, die früher nach Belieben mit dem Schatze umgehen konnten, sich durch den Jungen verdrängt sahen, wurden sie eifersüchtig und trachteten nach Mitteln, ihm die Gunst des Königs zu entziehen. Sie konnten lange keine Gelegenheit finden, bis einst das Schicksal wollte, daß der Junge Wein trank, sich berauschte und, ohne etwas von sich selbst mehr zu wissen, in das Schlafgemach der Königin lief. Hier warf er sich auf das königliche Bett und schlief bis abends. Da kam eine Sklavin und brachte, wie gewöhnlich, allerlei Früchte und Getränke für den König und die Königin. Der Junge lag da auf seinem Rücken, ohne in seiner Trunkenheit zu wissen, wo er war, und die Sklavin, glaubte, es sei der König, denn niemand wußte etwas von dem Jungen. Sie legte die Weihrauchpfanne neben das Bett, schloß die Türe und ging wieder fort. Bald darauf kamen der König und die Königin aus dem Speisesaal, und als ersterer den Jungen im Schlafgemach fand, sagte er zu seiner Gattin: „Was, tut der hier, der ist gewiß nur deinetwegen hierhergekommen.“ Die Königin erwiderte: „Ich weiß nichts von ihm.“ Indessen erwachte der Jüngling, und als er den König erblickte, sprang er auf und verbeugte sich vor ihm. Der König schrie ihn an: „Du treuloser Mensch von schlechter Abkunft, was hat dich hierhergebracht?“ Er ließ sogleich den Jungen in den Kerker werfen und die Königin in ein anderes Gefängnis sperren, und am folgenden Morgen setzte er sich auf seinen Thron, ließ den Großvezier kommen und sagte ihm: „Weißt du, was der Räuberjunge getan hat? Er ist in meinen Palast gekommen und hat auf meinem Bett geschlafen, und ich fürchte, er steht in einem sündhaften Verhältnis zu der Königin; was ist nun dein Rat?“ Der Vezier sagte: „Gott erhalte dich lange! Was konntest du von diesem Jungen erwarten? Ist er nicht von schlechter Abkunft? Sohn eines Räubers, der immer wieder in seine frühere Schlechtigkeit zurückfällt? Wer eine junge Schlange erzieht, kann nur von ihr gebissen werden. Deine Gattin mag wohl unschuldig sein, sie war stets ein Muster der Tugend und Keuschheit; wenn mir der König erlaubt, so gehe ich zu ihr und frage sie aus, um die Wahrheit zu erforschen.“ Als der König es erlaubte, ging der Vezier zu ihr und sagte ihr: „Ich komme zu dir, einer großen Schandtat willen, sage mir nun die Wahrheit: wie ist der Junge in dein Schlafgemach gekommen?“ Sie antwortete: „Ich weiß nicht“, und schwor, daß ihr alles selbst ein Rätsel wäre. Als der Vezier merkte, daß sie unschuldig war, sagte er: „Ich will dir ein Mittel angeben, wie du vor dem König dich rechtfertigen kannst; sage ihm, wenn er von diesem Vorfalle spricht: Der Junge hat mich in meinem Gemache gesehen und mir geschrieben, er wolle mir hundert von den wertvollsten Perlen geben, wenn ich ihm eine Zusammenkunft gestatte, ich aber lachte über diesen Vorschlag und schlug ihm seine Bitte ab; er kehrte aber wieder und sagte: Wenn du mich nicht erhörst, so komme ich einmal betrunken in dein Schlafzimmer, daß der König mich sieht; er wird mich dann umbringen, aber auch du wirst zur Schande und verlierst deinen guten Ruf. Erzähle dies dem König“, fuhr der Vezier fort: „ich gehe voraus, um es ihm zu melden.“ Die Königin nahm den Rat des Veziers an und versprach ihm, seine Aussage zu bestätigen.

Der Vezier kehrte zum König zurück und sagte: „Dieser Junge verdient die höchste Strafe wegen seines Undanks nach allem Guten, das ihm erwiesen worden; doch ein bitterer Kern kann nie süß werden. Ich bin nun überzeugt“, fuhr er fort, „daß die Königin unschuldig ist“, und erzählte hierauf dem König, was er die Königin gelehrt hatte. Als der König dies hörte, zerriß er seine Kleider und ließ den Jungen rufen; eine Menge Leute drängte sich herbei, um zu sehen, was der König beschließen werde, auch der Scharfrichter wurde schon bestellt. Der König sprach mit Heftigkeit, der Junge aber gelassen. Jener sagte: „Ich habe dich mit meinem Geld gekauft und über alle meine Großen erhoben und zum Schatzmeister gemacht: wie konntest du meine Ehre schänden und mich in meinem Palast verraten?“ Der Junge erwiderte: „O König! Ich habe nichts mit Bewußtsein getan und bin ohne meinen Willen in dein Schlafgemach gekommen: mein unglückseliges Geschick trieb mich dahin, mein Stern, der mich auf einmal verließ. Ich habe mich immer vor allem Unschicklichen gehütet, doch niemand vermag etwas gegen ein feindliches Schicksal. Mir geht es, wie dem Kaufmann, der auch trotz aller seiner Bemühungen doch dem Schicksale unterlag.“ Der König fragte: „Was ist das für eine Geschichte?“ und der Junge erzählte:

Geschichte des vom Schicksal verfolgten Kaufmanns. Einst lebte ein Kaufmann, der einige Jahre lang viel Glück im Handel hatte und mit seinem Geld großen Gewinn machte. Auf einmal mißlangen ihm seine Unternehmungen, ohne daß er wußte, wohin. Da dachte er bei sich: Ich bin ein reicher Mann, was soll ich mich länger wegen unsicheren Gewinnes auf Reisen quälen, ich will jetzt ausruhen und nur noch in meinem Hause Handel treiben.

Es war Sommerszeit, als der Kaufmann diesen Entschluß faßte; er kaufte Weizen für die Hälfte seines Geldes, den er im Winter mit vielem Gewinn wieder zu verkaufen hoffte. Als aber der Winter kam, war der Weizen um die Hälfte wohlfeiler, als der Kaufmann ihn im Sommer gekauft hatte. Er betrübte sich sehr darüber und ließ ihn aufs nächste Jahr liegen, aber der Preis des Weizens sank immer mehr.

Da sagte ihm einer seiner Freunde: „Du hast kein Glück mit diesem Weizen, drum verkaufe ihn, wie du kannst.“ Er erwiderte: „Ich habe lang genug gute Geschäfte gemacht, ich darf wohl auch einmal an etwas Verlust haben; doch bei Gott, müßte ich ihn zehn Jahre behalten, ich würde ihn nicht ohne Gewinn verkaufend, und in seinem Ärger ließ er die Türe des Magazins zumauern. Aber die göttliche Bestimmung wollte, daß es so heftig regnete, daß der Regen vom Dache auf den Speicher, wo der Weizen lag, herabtropfte, so daß er ganz faul wurde, und der Kaufmann den Trägern noch fünfhundert Drachmen geben mußte, um ihn zur Stadt hinauszubringen. Da sagte ihm sein Freund: „Wie oft habe ich dir gesagt, du hast kein Glück mit diesem Weizen, warum gabst du mir kein Gehör? Nun gehe zum Sterndeuter und frage ihn nach deinem Sterne.“ Als der Kaufmann zum Sterndeuter kam, sagte ihm dieser: „Dein Stern ist schlecht, du darfst gar nichts unternehmen, denn alles wird dir mißlingen.“ Der Kaufmann hörte aber nicht auf den Sterndeuter und dachte: „Wenn ich wieder großen Handel treibe, so fürchte ich nichts.“ Er nahm dann die übrige Hälfte des Vermögens, von dem er inzwischen auch drei Jahre gelebt hatte, baute ein Schiff, trug alles, was er besaß, darauf und fragte die Kaufleute, an welchen Waren man am meisten gewinnen könnte und wo man sie am besten verkaufte? Die Kaufleute nannten ihm ein fernes Land, wo man an einem Drachmen hundert verdienen könne. Er segelte mit seinem Schiffe dahin, aber auf einmal erhob sich ein Sturm, das Schiff ging unter, und mit Mühe rettete sich der Kaufmann auf einem Brett, das der Wind ans Ufer in die Nähe einer Stadt trieb. Der Kaufmann, obschon er alles verloren hatte, dankte doch Gott dafür, daß er ihm beim Leben erhalten, und ging in die Stadt. Hier erzählte er einem alten Manne das Unglück, das er auf dem Meer gehabt. Der Alte bedauerte ihn sehr, ließ sogleich Speisen für ihn bringen und sagte ihm: „Bleibe bei mir als mein Geschäftsführer, ich bezahle dir jeden Tag fünf Drachmen.“ - „Gott belohne dich dafür“, erwiderte der unglückliche Kaufmann.

Der Kaufmann blieb bei dem Alten, besorgte für ihn alle Feldarbeiten und erhielt nach und nach die Oberaufsicht über dessen ganzes Ökonomiewesen. Als er nach der Ernte die Frucht gesammelt, gedroschen und gereinigt hatte, dachte er: Ich glaube nicht, daß der Alte mir meinen Lohn bezahlen wird; das Beste ist daher, ich nehme von dieser Frucht, was mir gebührt, und will er mir später meinen Lohn geben, so erstatte ich ihm zurück, was ich genommen habe. Er nahm daher so viel Frucht, als sein Lohn ausmachte, verbarg sie und brachte die übrige dem Alten und maß sie ihm vor. Der Alte sagte ihm: „Komm und nimm deinen Lohn, kaufe dir dafür Kleider und was du sonst brauchst, und wenn du zehn Jahre bei mir bleiben willst, so sollst du immer denselben Lohn haben.“ Da dachte der Kaufmann: Es war doch nicht schön von mir, ohne die Erlaubnis meines Herrn mir Frucht zu nehmen. Er ging daher, um sie wieder zu holen, aber er fand sie nicht mehr. Er kehrte betrübt zum Alten zurück, und als dieser ihn fragte, was ihm widerfahren, sagte er ihm: „Ich habe geglaubt, du würdest mir meinen Lohn nicht geben, und daher so viel Frucht verborgen, als mein Lohn ausmacht. Da du mich aber nun gehörig bezahlen wolltest, so wollte ich die verborgene Frucht wieder holen, fand sie aber nicht mehr; gewiß hat sie jemand gestohlene Der Alte wurde böse, als er dies hörte, und sagte: „Es läßt sich nichts gegen ein schlimmes Geschick tun. Siehe! Ich hätte dir deinen Lohn gegeben; da du aber, von deinem bösen Stern geleitet, eine so schlimme Meinung von mir hegtest, so sollst du gar nichts haben und auch sogleich mein Haus verlassen.“

Der Kaufmann ging weinend fort und kam bei Perlenfischern vorüber, die ihn fragten, warum er so betrübt wäre, worauf er ihnen seine ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende erzählte. Die Perlenfischer, welche ihn in seinen glücklichen Jahren gekannt hatten, fühlten tiefes Mitleid mit ihm und sagten ihm: „Bleibe bei uns, wir wollen auf dein Glück untertauchen, und was wir heraufbringen, wollen wir teilen.“ Sie tauchten unter und brachten zehn große Perlenmuscheln herauf, von denen jede zwei große Perlen in sich schloß. Erfreut über diesen Fund, riefen sie: „Bei Gott, dein Glücksstern geht wieder auf!“ Sie gaben ihm dann die zehn Perlen und sagten: „Verkaufe zwei davon, handle mit dem Erlös derselben und verwahre die übrigen für die Not.“ Der Kaufmann nahm die Perlen, nähte acht derselben in sein Kleid ein und steckte die übrigen beiden in den Mund. Aber ein Dieb hatte ihm zugesehn und benachrichtigte seine Gesellen davon, diese überfielen ihn und nahmen ihm sein Kleid weg. Der Kaufmann tröstete sich indessen mit den beiden Perlen, die ihm noch übrig blieben.

Er ging dann in die Stadt und nahm die zwei Perlen aus dem Munde, um sie zu verkaufen. Da wollte das Schicksal, daß einem Juwelier in der Stadt zehn Perlen gestohlen wurden, gerade wie die des Kaufmanns. Als daher der Juwelier diese zwei Perlen in den Händen des Maklers sah, fragte er ihn, wem sie gehören. Der Makler antwortete, auf den Kaufmann hindeutend: „Diesem Manne.“ Als der Juwelier den Kaufmann sah, dessen Äußeres so arm und elend war, schöpfte er Verdacht und fragte ihn: „Wo sind die übrigen acht Perlen?“ Der Kaufmann welcher glaubte, er frage ihn nach den Perlen, welche in seinem Kleide eingenäht waren, antwortete: „Sie sind mir gestohlen worden.“ Der Juwelier, welcher nicht mehr zweifeln konnte, daß dieser Kaufmann seine zehn Perlen gestohlen, ergriff ihn, führte ihn zum Polizeiobersten und sagte diesem: „Hier ist der Dieb, der mir zehn Perlen gestohlen; ich habe noch zwei davon bei ihm gefunden, und er hat selbst eingestanden, daß ihm die übrigen acht entwendet wurden.“ Der Polizeioberst, dem schon vorher dieser Diebstahl angezeigt worden, ließ den Kaufmann prügeln und einsperren. Schon schmachtete er ein ganzes Jahr im Gefängnis, als endlich durch die göttliche Fügung der Polizeioberst auch einen der Perlenfischer in dasselbe Gefängnis sperren ließ. Der Kaufmann erkannte ihn und erzählte ihm, wie unglücklich er durch seine Perlen geworden. Als daher der Perlenfischer das Gefängnis verließ, erzählte er die Geschichte des Kaufmanns dem Sultan, und dieser, von der Unschuld des Kaufmanns überzeugt, bemitleidete ihn, ließ ihn in Freiheit setzen, wies ihm eine Wohnung neben dem Palast an und bestimmte ihm ein ansehnliches Jahrgeld. Der Kaufmann vergaß bald alle seine Leiden und dachte: Nun ist das Glück wiedergekehrt, ich werde unter dem Schutze dieses Königs meine übrige Lebenszeit in Ruhe zubringen. Aber eines Tages trieb ihn seine Neugierde an ein Fenster, das mit Erde und Steinen zugemauert war. Er riß es ein, um zu sehen, was dahinter ist, und siehe da, das Fenster ging zum Harem des Sultans. Als er dies sah, fuhr er erschrocken zurück und holte frische Erde, um es wieder zu schließen; aber ein Eunuche sah ihn und benachrichtigte schnell den Sultan davon. Der Sultan kam und als er das Fenster aufgebrochen fand, war er sehr aufgebracht gegen den Kaufmann und sagte ihm: „Ist das der Lohn für meine Wohltaten? Was hast du nach meinem Harem zu sehen?“ Der Sultan ließ ihm hierauf die Augen ausstechen, und der Kaufmann, seine beiden Augen in die Hand nehmend, rief verzweifelt: „Wie lange noch, o verdammtes Schicksal, verfolgst du mich! Zuerst hattest du es nur mit meinem Gelde zu tun, und jetzt gehst du mir gar an den Leib. Ich sehe wohl, daß all mein Bemühen vergebens ist, wenn Gott mir nicht beisteht.“

„Auch mir, großer König“, sagte der Junge, „geht es, wie diesem Manne; solange das Glück mir günstig war, gelang mir alles, nun hat es mich verlassen, und alles geht verkehrt.“ Als der Junge so sprach, legte sich der Zorn des Königs ein wenig, er ließ ihn ins Gefängnis zurückführen und sagte zu den Vezieren: „Der Tag ist bald zu Ende, wir wollen mit der Hinrichtung bis morgen warten.“

Am folgenden Tage trat der zweite Vezier, welcher Bahrun hieß, hervor und verdammte ebenfalls das Verfahren des Angeklagten. Der König ließ den Jungen kommen und sagte. „Wehe dir! Ich werde dir den schlimmsten Tod geben lassen, denn dein Verbrechen ist abscheulich; meine Leute sollen eine Warnung durch dich erhalten.“ Der Junge sagte: „O König! Übereile dich nicht, denn ein reifliches Bedenken ist die sicherste Stütze einer guten Regierung. Wer nicht die Folgen einer Handlung überlegt, dem geht es, wie einem gewissen Kaufmann; wer aber alles voraussieht, der wird glücklich, wie der Sohn jenes Kaufmanns.“ Da der König die Geschichte dieser beiden Kaufleute hören wollte, begann der Junge: Geschichte des Kaufmanns und seines Sohnes. O König! Einst mußte ein sehr reicher Kaufmann während der Schwangerschaft seiner Frau eine Reise machen. Er ging zu ihr, stellte ihr die Notwendigkeit seiner Reise vor, versprach ihr, vor ihrer Niederkunft zurückzukehren, und nahm Abschied von ihr. Da kam er auf seinen Reisen zu einem König, welcher einen guten Minister, um das Land zu regieren, suchte. Der König fand den Kaufmann so gebildet, klug und kenntnisreich, daß er ihn zu seinem Minister ernannte und ihm viel Gutes erwies. Nach einiger Zeit hielt der Kaufmann um Erlaubnis an, wieder nach seiner Heimat zurückzureisen, aber der König wollte ihn nicht entlassen. Dann bat er nur um Erlaubnis, seine Familie zu besuchen, und versprach, wiederzukommen; dies gestattete ihm der König und schenkte ihm noch einen Beutel mit tausend Dinaren. Der Kaufmann bestieg ein Schiff und trat seine Rückreise an, An demselben Tage aber schiffte sich auch seine Gattin ein, welche den Aufenthaltsort ihres Mannes erfahren hatte, um mit dem Zwillingspaar, das sie in seiner Abwesenheit geboren hatte, sich zu ihm zu begeben. Das Schiff, auf welchem die Mutter mit ihren Kindern war, landete gerade auf einer Insel, als das, auf welchem der Kaufmann war, von der entgegengesetzten Seite ankam. Da sagte die Frau zu ihren Kindern: „Dieses Schiff kommt aus dem Lande, wo euer Vater wohnt, geht ans Ufer und erkundigt euch nach ihm.“ Sie gingen ans Ufer und machten viel Geräusch in der Nähe des Schiffes ihres Vaters. Ihr Vater schlief gerade im Schiffe und fuhr erschrocken auf bei dem Geschrei der Kinder; er stand auf, um sie schweigen zu machen, da fiel ihm sein Beutel zwischen die Waren und er konnte ihn nicht mehr finden. Er schlug sich ins Gesicht, faßte die Jungen und sagte ihnen: „Ihr habt mir den Beutel gestohlen, ihr habt nur hier gespielt, um mich zu bestehlen; es war niemand außer euch da.“ Er nahm dann einen Stock und prügelte sie; die Kinder weinten und die Matrosen versammelten sich um sie und sagten: „Alle Kinder dieser Insel sind Diebe.“ Nun wurde der Kaufmann so aufgebracht, daß er schwor, sie ins Wasser zu werfen, wenn sie den Beutel nicht herausgäben.

Nachdem der Kaufmann geschworen hatte, nahm er die Kinder und befestigte sie an einem Bund Zuckerrohr und warf sie ins Wasser. Als die Kinder lange nicht zu ihrer Mutter zurückkehrten, kam sie in die Nähe des Schiffs, um sie zu suchen, und da sie sie nirgends sah, erkundigte sie sich nach ihnen bei den Matrosen und beschrieb das Alter und Aussehen derselben. Die Matrosen sahen bald ein, daß diese Frau die Mutter der Kinder sei, welche ins Wasser geworfen worden, und erzählten ihr, was ihren Kindern widerfahren, Die Frau schrie: „Wie schade um eure Herrlichkeit, o meine Kinder! Wo ist das Auge eures Vaters, daß es euch sehe?“ Da fragte sie einer der Schiffsleute: „Wessen Gattin bist du?“ Sie antwortete: „Ich bin die Gattin des Kaufmanns N.N., zu dem ich eben reisen wollte, als dieses Unglück mich traf.“ Als der Kaufmann dies hörte, umarmte er sie, dann stand er auf, zerriß seine Kleider, schlug sich auf den Kopf und rief: „Bei Gott, ich habe selbst meine Kinder getötet. Das ist die Strafe dessen, der die Folgen einer Handlung nicht bedenkt und übereilt handelte Er weilte dann eine Weile im Schiff mit seiner Gattin, dann sagte er: „Bei Gott, ich werde keine Freude mehr am Leben haben, bis ich weiß, was aus meinen Kindern geworden. „ Er schwamm im Wasser herum, fand sie aber nicht mehr, denn ein heftiger Wind hatte sie ans andere Ufer getrieben. Eins dieser Kinder wurde von Freunden des Königs aufgenommen, bei dem sein Vater gewohnt hatte. Als das Kind dem König gebracht wurde, gefiel es ihm sehr, daß er es an Kindesstelle annahm und als sein eigenes Kind ausgab, das er aus zärtlicher Liebe bis jetzt verborgen habe. Alle Welt freute sich darüber und der König bestimmte ihn zu seinem Nachfolger und Erben.

Nach einigen Jahren starb der König und sein Adoptivsohn bestieg den Thron ohne Widerspruch. Seine Eltern hatten lange die Insel durchsucht, um ihn und seinen Bruder wiederzufinden, konnten aber keine Spur von ihnen auffinden; nachdem sie alle Hoffnung, ihre Kinder wiederzusehen, verloren hatten, ließen sie sich auf eine Insel nieder. Eines Tages, als der Kaufmann auf den Markt ging, sah er einen Makler mit einem Jungen an der Hand, den er verkaufen wollte. Da dachte er bei sich: ich will diesen Jungen kaufen und mich durch ihn über den Verlust meiner Kinder trösten; er bewilligte dem Makler den geforderten Preis und führte den Jungen nach Hause. Als seine Frau ihn sah, schrie sie: „Bei Gott, das ist mein Sohn!“ Vater und Mutter freuten sich sehr und fragten ihn nach seinem Bruder; er sagte: „Das Meer hat uns getrennt, ich weiß nicht. wo er hingekommen.“

Mehrere Jahre nach dem unerwarteten Wiederfinden seines Sohnes ließ der Kaufmann ein Schiff mit kostbaren Waren beladen und schickte seinen Sohn damit in die Residenz seines Bruders, denn auch die Insel, welche sie bewohnten, gehörte ihm. Als der König hörte, es sei ein fremder Kaufmann mit Waren angekommen, die für ihn passen, ließ er ihn rufen. Er erkannte seinen Bruder nicht, doch fühlte er sich mächtig zu ihm hingezogen und sagte ihm: „Ich wünschte, daß du bei mir bliebest, ich will dich groß machen und dir geben, was du nur begehrst.“ Der junge Kaufmann blieb einige Zeit bei seinem Bruder, und als er sah, daß dieser sich gar nicht mehr von ihm trennen wollte, benachrichtigte er seine Eltern davon und bat sie, zu ihm zu kommen. Bald nach ihrer Ankunft kam einmal der König betrunken nach Hause. Da dachte der junge Kaufmann: „Der König verdient wohl durch seine vielen mir erwiesenen Wohltaten, daß ich ihn selbst diese Nacht bewache.“ Er stellte sich daher mit gezogenem Schwerte an die Türe des königlichen Gemaches. Ein junger Mann, der ihn längst schon wegen des Ansehens beim König beneidete, sah ihn in dieser Stellung und fragte ihn, warum er so mit gezogenem Schwerte dastehe. „Ich will den König selbst bewachen, weil er mir so viel Gutes erwiesenen, erwiderte ihm der junge Kaufmann.

Als der neidische Jüngling aber am folgenden Morgen diese Begebenheit seinen Freunden erzählte, sagten sie: „Das ist eine gute Gelegenheit, dem fremden Kaufmann die Gunst des Königs zu entziehen und uns Ruhe vor ihm zu schaffen.“ Sie gingen hierauf zum König und sagten ihm, sie wünschten ihm einen Rat zu geben, und auf die Frage des Königs, was es wäre, antworteten sie: „Der junge Kaufmann, dem du dich so genähert und den du über alle dein Günstlinge erhoben hast, hat gestern vor unsern Augen mit gezogenem Schwerte auf dich losrennen wollen, um dich zu töten.“ Als der König dies hörte, wurde er blaß und sagte: „Könnt ihr das beweisen?“ - „Willst du den besten Beweis von der Wahrheit unserer Aussage haben“, antworteten die Verleumder, „so stelle dich diese Nacht wieder betrunken und lege dich nieder, da wirst du mit deinen eigenen Augen dich überzeugen.“ Sie gingen hierauf zum jungen Kaufmanne und sagten ihm: „Wisse, der König hat dich deiner gestrigen Tat willen sehr gelobt und er wird dich dafür aufs glänzendste belohnen.“ In der folgenden Nacht befolgte der König den Rat der bösen Jünglinge, und als er den Kaufmannssohn mit gezogenem Schwerte kommen sah, fürchtete er sich vor ihm, ließ ihn festnehmen und sagte ihm: „Ist das der Lohn für meine dir erwiesenen Wohltaten? Du bist mir näher als irgend jemand gestanden und nun verfährst du so schlimm gegen mich?“ Zwei Jungen fragten sogleich den König, ob sie ihm den Kopf abschlagen sollten. Aber der König antwortete: „Einen Menschen umbringen ist eine sehr leichte Sache, aber auch eine sehr ernste; wir können leicht den Lebendigen töten, aber dem Toten nicht mehr das Leben wiedergeben. Darum will ich diesen Verbrecher einstweilen nur einsperren lassen, seinen Kopf kann ich immer noch haben.“ Hierauf verließ sie der König, nahm seine Tagesarbeit vor, ging dann auf die Jagd, kehrte zur Stadt zurück und dachte nicht mehr an den Eingesperrten. Da kamen die Feinde des Kaufmannssohnes zum König und sagten: „Wenn du diesen Verbrecher nicht bestrafst, so werden alle jungen Leute nach deinem Reiche lüstern werden.“ Diese Worte erweckten den Zorn des Königs, er ließ den Angeklagten wieder vor sich führen und den Scharfrichter holen, um ihm den Kopf abzuschlagen. Schon hatte man dem Jüngling die Augen zugebunden und der Scharfrichter stand ihm zu Häupten und sagte: „Wenn du es erlaubst, o König, so haue ich zu.“ Als der König erwiderte: „Halte ein! Ich will noch darüber nachdenken, ich kann ihn immer noch töten lassen; führet ihn wieder ins Gefängnis zurück!“ Inzwischen hatte der Vater des jungen Kaufmanns von dem Schicksale seines Sohnes Nachricht erhalten. Er eilte sogleich zum König und überreichte ihm ein Schreiben, welches folgende Worte enthielt:

„Habe Mitleid mit mir, Gott wird sich auch deiner erbarmen! Übereile dich nicht, wo es ein Menschenleben gilt, denn ich habe aus Übereilung einen Sohn ins Wasser geworfen, den ich nie mehr wiedergefunden. Glaubst du, daß er den Tod verdient, so töte mich statt seiner.“

Er fiel dann vor dem König nieder und weinte. Der König forderte ihn auf, die Geschichte seines ertrunkenen Sohnes ausführlich zu erzählen, und als er damit zu Ende war, stieß der König ein lautes Geschrei aus, stieg vom Thron herunter, umarmte seinen Vater und seinen Bruder und sagte: „Bei Gott, du bist mein Vater, dieser Jüngling ist mein Bruder und deine Gattin ist unsere Mutter. Seht ihr“, sagte er zu den Leuten, welche um ihn versammelt waren, „wie wohl ich daran getan habe, mich in meinem Hinrichtungsbefehle nicht zu übereilen“, und alle Leute bewunderten seine Einsicht und Überlegung. Dann sagte er, zu seinem Vater sich wendend: „Wärest du damals auf der Insel nicht so rasch gewesen, so hättest du dir diese ganze Zeit her viele Reue und Trauer ersparte Der König ließ dann auch seine Mutter kommen und ein glückliches Leben in der Mitte seiner Verwandten war der Lohn seiner Bedachtsamkeit.

„Darum“, sagte der Jüngling zum König, „übereile auch du meinen Tod nicht, du möchtest ihn zu spät bereuen, denn nichts ist schlimmer, als die Folgen einer Tat nicht zu bedenken. „ Als der König dies hörte, ließ er den Jüngling ins Gefängnis zurückführen und beschloß, noch einige Zeit über ihn nachzudenken.

Am dritten Tage kam der dritte Vezier zum König und sagte: „O König! Verschiebe die Strafe dieses Jünglings nicht länger, denn schon sprechen alle Leute von seiner Schandtat: Laß ihn schnell umbringen, daß keine Rede mehr von ihm sei. Man soll nicht sagen: der König hat jemanden auf dem Bett seiner Gattin gefunden und ihm verziehene Diese Worte des Veziers reizten den Zorn des König wieder; er ließ den Jungen gefesselt vorführen und sagte ihm: „Du bist ein Mensch von schlechter Herkunft, du hast mich entehrt, drum will ich dich aus der Welt schaffen.“ Der Junge sage: „O König! Gebrauche Geduld in allen deinen Handlungen, so wirst du alle deine Wünsche erlangen; Gott führt immer durch Geduld zum Glück. So ist Abu Saber durch Geduld von der Grube auf den Thron gestiegene - „Was ist das für eine Geschichte?“ fragte der König; und der Jüngling begann:

Geschichte des Gutsbesitzers Abu Saber. Einst lebte in einer kleinen Stadt ein Gutsbesitzer mit Namen Abu Saber, der große Viehherden besaß und eine schöne Frau hatte, die ihm zwei Kinder gebar. Da kam einmal ein Löwe und zerriß eine Menge Vieh. Die Gutsbesitzerin sagte zu ihrem Gatten: „Siehe, dieser Löwe hat unser bestes Vieh zugrunde gerichtet; verfolge ihn mit deinen Leuten und suche ihn zu töten, daß wir Ruhe bekommen.“ Er aber antwortete: „Habe Geduld, meine Frau, denn Geduld bringt ein gutes Ende. Dieser Löwe ist doch ein schädliches Tier, Gott wird ihn schon verderben; laß uns nur in Geduld abwarten, jeder Übeltäter stürzt zuletzt selbst ins Verderben.“

Eines Tages ging der König mit großem Gefolge auf die Jagd, begegnete dem Löwen und setzte ihm nach, bis er ihn tötete. Als Abu Saber dies hörte, sagte er zu seiner Gattin: „Habe ich dir nicht gesagt, der Übeltäter stürzt schon von selbst? Hätte ich den Löwen zu erlegen gesucht, wäre es mir vielleicht nicht gelungen: das ist der Lohn der Geduld.“ Einige Zeit nachher, als in dem Städtchen, das Abu Saber bewohnte, jemand ermordet wurde, ließ der Sultan das ganze Städtchen plündern, und Abu Saber verlor dadurch auch den größten Teil seines Vermögens. Da sagte ihm seine Gattin: „Die Umgebung des Sultans kennt dich als einen braven Mann, schreibe dem Sultan, er wird dir gewiß dein Gut zurückgeben lassen.“ Er aber antwortete: „O meine Frau! Habe ich dir nicht gesagt, wer Unrecht begeht, wird schon bestraft werden? Nun hat der Sultan eine Gewalttat ausgeübt und unschuldigen Leuten ihr Gut geraubt: du wirst sehen, wie er bald das seinige verliert.“ Dies hörte einer seiner Nachbarn, welcher ihn schon längst beneidete. Er gab dem Sultan davon Kunde, und dieser ließ dem Gutsbesitzer alles, was ihm noch übrig geblieben war, wegnehmen und ihn mit seiner Gattin aus dem Städtchen treiben. Als sie hierauf in eine Wüste flohen, sagte die Frau zu ihrem Manne: „Das alles kommt von deiner Schwäche und Saumseligkeit.“ Er aber versetzte: „Habe nur Geduld, sie führt sicher zu einem guten Ende.“ Kaum waren sie einige Schritte weiter gegangen, da kamen Räuber und zogen ihnen ihre Kleider aus, nahmen, was sie auf dem Leibe hatten, und raubten ihnen auch ihre Kinder. Die Frau sagte weinend: „Laß einmal deinen Gleichmut und komme, wir wollen den Räubern nachlaufen, vielleicht werden sie uns bemitleiden und uns unsere Kinder zurückgeben. „ Abu Saber antwortete: „Habe nur Geduld! wer etwas Böses tut, dem wird auch wieder Böses vergolten: wenn ich ihnen folgte, könnte leicht einer von ihnen sein Schwert ziehen und mich töten; drum Geduld, diese führt zu einem guten Ende.“

Sie gingen dann fort, bis sie in die Nähe eines Städtchens im Lande Kirman kamen, da ließen sie sich am Ufer eines Flusses nieder und Abu Saber sagte zu seiner Frau: „Bleibe du hier, ich will einstweilen ins Städtchen gehen, um eine Wohnung zu mieten.“ Als er fern war, kam ein Reiter, um sein Pferd im Flusse zu tränken; diesem gefiel Abu Sabers Gattin so sehr, daß er ihr sagte: „Komm, reite mit mir weg! Ich will dich heiraten und glücklich machen.“ Sie antwortete: „Gott erhalte dich! Ich habe einen Gatten.“ Da zog er sein Schwert und sagte: „Wenn du mir nicht folgst, so bringe ich dich um.“ Als sie dies sah, schrieb sie mit den Fingern in den Sand: „O Abu Saber! Du hattest immer Geduld, bis du dein Vermögen, deine Kinder und deine Gattin verloren, die dir noch teurer als alles war, nun wirst du immer in Trauer leben und sehen, wohin dich deine Geduld geführt hat.“ Der Reiter setzte sie dann hinter sich aufs Pferd und ritt mit ihr davon. Als Abu Saber zurückkam, war sie schon weit weg, und als er las, was sie geschrieben hatte, gab er sie für verloren; er weinte eine Weile, sagte aber bald zu sich selbst: „O Abu Saber! Du mußt auch jetzt noch Geduld haben, es gibt vielleicht noch ein härteres Unglück, als das deinige.“ Er ging dann traurig vor sich hin, bis er von Handwerksleuten, die am königlichen Palast Frondienst leisten mußten, angehalten wurde. Diese sagten ihm: „Du mußt hier mitarbeiten, sonst wirst du für immer eingesperrte Abu Saber arbeitete nun einen ganzen Monat wie ein Taglöhner und erhielt jeden Tag einen Laib Brot. Eines Tages fiel ein Arbeiter von einer Leiter herunter und brach ein Bein. Abu Saber hörte ihn weinen und sagte ihm: „Habe Geduld und schreie nicht, du wirst um so eher wieder Ruhe finden; verliere nur die Geduld nicht, denn mit ihr kann man aus der tiefsten Grube auf den Thron steigen.“ Der König, welcher am Fenster saß und diese Rede hörte, geriet in Zorn über Abu Saber und ließ ihn in eine tiefe Grube werfen, die im Palast war, und sagte zu ihm: „Du Verrückter! Wir wollen einmal sehen, wie du aus der Grube auf den Thron steigst.“ Diese Worte wiederholte der König jeden Tag vor der Grube, in welche er ihm zwei Laibchen Brot werfen ließ. Abu Saber schwieg und ertrug sein Unglück mit Geduld. In der Grube, wo er schmachtete, war früher ein Bruder des Königs eingesperrt, der schon längst tot war, den man aber im Lande noch lebendig glaubte. Die Partei des Verstorbenen wurde durch dessen vermeinte lange Gefangenschaft gegen den König aufgebracht, er wurde als ein grausamer Tyrann verschrien und in einem Volksaufstande ermordet. Nun holte man Abu Saber, den man für des Königs Bruder hielt, aus der Grube hervor. Niemand sah den Irrtum ein, weil beide einander sehr ähnlich waren und des Königs Bruder gar zu lange im Gefängnis von niemandem besucht werden durfte, und so wurde Abu Saber als König ausgerufen.

Abu Saber dachte: das ist der Lohn der Geduld; und ohne ein Wort zu sagen, setzte er sich auf den Thron, zog königliche Kleider an und regierte mit so vieler Gerechtigkeit und Einsicht, daß man ihn liebgewann und ihm gern gehorchte, auch wurde sein Heer immer stärker. Bald nachher wurde der König, welcher ihn einst ausgeplündert hatte, von einem seiner Feinde überfallen und vom Throne gestürzt. Der vertriebene König kam zu Abu Saber, den er nicht mehr kannte, lobte seine Tugenden und flehte ihn um Schutz und Hilfe an. Abu Saber aber, der sich seiner noch erinnerte, dachte: das ist der Lohn der Geduld, nun hat ihn Gott in meine Hand gegeben, und gab seinen Leuten Befehl, den König mit den seinigen bis auf ihre Kleider auszuplündern und aus dem Lande zu treiben. Abu Sabers Leute sahen dies mit Erstaunen und dachten: das ist nicht königlich gehandelt; ein fremder König fleht seinen Schutz an und er läßt ihn ausplündern; doch mußten sie schweigen. Nach einiger Zeit hörte der König, es halten sich Räuber im Lande auf; er ließ ihnen nachsetzen, und als man sie ihm gefangen brachte, sah er, daß es die Räuber waren, welche ihn ausgeplündert und seine Kinder weggeführt hatten. Er fragte sie: „Wo sind die zwei Knaben, die ihr einst in der Wüste geraubt habt?“ Sie antworteten: „Wir haben sie bei uns und wollen sie unserem Herrn, dem König, als seine Sklaven vorstellen; auch wollen wir alles Geld hergeben, das wir gesammelt haben, das Räuberhandwerk aufgeben und bei deinen Truppen als Soldaten dienen.“ Der König aber gab ihnen kein Gehör, sondern nahm ihnen ihr Geld und die zwei Knaben weg, an denen er große Freude hatte, und ließ sie dann hinrichten. Da sagten die Truppen des Königs einer zum andern: „Der ist noch grausamer, als sein Bruder. Die Diebe bringen ihm zwei Knaben und wollen Buße tun, und er läßt sie umbringen und ausplündern; das ist eine große Gewalttat.“ Nach einiger Zeit kam ein Reiter vor den König mit der Frau desselben und klagte seine Frau des Ungehorsams gegen ihn an; der König erkannte seine Frau, nahm sie dem Reiter weg und ließ ihn umbringen. Als der König hierauf hörte, daß ihn seine Truppen für einen Tyrannen hielten, sagte er in Gegenwart seiner Veziere und des ganzen Hofes: „Bei dem erhabenen Gott! Ich bin nicht des Königs Bruder, sondern der König ließ mich eines einzigen Wortes willen in seines Bruders Gefängnis sperren; ich bin Abu Saber, und Gott hat mir durch Geduld den Thron geschenkt. Der König, der bei mir Schutz suchte und den ich ausplündern ließ, hat mir früher all mein Gut weggenommen und mich ungerechterweise aus dem Lande verbannt: ich habe ihm also Gleiches mit Gleichem vergolten. Die Diebe, welche von Buße sprachen, konnte ich nicht anhören, sie haben mich auf dem Wege bis auf meine Kleider ausgezogen und mir auch meine beiden Knaben weggenommen, die ihr für Sklaven hieltet: auch ihnen habe ich gerechte Strafe widerfahren lassen. Den Reiter ließ ich endlich umbringen, weil die Frau, gegen die er klagte, meine Gattin ist, die er mit Gewalt entführt und die mir nun der erhabene Gott zurückgegeben. So habe ich immer Gerechtigkeit ausgeübt, während ihr, nach dem Scheine urteilend, mich für einen Tyrannen hieltet.“

Diese Worte des Königs setzten seine Zuhörer in Erstaunen, sie fielen vor ihm nieder, liebten ihn noch mehr als zuvor, entschuldigten sich bei ihm und bewunderten die göttliche Fügung, die Abu Saber zum Lohne seiner Geduld aus der Grube auf den Thron erhoben und den früheren König von dem Throne in den Abgrund gestürzt. Abu Saber ging dann zu seiner Gattin und sagte ihr: „Nun, wie hast du die Frucht der Geduld gefunden? Siehst du nun, wie süß sie ist, während die der Übereilung bitter schmeckt? Der Mensch mag Böses oder Gutes tun, es wird ihm immer später wieder vergolten.“

„Darum, o König“, sagte der gefesselte Jüngling, „habe auch du jetzt so viel Geduld als möglich; Geduld ist eine Tugend der Edlen und ziemt besonders einem König. „ Als der König dies hörte, legte sich sein Zorn, er ließ den Jüngling wieder ins Gefängnis zurückführen und hob die Versammlung auf.

Am vierten Tag kam der vierte Vezier, welcher Suschad hieß, verbeugte sich vor dem König und sagte: „O König, laß dich durch die Reden des Jünglings nicht täuschen, denn er spricht nicht wahr. So lange er lebt, werden alle Leute von dieser Geschichte sprechen, und du selbst wirst sie nie vergessen können.“ Der König sagte: „Bei Gott! Du hast recht, ich will ihn vor meinen Augen umbringen lassen.“ Der Gefangenen wurde wieder vor den König geführt und dieser sagte ihm: „Wehe dir! Glaubst du mein Herz durch deine Erzählungen einzuschläfern und durch deine Reden immer mehr Zeit zu gewinnen? Heute laß ich dich umbringen, ich will einmal deiner los sein.“ Der Jüngling sagte: „O König! Du bist Herr, mich umzubringen, wann du willst, doch Übereilung ziemt nur gemeinen Menschen, edle Männer aber haben Geduld. Hast du mich umgebracht, so bereuest du es, und willst du mich dann wieder lebendig machen, so kannst du es nicht. Wer sich übereilt, dem geht es, wie dem Prinzen Bahsad.“ Der König fragte: „Was ist das für eine Geschichte?“ und der Jüngling antwortete: Geschichte des Prinzen Bahsad. O Herr! Es war vor alter Zeit ein König, der einen Sohn hatte, dem keiner seiner Zeitgenossen an Schönheit glich. Er liebte die Geselligkeit und verkehrte viel mit Kaufleuten. Einst war der Prinz in Gesellschaft und hörte, wie jemand sagte, er sei der schönste Mensch seiner Zeit. Hierauf sagte ein anderer: „Die Tochter des Königs N. N. ist schöner als er.“ Sobald der Prinz dieses hörte, verlor er den Verstand, sein Herz pochte heftig, er rief den Fremden zu sich und bat ihn um den Namen der Prinzessin, deren Schönheit er so über die seinige erhoben hatte. Als der Fremde sie nannte, wurde der Prinz ganz blaß und sein Herz beschäftigte sich nur noch mit ihr. Der König, der davon unterrichtet wurde, sagte ihm: „Mein Sohn! Du kannst das Mädchen, das du liebst, erlangen; habe nur Geduld, ihr Vater wird sie dir gern zur Gattin geben, wenn ich um sie anhalte.“ Der Prinz sagte: „Ich habe keine Geduld.“ Der König schickte sogleich zu dem Vater, der Schönen und hielt bei ihm um die Hand seiner Tochter an. Dieser forderte hunderttausend Dinare als Morgengabe. Als aber der König das Geld, das er in seinem Schatze hatte, zusammenzählte, da fehlte noch einiges an den hunderttausend Dinaren; er sagte daher zu seinem Sohne: „Habe Geduld, bis ich das fehlende Geld zusammenbringen dann schicke ich es deinem Schwiegervater und lasse deine Geliebte holen.“ Aber der Prinz geriet in heftigen Zorn und sagte: „Ich warte nicht länger!“ nahm Schwert und Lanze, bestieg sein Pferd und wurde Straßenräuber. Eines Tages fiel er aber eine starke Karawane an, wurde überwunden, gefangen und gefesselt vor den König jenes Landes geführt. Als der König den schönen Jüngling sah, sagte er ihm: „Du siehst keinem Räuber gleich; gestehe mir die Wahrheit, Junge! Wer bist du?“ Der Prinz schämte sich aber, die Wahrheit zu gestehen und wollte lieber sterben. Da sagte der König zu seinen Räten: „Wir wollen uns mit diesem Jungen nicht übereilen, denn Übereilung bringt Reue; es genüge uns, ihn einstweilen in Verhaft zu nehmen.“ Inzwischen wurde Bahsad in seinem Lande vermißt, und sein Vater schickte Boten nach allen Seiten, um ihn aufzusuchen. Als auch bei dem König, der ihn gefangen hielt, nach ihm gefragt wurde, rief er: „Gelobt sei Gott, daß ich mich nicht übereilt habe.“ Er ließ sogleich Bahsad rufen und sagte ihm: „Warum wolltest du dich selbst in den Abgrund stürzen?“ Er antwortete: „Aus Furcht vor der Schande.“ - „Fürchtest du dich so sehr vor der Schande“, versetzte der König, „so hättest du dich nicht so übereilen sollen-, hast du nicht gewußt, daß Übereilung Reue bringt? Auch ich würde es jetzt bereuen, wenn ich mich übereilt hätte.“ Er schenkte ihm dann ein Ehrenkleid, und versprach ihm das Fehlende zur Morgengabe, auch schickte er sogleich zu des Prinzen Vater, um ihn vom Wohle seines Sohnes zu unterrichten, und redete Bahsad zu, selbst wieder zu seinem Vater zurückzukehren. Aber Bahsad sagte: „O König! Vollende deine Wohltat und schicke mich gleich zu meiner Braut, denn das wird lange dauern, bis ich nach Hause komme und mein Vater ihr einen Boten schickt und dieser wieder zurückkehrt.“

Der König wunderte sich über des Prinzen Ungeduld und sagte ihm lächelnd: „Ich fürchte sehr, deine Übereilung möchte dich straucheln machen und dem Ziele deiner Wünsche entrücken.“ Indessen gab er ihm doch ein Empfehlungsschreiben an den Vater des Mädchens. Als der Prinz zum König kam und das Schreiben überreichte, machte ihm der König mit den Großen seines Reichs einen Gegenbesuch und erwies ihm viel Ehre. Auch ließ der König dem Empfehlungsschreiben des Königs und dem Wunsche des Vaters gemäß die Vorkehrungen zur Hochzeit beschleunigen. Am Hochzeittage war der Prinz aber so ungeduldig, seine Braut unverschleiert zu sehen, daß er durch ein Loch sah, das in der Wand war, welche ihn von seiner Braut trennte. Dies bemerkte seine Schwiegermutter und es mißfiel ihr so sehr, daß sie sich von einem Diener zwei eiserne Stangen bringen ließ, und als der Jüngling wieder ans Loch kam, ihm die Augen ausstieß. Der Jüngling stieß ein jämmerliches Geschrei aus, fiel in Ohnmacht und alle Freude wurde in Trauer verwandelt.

„Du siehst, o König!“ sagte der Gefesselte, „was das Ende der Übereilung ist; die Ungeduld dieses Prinzen hat ihm lange Reue zugezogen; ebenso bereute nachher seine Schwiegermutter ihre unbesonnene Tat, als es zu spät war. Drum, o König! Laß mich nicht zu schnell umbringen, du kannst mich ja immer noch töten lassen.“ Als der König dies hörte, legte sich sein Zorn wieder und er ließ den Jüngling wieder ins Gefängnis zurückführen.

Am fünften Tage kam der fünfte Vezier, der Djahbur hieß, verbeugte sich vor dem König und sagte: „O König! Deine Ehre erheischt, daß, wenn jemand in deine Wohnung blickt, du ihm sogleich die Augen ausstechen lassest; was mußt du erst dem tun, den du mitten in deinem Zimmer auf deinem Bett gefunden, in der Absicht, deinen Harem zu entehren, und dazu, wenn es noch ein Mensch von niederer Herkunft ist? Tilge einmal diese Schmach durch seinen Tod, wir raten dir dazu aus Eifer für die Befestigung des Reichs und aus Liebe zu dir; dieser Mensch verdient keine Stunde mehr zu leben.“ Diese Worte reizten des Königs Zorn, er ließ den Jüngling wieder vor sich führen und sagte ihm: „Wehe dir! Du hast ein großes Verbrechen begangen, du lebst schon zu lange, ich lasse dich jetzt umbringen; denn solange du lebst, haben wir keine Ruhe.“ Der Jüngling sagte: „O König! Bei Gott, ich bin unschuldig, darum wünsche ich zu leben, denn nur der Unschuldige kann trotz aller Strafen sich doch aufrecht erhalten; der Schuldige aber nimmt, auch wenn er noch lange lebt, doch zuletzt ein trauriges Ende. Das lehrt uns die Geschichte des Königs Dadbin und seines Veziers.“ Der König wünschte diese Geschichte zu hören, und der Jüngling begann: Geschichte des Königs Dadbin. O König! (Gott erhalte lange dein Reich!) Einst regierte ein König im Lande Tabaristan, welcher Dadbin hieß; er hatte zwei Veziere: der eine nannte sich Surchan und der andere Kardan. Ersterer hatte eine Tochter, welche Arwa hieß und das schönste und tugendhafteste Mädchen ihrer Zeit war. Sie fastete viel und weihte ihre ganze Zeit der Andacht. Bald hörte auch der König Dadbin so viel von ihren Reizen und Tugenden, daß sein Herz für sie eingenommen wurde und er seinen Vezier rufen ließ und ihm sagte, er wünsche seine Tochter zu heiraten. Der Vezier erwiderte: „O König, erlaube mir, den Willen Arwas zu erfragen; wenn sie deine Gattin werden will, so habe ich nichts dagegen.“ Der König sagte: „Eile nur! „ Der Vezier ging hierauf zu seiner Tochter und sagte ihr: „Der König hat bei mir um dich angehalten, willst du ihm deine Hand reichen?“ Sie antwortete: „O mein Vater, ich habe keine Lust, zu heiraten, und willst du mir je einen Gatten geben, so gib mir einen, der unter mir steht, damit er nicht stolz auf mich herabsehe und sich noch anderen Frauen zuwende; verheirate mich ja nicht mit einem, der höher steht als ich, und mich wie eine Sklavin behandeln könnte, „ Der Vezier kehrte zum König zurück und brachte ihm die Antwort seiner Tochter. Aber diese Antwort vermehrte nur noch die Leidenschaft des Königs, und er sagte dem Vezier: „Gibst du mir sie nicht gutwillig, so nehme ich sie mit Gewalt. „ Der Vezier ging wieder zu seiner Tochter und hinterbrachte ihr des Königs Worte. Da aber Arwa in ihrer Weigerung verharrte, und der König immer heftiger wurde und dem Vezier mit Gewalt drohte, eilte dieser schnell nach Hause und entfloh mit seiner Tochter. Als der König dies hörte, schickte er Truppen aus, um ihn aufzufangen, und stellte sich selbst an ihre Spitze. Er holte bald den Vezier ein, tötet ihn mit einem Hammer, nahm die Tochter mit Gewalt in sein Schloß und heiratete sie. Arwa ertrug ihr Unglück mit Geduld und Ergebung in Gottes Willen und hörte nicht auf, zu beten und zu fasten. Nach einiger Zeit, als der König eine Reise unternehmen mußte, ließ er den Vezier Kardan kommen und sagte ihm: „Ich vertraue dir meine Gattin, die Tochter des Veziers Surchan, an; gib wohl acht auf sie und bewache sie mit deinen eigenen Augen, denn ich habe auf der Welt nichts Teureres, als sie.“ Kardan fühlte sich durch dieses Vertrauen sehr geehrt und erklärte sich bereit, des Königs Befehle zu vollziehen.

Als der König abgereist war, dachte der Vezier: Ich muß doch einmal die Frau sehen, die der König so sehr liebt. Er verbarg sich an einem Ort, wo er sie unbemerkt sehen konnte, und fand sie so unaussprechlich reizend, daß er vor Liebe ganz außer sich kam. Seiner selbst nicht mehr Herr, schrieb er ihr: „O habe doch Mitleid mit mir, deine Liebe tötet mich.“ Sie antwortete ihm aber: „Ich bin ein anvertrautes Gut bei dir, mißbrauche das Vertrauen des Königs nicht, setze dein Inneres nicht mit dem Äußeren in Widerspruch, begnüge dich mit deiner gesetzmäßigen Frau und besiege deine sündhafte Leidenschaft, sonst mache ich dich vor allen Menschen zuschanden.“ Als dem Vezier an der Tugend der Königin kein Zweifel mehr blieb, bereute er seine Kühnheit und fürchtete sich vor dem König. Er beschloß daher, Arwa durch List zu verderben, um nicht selbst beim König angeklagt zu werden. Sobald dieser von der Reise zurückkehrte und den Vezier nach den Angelegenheiten seines Reichs fragte, antwortete dieser: „Es steht alles gut, nur etwas Schlimmes habe ich entdeckt, das ich gern dem König zu verschweigen wünschte; doch fürchte ich ein anderer möchte mir zuvorkommen und ich dem König dann als ein treuloser Ratgeber und Vertrauter erscheinen.“ Der König sagte: „Sprich nur, du bist mein treuer, aufrichtiger Ratgeber; ich habe vollen Glauben an alles, was du mir berichtest.“ Da sagte der Vezier: „O König, die Frau, die du so von ganzem Herzen liebst, und die so viel von Religion, vom Fasten und Gebete spricht, ist eine Heuchlerin und eine Betrügerin.

Der König fragte erschrocken: „Was hat sich ereignet?“ worauf der Vezier antwortete: „Wisse, daß, nachdem du eine Weile abwesend warst, jemand zu mir kam und sagte: O Vezier, folge mir! Du sollst etwas sehen. Er führte mich an die Türe des königlichen Schlafgemaches, und ich sah, wie deine Gattin neben dem Sklaven ihres Vaters saß, und schloß aus ihrer Vertraulichkeit, was keiner Erwähnung bedarf. Das ist's, mein Herr, was ich dir zu hinterbringen hatte.“ Der König sprang zornig auf und sagte einem seiner Diener: „Geh in das Gemach der Königin und bring sie um.“ Aber der Diener erwiderte: „O König (Gott erhalte dich lange!), lasse deine Gattin nicht auf solche Weise sterben, laß sie lieber von einem Diener auf ein Kamel laden und in eine abgelegene Wüste bringen: ist sie schuldig, so wird sie Gott verderben, ist sie unschuldig, so wird er sie retten, und der König hat sich nicht an ihr versündigt. Bedenke, daß dir diese Frau so teuer war, daß du ihren Vater aus Liebe zu ihr getötet hast.“ Der König stimmte dem Schloßverwalter bei und befahl einem seiner Sklaven, die Königin auf einem Kamel ohne Lebensmittel in eine abgelegene Wüste zu führen und sie dann ihrer Pein zu überlassen. Der Sklave vollzog des Königs Befehl und ließ Arwa ohne Speise und Wasser in der Wüste. Als diese sich ganz verlassen sah, bestieg sie einen Hügel, legte einige Steine zurecht, stellt sich darauf und betete zu Gott.

Um diese Zeit hatte ein Kameltreiber des Königs Chosru Kamele verloren und der König ihm gedroht, wenn er sie nicht fände, würde er ihn umbringen lassen. Der Kameltreiber suchte daher überall und vertiefte sich in die Wüste, bis er an die Stelle kam, wo die Königin betete; er wartete, bis sie ihr Gebet vollendet hatte, dann näherte er sich ihr, grüßte sie und fragte: „Wer bist du?“ Sie antwortete: „Ein Sklavin Gottes.“ - „Und was tust du an diesem entlegenen Ort?“ - „Ich bete Gott an.“ Der Kameltreiber fand sie so schön, daß er nicht umhin konnte, ihr zu sagen: „Höre, willst du mich heiraten? Ich werde dich mit Liebe und Zärtlichkeit behandeln und in deinem Gottesdienste dir beistehend Sie antwortete aber: „Ich will nicht heiraten, ich will allein mit meinem Herrn in seinem Dienste leben; willst du mir aber eine Gnade erweisen und mir in meinem Gottesdienste beistehen, so führe mich an einen Platz, wo es Wasser gibt.“ Der Kameltreiber führte sie an einen Bach und setzte seinen Weg fort; aber kaum war er einige Schritte weiter gegangen, da fand er durch ihren Segen seine Kamele wieder. Als er zum König zurückkehrte und dieser ihn fragte, ob er die Kamele wiedergefunden, erzählte er ihm von dieser Frau und sprach so viel von ihrer Schönheit und Anmut, daß der König für sie eingenommen wurde und selbst mit wenigen Leuten zu ihr ritt. Sobald er sie sah, war er entzückt von ihren Reizen, denn er fand sie noch viel schöner, als sie ihm geschildert worden. Er näherte sich ihr und sagte: „Ich bin der große König Chosru, willst du mich zum Gatten?“ Sie antwortete: „Ich lebe hier in dieser Wüste von den Menschen getrennt, was willst du von mir?“ Er antwortete: „Ich muß dich heiraten und wenn du mir nicht folgen willst, so werde ich hier bei dir wohnen und Gott mit dir anbeten.“ Er ließ dann sogleich ein Zelt für sie aufschlagen und ein anderes für sich, dem ihrigen gegenüber, und ließ ihr Speisen reichen. Da dachte sie: Dieser Mann ist ein König, ich darf ihn nicht von seinen Untertanen und seinem Reiche trennen. Sie ließ ihm daher durch die Dienerin, welche ihr zu essen brachte, sagen, er möchte doch zu seinen Frauen zurückkehren, sie wolle lieber allein Gott anbeten. Als die Dienerin dies dem König hinterbrachte, ließ er ihr sagen, er habe keine Freude mehr an seinem Königreiche, er wolle auch diese Wüste bewohnen und Gott mit ihr anbeten. Arwa, von den ernsten Absichten des Königs überzeugt, konnte ihm nicht länger widerstehen; sie sagte ihm daher: „Ich will, deinem Wunsche gemäß, deine Gattin werden, doch unter der Bedingung, daß du den König Dadbin und seinen Vezier und Pförtner kommen lassest; ich werde in deiner Gegenwart auf eine Weise mit ihnen sprechen, daß du mich gewiß noch mehr lieben wirst.“ Auf Chosrus dringende Fragen erzählte sie ihm dann ihre ganze Geschichte vom Anfang bis zum Ende und seine Liebe zu ihr wurde noch größer und er sagte ihr zu, was sie begehrte.

Chosru ließ dann Arwa in einer Sänfte nach dem Schlosse bringen, heiratete sie und verlieh ihr den höchsten Rang in seinem Harem. Bald nachher schickte er eine zahlreiche Armee zu Dadbin und ließ ihn, seinen Vezier und den Pförtner holen, ohne ihnen zu sagen, was er von ihnen wolle; für Arwa ließ er vor dem großen Sitzungssaal ein Zelt aufschlagen, das mit einem Vorhange bedeckt war, und als Dadbin und sein Vezier neben Chosru Platz nahmen, hob Arwa den Vorhang ihres Zeltes auf und sagte: „Kardan, steh auf! Du verdienst nicht, in der Nähe eines Mannes, wie der mächtige König Chosru, zu sitzen.“ Als der Vezier Kardan dies hörte, zitterte er am ganzen Körper und stand voller Angst auf. Da sagte sie ihm: „Ich beschwöre dich bei dem, der dich hierher gebracht, sprich die Wahrheit: Was hat dich dazu bewogen, mich zu verleumden und mich von meinem Hause und meinem Gatten zu trennen? Hier helfen keine Lügen mehr.“ Der Vezier, der jetzt Arwa an ihrer Stimme erkannte, dachte, daß hier nur die Wahrheit frommen könne; er beugte daher den Kopf zur Erde und sagte weinend: „Wer ein Unrecht begeht, dem wird es wieder vergolten, wenn es auch lange ansteht. Bei Gott, ich habe schwer gesündigt, Furcht, Leidenschaft und ein schweres Verhängnis, dem ich nicht entgehen konnte, haben mich dazu veranlaßt; diese Frau ist rein und unschuldig.“ Als der König Dadbin dies hörte, schlug er sich ins Gesicht und sagte zu Kardan: „Gott töte dich, wenn du ungerechterweise mich von meiner Gattin geschieden hast.“ Aber Chosru sagte: „Gott wird dich verderben, du hast es durch deine Übereilung verdient. Hättest du dich besonnen und ihre Schuld geprüft, so wäre es dir leicht gewesen, die Lüge von der Wahrheit zu unterscheiden. Dieser Vezier wollte deinen Untergang; wo blieb aber dein Verstand und deine Besonnenheit?“ Chosru fragte dann Arwa, welche Strafe er über die Angeklagten verhängen sollte. Sie antwortete: „Urteile nach Gottes Ausspruch: Der Mörder soll wieder getötet werden und dem Übeltäter soll wie dem Wohltäter Gleiches mit Gleichem vergolten werden.“ Sie ließ dann den König Dadbin mit einem Hammer totschlagen und sagte: „Das ist für den Mord meines Vaters.“ Den Vezier Kardan aber ließ sie auf ein Kamel laden und in die Wüste führen, in welche sie einst ausgesetzt worden, und sagte ihm: „Bist du schuldig, so wirst du in der Wüste vor Hunger und Durst umkommen, bist du unschuldig, so kannst du ebenso gut wie ich gerettet werden.“ Dem Diener aber, der den Rat gegeben hatte, sie in die Wüste zu führen, schenkte sie ein kostbares Kleid und sagte ihm: „Ein Mann wie du verdient in der Nähe von Königen angesehen zu leben, denn du hast gut und wahr gesprochene Kaum hatte sie so gesprochen, da ernannte ihn Chosru zum Statthalter über eine seiner Provinzen.

„Du siehst, mächtiger König“, sagte der Jüngling, „daß, wer Gutes übt, auch wieder Gutes findet, und daß der Unschuldige kein böses Ende zu fürchten hat. Auch ich bin unschuldig, drum hoffe ich, daß dir Gott die Wahrheit zeigen und mir gegen meine Feinde und Verleumder den Sieg verschaffen wird.“ Als der König dies hörte, legte sich sein Zorn; er ließ den Jüngling ins Gefängnis zurückführen und sagte: „Wir wollen warten bis morgen.“

Am sechsten Tage waren die Veziere außer sich vor Ärger darüber, daß sie noch immer ihren Zweck nicht erreicht; auch fingen sie an, für sich selbst zu fürchten. Drei von ihnen gingen daher zum König, verbeugten sich vor ihm und sprachen: „O König, wir sagen dir aus Liebe zu dir und deinem Reiche: Du hast diesen Jüngling schon zu lange leben lassen; wir wissen nicht, was du dabei gewinnst, ein Tag nach dem anderen geht vorüber und das Gerede und die entehrenden Vermutungen nehmen immer zu; drum laß ihn endlich einmal umbringend Als der König dies hörte, sagte er: „Bei Gott, ihr habt recht und sprecht wahr.“ Er ließ den Jüngling wieder vorführen und sagte: „Wie lange soll ich mich noch über dich bedenken? Ich sehe keine Hilfe für dich, alle meine Räte dürsten nach deinem Blute.“ Der Jüngling aber versetzte: „Ich erwarte Hilfe von Gott, nicht von seinen Geschöpfen; und steht der mir bei, so kann mir niemand schaden; auch fürchte ich niemand, denn mein ganzer Sinn ist mit ihm. Wer von Menschen Hilfe erwartet, dem geht es, wie dem König Bacht Saman.“ Als der König die Geschichte Bacht Samans hören wollte, erzählte der Jüngling: Geschichte Bacht Samans. Einst lebte ein König, mit Namen Bacht Saman, der seine größte Freude an Essen, Trinken und anderen sinnlichen Genüssen hatte. Da rückte einmal der Feind gegen die Grenzen seines Landes heran und bedrohte es mit einem Überfall. Als einer seiner Freunde ihm dies meldete und ihn aufforderte, auf seiner Hut zu sein, sagte er: „Ich habe viel Geld, Soldaten und Waffen, ich fürchte nichts.“ Da sagten ihm seine Freunde: „Vertraue lieber auf Gott, der hilft dir eher, als deine Waffen, deine Soldaten und dein Geld.“ Er gab aber seinen Ratgebern kein Gehör, wurde vom Feinde überfallen, besiegt und in die Flucht getrieben, denn sein Vertrauen auf etwas außer Gott half ihm nichts. Bacht Saman flüchtete sich nun zu einem anderen König und sagte ihm: „Ich komme zu dir und hänge mich an den Saum deines Kleides und flehe deine Hilfe gegen meine Feinde an.“ Dieser König gab ihm so viel Geld und Truppen, daß er dachte: Nun habe ich wieder eine große Armee, ich werde gewiß meinen Feind besiegen; er setzte aber nicht hinzu: „Mit Gottes Hilfe“, darum kam ihm auch sein Feind entgegen, trieb ihn abermals in die Flucht, schlug seine Truppen, nahm ihm sein Geld und verfolgte ihn bis ans Meer. Als Bacht Saman übers Meer setzte, fand er eine große Stadt mit einer festen Zitadelle; er fragte, wem diese Stadt gehöre, und man antwortete ihm: „Dem König Chadidan.“ Bacht Saman ging in den Palast des Königs, gab sich für einen Krieger aus und forderte Dienst beim König. Dieser empfing ihn gut und reihte ihn in seine Leibwache ein, doch sehnte sich Bacht Saman stets nach seinem Lande zurück. Einst traf es sich, daß der König Chadidan einen Feind zu bekriegen hatte, da ernannte er Bacht Saman zum Anführer der Truppen. Als sie aber ihre Reihen gebildet hatten, stellte sich der König Chadidan selbst an ihre Spitze mit einer Lanze in der Hand und kämpfte mutig, bis sich der Krieg für ihn entschied und das feindliche Heer beschämt die Flucht ergriff. Als Chadidan siegreich mit den Seinigen zurückkehrte, sagte ihm Bacht Saman: „O Herr, ich wundere mich, wie du, Herr dieser zahlreichen Truppen, doch selbst fechten und dich solcher Gefahr aussetzen mochtest.“ Chadidan antwortete: „Du gibst dich für einen erfahrenen Krieger aus und glaubst, der Sieg hänge von der Zahl der Truppen ab?“ Bacht Saman erwiderte: „Allerdings glaube ich dies.“ Da versetzte Chadidan: „Du irrst in deinem Glauben; wehe dem, der, nicht auf Gott vertraut! Von ihm allein kommt der Sieg. Das Heer ist nur ein Gegenstand der Zierde und dient zur Vermehrung der Ehrfurcht vor dem König. Auch ich glaubte ehemals, der Sieg hänge von der Zahl der Truppen ab; da zog mir einst ein Feind entgegen mit achthundert Mann, ich hatte ihm achthunderttausend Mann entgegen zu stellen und fürchtete ihn daher nicht; aber mein Feind vertraute auf Gott und brachte mir eine harte Niederlage bei. Ich mußte mich in eine Höhle flüchten, wo ich einen Einsiedler traf; ich wandte mich zu diesem und klagte ihm meinen Zustand. Da sagte er: Weißt du, warum du geschlagen worden bist? Ich sagte: Nein. Da versetzte er: Weil du dich auf deine zahlreichen Truppen und nicht auf Gott verlassen hast, während doch er allein dir nützen oder schaden kann; drum wende dich zu Gott und kein Feind wird dir widerstehen.

„Ich ging in mich zurück“, fuhr Chadidan fort, „und bekehrte mich nach der Weisung dieses Einsiedlers. Nach einiger Zeit sagte mir dieser. Geh mit den Truppen, die dir noch geblieben, den Feinden wieder entgegen, und wenn ihr Sinn nicht mehr mit Gott ist, so wirst du sie besiegen, und kämpftest du auch allein gegen sie. Als ich die Worte des Einsiedlers hörte, vertraute ich auf Gott, versammelte die Truppen, die ich noch übrig hatte, und überfiel den Feind plötzlich in der Nacht. Der Feind, der die geringe Anzahl meiner Leute nicht kannte, entfloh auf die schmählichste Weise, und ich wurde durch die Nacht Gottes wieder König in meinem Lande, und nun setze ich im Kriege mein Vertrauen nur auf Gott.“ Als Bacht Saman dies hörte, erwachte er aus seiner Ungewißheit und sagte: „Gepriesen sei der erhabene Gott! Sieh, du hast mir da meine eigene Geschichte erzählt: Ich bin der König Bacht Saman, dem dies alles selbst widerfahren, ich wende mich nun Gottes Pforte zu und bekehre mich zu ihm.“ Bacht Saman ging hierauf ins Gebirge, und betete lange Gott an. Eines Nachts sagte ihm jemand im Traume: „Gott hat deine Buße angenommen, er wird dir gegen deine Feinde beistehend Als Bacht Saman erwachte, machte er sich gegen seine Heimat auf. Da traf er einige Leute aus der Umgebung des Königs, die ihm sagten: „Kehre wieder um, denn wir sehen, daß du hier fremd bist, und dein Leben schwebt in großer Gefahr, weil der König dieses Landes alle Fremden umbringen läßt, aus Furcht vor dem König Bacht Saman.“ „Ich fürchte nur Gott“, versetzte Bacht Saman, „ohne seinen Willen kann euer König mir nichts anhaben.“ - „Aber“, erwiderten sie, „er hat viele Truppen und hält sich für unüberwindlich.“ Bacht Saman ließ sich nicht abschrecken und dachte bei sich: Ich vertraue auf Gott, so Gott will, werde ich ihn besiegen. Er sagte dann zu den Leuten: „Kennt ihr mich nicht?“ Sie antworteten: „Nein, bei Gott!“ Da sagte er ihnen: „Ich bin der König Bacht Saman.“ Als sie dies hörten und ihn wieder erkannten, stiegen sie von ihren Pferden ab und küßten aus Ehrfurcht seine Steigbügel und sagten ihm: „O König, wie magst du dich in solche Gefahr begeben?“ Er antwortete: „Mir ist leicht zumute, denn ich vertraue auf Gottes Schutz, der genügt mir.“ Die Leute sagten ihm hierauf:“Das genügt dir, aber auch wir werden gegen dich verfahren, wie es unsere Pflicht erfordert; laß deinen Mut nicht sinken, du kannst über unser Vermögen und unser Leben verfügen, und da wir dem König am nächsten stehen, so können wir dich mit uns nehmen und im stillen wieder Freunde für dich werben, denn alle Leute sind dir zugetan.“ Sie nahmen dann Bacht Saman in ihre Mitte und führten ihn in die Stadt und verbargen ihn.

Hierauf teilten sie Bacht Samans Rückkehr einigen höheren Beamten mit, welche früher seine Freunde waren. Bald wurde ein geheimer Bund gegen den König beschlossen, dessen Mitglieder den König töteten und Bacht Saman wieder an seine Stelle setzten. Gott gab diesem Glück in allen seinen Unternehmungen, denn er war gerecht gegen seine Untertanen und lebte im Gehorsam Gottes.

„Du siehst, o König“, sagte der Jüngling, „daß, wer einen reinen Sinn hat und auf Gott vertraut, nie zugrunde geht. Auch ich habe keine andere Hilfe zu erwarten, als von Gott, dessen Urteil ich mich gern unterwerfe, weil er meine Unschuld kennt.“ Des Königs Zorn legte sich wieder, und er ließ den Jüngling ins Gefängnis zurückführen.

Am siebenten Tage kam der siebente Vezier, welcher Bihkamal hieß, verbeugte sich vor dem König und sprach: „O König, was nützt dein langes Zaudern mit diesem Jüngling? Man unterhält sich von nichts anderem mehr, als von dir und von ihm; warum läßt du ihn solange nicht umbringend Der König, hierdurch aufs neue gereizt, ließ den Jüngling wieder vor sich führen und sagte ihm: „Wehe dir! Bei Gott, dieses Mal entgehst du mir nicht mehr, du hast meine Ehre verletzt, ich kann dir nie verzeihen.“ Der Jüngling sprach: „O König, nur bei großen Vergehen ist Verzeihung groß; je schwerer das Verbrechen, um so ruhmvoller die Gnade; es ziemt wohl einem mächtigen König, wie du bist, einem Jünglinge meinesgleichen zu verzeihen. Gott, der übrigens meine Unschuld kennt, hat uns geboten, einander zu verzeihen. Wer einem Feinde, den er umbringen könnte, das Leben schenkt', hat dasselbe Verdienst, als hätte er einen Toten wieder belebt; wer sich anderer erbarmt, der findet wieder Erbarmen, wie der König Bihkerd.“ Der König fragte: „Was war denn mit diesem Bihkerd?“ Da erzählte der Jüngling: Geschichte des Königs Bihkerd. Es war einmal ein König, mit Namen Bihkerd, der viel Geld und viele Truppen hatte, aber mit Grausamkeit das kleinste Vergehen bestrafte und niemals verzieh. Einst ging er auf die Jagd und wurde von dem Pfeil eines seiner Jungen am Ohr verletzt. Der König fragte sogleich: „Wer hat diesen Pfeil geschleudert?“ Man brachte den Jungen, welcher Jatru hieß, herbei, und der König gab den Befehl, ihn zu töten. Jatru fiel vor dem König nieder und sagte: „Erlasse mir, o König, die Strafe für eine nicht absichtlich begangene Schuld. Nachsicht ist die schönste Tugend, Großmut kann dem Menschen später selbst zugut kommen und wird ihm gewiß bei Gott als ein reicher Schatz aufbewahrt; darum tu mir nichts zuleid, Gott wird auch jedes Übel von dir abwenden.“ Dem König gefielen diese Worte so sehr, daß er zum erstenmale in seinem Leben verzieh. Er hatte es aber auch nicht zu bereuen, denn Jatru war ein Prinz, der eines Vergehens willen vom Hause entflohen war und bei dem König Bihkerd Dienst genommen hatte. Bald nach diesem Ereignisse wurde er von jemandem erkannt, der seinem Vater Nachricht von ihm gab. Dieser schrieb seinem Sohne einen Brief, in welchem er ihm das Herz leicht machte und ihn zurückzukommen bat. Der Prinz kehrte zu seinem Vater zurück. der ihm freudig entgegenkam und ihn wieder wie zuvor väterlich liebte.

Um diese Zeit setzte sich einmal der König Bihkerd in einen Nachen, um zu fischen; da kam ein Sturm und warf den Nachen um und trieb den König, der sich noch an einem Brette festhielt, an das jenseitige Meeresufer in das Land, wo Jatrus Vater König war. Gegen Abend erreichte er die Tore der Hauptstadt und brachte, da sie schon geschlossen waren, die Nacht auf einem Grabmale zu. Als des Morgens die Leute in die Stadt gingen, sahen sie einen Ermordeten in der Nähe des Grabmals liegen, der in der Nacht erschlagen worden war, und da sie Bihkerd für den Mörder hielten, ergriffen sie ihn und klagten ihn beim König an, worauf ihn der König einsperren ließ. Als Bihkerd im Gefängnis war, dachte er: Das alles widerfährt mir wegen meiner vielen Verbrechen; ich habe viele Leute ungerechterweise töten lassen, nun erhalte ich aber meinen Lohn dafür. Während er aber in solchen Gedanken versunken war, kam ein Vogel und setzte sich auf die Seitenwand des Gefängnisses. Bihkerd, aus großer Leidenschaft für die Jagd, nahm einen Stein und schleuderte ihn nach dem Vogel. Aber der Stein traf den Prinzen, der im Hofe vor dem Gefängnis Ball spielte, und riß ihm das Ohr ab. Sobald man sah, wo der Stein hergekommen war, ergriff man Bihkerd und führte ihn vor den Prinzen.

Bihkerd sollte auf Befehl des Prinzen hingerichtet werden; man warf ihm schon den Turban vom Haupte und wollte ihm die Augen zubinden, da sah der Prinz, daß er nur ein Ohr hatte, und sagte zu ihm: „Wärest du nicht ein schlechter Mensch, so hätte man dir nicht dein Ohr abgeschnittene Bihkerd erwiderte: „Bei Gott, mein Ohr ist mir auf der Jagd abgeschossen worden, und ich habe dem verziehen, der seinen Pfeil gegen mich geschleudert hat.“ Der Prinz sah ihm hierauf ins Gesicht, erkannte ihn und schrie: „Du bist der König Bihkerd, wie bist du hierher gekommen?“ Bihkerd erzählte ihm seine Geschichte, die alle Anwesenden in Erstaunen setzte. Der Prinz küßte und umarmte ihn dann, ließ ihn sitzen und sagte zu seinem Vater: „Das ist der König, der mir verziehen, als ich ihm sein Ohr abgeschossen, darum will ich jetzt auch ihm verzeihend Dann sagte er zu Bihkerd: „Siehst du, wie deine Großmut dir zuletzt zu gut kam?“ Jatru schenkte ihm dann Geld und Kleider und ließ ihn wieder in seine Heimat zurückbringen. „Wisse, o König“, sagte der Jüngling, „daß nichts schöner ist als Vergebung, die Gnade, die du erteilst, häuft sich für dich zu einem kostbaren Schatz an.“

Als der König diese Geschichte hörte, legte sich sein Zorn; er ließ den Jüngling wieder ins Gefängnis zurückführen und sagte: „Wir wollen überlegen bis morgen.“

Am achten Tage versammelten sich alle Veziere und sagten: „Was fangen wir mit diesem Jüngling an, der uns durch seine Reden besiegt? Es ist wohl zu befürchten, daß er sich rette und uns alle stürze.“ Sie gingen darum zum König und sagten, sich vor ihm verbeugend: „O König, hüte dich wohl, dich von der List dieses Jünglings betören zu lassen! Hörtest du, was wir hören, du würdest ihn keinen Tag leben lassen und nimmer länger dich an seine Rede kehren. Sind wir nicht deine Veziere, die für deine Erhaltung sorgen? Wen willst du anhören, wenn du uns zehn Vezieren kein Gehör schenkst? Wir alle bezeugen, daß dieser Jüngling ein Übeltäter ist und daß er mit schlimmer Absicht in dein Gemach gegangen, um dein Heiligtum zu entehren; willst du ihn nicht umbringen, so verbanne ihn wenigstens aus dem Lande, daß das Gerede der Leute aufhöre.“

Die Rede der Veziere brachte den König wieder auf; er ließ den Jüngling rufen, und als er erschien, riefen alle Veziere einstimmig: „Du Schurke, willst du durch List und Betrug dein Leben retten und den König mit deinen Reden hintergehen? Glaubst du, daß man ein so großes Verbrechen, wie das deinige, verzeihen könne?“ Da sagte der König: „Man hole den Scharfrichter, um ihn zu töten!“ Aber die Veziere sprangen einer nach dem anderen hervor, und jeder rief: „Ich will ihn selbst töten!“ Da sagte der Jüngling: „Einsichtsvoller König, beobachte einmal die Leidenschaftlichkeit deiner Veziere und entscheide, ob sie mich beneiden oder nicht; glaube sicher, sie wollen uns nur trennen, aber wie können sie bezeugen, was sie nicht gesehen? Das ist nichts als Neid und Groll. Du wirst sehen, wenn du mich umbringen läßt, so wirst du es bereuen, wie Jlan Schah, der auch so neidische Veziere hatte.“ - „Was war das für eine Geschichte?“ fragte der König. Da erzählte der Jüngling Geschichte Ilan Schahs und Abu Tamams. „O König, einst lebte ein reicher, tugendhafter und verständiger Mann in einem Lande, das ein böser, gewalttätiger König beherrschte. Dieser Mann, welcher Abu Tamam hieß, hatte so viel von der Grausamkeit des Königs zu leiden, daß er endlich den Entschluß faßte, seine Heimat zu verlassen und sich unter den Schutz eines gerechten Regenten zu begeben.

Abu Tamam wählte zu seinem Aufenthaltsorte die Residenz Ilan Schahs, ließ sich dort ein Schloß bauen und all sein Gold dahin bringen. Als der König JIan Schah von ihm hörte, ließ er ihn zu sich laden und sagte ihm: „Ich habe vernommen, daß du dich bei uns niederzulassen wünschest, auch hat man mir deinen Verstand, deine Tugend und Freigebigkeit gerühmt; drum sei willkommen, betrachte dieses Land als das deinige, alles, was du bedarfst, steht zu deinen Befehlen, ich bitte dich nur, in meiner Nähe zu ]eben und in meinem Rate zu sitzen.“ Abu Tamam verbeugte sich vor dem König und sagte: „O König, ich werde dir mit meinem Gut und mit meinem Leben dienen; doch erlaube mir, nicht in deiner Nähe zu leben, denn ich fürchte, der Neid wird mir Feinde zuziehen. „ Abu Tamam beschenkte hierauf den König und war voller Ehrerbietung gegen ihn, und der König entdeckte bald so viele Tugenden an ihm, daß er ihn sehr lieb gewann, und ihm bald die wichtigsten Regierungsangelegenheiten anvertraute. Die drei Veziere, die bisher alles in Händen hatten und Tag und Nacht beim König waren, zogen sich zurück, und Abu Tamam allein genügte dem König.

Aber die Veziere sagten zueinander: „Was beginnen wir jetzt, da der König sich ganz Abu Tamam hingibt und uns beiseite setzt? Laßt uns beraten, wie wir diesen Fremdling am sichersten aus der Nähe des Königs verbannen.“ Jeder machte einen Vorschlag; da sagte einer: „Der König der Türken hat eine Tochter, deren Schönheit weltberühmt ist; wer aber um sie anhält, der wird von ihrem Vater umgebracht. Da nun unser König dieses nicht weiß, so wollen wir zu ihm gehen und ihm so viel von dieser Prinzessin erzählen, bis er für sie eingenommen wird; dann raten wir ihm, Abu Tamam als Gesandten zu ihrem Vater zu schicken; dieser wird Abu Tamam töten lassen, und so schaffen wir uns Ruhe vor ihm.“

Die Veziere gingen eines Tages zum König, als Abu Tamam bei ihm war, und erzählten ihm so viel Schönes von der Prinzessin, daß er sie lieb gewann und sagte: „Wir wollen jemand zu ihrem Vater schicken, der um sie anhalte; wer soll unser Gesandter sein?“ Die Veziere antworteten: „Niemand eignet sich besser zu dieser Unterhandlung, als der kluge und gebildete Abu Tamam.“ Der König sagte: „Ihr habt recht, Abu Tamam paßt am besten dafür.“ Er wandte sich dann zu diesem und fragte ihn, ob er um die türkische Prinzessin für ihn anhalten wolle? Und als er sich dazu bereit erklärte, ließ der König alles, was zur Reise notwendig war, herrichten, und gab ihm viele Geschenke und ein Schreiben an den König von Tarkistan mit. Abu Tamam erreichte glücklich die Hauptstadt Turkistans, und sobald der König von Turkistan seine Ankunft vernahm, schickte er ihm einen Diener entgegen, wies ihm eine ehrenvolle Wohnung an, in welcher man ihn drei Tage lang bewirtete. Am vierten Tage ließ der König Abu Tamam zu sich rufen. Abu Tamam verbeugte sich ehrfurchtsvoll und überreichte dem König die Geschenke und den Brief Ilan Schahs. Als der König den Brief gelesen hatte, sagte er: „Wir wollen sehen; geh einmal zu meiner Tochter und unterhalte dich mit ihr.“ Die Prinzessin, die schon vorher von Abu Tamams Besuch unterrichtet war, hatte ihren Saal mit den schönsten goldenen und silbernen Gefäßen ausgeschmückt, sich auf einen goldenen Thron gesetzt und den schönsten königlichen Schmuck angezogen.

Als Abu Tamam in ihr Zimmer trat, dachte er bei sich selbst: die Weisen haben gesagt: Wer seinen Blick niederschlägt, den trifft nichts Böses; wer seine Hand zurückzieht, dem wird sie nicht abgenommen; und wer seine Zunge bewahrt, hat nichts Schlimmes zu befürchten. Er blieb daher ruhig auf dem Boden sitzen und hob kein Auge auf. Da sagte die Prinzessin: „O Abu Tamam, hebe doch deinen Kopf in die Höhe, sieh mich an und sprich mit mir!“ Er sprach aber kein Wort und hob seinen Kopf nicht auf. Sie sagte dann: „Hat man dich nicht hierher gesandt, um mich zu sehen und mit mir zu sprechen?“ Aber Tamam gab keinen Laut von sich. Sie sagte ihm dann: „Greife nach diesen Perlen und Edelsteinen, nach diesem Gold und Silber, das um dich herliegt!“ Aber Abu Tamam rührte seine Hand nicht. Als die Prinzessin dies sah, sagte sie: „Man hat mir einen blinden, tauben, einfältigen Gesandten geschickte Sie entließ Abu Tamam und meldete es ihrem Vater. Dieser ließ Abu Tamam wieder zu sich rufen und sagte ihm: „Warum hast du meine Tochter nicht angesehen, da du doch nur um ihretwillen gekommen bist?“ Er antwortete: „Ich habe sie zur Genüge gesehen.“ Der König fragte dann wieder: „Warum hast du nichts von den Edelsteinen und anderen Kostbarkeiten genommen, die du gesehen?“ Er antwortete: „Es ziemt mir nicht, nach Dingen zu greifen, die nicht mir gehören.“ Als der König dies hörte, gewann er ihn sehr lieb, schenkte ihm ein kostbares Kleid und sagte ihm: „Komm und sieh einmal in diesen Brunnen.“ Abu Tamam sah einen Brunnen ganz voll mit Menschenköpfen. Da sagte ihm der König: „Das sind die Köpfe der Gesandten, die ich, weil sie keine Bildung besaßen, umbringen ließ: Ich dachte, wenn der Gesandte so ungebildet ist, so muß der, welcher ihn sendet, noch ungebildeter sein, denn der Gesandte ist gleichsam die Zunge dessen, der ihn absendet, und gleicht ihm an Bildung, und den mag ich nicht als Schwiegersohn. Du aber hast durch deine Bescheidenheit unser Herz gewonnen, darum soll auch dein Herr meine Tochter haben.“

Abu Tamam erhielt vom König der Türken viele Geschenke und ein Schreiben an Man Schah, in welchem er ihm die Hand der Prinzessin aus Rücksicht für ihn und seinen Gesandten zusagte. Ilan Schah war außer sich vor Freude, als Abu Tamam zurückkehrte und ihm die Geschenke und den Brief des Königs der Türken überreichte, denen er bald seine schöne Prinzessin nachfolgen ließ. Diese fand Ilan Schah über alle Erwartung reizend, und er achtete und liebte Abu Tamam noch mehr als früher. Dies vermehrte aber den Neid und den Zorn der Veziere, die untereinander sagten: „Wenn wir nicht eine andere List gegen Abu Tamam ersinnen, so sterben wir vor Ärger.“ Nach einer langen Beratung gingen sie zu zwei Jungen, die, immer um den König waren und während seines Schlafes ihm zu Häupten standen, schenkten jedem von ihnen tausend Dinare und sagten: „Nehmet dieses Geld für euch und leistet uns einen Dienst dafür.“ Die Jungen fragten: „Was ist euer Begehren?“ - „Dieser Abu Tamam“, antworteten die Veziere, „hat uns von unserm Amte verdrängt, und geht das noch lange so fort, wird er uns ganz aus der Nähe des Königs verstoßen. Wir wünschen daher, daß, wenn der König sich niederlegt, einer von euch dem anderen sage: Der König hat sich Abu Tamam ganz hingegeben, und der Verdammte meint es doch schlecht mit ihm. Der andere frage dann: Und worin besteht seine Schlechtigkeit? Darauf erwidere der erste: Er schändet die Ehre des Königs, indem er überall erzählt, der König von Turkistan habe alle Gesandten, die bei ihm um seine Tochter anhielten, umbringen lassen, und nur ihm das Leben geschenkt, weil seine Tochter ihn liebte, und darum habe sie auch eingewilligt, dem König Ilan Schah ihre Hand zu geben. Der eine frage dann wieder: Weißt du das gewiß? Und der andere antworte: Bei Gott, das ist jedem bekannt, nur fürchtet man sich, dem König so etwas zu sagen: Weißt du nicht, daß, so oft der König auf die Jagd geht oder eine Reise macht, Abu Tamam die Königin besucht und allein bei ihr bleibt?“ Die Jungen versprachen den Vezieren ihren Beistand, und eines Nachts, als der König sich zur Ruhe begab, aber noch nicht eingeschlafen war, sagten sie, was die Veziere sie gelehrt hatten. Der König dachte, als er ihr Gespräch hörte: Diese Knaben haben gewiß keine schlimme Absicht; wenn sie das nicht von jemanden gehört hätten, so würden sie es nicht sagen. Er geriet daher in so heftigen Zorn, daß er gleich am folgenden Morgen Abu Tamam rufen ließ und ihm, als er allein bei ihm war, sagte: „Was verdient ein Mann, der die Ehre seines Herrn schändet?“ Abu Tamam antwortete: „Der verdient, daß auch die seinige nicht geschont werde.“ Dann fragte der König wieder: „Und was verdient der, welcher in den Palast des Königs kommt und treulos gegen ihn handelt?“ Abu Tamam antwortete: „Er verdient nicht, länger zu leben.“

Der König spie Abu Tamam ins Gesicht und sagte: „Du hast beides getan“, stieß ihm einen Dolch in den Leib und ließ ihn in einen Brunnen werfen, der im königlichen Palast war. Nachdem er ihn aber getötet hatte, fühlte er schwere Reue, wurde sehr traurig und mißvergnügt, und wenn ihn jemand nach der Ursache seiner Verstimmung fragte, schwieg er, und aus Liebe zu seiner Gattin sagte er auch ihr den wahren Grund nicht. Die Veziere aber freuten sich sehr über den Tod Abu Tamams und dachten wohl, daß des Königs Trauer aus seiner Reue entspringe. Der König belauschte nun häufig in der Nacht seine Jungen, um zu hören, was sie ferner von seiner Gattin sagen würden. Als er eines Nachts heimlich vor der Türe ihres Zimmers stand, da sah er, wie sie viel Gold vor sich hinlegten, damit spielten, und einer von ihnen sagte: „Wehe uns, was nutzt uns dieses Gold? Wir verraten uns doch, wenn wir etwas dafür kaufen, es hat uns nur zu einem Verbrechen geführt, denn wir sind die Mörder Abu Tamams.“ Darauf versetzte der andere: „Hätten wir gewußt, daß ihn der König so schnell umbringen lassen würde, so wäre keine solche Anklage unsern Lippen entschlüpft.“

Als der König dies hörte, verlor er seine Fassung, stürzte auf sie los und sagte: „Wehe euch, was habt ihr getan? Erzählt mir!“ Sie riefen: „O König, Gnade!“ Der König sagte: „Gott und ich, wir begnadigen euch, wenn ihr mir die Wahrheit gesteht.“ Da verbeugten sie sich vor ihm und sagten: „Bei Gott, o König, die Veziere haben uns dieses Geld gegeben und uns gebeten, wir möchten Abu Tamam verleumden, damit du ihn tötest; alles, was wir gesagt haben, ist uns von den Vezieren eingegeben worden.“ Als der König dies hörte, riß er sich fast den Bart aus und biß sich fast die Finger ab, aus Reue über seine Übereilung.

Ilan Schah ließ dann die Veziere kommen und sagte ihnen: „Ihr gottlosen Veziere! Glaubtet ihr, Gott wurde eure Schandtat nicht sehen? Nun soll das Unglück euch treffen. Wißt ihr nicht, daß, wer seinem Nächsten eine Grube gräbt, selbst hineinstürzt? Ihr sollt von mir die Strafe dieser Welt erhalten, und morgen wird euch Gott noch in jener Welt verdammen. Er ließ ihnen dann vor seinen Augen den Kopf abschlagen, ging zu seiner Gattin und klagte sich selbst des Unrechts an, das er gegen Abu Tamam begangen. Die Königin und der ganze Hof trauerten um Abu Tamam, den der König aus dem Brunnen holen und dem er im Palast ein Grabmal errichten ließ.

„Du siehst, o glückseliger König“, sagte der Jüngling, „was Neid und Bosheit vermag, und wie Gott die List der Veziere zu ihrem eigenen Unheil enden ließ; ich hoffe, daß Gott mir auch über die, welche mein Ansehen beim König beneiden, den Sieg verschaffen und dem König die Wahrheit offenbaren wird. Ich fürchte gar nicht für mein Leben, sondern nur für die Reue des Königs, wenn er sich von meiner Unschuld zu spät überzeugt haben wird, ich würde schweigen, wenn ich mir einer Schuld bewußt wäre.“ Diese Worte machten einen tiefen Eindruck auf den König; er beugte den Kopf eine Weile zur Erde und ließ den Jüngling wieder ins Gefängnis zurückführen.

Am neunten Tage sagten die Veziere zueinander: „Der Jüngling macht uns viel zu schaffen, sooft der König ihn umbringen lassen will, bezwingt er ihn mit einer Erzählung; was fangen wir an, um ihn endlich einmal aus dem Wege zu räumen?“ Endlich kamen sie überein, sie wollten sich an die Königin wenden. Sie gingen zu ihr und sagten: „Du weißt nicht, in welcher Lage du bist, dein Einschließen nützt dir nichts; der König ißt und trinkt, und geht, wie immer, seinem Vergnügen nach und vergißt ganz, daß die Leute deine Liebe zu diesem Jünglinge in Liedern mit Musikbegleitung zum Gegenstande ihres Spottes machen. So lange der beim Leben bleibt, wird das Gerede nicht aufhören, sondern immer zunehmen.“ Die Königin erwiderte: „Bei Gott, ihr habt meinen Zorn gegen ihn erregt; aber was soll ich tun?“ - „Geh zum König“, versetzten die Veziere, „weine vor ihm und sage: Die Frauen kommen zu mir und erzählen mir, wie man in der ganzen Stadt von mir spricht; was hast du davon, diesen Jüngling leben zu lassen? Willst du ihn nicht töten, so töte mich, damit einmal das Gerede aufhöre!“ Die Königin machte sich auf, zerriß ihre Kleider und ging zum König. Als die Veziere zugegen waren, warf sie sich vor ihm hin und sagte: „O König, fürchtest du die Schande nicht? Es ziemt Königen gar nicht, so wenig eifersüchtig gegen ihre Frauen zu sein. Du kümmerst dich um nichts, und die ganze Stadt, Männer und Frauen, machen sich über uns lustig. Entweder töte den Jüngling, daß das Gerede aufhöre, oder wenn du dich dazu nicht entschließen kannst, so töte mich!“ Der König geriet in heftigen Zorn und sagte: „Ich sehe, daß es keine Ruhe gibt, wenn ich ihn leben lasse; ich will ihn heute umbringen, geh nur in dein Gemach und sei zufrieden.“ Er ließ dann den Jüngling rufen, und als er erschien, riefen ihm die Veziere zu: „Wehe dir, dein Tod ist nahe, die Erde sehnt sich danach, deinen Leib zu verzehren.“ Der Jüngling aber entgegnete: „Der Tod ist nicht in euren Worten und nicht in eurem Neid, er ist ein auf der Stirne geschriebenes Urteil; steht er auf meiner Stirne, so wird er eintreffen, da hilft keine Vorsicht und kein Bemühen, wie es uns die Geschichte des Königs Ibrahim und seines Sohnes lehrt.“ - „Was war das für eine Geschichte?“ fragte der König. Da erzählte der Jüngling: Geschichte des Königs Ibrahim und seines Sohnes. O König, es war einmal ein Sultan, welcher Ibrahim hieß, und dem andere Könige untertan waren. Er war aber doch betrübt, denn er hatte keinen Sohn und fürchtete, sein Reich möchte an einen Fremden übergehen. Er kaufte stets neue Sklavinnen, bis ihm endlich ein Sohn geboren wurde, worüber er sich so sehr freute, daß er einen jeden, der ihn zu beglückwünschen kam, reichlich beschenkte. Als aber die Sterndeuter ihre Berechnungen machten, um den Stern des Prinzen zu finden, fuhren sie zusammen und wurden ganz blaß. Da sagte ihnen der König: „Ihr habt nichts zu fürchten, offenbart mir nur die Wahrheit, wie sie sich auch gestalten mag.“ Sie erwiderten: „Wir haben gesehen, daß er im siebenten Jahre in Gefahr sein wird, von einem Löwen zerrissen zu werden; entgeht er dieser Gefahr aber, so wird noch etwas Schlimmeres eintreffend - „Was denn?“ fragte der König. Sie antworteten: „Wir werden es nicht sagen, bis uns der König es befiehlt und uns nochmals verbürgt, daß wir nichts zu fürchten haben.“ Als der König darauf bestand, alles wissen zu wollen, fuhren sie fort: „Wenn er dem Löwen entkommt, wird der König durch ihn ums Leben kommen.“

Der König erblaßte und erschrak einen Augenblick, dann dachte er: Ich werde schon dafür sorgen, daß weder ein Löwe meinen Sohn zerreiße, noch er mich umbringe; die Sterndeuter lügen immer. Indessen konnte er sich doch die Worte der Sterndeuter nicht ganz aus dem Kopfe schlagen, und führte ein trübes Leben. Er ließ aus Vorsicht in einem Berge eine große Höhle mit vielen Gemächern graben, füllte sie mit allen nötigen Speisen und Kleidern und anderen Gegenständen, leitete Wasser vom Berge hinunter, und ließ den Prinzen mit seiner Amme dahin bringen. Jeden Monat ging der König mit einem Seile zur Höhle und zog seinen Sohn daran herauf, küßte und drückte ihn und spielte eine Weile mit ihm, dann ließ er ihn wieder hinunter und beschloß, so fortzufahren, bis die sieben Jahre vorüber sein würden, Als aber die Zeit kam, in welcher das Urteil auf der Stirne geschrieben stand - es fehlten nur noch zehn Tage zu den sieben Jahren - da führte die Bestimmung Jäger auf diesen Berg, die einen Löwen verfolgten, welcher, als er sich von allen Seiten umringt sah, in die Höhle sprang. Sobald die Amme den Löwen sah, entfloh sie in ein Nebenzimmer; der Löwe ging auf den Prinzen los und verwundete ihn an der Schulter, lief dann ins Zimmer, wo die Amme war, und zerriß sie, den Prinzen aber ließ er ohnmächtig liegen. Als die Jäger den Löwen in der Höhle wußten, stellten sie sich an die Öffnung derselben; da hörten sie das Geschrei der Amme und des Prinzen, nach einer Weile aber war alles still, so daß sie dachten: Der Löwe hat sie getötet. Sie blieben aber doch vor der Höhle stehen, und sooft der Uwe hinaufklettern wollte, warfen sie mit Steinen nach ihm, bis sie ihn zu Boden sinken sahen; dann stieg einer hinunter und tötete ihn. Da fand der Jäger den verwundeten Prinzen, und im Nebenzimmer die tote Amme, an der sich der Löwe schon satt gegessen hatte. Er sah auch die verschiedenen Vorräte, die in der Höhle waren, benachrichtigte seine Gefährten davon und reichte sie ihnen hinauf; zuletzt nahm er auch den Prinzen aus der Höhle und trug ihn in sein Haus, pflegte seine Wunde und behielt ihn bei sich, denn er wußte nicht, wem er angehörte. Auch konnte der Prinz auf seine Fragen nicht antworten, weil er noch ganz klein war, als er in die Höhle getragen wurde. Der Jäger gewann bald den Prinzen sehr lieb und nahm ihn als sein Kind an, führte ihn mit sich auf die Jagd und lehrte ihn reiten. Der Prinz war in seinem zwölften Jahre schon ein wackerer Jäger; übte aber dabei auch Straßenraub. Einst schloß er sich einer Räuberbande an, die in der Nacht eine bewaffnete Karawane überfiel. Es wurde lange gekämpft, aber die Karawane siegte endlich und erschlug viele Räuber, und auch der Prinz fiel verwundet zu Boden. Als er des Morgens die Augen öffnete und alle seine Kameraden tot fand, wollte er sich aufmachen und entfliehen. Da begegnete ihm ein Mann, der einen Schatz suchte und frage ihn: wohin er wolle? Als ihm der Prinz erzählte, was ihm widerfahren, sagte der Mann: „Sei nur zufrieden, dein Glücksstern ist aufgegangen, Gott bringt dir Hilfe durch mich; ich habe einen reichen Schatz, komm mit und hilf mir, ich will dir so viel Geld geben, daß du dein ganzes Leben genug daran haben sollst. „ Er nahm ihn dann mit in sein Haus und pflegte seine Wunde, bis er ganz hergestellt war.

Sobald der Prinz genesen war, ließ der Mann zwei Kamele mit allerlei Proviant beladen, und machte sich mit dem Prinzen auf den Weg, bis sie an einen hohen Berg kamen. Da zog der Mann ein Buch hervor und las darin; grub dann ungefähr fünf Schuh tief in den Berg, bis er auf einen großen Stein stieß; diesen hob er weg, und es zeigte sich die Öffnung einer Höhle. Er wartete ein wenig, bis der Dunst herausgestiegen war, dann band er dem Prinzen einen Strick um die Hüften und ließ ihn hinunter mit einer brennenden Kerze in der Hand. Als der Prinz in der Höhle war, ließ der Mann einen Korb mit einem Strick hinunter, der Prinz füllte ihn mit Gold, und der Alte zog ihn hinauf, leerte ihn, reichte ihn dann dem Prinzen wieder, bis er genug hatte und die Lasttiere beladen waren. Als aber dann der Prinz wieder einen Strick erwartete, um daran heraufgezogen zu werden, legte der Mann einen großen Stein vor die Öffnung der Höhle und ging fort. Der Prinz wußte nicht, was er anfangen sollte, und dachte: Was ist das für ein bitterer Tod; ich bin der ersten Grube und den Dieben entronnen, nun muß ich hier den Hungertod erwarten.

Während er so verzweifelt dastand, hörte er das Rauschen eines Wassers; er ging dem Geräusche nach, und je näher er der einen Ecke der Höhle kam, um so stärker wurde das Rauschen des Wassers; da dachte er: Hier fließt ein mächtiger Strom, sterben muß ich doch hier, ob morgen oder heute, ich will mich lieber in dies Wasser stürzen, als in der Höhle vor Hunger umkommen. Er warf sich hierauf ins Wasser und es trug ihn unter der Erde fort in ein tiefes Tal, wo es als ein großer Strom aus der Erde entspringt, und der Prinz befand sich wieder auf der Oberfläche der Erde.

Der Prinz schwamm ans Ufer, dankte Gott für seine Rettung und ging in diesem Tale vor sich hin, bis er in ein Städtchen kam, das unter seines Vaters Botmäßigkeit stand. Mit Erstaunen hörten die Bewohner dieses Städtchens, auf welchem wunderbaren Wege ein Fremder bei ihnen angelangt. Ein jeder begab sich zu ihm und ließ sich von ihm erzählen und bot ihm sein Haus an, so daß der Prinz gern in diesem Städtchen wohnen blieb.

Das ist's, was den Prinzen angeht; was aber seinen Vater betrifft, so war dieser, wie gewöhnlich, nach einem Monate wieder zur Höhle gereist; als er aber die Amme rief und keine Antwort erhielt, ließ er einen Mann hinunter, und dieser berichtete dem König, wie es in der Höhle aussah. Der König schlug sich ins Gesicht, weinte heftig und ging selbst in die Höhle, um alles zu sehen; und als er die Amme zerrissen neben einem toten Löwen fand, seinen Sohn aber nirgends sah, ging er wieder nach Hause und sagte den Sterndeutern, sie haben ihm die Wahrheit prophezeit: „Und nun ist dein Leben außer Gefahr; denn wäre er dem Löwen entronnen, so müßtest du, bei Gott, durch ihn umkommen.“ Der König tröstete sich hierdurch, und dachte bald nicht mehr an seinen Sohn. Als aber Gott seinen unwiderruflichen Befehl vollzogen haben wollte, ging der Prinz, der in jenem Städtchen geblieben war, auf Straßenraub aus, und machte mit seiner Bande die Straßen so unsicher, daß man den Schutz des Königs gegen ihn anrief. Der König zog mit seinen Truppen aus und umzingelte die Räuber. Aber diese verteidigten sich, und der Prinz schoß einen Pfeil auf den König ab, der ihn tödlich verwundete. Indessen wurde doch der Prinz mit seiner ganzen Bande gefangen und vor den König geführt. Als man diesen fragte, wie man mit den Räubern verfahren solle, antwortete er: „Ich bin jetzt zu leidend, um ein Urteil zu fällen, ruft mir die Sterndeuter!“ Als sie erschienen, sagte ihnen der König: „Ihr habt mir prophezeit, ich werde durch meinen Sohn umkommen; wie kommt's, daß ich nun auf diese Weise sterbe?“ Sie antworteten: „Unsere von Gott uns eingegebene Wissenschaft trügt nicht; wer weiß, ob nicht dein eigener Sohn dich verwundet hat?“ Als der König dies hörte, ließ er die Räuber vor sich kommen und sagte ihnen: „Gestehet mir die Wahrheit; wer von euch hat den Pfeil abgeschossen, der mich getroffen hat?“ Sie antworteten: „Dieser Junge da“, und deuteten auf den Prinzen, Der König sagte diesem: „Erzähle mir, wer du bist und wer dein Vater war, ich begnadige dann dich und alle deine Kameraden.“ Der Prinz antwortete: „Mein Herr, ich kenne meinen Vater nicht, ich weiß nur, daß er mich in eine Höhle mit einer Amme gesperrt hat; eines Tages fiel ein Löwe über uns her, verwundete mich an der Schulter und zerriß die Amme. Gott schickte mir aber jemanden, der mich aus der Höhle befreite und als Jäger und Räuber erzog.“ Um den König von der Wahrheit seiner Aussage zu überzeugen. entblößte der Prinz seine Schulter, an der noch der Biß des Löwen zu sehen war.

Der König ließ seine Freunde, die Sterndeuter und alle seine Offiziere zusammenkommen und sagte ihnen: „Wisset, daß, was Gott einem auf die Stirn geschrieben, es sei ein Glück oder Unglück, das von niemandem geändert werden kann; alle mein Vorsicht war vergebens, dieser Jüngling hier ist mein Sohn; er mußte erleiden, was für ihn bestimmt, und auch mich traf, was über mich verhängt war. Ich danke Gott, daß ich durch meinen Sohn und nicht durch einen Fremden falle, und daß mein Reich in die Hand meines Sohnes übergeht.“ Er drückte dann seinen Sohn an sich, umarmte und küßte ihn und sagte: „Mein Sohn, ich habe dich aus Vorsicht gegen die Bestimmung in jene Höhle gebracht, aber meine Vorsicht war vergebens.“ Er nahm dann seine Krone und setzte sie ihm auf den Kopf, und alle Anwesenden huldigten dem Prinzen. Dann empfahl ihm der König, gerecht gegen seine Untertanen zu sein, und starb noch in derselben Nacht.

„So weiß auch ich“, sagte der Jüngling zum König, „daß, was Gott auf meine Stirne geschrieben hat, eintreffen muß, und alle meine Worte vermögen nichts dagegen; will aber Gott mich retten, so verschafft er mir den Sieg gegen die Veziere, wenn sie sich noch so viele Mühe geben, mich zu verderbend Als der König dies hörte. blieb er wieder unentschlossen und ließ den Jüngling abermals ins Gefängnis zurückbringen.

Am zehnten Tage, welcher der Festtag war, an dem alle Leute dem König ihre Glückwünsche darbrachten, gingen die Veziere zu einigen Häuptern der Stadt und sagten ihnen: „Wenn ihr heute dem König eure Aufwartung machet, so sagt ihm: O König, du hast einen lobenswerten Lebenswandel und bist gerecht gegen alle deine Untertanen, aber warum läßt du den verworfenen Jüngling leben, der nach so vielen empfangenen Wohltaten doch so häßlich und seinem Ursprung gemäß gehandelt hat? Wie lange willst du noch wegen seiner listigen Reden ihn in deinem Palast eingesperrt lassen? Du weißt nicht, was die Leute sagen; wir bitten dich, bringe ihn um und schaffe dir Ruhe vor ihm.“ Die Häupter der Stadt versprachen den Vezieren ihren Beistand und gingen mit den übrigen Leuten zum König, verbeugten sich vor ihm und gratulierten ihm. Während aber alle Leute gleich nach dem Gruße weggingen, blieben diese sitzen. Als der König merkte, daß sie ihm etwas mitzuteilen hatten, sagte er ihnen in Gegenwart der Veziere: „Tragt mir eure Angelegenheit vor.“ Da sprachen sie, wie es die Veziere gewünscht hatten, und die Veziere unterstützten noch ihre Worte: Aber der König antwortete: „Ich zweifle nicht, daß ihr mir diesen Rat aus Liebe zu mir erteilet, doch wißt ihr, daß, wenn ich wollte, ich mächtig genug wäre, um die Hälfte meines Volks hinrichten zu lassen, um wieviel mehr einen jungen Mann, der in einem Gefängnis schmachtet und ein Verbrechen begangen hat, das den Tod verdient. Ich verschiebe nur seinen Tod, weil ich stärkere Beweise seiner Schuld haben möchte, um mein Gewissen zu beruhigen und das Vertrauen meiner Untertanen zu erhalten; wenn ich ihn auch heute verschone, so entgeht mir sein Tod doch morgen nicht.“ Er ließ den Jüngling wieder rufen und sagte ihm: „Wehe dir! Wie lange werden mich die Leute noch um deinetwillen tadeln? Sogar die Häupter der Stadt machen mir Vorwürfe, daß ich dich so lange leben lasse, drum will ich heute dein Blut vergießen, um dem Gerede ein Ende zu machen.“ Der Jüngling sagte: „O König, bei Gott! Wenn die Leute in der Stadt von mir sprechen, so sind nur die bösen Veziere daran schuld, welche ihnen abscheuliche Dinge aus dem königlichen Palast erzählen; Gott wird ihre List gegen sie selbst wenden. Was aber deine Drohung, mich zu töten, angeht, so stehe ich ja in deiner Macht, du brauchst meinen Tod gar nicht so zu Herzen zu nehmen; ich bin ja wie der Spatz in der Hand eines Jägers, den er nach Willen schlachten oder freilassen kann; das Verschieben meines Todes geschieht aber nicht durch dich, sondern durch den, der über mein Leben gebietet; wollte Gott meinen Tod, es stünde nicht in deiner Macht, ihn nur um eine Stunde zu verspäten. Der Mensch kann kein Unheil, das ihm bestimmt ist, von sich abwenden; so nützten auch dem Sohne des Königs Suleiman Schah alle seine Anschläge nichts gegen das Kind, das Gott erhalten wollte, bis es seine bestimmte Lebenszeit erreicht hatte.“ Der König sagte: „Wehe dir, wie mächtig ist deine List! Erzähle mir diese Geschichte noch!“ Da sprach der Jüngling: Geschichte des Schah Suleiman, seiner Söhne und Nichte und ihrer Kinder. Einst lebte ein verständiger, tugendhafter König, der Suleiman Schah hieß. Er hatte eine Nichte bei sich, Tochter eines früh verstorbenen Bruders, die er sehr sorgsam erziehen ließ, denn sie hatte viel Verstand und andere gute Eigenschaften und war auch von ausgezeichneter Schönheit. Suleiman Schah hatte schon in Gedanken seine Nichte einem seiner Söhne bestimmt, aber der andere hatte sich auch vorgenommen, sie zur Frau zu nehmen. Der älteste hieß Bahlawan, der jüngere Malik Schah und die Nichte Schah Chatun. Eines Tages besuchte der König seine Nichte, küßte ihr Haupt und sagte ihr: „Ich habe deinen seligen Vater so sehr geliebt, daß du mir teurer als ein eigenes Kind bist; ich will dich nun mit einem meiner Söhne vermählen und ihn dann zu meinem Thronerben einsetzen; du kennst beide Söhne, du bist ja mit ihnen erzogen worden, wähle also einen davon!“ Schah Chatun stand auf, küßte dem König die Hand und sagte: „O mein Herr! Ich bin deine Sklavin, du bist mein Gebieter; tu was du willst, dein Wille steht höher als der meinige, und wenn es dir lieb ist, so bleibe ich am liebsten mein ganzes Leben bei dir, um dich zu bedienen.“ Der König war sehr zufrieden mit dieser Antwort seiner Nichte, machte ihr kostbare Geschenke, bestimmte seinen jüngeren Sohn, den er zärtlicher als den älteren liebte, zu ihrem Gatten, und ernannte ihn auch zu seinem Thronerben und ließ ihm huldigen. Als Bahlawan hörte, daß sein jüngerer Bruder ihm vorgezogen worden, fühlte er sich so sehr gekränkt, daß er ganz von Neid und Groll erfüllt wurde; doch verbarg er sorgfältig den Haß, den er deshalb seinem Bruder nachtrug. Als aber Schah Chatun nach einem Jahre einen Sohn wie der leuchtende Mond gebar, kannte der Neid und die Eifersucht Bahlawans keine Grenzen mehr. Eines Nachts kam er in den Palast seines Vaters und ging am Zimmer seines Bruders vorüber: Da sah er die Amme vor der Türe schlafen und vor ihr war das Bett, auf dem der Kleine lag; er blieb dabei stehen und bewunderte das strahlende Gesicht seines Neffen; da spiegelte ihm Satan den Gedanken vor: Warum gehört das Kind nicht mir? Mir gebührte doch seine Mutter und die Krone eher, als meinem Bruder. Dieser Gedanke brachte ihn so sehr auf, daß er ein Messer aus der Tasche zog und dem Kinde in den Hals schnitt, bis er es tot glaubte. Er ging dann ins Schlafzimmer seines Bruders und sah ihn an der Seite seiner Frau schlafen; da dachte er zuerst daran, auch sie zu töten, dann sagte er aber zu sich selbst: Wenn ich ihn töte, so gehört seine Frau mir; er stürzte auf ihn los, schnitt ihm den Hals ab und lief in Verzweiflung nach dem Zimmer seines Vaters, um auch ihn zu töten; da er aber nicht zu ihm gelangen konnte, verließ er den Palast und verbarg sich in der Stadt bis am folgenden Tage; dann flüchtete er sich auf eines der Schlösser seines Vaters und befestigte es. Als die Amme am folgenden Morgen das Kind stillen wollte, und es im Blute schwimmend fand, schrie sie, daß alle Leute im Schlosse erwachten. Der König selbst lief zu ihr und fiel in Ohnmacht, als er seinen Sohn und sein Enkelchen getötet sah. Als man indessen das Kind näher, untersuchte, fand man die Kehle noch unverletzt; auch gab es bald wieder Lebenszeichen von sich und man konnte die Wunde zunähen.

Sobald der König wieder zu sich kam, fragte er nach seinem Sohne Bahlawan, und als er hörte, Bahlawan sei entflohen, zweifelte er nicht mehr, daß sein eigener Sohn dieses Verbrechen begangen, und dies vermehrte noch die Bestürzung des Königs und des ganzen Hofs. Der König besorgte dann das Leichengewand seines Sohnes, ließ ihn ehrenvoll bestatten und große Trauer halten, seinen Enkel aber ließ er bei sich erziehen, gewann ihn immer lieber, und sein einziger Wunsch war, Gott möge ihn erhalten und einst an Stelle seines Vaters auf den Thron setzen; auch alle Bewohner der Hauptstadt waren für dieses Kind, das, wie sein Vater, Malik Schah hieß, eingenommen und hofften, es werde einst in die Fußstapfen seines Vaters und Großvaters treten. Bahlawan, der inzwischen sich in seiner Festung immer mehr verstärkt hatte, blieb nichts mehr übrig als seinen Vater zu bekriegen. Er wendete sich deshalb an den griechischen Kaiser und bat ihn um Hilfe gegen seinen Vater. Der Kaiser war ihm gewogen und schickte ihm viele Truppen. Als aber sein Vater dies hörte, schrieb er dem Kaiser: „Erhabener und mächtiger Sultan! Stehe doch einem Übeltäter nicht bei: Bahlawan ist mein Sohn, und hat nach vielen anderen Schandtaten noch seinen Bruder und seinen Neffen in der Wiege ermordeten, und sagte ihm nichts davon, daß das Kind noch am Leben war. Als der Kaiser dieses Schreiben erhielt, ließ er Suleiman Schah sagen: „Wenn du willst, o König! So schneide ich Bahlawan den Kopf ab und schicke ihn dir.“ Suleiman Schah antwortete ihm aber: „Ich will den Tod meines Sohnes nicht, seine Strafe wird ihn schon treffen, wenn nicht heute, so morgen.“ Hierauf fand ein Briefwechsel zwischen beiden statt und sie beschenkten sich gegenseitig. Bald nachher wurde dem Kaiser Schah Chatun so reizend geschildert, daß er bei ihrem Onkel um sie anhalten ließ. Da dieser dem Kaiser nichts verweigern konnte, ging er zu seiner Nichte und sagte ihr: „O meine Tochter! Der Kaiser von Griechenland läßt um dich anhalten, was soll ich ihm antwortend Sie sagte weinend: „O König, wie hast du das Herz, mir so etwas anzufragen? Wie soll ich nach meinem Vetter einen anderen Mann heiraten?“ Aber Suleiman Schah versetzte: „Meine Tochter, es ist freilich, wie du sagst; doch wir müssen an die Zukunft denken; ich bin ein alter Mann und sehe meinen Tod sehr nahe; ich fürchte für dich und für dein Kind, von dem der Kaiser glaubt, Bahlawan habe es ermordet. Da nun der Kaiser um dich anhält, so können wir ihm keine abschlägige Antwort geben, denn wir müssen uns durch ihn eine feste Stütze schaffen.“ Da Schah Chatun kein Wort mehr entgegnete, schrieb Suleiman Schah dem Kaiser, er sei bereit, ihm zu gehorchen, und schickte ihm bald nachher seine Nichte. Der Kaiser fand sie über alle Beschreibung schön, liebte sie sehr und erhob sie über alle seine Frauen. Schah Chatuns Herz hing aber immer an ihrem Sohne, doch konnte sie dem Kaiser nichts davon sagen.

Malik Schah wurde indessen von seinem Großvater mit vieler Zärtlichkeit behandelt und in einem Alter von zehn Jahren von ihm zum Thronerben ernannt. Als aber bald darauf Suleiman Schah starb, verschwor sich Bahlawan mit einem Teile der Truppen, die ihn heimlich in die Residenz brachten und ihm als rechtmäßigen König huldigten; doch sagten sie ihm: „Wir geben dir den Thron, du darfst aber deinen Neffen nicht töten, denn er ist uns von seinem Vater und Großvater anvertraut worden.“ Bahlawan willigte ein und ließ seinen Neffen in ein unterirdisches Gewölbe sperren. Als Schah Chatun davon Nachricht erhielt, war sie sehr bestürzt, doch mußte sie ihres Onkels willen schweigen und sich in den Willen Gottes ergeben.

Bahlawan blieb also unangefochten im Besitze seiner geraubten Herrschaft, und Malik Schah schmachtete vier Jahre im Gefängnis, so daß er ganz entstellt wurde. Als ihn aber Gott (gepriesen sei er!) aus dem Gefängnis befreien wollte, sagten einige gute Veziere zu Bahlawan, in Anwesenheit aller Großen des Reichs: „O König! Gott hat dir deinen Willen erfüllt, du regierst in Ruhe an deines Vaters Stelle, bedenke nun, was hat dein Neffe verbrechen, daß er, seitdem er die Welt erblickt hat, aller Freude beraubt bleibt? Durch welche Schuld hat er so viele Qual verdient? Andere waren schuldig, und die hat Gott in deine Gewalt gegeben, aber dieses arme Kind ist unschuldige Bahlawan erwiderte: „Ihr habt recht, aber ich fürchte, er möchte etwas gegen mich unternehmen, denn ich weiß, daß viele Leute ihm gewogen sind.“ Die Veziere versetzten: „O König! Was kann der schwache Junge tun? Welche Macht hat er? Übrigens, wenn du ihn hier fürchtest, so schicke ihn an irgend eine Grenze des Landes.“ - „Euer Rat ist gut“, versetzte der König, „ich will ihn als Anführer der Truppen an die Grenze schicken.“ Der König hatte nämlich gerade einen Krieg mit sehr hartnäckigen Feinden zu führen und hoffte, daß sein Neffe im Krieg umkommen werde. Er ließ ihn also zur Freude aller aus dem Gefängnis bringen, schenkte ihm ein Ehrenkleid und schickte ihn mit vielen Gruppen gegen den Feind, mit dem sich bisher niemand hatte messen können. Als Malik Schah mit seinen Truppen an der Grenze war, wurden sie auf einmal in der Nacht überfallen; die einen entflohen, die anderen wurden gefangen; unter diesen war auch Malik Schah, der mit einigen Gefährten in eine Grube geworfen wurde, in welcher er ein ganzes Jahr zubringen mußte. Am Anfang des folgendes Jahres wurde er nach der dortigen Sitte mit den übrigen Gefangenen aus dem Kerker geholt und von einer Zitadelle herabgestürzt. Alle seine Gefährten blieben tot liegen, bis sie wilde Tiere fraßen und der Wind zerstreute. Malik Schah aber, dessen Leben der Himmel bewachte, fiel auf die Füße und kam nach einer Ohnmacht von vierundzwanzig Stunden wieder zu sich. Als er sich gerettet sah, dankte er Gott und machte sich auf, ohne zu wissen wohin, und nährte sich von Baumblättern; des Tages verbarg er sich und des Nachts ging er wieder fort, bis er endlich in eine bewohnte Gegend kam und Menschen fand, denen er seine Geschichte erzählte. Als die Leute hörten, daß er von einer Zitadelle herabgeworfen und doch von Gott gerettet worden, bemitleideten sie ihn und gaben ihm zu essen und zu trinken. Er fragte sie nach dem Wege, der in die Stadt seines Onkels führt, ohne ihnen jedoch zu sagen, daß Bahlawan sein Onkel sei. Man zeigte ihm den Weg und er ging unerkannt bis in die Nähe der Stadt, wo er hungrig, nackt und blaß anlangte. Als er sich vor dem Stadttore niedersetzte, kamen einige von der Umgebung seines Oheims von der Jagd zurück und wollten neben ihm ausruhen und ihre Pferde tränken, Malik Schah ging auf sie zu und fragte sie im Laufe des Gesprächs, ob Bahlawan ein guter König wäre? Sie sagten lachend: „Was hast du fremder Bettler dich um den König zu kümmern?“ Malik Schah antwortete: „Er ist mein Onkel.“ - „Es scheint, du bist toll“, sagten die Leute erstaunt. „Wir wissen nur von einem Neffen des Königs, der im Kerker war, dann in den Krieg gegen Ungläubige gesandt und von diesen getötet wurde.“ - „Eben dieser Neffe bin ich“, versetzte Malik Schah; „die Ungläubigen haben mich nicht getötet, sondern nur von einer Zitadelle herabgestürzt:“ Als sie ihn näher betrachteten, erkannten sie ihn wieder, standen vor ihm auf, küßten ihm die Hände voller Freude und sagten: „O unser Herr! Du bist Sohn eines Königs und verdienst, selbst König zu sein; wir wünschen von Herzen deine Erhaltung, da Gott die verbrecherischen Absichten deines Onkels vernichtet hat, der, nur um dich zu verderben, dich an einen Ort gesandt hat, von dem niemand zurückkehrt. Wir beschwören dich daher, stürze dich nicht wieder in die Gewalt deines Feindes, rette dein Leben und gehe nicht wieder zu deinem Onkel; entfliehe von hier so schnell du kannst, denn fä llst du ihm wieder in die Hand, so wird er dich keine Stunde leben lassen.“ Malik Schah dankte ihnen und fragte sie, wohin er sich wenden sollte? Sie rieten ihm, nach Griechenland zu seiner Mutter zu gehen. Er entgegnete aber: „Meine Mutter hat, als der Kaiser bei meinem Großvater um sie anhielt, ihm nichts von mir gesagt, nun mag ich sie nicht zur Lügnerin machen.“ Sie sagten: „Du hast recht, doch wir meinen es gut mit dir und solltest du dienen müssen, so ist es besser für dich, als hier zu bleiben.“

Die Leute schenkten ihm dann einiges Geld, Kleider und Lebensmittel und begleiteten ihn, bis er fern von der Stadt und in Sicherheit war. Malik Schah reiste dann immer fort, bis er das Gebiet seines Onkels im Rücken hatte und in ein griechisches Städtchen kam, wo er bei einem Gutsbesitzer als Taglöhner arbeitete.

Schah Chatun, welche inzwischen gar nichts mehr von ihrem Sohne gehört hatte, wurde jeden Tag besorgter um ihn. Ihre Unruhe nahm in einem solchen Grade zu, daß sie nicht mehr schlafen konnte, und da sie vor ihrem Gatten schweigen mußte, wendete sie sich an einen alten, klugen Diener, den ihr ihr Onkel mitgegeben hatte, und sagte ihm, als sie eines Tages allein bei ihm war: „Treuer Diener von meiner Kindheit an, kannst du mir keine Kunde von meinem Sohne verschaffen, da ich selbst ihn doch vor niemanden erwähnen darf?.“ - „Meine Herrin! Da du das Leben deines Sohnes im Anfange verheimlicht hast, so darfst du auch jetzt, stünde selbst dein Sohn hier vor dir, nichts eingestehen, sonst würdest du alle Achtung beim König verlieren und er werde dir gar nichts mehr glauben.“ Die Königin sagte: „Du hast recht, doch möchte ich wissen, ob mein Sohn noch lebt, ich wollte ihn nicht sehen, auch wenn er in unserer Nähe Schafe hütete.“ - „Und wie soll ich das erfahren?“ fragte der Diener. Die Königin erwiderte: „Nimm so viel Geld, als du willst, aus meinem Schatze; als Vorwand zu deiner Abreise werde ich meinem Gatten sagen, ich habe noch aus der Zeit meiner ersten Ehe Geld in meiner Heimat verborgen, von dem niemand weiß als du.“ Sie ging sogleich zum Kaiser uns sagte ihm, was sie beschlossen hatte, und der Kaiser erlaubte dem Diener abzureisen. Dieser verkleidete sich als Kaufmann und ging in die Stadt, wo Bahlawan residierte, um Malik Schah nachzuspüren; dort sagte man ihm, der Prinz sei eingesperrt gewesen, dann habe ihn sein Onkel an die Grenze geschickt, wo er umgebracht wurde. Als der Diener dies hörte, erschrak er sehr und wußte nicht, was er tun sollte. Eines Tages erkannte einer der Reiter, welche dem jungen Malik Schah begegnet waren und ihn beschenkt und gekleidet hatten, den Diener in Kaufmannstracht und fragte ihn nach der Ursache seiner Anwesenheit. Der Diener antwortete: „Ich bin gekommen, um Waren zu verkaufend Da sagte der Reiter: „Ich will dir ein Geheimnis offenbaren, wirst du es bewahren?“ - „Gewiß“, antwortete der Diener. Da sagte der Reiter: „Wisse, daß ich mit einigen Freunden dem jungen Malik Schah in der Nähe dieses Wassers begegnet bin; wir haben ihm Lebensmittel, Geld und Kleider gegeben und ihn nach Griechenland in die Nähe seiner Mutter geschickt, weil wir fürchteten, sein Onkel möchte ihn umbringen lassen.“ Als der Diener dies hörte, wurde er ganz blaß und rief: „Gnade!“ Der Reiter sagte: „Du hast von mir nichts zu fürchten, und wärest du auch gekommen, den Prinzen zu suchen.“ Der Diener gestand hierauf, daß Schah Chatun ihn geschickt, um sich nach ihrem Sohne zu erkundigen, weil sie keine Ruhe und keinen Schlaf mehr aus Sorge um ihn finden kann. Da sagte der Reiter: „Gehe ruhig fort, du findest ihn an der Grenze Griechenlands.“ Der Diener dankte ihm und trat wieder den Rückweg an, um Malik Schah aufzusuchen, und der Reiter begleitete ihn bis an die Stelle, wo er Malik Schah verlassen hatte. Diesen Weg verfolgte der Diener; er fragte überall nach dem Jungen und beschrieb ihn nach der Schilderung des Reiters, bis er endlich in das Städtchen kam, wo Malik Schah sich aufhielt.

Der Diener fragte auch hier nach dem Jungen, aber niemand konnte ihm Auskunft geben; nun wußte er nicht, was er tun sollte; schon wollte er wieder abreisen und hatte bereits sein Pferd bestiegen, als er Vieh mit einem Stricke angebunden sah, und einen Jüngling, der mit dem Stricke in der Hand daneben schlief. Es fiel ihm jedoch nicht ein, daß es Malik Schah sein könnte. Dann blieb er aber stehen und dachte: „Wenn der Prinz, den ich suche, schon so groß wie dieser Bursche geworden ist, der hier schläft, wie soll ich ihn erkennen? O welche Qual, einen Menschen aufzusuchen, den ich, wenn er auch vor mir stünde, nicht kennen würde.“ Er stieg dann vom Pferd ab und ging auf den Schlafenden zu, setzte sich neben ihn, betrachtete ihn und dachte: Wer weiß, ob nicht dieser Jüngling Malik Schah ist. Er hustete dann und rief: „Bursche!“ Der Prinz erwachte und setzte sich aufrecht. Da fragte ihn der Diener: „Wer ist dein Vater in diesem Städtchen und wo wohnst du?“ Der Junge ' antwortete verlegen: „Ich bin ein Fremder.“ Da fragte der Diener: „Wo bist du her? Wer war dein Vater?“ Als der Prinz seinen Geburtsort nannte und auf die weiteren Fragen des Dieners seine ganze Lebensgeschichte erzählte, umarmte ihn der Diener, küßte ihn und sagte ihm, seine Mutter habe ihn geschickt, um ihn zu suchen, ohne daß der Kaiser etwas davon wisse; sie wolle sich überzeugen, daß er sich wohl befinde, wenn sie ihn auch nicht sehen könne. Er kaufte ihm dann ein Pferd und sie ritten zusammen bis in den Bezirk der Hauptstadt. Da kamen Räuber, nahmen ihnen alles weg, fesselten sie, warfen sie in eine Grube, abgelegen von der Straße, und gingen fort, um sie da sterben zu lassen, wie sie es schon mit vielen anderen vor ihnen getan. Der Diener weinte heftig, und als der Prinz ihm sagte, alle Tränen könnten hier nichts nützen, versetzte er: „Ich weine nicht aus Furcht vor dem Tode, sondern nur aus Mitleid zu dir und deiner Mutter; ich muß verzweifeln, wenn ich denke, daß du nach so vielen überstandenen Gefahren noch einen so schmählichen Tod sterben mußt.“ Aber der Prinz sagte: „Was mir zugekommen ist, war über mich verhängt und mußte vollzogen werden, und ist jetzt meine Todesstunde gekommen, so kann sie niemand verschieben.“

Nachdem sie in dieser Grube zwei Tage und zwei Nächte in der gräßlichsten Hungersqual zugebracht, traf sich nach der Bestimmung und der Allmacht Gottes, daß der Kaiser mit seinen Leuten auf der Jagd ein Tier verfolgte, das sie vor dieser Grube einholten. Als ein Jäger an der Öffnung der Grube abstieg, um es zu schlachten, da hörte er ein leises Seufzen aus der Grube herauf; er b ' lieb stehen, bis die ganze Jagdpartie beisammen war, und sagte es dem Kaiser. Dieser ließ einen Diener hinabsteigen, der Malik Schah und den alten Diener, beide ohnmächtig, heraufbrachte. Man löste ihre Fesseln und goß ihnen Wein in den Hals, bis sie wieder zu sich kamen. Als der Kaiser den Diener seiner Gattin erkannte, fragte er ihn erstaunt: „Was ist dir geschehen und wie kommst du hierher?“ Der Diener antwortete: „Ich ging und holte das Gold meiner Herrin, auf einmal wurde ich, als ich der Karawane voraneilte, von Räubern überfallen, die uns das Geld wegnahmen und uns in die Grube warfen, wo wir, wie viele andere vor uns, sterben sollten. da schickte dich der erhabene Gott aus Erbarmen zu uns hierher.“

Der Kaiser und sein Gefolge dankten Gott, daß er sie hierher geführt, dann fragte er den Diener: „Wer ist denn der Junge, der hier bei dir ist?“ Der Diener antwortete: „Es ist der Sohn unserer alten Amme; seine Mutter bat mich, ihn mitzunehmen, und da er viel Verstand und Geschicklichkeit besitzt, nahm ich ihn gern als einen Diener des Kaisers mit.“ Der Kaiser fragte ihn dann nach Bahlawan und seinem Verfahren gegen seine Untertanen, worauf der Diener ihm erzählte, daß alle Leute mit ihm unzufrieden wären. Der Kaiser ging dann zu seiner Gattin und meldete ihr die Rückkehr ihres Dieners mit einem Jungen aus ihrer Heimat, und erzählte ihr von dem Unglück, das sie auf dem Wege gehabt. Schah Chatun kam außer sich und wollte einen lauten Schrei ausstoßen, unterdrückte ihn jedoch. Da sagte der Kaiser: „Was hast du? bedauerst du das Geld, das dem Diener geraubt worden, oder bemitleidest du den Diener?“ Sie antwortete: „Es ist nichts, bei deinem Haupt, o Kaiser! Du weißt ja, die Weiber haben ein schwaches Herz.“ Dann kam der Diener zu ihr und erzählte ihr alles, was ihrem Sohne seit ihrer Vermählung mit dem Kaiser widerfahren. Schah Chatun weinte lange über die harten Leiden, welche ihr Sohn zu ertragen gehabt, dann fragte sie den Diener: „Was hast du dem Kaiser gesagt, als er den Prinzen sah und dich nach ihm fragte?“ Er antwortete: „Ich habe ihm gesagt, er sei der Sohn einer Amme, den wir als Kind verlassen und der nun dem Kaiser dienen solle.“

Sie war zufrieden mit dieser Antwort und befahl dann dem Diener, den Prinzen gut zu bedienen, auch der Kaiser überhäufte den Diener mit Wohltaten und bestimmte dem Prinzen ein ansehnliches Gehalt. Dieser ging im Palast ein und aus, diente dem König und stieg immer höher im Ansehen. Schah Chatun begnügte sich, ihren Sohn durch das Fenstergitter zu sehen, da sie ihn doch nicht sprechen konnte. Eines Tages aber, als sie fast vor Sehnsucht starb, erwartete sie ihn an der Türe ihres Gemaches, drückte ihn an ihre Brust und küßte ihn auf die Wangen. In diesem Augenblicke ging der Schloßverwalter am Harem vorüber und sah mit Erstaunen. wie der Jüngling eine Dame umarmte. Er blieb betroffen stehen und fragte, wer dieses Gemach bewohne, und als man ihm die Kaiserin nannte, fuhr er erschrocken zurück, als hätte ihn der Donner getroffen. Da begegnete ihm der Kaiser und fragte ihn, warum er so zittere? Der Schloßverwalter antwortete: „O Kaiser! Gibt es etwas Schrecklicheres, als das, was ich eben gesehen?“ - „Was hast du gesehen?“ - „Ich habe den Jüngling gesehen, den der alte Diener aus Griechenland mitgebracht, und mich überzeugt, daß er nur wegen der Kaiserin hierher gekommen ist, ich bin eben an der Türe des Gemachs vorübergegangen, da erwartete sie ihn, umarmte ihn und küßte ihn auf die Wangen.“ Als der Kaiser dies hörte, kam er vor Wut ganz außer sich und riß sich fast den Bart aus; dann ergriff er sogleich den Prinzen und den alten Diener und ließ sie in einen Kerker werfen, der im Palast war. Er ging dann zu seiner Gattin und sagte ihr: „Bei Gott! Du hast dich schön betragen, du Tochter der Tugendhaften, um die Könige warben und die ihres gutes Rufes willen für eine kostbare Perle galt. Gott verdamme die, deren Inneres nicht wie ihr Äußeres ist; wie kannst du dir mit einem so abscheulichen Herzen ein reines Aussehen geben? Ich will aber an dir und diesem Taugenichts der Welt ein Beispiel geben. Nun weiß ich, daß du den Diener nur um den Jüngling hierherzubringen weggeschickt. Du wolltest mich mit unerhörter Frechheit hintergehen, nun sollst du aber sehen, wie ich gegen euch verfahre.“ Mit diesen Worten spie er ihr ins Gesicht und ging weg. Schah Chatun sagte kein Wort, denn sie wußte wohl, daß ihr der Kaiser in diesem Augenblicke doch nicht glauben würde, und setzte ihr Vertrauen auf Gott, der das Offenbare und das Verborgene kennt, und gegen dessen Willen die Todesstunde weder verschoben noch vorgerückt werden kann.

Der Kaiser brachte mehrere Tage höchst bestürzt zu; er konnte weder essen noch trinken, noch schlafen und wußte nicht, was er tun sollte; bringe ich den Jungen und den Diener um, dachte er, so bin ich ungerecht, denn die Kaiserin, welche den Alten geschickt, um den Jungen zu holen, ist schuldiger als beide. Alle drei umzubringen gibt aber mein Herz nicht zu; ich will mich daher nicht übereilen und die Sache noch bedenken, ehe ich ihren Tod bereue. Nun hatte der Kaiser eine sehr verständige Amme. Sie fand ihn ganz verändert, wagte es aber nicht, ihm entgegenzutreten, sondern ging zu Schah Chatun. Als sie diese in noch größerer Bestürzung fand, fragte sie, was ihr zugestoßen? Die Kaiserin gestand nichts, aber die Amme schmeichelte ihr solange und schwor ihr, sie wolle das Geheimnis niemandem mitteilen, daß endlich die Kaiserin ihr die ganze Geschichte mit ihrem Sohne, von Anfang bis zu Ende, erzählte. Da sagte die Amme, sich vor ihr verbeugend: „Diese Sache ist ja gar nicht schwierig.“ Aber die Kaiserin versetzte: „Bei Gott! Meine Mutter, ich will lieber mitsamt meinem Sohne sterben, als etwas sagen, das man doch nicht glauben würde; jedermann wird fragen: Sie gibt ein Märchen vor, um die Schande von sich zu wälzen. Für mich gibt's kein anderes Mittel als Geduld.“ Die Alte hatte Wohlgefallen an diesen verständigen Worten und sagte zu Schah Chatun: „Es ist, wie du sagst; doch hoffe ich, Gott wird die Wahrheit bekannt machen; habe nur Geduld, ich nehme mich der Sache an und gehe sogleich zum Kaiser, um zu hören, was er sagt.“

Als die Amme zum Kaiser kam, fand sie ihn betrübt, den Kopf zwischen den Knieen, dasitzen; sie setzte sich zu ihm und sagte nach anderen süßen Worten: „Mein Sohn, dein Schmerz verwundet mein Herz; seit einiger Zeit reitest du gar nicht mehr aus und bist immer düster: Warum bist du denn so leidend?“ Der Kaiser antwortete: „O meine Mutter! Wegen meiner versuchten Gattin, von der ich eine so gute Meinung hatte und die nun so gegen mich verfahren ist“, worauf er ihr die ganze Geschichte erzählte. Da sagte die Alte: „Und eine schwache Frau macht dir so viel Kummer?“ - „Ich denke nach“, versetzte der Kaiser, „welchen Tod ich über die verhängen soll, um der Welt ein Beispiel zu geben.“ Da sagte sie: „Mein Sohn! Übereile dich nicht, denn Übereilung bringt Reue, du kannst sie ja immer noch umbringen; ergründe erst die Sache wohl, dann tue, was du willst.“ Der Kaiser erwiderte: „Hier bedarf's keiner anderen Beweise. Schah Chatun hat ja selbst den Alten fortgeschickt, um den Jungen zu holen.“ Da sagte die Alte: „Ich weiß ein sicheres Mittel, wodurch sie alles gestehen wird, was in ihrem Herzen vorgeht.“

„Wie wolltest du das?“ fragte der Kaiser. Die Alte antwortete: „Ich bringe dir das Herz eines Wiedehopfs, das legst du deiner Gattin auf die Brust, wenn sie schläft, fragst sie dann, was du wissen willst, und sie wird dir die Wahrheit sagen.“ Der Kaiser sagte ihr erfreut: „Das will ich tun, aber sage niemandem etwas davon.“ Die Alte ging dann zur Kaiserin und sagte ihr: „Ich habe dein Anliegen besorgt. Der Kaiser wird diese Nacht zu dir kommen, stelle dich dann, als schliefest du, und antworte schlafend auf alles, was er dich fragt.“ Hierauf verließ die Alte die Kaiserin wieder, holte das Herz eines Wiedehopfs und brachte es dem Kaiser. Dieser erwartete mit Ungeduld die Nacht, dann ging er zur Kaiserin, und als er sie eingeschlafen glaubte, setzte er sich neben sie, legte das Herz des Wiedehopfs auf ihre Brust und wartete eine Weile, um sich von ihrem Schlafe zu überzeugen. Dann sagte er: „Schah Chatun! War das mein Lohn von dir?“ - „Was habe ich verbrochen?“ fragte die Kaiserin. Er erwiderte: „Gibt es denn ein größeres Verbrechen, als das deinige? Schicktest du nicht nach einem geliebten fremden Jünglinge und wurdest mir untreu?“ - „Ich kenne keine Leidenschaft, es sind unter deinen Dienern schönere, als er ist, und ich gelüste nach keinem.“ - „Und warum hast du ihn umarmt und geküßt.“ - „Er ist mein Sohn, ein Stück meines Herzens; aus mütterlicher Liebe zu ihm habe ich ihn umarmt und geküßt.“ - Als der Kaiser dies hörte, geriet er in große Verwirrung und sagte zu ihr: „Kannst du beweisen, daß er dein Sohn ist? Ich habe doch noch einen Brief von deinem Onkel, in welchem er mir schreibt, dein Sohn ist getötet worden?“ - „Allerdings, aber die Kehle war nicht durchschnitten, mein Onkel ließ die Wunde wieder zunähen und meinen Sohn bei sich erziehen, denn seine Todesstunde war noch nicht gekommen.“ Als der Kaiser dies hörte, sagte er: „Dieser Beweis genügt mir.“ Er ließ sogleich den Prinzen und den Diener holen und untersuchte den Hals des Prinzen bei dem Scheine einer Wachskerze; da sah er einen Schnitt von einem Ohre zum andern, der zwar wieder geschlossen war, doch entdeckte er, wie eine Naht sich darüber hinzog. Hierauf fiel der Kaiser vor Gott nieder und dankte ihm, daß er diesen Jungen aus so vielen Gefahren befreit und freute sich sehr, daß er ihn nicht im Zorne getötet hatte, was er nachher hätte bereuen müssen. Der Prinz aber wurde nur gerettet, weil seine Todesstunde noch nicht gekommen war. „So werde auch ich“, sagte der Jüngling zum König, „die mir bestimmte Frist erreichen, und ich hoffe, daß Gott mir gegen diese bösen Veziere beistehen wird. „

Der König ließ ihn hierauf wieder ins Gefängnis zurückführen und sagte zu den Vezieren: „Dieser Junge hat eine schlimme Meinung von euch; ich weiß indessen, daß ihr mir aus Liebe ratet; seid daher nur zufrieden; ich werde in allem euern Rat befolgen. Ich habe nur solange seinen Tod verschoben, damit recht viel von der Sache gesprochen werde, nun soll er aber sterben; errichtet einen Galgen am Ende der Stadt und laßt seine Hinrichtung durch einen Ausschreier bekannt machen, damit die ganze Stadt sich versammle und mit ihm zum Galgen ziehe. Der Ausschreier soll vor ihm rufen: Das ist der Lohn dessen, den der König in seine Nähe gezogen, und der ihn dann verraten.“ Die Veziere freuten sich sehr über diesen Entschluß de ' s Königs, ein jeder brachte noch etwas anderes vor, und sie konnten vor Freude die ganze Nacht nicht schlafen. Sie ließen die Hinrichtung des Jünglings in der Stadt bekannt machen und einen Galgen errichten, und des Morgens früh kamen sie vor die Türe des Palasts und sagten zum König: „Es sind schon so viele Leute beisammen, daß sie vom Palast bis zum Hinrichtungsplatz alle Straßen füllen, um den Jungen hängen zu sehen.“

Als der König den Jungen holen ließ, sagten die Veziere: „Verworfener Mensch, hast du noch Freude am Leben? hoffst du noch Erlösung?“ Er antwortete: „O ihr gottlosen Veziere! Kann ein verständiger Mensch aufhören, auf Gott zu vertrauen? So unterdrückt auch ein Mensch sein mag, kann ihn Gott doch aufrichten und mitten im Tode ihm neues Leben geben; kennt ihr nicht die Geschichte des Gefangenen, den Gott gerettet?“ Als der König fragte: „Was ist das für eine Geschichte?“ erzählte der Jüngling: Geschichte des Gefangenen, den Gott befreite. Ein König, der ein hohes Schloß hatte, von welchem man auf das Gefängnis sehen konnte, hörte einst in der Nacht, wie jemand rief: „Allah, dessen Hilfe jedem nahe ist, befreie mich!“ Der König geriet in Zorn und dachte, der Dummkopf hofft, daß seine Schuld ihm erlassen werde. Er erkundigte sich nach den Eingekerkerten, und als man ihm sagte, daß in diesem Gefängnis nur Verbrecher, auf denen eine Blutschuld hafte, eingesperrt seien, ließ er den Mann vor sich kommen und sagte ihm: „Du einfältiger Mensch! Wie kannst du bei der Größe deines Verbrechens aus diesem Gefängnis befreit zu werden hoffen?“ Er übergab ihn dann seinen Soldaten und befahl ihnen, ihn vor der Stadt aufzuhängen. Als diese ihn in der Nacht zur Stadt hinausführten, wurden sie von bewaffneten Räubern überfallen. Die Soldaten ließen den Verurteilten los, und er floh in einen Wald. Aber bald fiel ein furchtbarer Löwe über ihn her, warf ihn zu Boden, riß dann einen Baum aus der Wurzel und legte ihn auf den Mann und lief fort, um sein Weibchen zu holen. Dessen ungeachtet vertraute der Mann noch auf Gottes Hilfe. Als er die Blätter des Baumes zurückschob, sah er sehr viele Gebeine von Menschen, die der Löwe zerrissen hatte. Er sah auch einen Haufen Gold auf der Erde liegen, den er zu sich steckte. Nach und nach gelang es ihm, unter dem Baume hervorzukriechen und aus dem Walde zu entfliehen. Er drehte sich, aus Furcht vor dem Löwen, weder rechts noch links, bis er vor ein Städtchen kam, da legte er sich ermattet nieder und ruhte aus bis Tagesanbruch, dann vergrub er sein Gold, ging ins Städtchen und lebte dort mit Gottes Hilfe von dem Golde, das er später holte.

Als der Jüngling diese Erzählung vollendet hatte, sagte der König: „Wie lange willst du uns mit deinen Reden betören, jetzt ist die Zeit da, wo du gehängt werden sollst.“ Aber im Augenblick, wo man ihn auf Befehl des Königs hängen wollte, kam der Räuberhauptmann an, der den Jungen erzogen hatte. Als er das Zusammenlaufen des Volks sah, fragte er nach der Ursache, und man sagte ihm: „Der König läßt einen jungen Verbrecher hinrichtend Der Räuberhauptmann, der auch den Jüngling sehen wollte, erkannte ihn wieder, umarmte ihn und küßte ihn auf den Mund und sagte: „Diesen Jüngling habe ich als Kind unter dem Berge N. N., in ein seidenes Kleid gehüllt, gefunden und habe ihn zu mir genommen. Als wir aber eines Tages eine Karawane angriffen, die uns in die Flucht trieb und manche der Unsrigen verwundete, wurde er gefangen genommen, seit damals suche ich ihn überall und konnte nichts mehr von ihm hören.“ Als der König dies hörte und überzeugt war, daß dieser Jüngling sein Sohn, stieß er ein lautes Geschrei aus, fiel über den Jüngling her, umarmte und küßte ihn und sagte weinend: „Ich wollte meinen eigenen Sohn umbringen und wäre dann vor Reue darüber gestorben.“ Er entfesselte dann den Prinzen, nahm die Krone von seinem Haupte und setzte sie ihm auf. Die Neuigkeit wurde mit Trommeln und Trompeten bekannt gemacht, die Stadt wurde geschmückt, und es war ein so freudiges Lärmen an diesem Tage, daß die Vögel sich kaum in der Luft halten konnten. Auch seine Mutter kam herbei, als sie von dem Vorgefallenen Kunde erhielt und umarmte ihren Sohn, und die Truppen und das ganze Volk zog mit ihm nach dem Palast. Der König schenkte dann allen Gefangenen Freiheit und ließ sieben Tage als Festtage feiern. Am achten Tage setzte er seinen Sohn neben sich und ließ alle seine Freunde und die Obern der Stadt und die Veziere herbeirufen, weiche vor Scham und Furcht dem Tode nahe waren. Diesen sagte der Prinz: „Seht ihr, schlechte Veziere, nun Gottes Werk? Seht ihr, daß seine Hilfe nahe war!“ Als die Veziere verstummten, sagte der König: „Ich sehe, daß sich heute alles freut, sogar die Vögel in der Luft, nur ihr seid niedergeschlagen; das ist schon ein Beweis von Groll gegen mich. Hätte ich euch Gehör geschenkt, so müßte ich jetzt vor Verzweiflung und Reue sterben.“ Der Prinz sagte hierauf zu seinem Vater: „Ohne deine ruhige Überlegung und deine gute Meinung von den Menschen wäre dir dieses hohe Glück nicht zuteil geworden, lange Trauer und Reue hätten sich vielmehr angehäuft, die dem sich Übereilenden nie entgehen.“

Der König ließ dann den Räuberhauptmann kommen, machte ihm viele Geschenke und sagte: „Wer den König liebt, der beschenke diesen Mann;“ worauf er von allen so reichlich beschenkt wurde, bis er nichts mehr annehmen konnte; auch erhielt er die Polizeipräfektur der Stadt, in welcher er wohnte. Bald nachher ließ der König neun Galgen neben dem schon errichteten aufstellen und sagte zu seinem Sohne: „Du warst unschuldig, diese schlimmen Veziere haben dich bei mir verleumdet.“ Der Prinz versetzte: „Mein Verbrechen bestand in meiner Treue gegen dich; weil ich ihre Hände aus deinen Schätzen vertrieb, beneideten sie mich und wünschten meinen Tod.“ „Darum sei auch jetzt ihre Strafe nahe“, sagte der König; „denn ihr Verbrechen ist zu groß; um dich zu vernichten, scheuten sie nicht, meine Ehre bei allen Königen zu schänden.“ Er wandte sich dann zu den Vezieren und sagte ihnen: „Wehe euch! Womit könnt ihr euch entschuldigend Da erwiderten sie: „O König! Es bleibt uns keine Entschuldigung. Wir waren dem Jungen nicht gut und wollten sein Unglück, aber es traf uns selbst; wir gruben ihm eine Grube und fielen selbst hinein.“ Hierauf erteilte der König den Befehl, sie zu hängen: „Denn“, sagte er, „Gott ist gerecht und sein Urteil ist wahr.“ Der König lebte dann mit seiner Gattin und seinem Sohne in Lust und Freude, bis der Zerstörer aller Erdenfreuden auch sie erreichte. Gepriesen sei Allah, der allein Unsterbliche, dem allein Ruhm gebührt, und sein Erbarmen sei mit uns bis in die Ewigkeit. Amen. Geschichte der messingnen Stadt. Als der Fürst der Gläubigen, Abdulmelik, der Sohn Merwans, eines Tages von den Großen des Reichs umgeben war, kam die Rede auf Geschichten alter Völker und ihre mächtigen Kaiser; da sagte einer der Anwesenden: „Keinem Sterblichen wurde je so viel verliehen, als Salomo, dem Sohne Davids; denn er gebot über Menschen und Genien, über Vögel und vierfüßige Tiere. Gott befahl sogar dem Winde, ihm seinen Teppich einen Monat lang auf der Hin- und ebensolang auf der Rückreise zu tragen, auch gab ihm Gott einen Siegelring, mit welchem er Eisen, Blei, Stein und Kupfer versiegeln konnte, kurz er gab ihm alles.“ Da sagte Abdulmelik: „Es ist wahr, zürnte er gegen Genien, so sperrte er sie in kupferne Büchsen ein, goß Blei darauf, siegelte sie mit seinem Ringe zu und warf sie ins Meer.“ Hierauf erhob sich Taleb, ein berühmter Schwarzkünstler und hochgestellter Mann, der Bücher hatte, die ihn Schätze aus der Erde zu ziehen lehrten, und sprach: „O Fürst der Gläubigen! Gott erhalte dein Reich und erhebe deinen Rang in beiden Welten! Mein Vater erzählte mir einst habe mein Großvater sich eingeschifft, um nach der Insel Sizilien zu fahren; da gefiel es Gott, einen Sturmwind herbeizuführen, der das Schiff vom Wege ablenkte und es erst nach einem Monate an einen hohen Berg trieb, den niemand kannte. Die Schiffsleute wußten gar nicht, wo sie waren, und fanden am Ufer Leute von wunderbarer Gestalt, die sie nicht verstanden. Nur der König dieses Landes verstand Arabisch, obgleich er kein Fremder war. Dieser kam ans Ufer, begrüßte sie und sagte: „Ihr habt euch gewiß verirrt, denn euer Schiff ist das erste, das hier landet, doch fürchtet nichts, ihr sollt wieder glücklich in eure Heimat zurückkehren.“ Der König bewirtete sie dann drei Tage lang mit Vögeln und Fischen. Am vierten Tage führte er sie zu den Fischern spazieren; da sahen sie, wie einer sein Netz auswarf und eine kupferne Flasche heraufbrachte, die mit Salomos Siegel versiegelt war. Er brach der Flasche den Hals ab und öffnete das Siegel; da stieg ein blauer Rauch heraus und verwandelte sich in der Luft in die häßlichste Gestalt der Welt und rief: „Gnade! Gnade! O Prophet Gottes, ich will nichts mehr so tun.“ Mein Urgroßvater ging dann zum König und fragte ihn, was das wäre? Da sagte er: „Es ist ein rebellischer Geist, der wegen seines Ungehorsams gegen Salomo eingesperrt und ins Meer geworfen wurde. Als er jetzt herauskam, glaubte er, Salomo lebe noch und habe ihm verziehen; darum rief er: Gnade! Gnade! O Prophet Gottes!“ Abdulmelik war sehr erstaunt über diese Erzählung und sagte: „Es gibt keinen Gott außer dem einzigen Gott; der hat Salomo ein großes Reich gegeben; könnte ich nur einmal mit meinen Augen solche Salomonische Flaschen sehen, sie würde jedem zur Belehrung und zur Warnung dienen.“ Da sagte Taleb: „Diese Büchsen finden sich in der messingnen Stadt, wenn du solche zu haben wünschest, so schreibe Musa, deinem Statthalter über den Westen und Andalusien, er möge einige seiner Leute mit Lebensmitteln und Wasser dahin schicken, und dir ohne Säumen einige von dort bringen lassen.“ Der Kalif ließ sogleich einen Schreiber rufen und an den Emir Musa schreiben. Er gab dann Taleb den Brief und sagte ihm: „Ich wünsche, daß du selbst den Brief überbrächtest.“ Taleb antwortete: „Ich gehorche Gott und dem Fürsten der Gläubigen“, ließ sich Geld, Lebensmittel und ein Reittier geben und reiste von Damaskus nach der Hauptstadt Ägyptens. Dort verweilte er einige Zeit bei guter Bewirtung, begab sich dann nach Oberägypten, wo der Emir Musa sich aufhielt. Als dieser von der Ankunft Talebs hörte, ging er zu ihm, bewillkommte ihn und ließ ihn mit Auszeichnung bewirten. Taleb überreichte ihm dann den Brief des Kalifen, und als er ihn gelesen hatte, sagte er: „Ich gehorche Gott und dem Fürsten der Gläubigen“, ließ sogleich einige Reisende kommen und sagte ihnen: „Der Kalif schreibt mir, ich solle ihm Salomonische Flaschen verschaffen, wie fange ich das an?“ Die Reisenden antworteten: „Wende dich an Abdul Kadus, der wird dir den Ort angeben, wo sie liegen, denn er ist viel gereist zu Wasser und zu La nd, er ist der beste Führer und Ratgeber, kennt alle Wüsten und ihre Bewohner und alle Meere und ist schon mancher Gefahr glücklich entgangen.“ Musa schickte nach ihm, und es erschien ein alter Mann, dem die Jahre schon hart zugesetzt hatten, und dem man ansah, daß er schon die wunderbarsten Dinge erlebt. Musa teilte ihm den Brief des Kalifen mit und sagte: „Da ich dieses Land wenig kenne und gehört habe, es sei niemand so weit gereist als du, so bitte ich dich, mit uns zu gehen und uns zu helfen, den Willen des Kalifen zu erfüllen. Du sollst dich, so Gott will, nicht umsonst bemühen.“ Abdul Kadus erwiderte: „Ich gehorche Gott und dem Fürsten der Gläubigen; doch, mein Herr, die messingne Stadt liegt weit von hier; wir haben einen weiten Weg zu machen und laufen viel Gefahr auf der Reise.“ Da fragte Musa: „Wie lange müssen wir ausbleibend Der Alte antwortete: „Wir brauchen zwei Jahre hin und ebenso viel zurück, und du bist ein Mann, der für Gott gegen Ungläubige kämpft, du darfst also durch eine so lange Abwesenheit das Land nicht dem Feinde preisgeben, darum ernenne einen Stellvertreter, der in deiner Abwesenheit die Feinde bekämpfe und das Land verwalte; übrigens weiß ja der, dessen Leben nicht in seiner Gewalt steht, auch nicht, wie bald er dem Tode anheimfällt.“

Musa ließ sogleich seinen Sohn Harun rufen, der ein guter und in der Regierungskunst erfahrener Mann war und übertrug ihm die Statthalterschaft Ägyptens; dann ließ er die Truppen zusammenkommen und empfahl ihnen, seinem Sohne wie ihm selbst, in allem Gehorsam zu leisten. Als dies geschehen war, sagte der Alte zu Musa: „Laßt tausend Kamele mit Wasser beladen und wieder tausend mit Lebensmitteln und ebenso viele mit irdenen Krügen“ - „Wozu diese?“ fragte Musa erstaunt. Der Alte antwortete: „Wir haben vierzig Tage durch die große Wüste von Kairawan zu gehen, wo es wenig Wasser gibt und man keine Menschen sieht; dort weht ein heftiger Samum, der die Schläuche austrocknet, weshalb das Wasser nur in Krügen aufbewahrt werden kann.“ Musa schickte nach Alexandrien und ließ von dort viele Krüge holen. Er nahm dann seinen Vezier zu sich, ließ zweitausend bepanzerte Reiter neben den Kamelen herreiten, und der Alte ritt als Führer voran. Ihre Reise war sehr beschwerlich, sie zogen bald durch bewohntes, bald durch unbewohntes Land, und häufig führte der Weg durch wilde, gefährliche, wasserlose Wüsten oder über hohe Berge. So zogen sie ein Jahr lang umher. Eines Morgens waren sie vom rechten Wege abgekommen; der Führer wußte nicht mehr, wo er war und rief: „Es gibt keinen Schutz und keine Macht außer bei Gott, dem Erhabenen! Bei dem Herrn der Kaaba, ich habe mich in der dunklen Nacht verirrt und befinde mich nun in einem Lande, das ich heute zum ersten Male sehe.“ Da sagte Musa: „So führe uns wieder zur Stelle zurück, wo wir vom Wege abgekommen sind.“ Als der Alte sagte, er könne sie nicht mehr finden, rief Musa: „So laß uns nur weiter gehen, vielleicht wird uns Gott durch seine Macht leiten.“ Sie gingen nun bis zur Zeit des Mittaggebetes vor sich hin und kamen in ein schönes ebenes Land, so flach wie das Meer, wenn es ganz ruhig ist. Bald sahen sie in der Ferne etwas Hohes und Schwarzes, sie gingen etwas näher und fanden ein Gebäude, so hoch und so fest wie ein Berg, ganz von schwarzen Steinen gebaut, mit furchtbar großen Altanen und einem chinesischen eisernen Tore, das einen blendenden Glanz von sich warf. Niemand wußte, wofür er dieses Riesengebäude halten sollte, das tausend Schritte im Umfang hatte und dessen hundert Ellen hohe bleierne Kuppel in der Ferne sich wie eine Rauchsäule ausnahm. Da sagte der Führer: „Wir wollen diesem Gebäude näher treten, vielleicht können wir uns daran belehren.“ Als er aber näher kam, erkannte er es und rief: „Es gibt keinen Gott außer Gott, und Muhamed ist sein Prophet.“ Da sagte Musa: „Ich sehe. du preisest Gott: hast du uns eine frohe Botschaft mitzuteilen?“ Der Alte antwortete: „Freue dich! Der erhabene Gott hat uns aus den schrecklichsten Wüsten befreit. Wisse, mein Vater hat mir einmal von seinem Großvater erzählt, er sei in diesem Lande gewesen und nach langen Irrwegen an dieses Schloß gekommen, und von da in eine messingne Stadt. Wir haben von hier nach dem Orte unserer Bestimmung nur noch zwei Monate zu reisen; wir müssen immer dem Rande der Wüste folgen, finden aber viele Wohnungen, Brunnen und Bäche, die Alexander der Zweihörnige eroberte, als er sich nach Westen wandte; die meisten Brunnen auf unserem Wege hat er graben lassen.“ Musa dankte für diese freudige Nachricht und sagte: „Komm, laß uns jetzt 'die Wunder dieses Schlosses sehen!“ Sie gingen auf das Tor zu und fanden darüber folgende Inschrift mit goldenen Buchstaben:

„Die Überbleibsel ihrer Werke verkünden uns, daß auch wir ihnen folgen müssen. O Wanderer, der du vor dieser Wohnung stehst, willst du die Geschichte eines Volks kennenlernen, das sich von seinen Reichtümern trennen mußte, so geh ins Schloß und forsche nach den Begebenheiten derjenigen, die dort im Staube beisammen wohnen.“

Musa weinte über diese Verse und sagte: „Es gibt keinen Gott außer Gott, der ewig fortdauert.“ Er kam dann an ein anderes Tor, auf welchem folgende Inschrift zu lesen war:

„Wie manches Volk hat vor uralter Zeit hier gelebt und ist wieder verschwunden! Wären die Menschen verständig, so würden sie einsehen, wie die Zeit mit anderen verfährt und es sich zur Warnung dienen lassen; sie haben Schätze gesammelt, die sie wieder anderen überlassen mußten, während sie selbst nach allem Abmühen ins enge Grab steigen. Wie manche Freude wurde ihnen zuteil, wie viel haben sie genossen, während sie jetzt selbst im Staube verzehrt werden.“

Diese Inschrift machte auf Musa einen tiefen Eindruck; die ganze Welt erschien ihm nichtig und das irdische Leben kaum beachtenswert. „Ich bin Gottes“, rief er, „und zu ihm kehren wir alle wieder; es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! Er hat uns zu etwas Großem in der Zukunft geschaffen; diese Welt hat aber für mich nicht mehr den Wert eines Mückenflügels; alle Könige müssen zuletzt sterben, und die Armen haben nach dem Tode mehr zu erwarten. Gepriesen sei Allah, der Ewigdauernde.“ Er ging dann ins Schloß und bewunderte ungestört dessen schöne Bauart mit ungeheuren Räumen, in denen kein Mensch zu sehen war. Als er in den Hof kam, wo eine Kuppel sich erhob, fand er vierhundert Gräber. Er näherte sich einem derselben, das einen großen Grabstein von weißem Marmor hatte, auf welchem folgende Verse eingegraben waren:

„Wie oft bin ich gleich dir stehen geblieben, um Inschriften auf Grabsteinen zu lesen; wie lange habe ich gegessen und getrunken und Sängerinnen angehört; wie viele feste Schlösser habe ich erobert und seine Schönen mir zugeeignet; auch ich, o Wanderer! habe vor dir über das Schicksal nachgedacht, und es war mir, als fragte man schon nach mir, und es hieß: Er ist tot. Drum, o Wanderer, sorge für deine Seele, ehe du zu den Toten niedersteigst.“

Musa weinte und war so gerührt, daß ihm fast der Atem ausging. Er näherte sich dann der Kuppel und sah acht hölzerne Pforten mit goldenen und silbernen Nägeln beschlagen. Über der Hauptpforte waren folgende Verse geschrieben:

„Nicht aus Freigebigkeit hinterließ ich anderen meine Güter, sondern der Tod, der unter den Menschen umherzieht, zwang mich dazu. Lange freute ich mich mit meinem Gute und beschützte es wie ein reißender Löwe. Ich war stets voller Sorgen, gab aus Geiz kein Senfkörnchen von dem Meinigen her und hätte man mich ins Feuer geworfen. Da kam bald der über mich verhängte Tod, und es lag nicht in meiner Macht, ihn abzuwenden. Nichts halfen mir meine gesammelten Truppen, kein Freund und kein Nachbar konnte mich retten. Mein ganzes Leben war eine Täuschung, ich lebte bald in Wohlstand, bald in Not, stets den Tod vor Augen. Kaum füllen sich deine Beutel mit Dinaren, so gehören sie schon einem anderen und es kommen Kameltreiber und Totengräber. Dann kommt der Tag des Gerichts und du trittst vor Gott allein und nur mit Sünden schwer beladen. Drum, o Wanderer, laß dich nicht vom Glanze der Welt verblenden und bedenke, wie sie es deinen Freunden und Nachbarn gemacht.“

Musa war so angegriffen, daß er in Ohnmacht fiel; als er wieder zu sich kam, ging er in die Kuppel und sah ein großes Grabmal mit einem eisernen chinesischen Grabstein, auf dem folgendes zu lesen war:

„Im Namen Gottes, des Einzigen, Mächtigen, Ewigdauernden, der allein bleibt, während alle seine Diener vergehen müssen. O Wanderer, der du hierher kommst, belehre dich an dem, was du hier von den Schicksalen der Welt erfährst, laß dich nicht vom Glanze der Welt verführen, sie ist trügerisch gleich dem Traum eines Schlafenden oder einem täuschenden Sandspiegel, dem der Wanderer sich vergebens nähert, um seinen Durst zu löschen. Auch ich setzte mein Vertrauen auf diese Welt und wurde von ihr verraten. Ich war Herr von viertausend Jungfrauen, so schön wie der Mond, und sie gebaren mir tausend Söhne, stark und mutig wie Löwen. Ich lebte tausend Jahre und sammelte Schätze, wie kein König der Erde noch besaß; ich glaubte, das würde ewig fortdauern; aber der Zerstörer aller Freuden, der Verwüster aller Wohnungen, der Kinder zu Waisen macht, weder den Armen verschont noch vor den Befehlen des Königs sich fürchtet, ereilte auch mich in meinem Schlosse, und als ich die Vergänglichkeit sah, ließ ich diese Verse als Belehrung für Verständige aufschreiben. Ich hatte ein Heer von zehntausend Reitern, alle tapfere Helden, mit langen Panzern, schneidenden Schwertern, schrecklichen Lanzen und edlen Rossen; als die Bestimmung Gottes, des Herrn der Welten eintraf, fragte ich meine Krieger, ob sie das Schicksal von mir abwenden könnten, und als sie dies nicht vermochten, ergab ich mich der Fügung, die mir den Tod gab und mich in dieses Grab versenkte. Ich bin Kusch, der Sohn Kanans, Sohn Schaddads, Sohn des älteren Ad.“

Dann kamen folgende Verse:

„Wer wird einst im Wechsel der Zeiten meiner noch gedenken, und ich bin doch der Sohn Schaddads, der die Welt beherrschte mit allen Menschen, die darauf sind; alle Könige der Erde beugten sich vor meinen Waffen und alle ihre Bewohner fürchteten meine Macht; wenn ich ausritt, sah ich eine Million Zügel, und unzählbare Schätze fällten meine Paläste; doch endlich kam der Tod, der alle Menschen auseinander trennt, und ich stieg aus meiner Herrlichkeit in die niedrigste Wohnung; da hätte ich gern für einen Augenblick Leben mein ganzes Vermögen hingegeben, aber Gott wollte diesen Tausch nicht, und so liege ich hier einsam, getrennt von den Freunden. Drum, o Wanderer, sorge für deine Seele vor dem Tode und stelle dich sicher gegen die Tücke des Schicksals!“ Musa wurde auch von diesen Versen so ergriffen, daß ihm das Leben zur Last wurde.

Hierauf kamen sie an einen gelben Stein mit Füßen von Cypressenholz, worauf geschrieben war:

„An diesem Tische haben tausend Könige gespeist, die am rechten Auge blind waren, und tausend, die am linken Auge blind waren, und tausend, die zwei gesunde Augen hatten; alle sind aus der Welt geschieden und wohnen jetzt in Gräbern.“

Nachdem Musa von allem, was er gelesen, eine Abschrift genommen, reisten sie wieder weiter, und nach drei Tagen kamen sie an einen hohen Hügel, auf dem ein kupferner Reiter auf einem kupfernen Pferd saß; er hatte eine lange blendende Lanze in der Hand, auf deren Spitze folgendes mit römischen Buchstaben geschrieben war:

„O Wanderer, der du hierherkommst, wenn du den Weg nach der messingnen Stadt nicht weißt, so reibe den Reiter, er wird sich herumdrehen. und wende dich dann nach der Seite, nach welcher er die Spitze der Lanze dreht.“

Musa rieb den Reiter, er drehte sich herum, und sie schlugen den Weg ein, nach welchem er die Lanze hob und fanden sich bald auf geebnetem Wege. Nach drei Tagen kamen sie auf einen hohen Berg, auf dem sie eine große lange Säule sahen; als sie darauf zugingen, fanden sie eine Statue von schwarzem Stein, die einen Menschen darstellte, der bis zu den Achseln in der Säule steckte; er hatte zwei große Flügel, zwei Hände wie die Tatzen eines Löwen, mit eisernen Krallen, einen Haarschopf mitten auf dem Kopfe wie ein Roßschweif, zwei Augen, die in die Länge gespalten waren und Feuer sprühten, und aus der Stirne stach noch ein drittes häßliches dunkelrotes Auge hervor wie das eines Luchses. Diese Gestalt rief in einem fort: „Gepriesen sei der, welcher diese lange harte Pein über mich verhängt hat!“ Musa bat den Alten, diese Gestalt einmal zu fragen, wer sie sei und warum sie sich in diesem Zustande befinde? Der Alte sagte: „Ich fürchte mich vor ihr.“ Musa versetzte: „Der hat genug mit sich selbst zu tun, um dir etwas anzuhaben.“ Der Alte ging auf sie zu und fragte: „Wer bist du? Wie heißt du? Wer hat dich hierher gebracht?“ Da antwortete sie: „Ich bin ein böser Geist und heiße Dasmusch und werde gepeinigt und bleibe hier gebannt bis zum Tage der Auferstehung durch die höchste Gewalt Gottes. Die wunderbare Ursache aber, warum ich an diese Säule gebannt bin, ist folgende: Iblis, den Gott verdammen möge, hatte einen Götzen aus rotem Korall, der mir anvertraut war. Diesen Götzen betete einer der Könige des Meeres an, welcher über zehnhunderttausend bewaffnete Menschen und zehnhunderttausend Genien gebot, ich verführte aus dem Leibe des Götzen hervor die Leute und sie gehorchten mir und erkannten die Herrschaft Suleimans, des Propheten Gottes, nicht an. Dieser König hatte eine Tochter, welche Tag und Nacht den mir anvertrauten Götzen anbetete, und so schön war, daß man selbst Salomo auf sie aufmerksam machte. Dieser schickte zu ihrem Vater, ließ um sie anhalten und befahl ihm auch, den Götzen zu zerbrechen und den einzigen Gott und seinen Propheten Suleiman anzuerkennen. Tust du dies, ließ ihm Salomo sagen, so geht es dir gut, wo nicht, so bereite dich zum Tode vor, denn ich werde dich mit Truppen überfallen, welche die ganze Erde ausfüllen, und du wirst gleich dem gestrigen Tage werden, der nie mehr wiederkehrt. Als der König diesen Brief las, warf er ihn zornig weg und sagte zu seinen Vezieren: Was soll ich Salomo, dem Sohne Davids, antworten, der einen Boten herschickt, meine Tochter als Gattin verlangt und mir befiehlt, meinen Götzen zu zerbrechen und seinen Glauben anzunehmen? Die Veziere antworteten: Großer König und mächtiger Herr! Was kann Salomo dir tun? Du bist ebenso groß und noch mächtiger als er, du hast über eine Million Krieger zu gebieten und wohnst auf diesem großen Meer, wo er gar nicht zu dir gelangen kann und wo Menschen und Genien für dich kämpfen; übrigens berate deinen Herrn, den Götzen, und befiehlt er dir, ihm entgegenzuziehen, so tue es! Der König stand auf und ging zum Götzen, brachte ihm ein Opfer, fiel vor ihm nieder und sprach: O Herr, ich bitte um deinen Schutz, der König Salomo will dich zerbrechen. O Herr! gebiete uns, dein Befehl wird vollzogen, denn wir kennen deine Macht. Ich verbarg mich nun, weil ich Salomos Macht nicht kannte, in dem Leibe des Götzen und sagte: Ich fürchte mich nicht vor Salomo; wenn er Lust hat, soll er mich nur bekriegen, ich werde ihm mit Schwert und Lanze das Leben nehmen.

„Meine Antwort gab dem König Mut genug, um Salomo den Krieg zu erklären; er spie seinem Gesandten ins Gesicht und gab ihm folgende beleidigende Antwort: Sage Salomo, sein Herz habe ihm Lug und Trug vorgespiegelt; er möge seine ganze Macht aufbieten, wenn er nicht zu mir geht, so komme ich zu ihm. Als der Bote Salomo diese Antwort überbrachte, glühte er vor Zorn, und sein Entschluß stand fest. Er sammelte alsbald Menschen und Geister und Vögel und wilde Tiere, befahl dann dem Löwen, dem König der vierfüßigen Tiere, alle reißenden Tiere aus den Wüsten und Einöden zu versammeln. Er rief dann den Adler, den König der Vögel, und befahl ihm, alle Raubvögel zusammenfließen zu lassen. Seinem Vezier Damuriat erteilte er den Befehl, alle Genien und Teufel und widerspenstigen Geister zu rufen, und Asaf, den Sohn Berahjas, beauftragte er, alle menschlichen Truppen zusammenzubringen. Als alles in unzählbarer Masse sich eingestellt hatte, setzte sich Salomo mit seinen Scharen auf seinen Teppich; die Vögel flogen über ihm und die Menschen und Genien gingen vor ihm her. Als der ganze Zug um Ufer des Meeres anlangte, stieg Salomo vom Teppich herunter und schickte einen Boten zum König der Insel, der ihm sagen sollte: Hier ist nun Salomo, der Prophet Gottes, gehorche ihm, zerbrich deinen Götzen, gib ihm deine Tochter zur Frau und rufe mit allen Bewohnern des Landes aus: Es gibt keinen Gott außer dem einzigen Gott, und Salomo ist sein Prophet! Wo nicht, so verteidige dich gegen seinen Angriff. Glaube aber nicht, daß dich das Meer gegen ihn schützt, denn er befiehlt dem Winde, ihn zu dir zu tragen, und erscheint mitten auf deiner Insel, um dich zu verderben. Als der Gesandte dem König Salomos Botschaft überbrachte, antwortete er.- Sage Salomo, ich ziehe ihm morgen entgegen und hoffe ihn zu treffen. Der Bote kehrte wieder zu Salomo zurück, der sich hierauf zur Schlacht rüstete.

„Sobald der Gesandte weg war, ließ mich der König rufen und gebot mir, alte unter mir stehenden Truppen zu versammeln. Ich gehorchte, brachte eine Million Menschen und ebenso viele Genien zusammen; auch der König zog alle seine Leute zusammen, und es kam eine Zahl heraus, die nur Gott kennt. Salomo aber stellte wilde Tiere zur Rechten und zur Linken seiner Truppen auf, und befahl den Vögeln in der Luft, über ihren Köpfen zu fliegen, dem Feinde, sobald er einen Angriff versuche, mit den Flügeln ins Gesicht zu schlagen und ihnen mit den Schnäbeln die Augen auszupacken. Er selbst schwebte auf seinem vom Winde getragenen Teppiche in der Luft, er setzte Damuriat über den rechten Flügel der Menschen und Asaf über den linken, die Könige der Menschen stellte er zur Rechten und die Könige der Geister zur Linken und die wilden Tiere und Vipern und Schlangen schickte er voraus. Indessen traten wir ihnen doch entgegen und kämpften zwei Tage, am dritten Tage aber brach nach der Bestimmung das Verderben über uns herein. Ich stellte mich an die Spitze der ersten Reihe unserer Truppen und forderte zum Zweikampfe heraus. Da trat mir Damuriat, der Vezier Salomos, wie ein großer feuerspeiender Berg mit seiner schrecklichen Macht entgegen und schoß einen feurigen Pfeil gegen mich ab, aber ich wich ihm aus und schleuderte einen feurigen Pfeil gegen ihn, der ihn traf. Aber sein Pfeil machte meine Flamme unschädlich und er schrie so laut, daß ich glaubte, die Berge wankten und der Himmel stürzte über mir zusammen. Auf seinen Befehl griffen dann seine Truppen uns an und das Handgemenge wurde allgemein unter furchtbarem Getöse; die Erde zitterte, Flammen sprühten, Rauch stieg gen Himmel, Köpfe fielen, Gallen zersprangen, fliegende Genien kämpften in der Luft, wilde Tiere auf der Erde; ich selbst focht immer gegen Damuriat, der mich so sehr in die Enge trieb und mir so hart zusetzte, daß ich die Flucht ergriff, und sogleich zerstreuten sich auch alle meine Truppen. Aber Salomo rief den Seinigen zu: Nehmet sie mit ihrem ruchlosen König gefangen! Da stürzten wilde Tiere zur Rechten und zur Linken über uns her; Vögel pickten uns die Augen aus und schlugen uns ihre Flügel ins Gesicht, Schlangen bissen uns und unsere Pferde, so daß kein einziger von den Unsrigen entkam. Zwar floh ich noch eine Strecke von drei Monaten vor Damuriat, aber zuletzt sank ich erschöpft zu Boden und wurde von ihm eingeholt. Als er mich gefangennahm, sagte ich ihm: Bei dem, der dich erhoben und mich erniedrigt hat, laß mich leben und führe mich zu Salomo (Friede sei mit ihm). Aber Salomo nahm mich sehr schlecht auf, ließ sich diese Säule bringen, höhlte sie aus, steckte mich hinein und legte sein Siegel darauf; Damuriat trug mich dann hierher und setzte einen mächtigen König über mich, um mich zu bewachen, und so muß ich hier in schwerer Pein bis zum Auferstehungstage gefangen bleiben.“

Höchst erstaunt über diese schreckliche Gestalt, rief Musa aus: „Es gibt keinen Gott außer dem einzigen Gott, der Salomo ein großes Reich geschenkte Der Alte sagte dann dem Geiste: „Erlaubst du mir, dich etwas zu fragen?“ Der Geist antwortete: „Frage nur, was du willst.“ Da fragte der Alte: „Gibt es hier Geister, in kupferne Flaschen von Salomos Zeit her eingesperrte „Ja wohl“, erwiderte der Geist, „im Meer Karkar, dort wohnen Leute, die noch von Noah abstammen (Friede sei mit ihm!), dorthin kam die Sündflut nicht, denn jene Gegend ist von der ganzen übrigen Erde abgeschiedene Der Alte ließ sich dann noch den Weg nach der messingnen Stadt und dem Orte, wo die kupfernen Flaschen liegen, näher angeben und zog mit Musa und seinen Begleitern weiter. Nach einer kurzen Strecke sahen sie etwas Schwarzes in der Ferne, von zwei einander gegenüber lodernden Flammen umgeben. Als Musa fragte, was das wäre? antwortete der Alte: „Freue dich, Fürst, das ist die messingne Stadt, so ist sie mir in meinem Schatzbuche beschrieben; denn sie ist aus schwarzen Steinen gebaut und hat zwei Schlösser aus spanischem Messing, welche wie zwei Feuer einander gegenüber aussehen, und daher hat sie auch ihren Namen. Sie gingen nun auf die Stadt zu, welche mächtige Gebäude enthielt und schön angelegt war, von sehr festen, achtzig Ellen hohen Mauern mit fünfundzwanzig Toren umgeben. Aber diese Tore konnten nur von innen geöffnet werden; Musa war daher in der größten Verlegenheit und wußte keinen Rat, um in die Stadt zu dringen und ihre Wunder zu sehen und der Alte sagte ihm: so ist sie in dem Schatzbuch beschrieben. Nach einigem Nachdenken befahl er einem seiner Offiziere, um die Stadt herum zu reiten und zu sehen, ob sich nicht ein zugänglicher Ort finde. Dieser bestieg sein Kamel, nahm Wasser und Lebensmittel mit und nach zwei Tagen hatte er den Kreis um die Stadt vollendet, berichtete aber, sie sei wie aus einem Stücke gegossen, er habe auch keine Öffnung gefunden, die es möglich machte, hineinzukommen.

Musa fragte ihn dann, ob er gar nichts von der Stadt gesehen? „Tapferer Fürst“, antwortete der Offizier, „es müssen Wunderwerke in d en Mauern, vor denen wir hier stehen, verborgen sein; ich bin ganz erstaunt über die Festigkeit dieser Stadt, über ihre schönen Gebäude und hohen Türme.“ Musa stieg dann mit dem Alten auf den höchsten Berg, der vor der Stadt lag, und von hier aus sahen sie die schönste Stadt vor sich liegen, die man finden konnte; hohe Häuser, feste Schlösser, fließende Bäche, schön angelegte Straßen. Ihr Auge entdeckte aber keinen Menschen, noch ein Haustier; Nachteulen hausten darin mit anderen Vögeln, aber sie war sicher vor jedem Wechsel der Zeit. Die Wohnungen beklagten die Bevölkerung, die sie einst umschlossen, und die Schlösser beweinten die, welche sie gebaut. Musa wunderte sich über den traurigen Zustand dieser Stadt und rief: „Gepriesen sei Gott, der die Launen des Schicksals nicht zu befürchten hat und den die Zeit nicht ändert.“ Unter solchen Betrachtungen sah Musa an der Seite des Berges, welche der Stadt gegenüber lag, sieben marmorne Tafeln, auf denen allerlei Ermahnungen eingegraben waren. Musa bat den Alten, diese Inschriften zu lesen, und dieser näherte sich der ersten Tafel und las folgende Inschrift:

„O Mensch, warum bedenkst du nicht, was vor dir war, deine Jahre, Monate und Tage haben dich es vergessen lassen. Weißt du nicht, daß der Todeskelch dich erwartet und daß du bald von der Welt scheiden mußt? Drum sorge für deine Seele, ehe du ins Grab sinkst. Wo sind die Könige welche Länder besessen, Menschen unterjocht, Schlösser gebaut und Truppen angeführt haben? Der Tod hat sie überfallen, der alles Vereinte trennt, ihre Wohnungen stehen nun leer, sie sind aus geräumigen Schlössern ins enge Grab gestiegen.“

Dann las er noch folgende Verse:

„Wo sind die mächtigen Kaiser mit allen ihren Leuten? Gegen ihren Willen mußten sie sie räumen, als der Herr des Himmels sie heimsuchte, und nichts halfen ihnen alle ihre Schätze.“

Musa wurde tief ergriffen und Tränen flossen auf seine Wangen herab; er ließ sich dann Tinte geben, schrieb die Tafel ab und ging zur zweiten, welche folgende Inschrift hatte:

„O Mensch! Welche Hoffnungen täuschen dich? Was zerstreut dich von dem Gedanken des Todes? Weißt du nicht, daß niemand in dieser Welt bleibt? Wo sind denn die Könige, die so viele Länder besessen? Wo sind die, welche Irak bevölkert haben? Wo ist der Erbauer Ispahans? Wo ist der Herr von Chorasan? Der Todesbote hat ihnen zugerufen und sie mußten antworten. Der Verkündiger der Vergänglichkeit hat sie angesprochen, und sie verschwanden; ihre festen Schlösser schützten sie nicht und alles, was sie gezählt und aufgehäuft, konnte das Übel nicht von ihnen abwenden.“

Zuletzt las er noch folgende Verse:

„Wo sind die großen Kaiser und ihre Reiche? Sie haben die Erde verlassen, als wären sie nie gewesen. Sie haben aus Furcht vor dem Zerstörer der Freuden viele Truppen gesammelt, dann mußten sie doch beschämt von dannen weichen.“

Musa weinte heftig und rief: „Bei Gott! Wir sind zu etwas Großem geschaffen!“ Er schrieb auch diese Tafel ab und ging zur dritten Tafel, auf welcher geschrieben war:

„O Erdensohn, du lebst in Zerstreuungen und wendest dich ab vom Befehle deines Herrn; ein Tag nach dem anderen vergeht von deinem Leben, und du kehrst dich nicht daran. Sammle dir doch Vorrat für den Auferstehungstag, und bereite dich vor, deinem Herrn zu Rede zu stehen!“ Auf dieser Tafel standen noch folgende Verse:

„Wo sind die Mächtigen, die so viele Länder bebauten und immer ruchloser und gewalttätiger wurden? Alle Bewohner der Erde, Indier und Sindier, Abyssinier und Mohren, und Nubier fielen dem Tode anheim, sobald sie übermütig wurden, und alle ihre Schlösser konnten ihnen nicht helfen.“

Musa gefiel auch diese Inschrift so sehr, daß er sie abschrieb; er stellte sich dann vor die vierte Tafel, welche folgende Inschrift hatte:

„O Mensch, wie lange glaubst du, daß dein Herr dir noch zusieht, wenn du immer tiefer ins Meer deiner Leidenschaften untertauchst? Jeder Tag bringt dir Gottes Güte, jeden Tag sollte dein Dank zu ihm hinaufsteigen, statt dessen beschäftigst du dich mit eitlen Dingen. O schäme dich doch vor dem, der alles sieht, und erfülle des Teufels Wünsche nicht! Mir ist, als frage man schon nach dir und es heißt: Er ist gestorben voller Reue über seine Vernachlässigung der göttlichen Gebote.“

Am untern Rande der Tafel standen noch folgende Verse:

„Wo sind die, welche hier feste Grundpfeiler gelegt und hohe Gebäude darauf errichtet? Wo sind die, welche diese festen Burgen bewohnt haben? Sie sind alle verschwunden, sie ruhen im Grabe bis zum Tage, an welchem jedes Geheimnis offenbart wird. Gott, der altem Ehrwürdige, ist unvergänglich.“

Musa fiel vor großem Erstaunen in Ohnmacht; als er wieder zu sich kam, schrieb er auch die vierte Tafel ab und näherte sich der fünften, auf der geschrieben war:

„O Menschensohn! Was leitet dich ab von dem Gehorsam gegen Gott, der dich als Kind gepflegt und erzogen? Wie kannst du seine Huld vergessen, während er immer gnädig auf dich herabsieht und seine schützende Hand über dich ausbreitet? Du entgehst doch einer Stunde nicht, welche bitterer ist als Geduld, und heißer als brennende Kohlen; bereite dich zu dieser Stunde vor, denn wer kann ihre Bitterkeit mildern und ihre Glut löschen? Gedenke der Völker und Jahrhunderte, die vor dir waren, und belehre dich daran, ehe du untergehst!“ Am Rande der Tafel waren noch folgende Verse eingegraben:

„Wo sind die alten Könige der Erde? Dahin sind sie mit ihrem ganzen Erwerb. Einst ritten sie an der Spitze von Armeen, welche die ganze Erde ausfüllten, bekämpften mächtige Herrscher, besiegten und vernichteten unzählbare Heerscharen; aber unerwartet kam der Befehl des Herrn des Himmels, und nach dem glanzvollsten Leben war Verwesung ihr Ende.“

Nachdem Musa auch diese Inschrift abgeschrieben hatte, näherte er sich der sechsten Tafel, worauf zu lesen war:

„O Menschensohn! Glaube nicht, daß dein Heil ewig dauert; der Tod schwebt immerfort über deinem Haupt. Wo sind deine Väter? Wo deine Brüder und Freunde? Alle sind ins Grab gestiegen, als hätten sie nie gegessen oder getrunken, und vor den erhabenen Herrn getreten und empfangen nun den Lohn ihrer Taten. Sorge daher für deine Seele, ehe du ins Grab sinkst l“

Die Inschrift schloß mit folgenden Versen:

„Wo sind die Könige der Franken! Wo sind die, welche in Tanger thronten? Nur ihre Werke bleiben ewig in -einem Buche aufgezeichnet, das der Einzige als unauslöschliche Beweise aufbewahrt.“

Als Musa diese Verse gelesen und abgeschrieben hatte, rief er: „Es gibt keinen Gott außer Gott! Wie groß war der Tod dieser Leute!“ Er näherte sich dann der siebenten Tafel, worauf geschrieben war:

„Gepriesen sei der, welcher über alle seine Geschöpfe den Tod verhängt, der selbst aber ewig lebt und niemals stirbt. O Menschensohn! Laß dich von deinen vergnügten Tagen, Stunden und Augenblicken nicht irre leiten! Wisse, daß der Tod dir immer näher rückt und gleichsam auf deinen Schultern sitzt, jeden Augenblick bereit, dich zu überfallen. Schon ist mir, als sähe ich dich deines süßen und angenehmen Lebens beraubt; drum höre auf meine Rede und vertraue nur dem höchsten Herrn! Wisse, in dieser Weit ist kein Bleiben, sie gleicht einem Spinngewebe, alles vergeht darin! Wo ist der Gründer und Erbauer der Stadt Amid? Wo ist der, welchem die Stadt Farikein ihr Dasein verdankt? Nach aller ihrer Herrlichkeit sind sie ins Grab gestiegen, und so werden auch wir einst vergehen, denn nur der erhabene, barmherzige Gott allein bleibt ewig.“

Der Erzähler fährt fort: Der Emir Musa bewunderte diese Inschrift und schrieb sie ab, stieg dann wieder vom Berg herab und sagte den Führern und den anderen Leuten, die ihn umgaben: „Wie fangen wir es an, um in diese Stadt zu kommen, ihre Wunder zu sehen und ihre Schätze zu nehmen?“ Der Führer antwortete: „O Fürst, wenn du in die Stadt willst, so müssen wir eine lange Leiter machen, um über die Mauer zu steigen, vielleicht können wir dann, so Gott will, die Tore öffnen.“ Musa fand diesen Rat gut und befahl sogleich seinen Leuten, Holz zu schneiden, und sie arbeiteten fünf Tage lang an einer langen Leiter, die bis zur Mauer hinaufreichte. Da sagte Musa: „Gottes Segen sei mit euch! Wer von euch will über die Mauer steigen und uns die Tore öffnen?“ Einer von ihnen antwortete: „Ich will hinaufsteigen und euch öffnen.“ Als er ganz droben war und einen Blick in die Stadt warf, schrie er mit lauter Stimme: „Bei Gott, schön!“ dann schlug er die Hände zusammen und sprang hinunter, brach den Hals und starb sogleich. Musa rief erschrocken: „Bei Gott! Der Mann ist tot!“ Hierauf erhob sich ein anderer und sagte. „O Fürst! Der Mann war gewiß rasend, und darum ist er umgekommen; ich will auf die Mauer steigen und euch die Tore öffnen.“ Musa erwiderte: „Tue das, Gott segne dich! Doch hüte dich, so davonzufliegen wie dein Gefährte!“ Der Mann stieg auf die Mauer, und als er droben war, lachte er laut und rief: „Schön! Schön!“ dann schlug er die Hände zusammen, sprang die Mauer hinab und fiel tot hin. Da rief Musa: „Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! Dies geschah nun dem Verständigen und Einsichtsvollen; fahren wir so fort, so gehen wir alle zugrunde ohne daß der Wunsch des Fürsten der Gläubigen erfüllt wird; was mögen wohl diese Männer gesehen haben, um sich selbst in den Abgrund zu stürzen?“ Indessen stieg doch noch ein Dritter auf die Mauer, stürzte aber ebenfalls hinab, und ihm folgten noch viele von Musas Leuten.

Da sagte der Alte: „Hier kann niemand helfen als ich: der Erfahrene handelt anders als der Unerfahrene.“ - „Ja, bei Gott!“ rief Musa; „nur du darfst noch hinaufsteigen, und fliegst auch du davon, so ziehen wir weg und wollen nichts mehr von dieser Stadt sehen.“ Der Alte stieg mit den Worten: „Im Namen Gottes, des Barmherzigen“, auf die Leiter, und als er droben war, lachte er und rief: „Schön, bei Gott, schön!“ Er setzte sich dann ein wenig, stand wieder auf und sagte: „O Fürst, fürchte nichts; durch seinen barmherzigen Namen hat Gott die List der Teufel von dir gewandt.“ Musa fragte: „Was siehst du?“ Er antwortete: „Ich sehe zehn Jungfrauen, schön wie der Mond, sie haben Haare, Mund und Hals wie Huris, sie rauben dem Besonnensten den Verstand und laden jeden, der sie ansieht, ein, zu ihnen zu kommen. Dem oben Stehenden scheint es dann, als wäre Wasser unten, und auch ich hatte schon im Sinn, hinunter zu springen, da verbannte ich aber den Zauber durch den Namen Gottes, und nun sehe ich unsere Gefährten tot vor mir liegen.“ Hierauf rief der Alte noch einmal: „Im Namen Gottes, des Barmherzigen!“ und ging bis zu zwei kupfernen, nach den Regeln der Kunst angelegten Türmen mit zwei goldenen Toren, an denen aber weder Schloß noch Riegel zu sehen war.

Mitten am Tore war ein kupferner Reiter ausgehauen, welcher seine Hand ausstreckte, in deren Mitte war geschrieben: „O Wanderer, der du hierher kommst, willst du dieses Tor öffnen, so reibe zwölfmal den Nagel an meiner Brust, und sogleich wird sich dir das Tor mit der Erlaubnis des erhabenen Gottes öffnen.“ Als der Alte dies tat, drehte sich der Reiter wie der Blitz herum, und das Tor öffnete sich; er stieg dann hinunter und kam in einen unterirdischen Gang, der zum Stadttore führte; aber auch dieses war mit Ketten und Schlössern verriegelt, viele Leichen lagen umher und allerlei Fahnen und Kriegsgeräte. Da dachte der Alte: Gewiß hat einer dieser Männer die Schlüssel zum Tore: er näherte sich ihnen daher und suchte, bis er den steinalten Torwächter fand, dem die Schlüssel zu Häupten lagen. Der Alte nahm die Schlüssel, räumte das Kriegsgerät weg und öffnete das Tor ganz allein, trotz seiner Höhe und Größe. Beim Öffnen des Tores vernahmen die Leute, die außen standen, ein Geräusch wie ein Donnern; freudig priesen die Leute Allah, sprangen dem Alten entgegen und wollten mit ihm in die Stadt gehen. Er aber sagte: „Nur ein Teil von euch komme mit mir, der übrige bleibe außen stehen.“ Als der Alte hierauf an der Spitze der Hälfte seiner Leute die Straßen und die Märkte der Stadt durchzog, bewunderten sie die schönen Häuser, Schlösser und Bäche, die in der Stadt waren, und erstaunten über die vielen Leichen, die in den Straßen umherlagen. Auf dem Markte der Geldwechsler fanden sie alle Gerätschaften geordnet, aufgehängte Waagen, Gold und Juwelen, die niemand bewachte und niemand wegnahm, nur Leichen lagen dabei, die zum Teil schon in Verwesung übergegangen waren und nur noch die Knochen übrig hatten, als Warnung für Verständige. Sie kamen dann auf den Markt der Spezereihändler und sahen die Läden voll von dem feinsten Moschus, Ambra, Aloe und Kampfer, in Gefäßen von Elfenbein, Ebenholz, spanischem Messing und anderen Metallen, die so kostbar wie Gold waren und deren Eigentümer tot umherlagen. Hierauf gelangten sie an das königliche Schloß, das ganz unbewacht war; hier hingen Schwerter mit Gold verziert und daneben lagen tote Männer und Jünglinge, Schloßhüter und Adjutanten, deren Haut schon wie gedörrtes Fleisch aussah, und die man für Schlafende hielt. Musa blieb erstaunt vor ihnen stehen und pries Gott. Auf dem offenen Tore des Schlosses war mit goldenen und Azurbuchstaben geschrieben:

„Sei aufmerksam, o Mensch, auf das, was du hier siehst, und bedenke dein Ende, ehe du vergehst; betrachte diese Leute, die plötzlich verschieden und nun für all ihr Bemühen im Staube liegen. Schicke dir einen reichen Vorrat an heilbringenden Taten voraus, denn alle Bewohner dieser Erde müssen sie einst verlassen. Diese Männer haben viele Gebäude errichtet und viele Güter gesammelt, die ihnen nichts halfen, als die Todesstunde kam. Sie sind vom Gipfel des Ruhms in die Tiefe des Grabes gestiegen. Wehe einem solchen Sturz! Dann rief man ihnen in ihrem Grabe zu: Wo sind die Kronen und die Throne und aller Schmuck? Wo sind die verschleierten Gesichter, die einst als Muster der Schönheit galten? Und das Grab antwortete: Die Rose ist auf ihren Wangen verblichen, und, nachdem sie die besten Leckerbissen verzehrt, werden sie nun selbst ein Raub der Würmer.“

Musa weinte und fiel in Ohnmacht, und als er wieder zu sich kam, schrieb er die Verse ab; dann ging er ins Innere des Schlosses, da fand er vierzig einander gegenüberliegende sehr hohe Säle, voll mit Gold, Silber, Perlen und Edelsteinen. Im vordersten Saale war ein Thron von Elfenbein und Rubinen, mit dem reinsten Golde belegt, daneben erhob sich eine goldene Säule, auf deren Spitze ein Vogel stand mit einer Perle im Schnabel, welche wie ein Stern leuchtete. Auf dem Throne saß ein Mädchen, so schön wie die leuchtende Sonne, sie war in ein Kleid gehüllt, das ganz aus Edelsteinen war, und hatte eine Perlenschur am Hals, mit Moschus und Ambra ausgestopft, die das Reich eines Kaisers wert war. Dieses Mädchen sah Musa mit Gazellenaugen an, und sowohl ihr Blick, als der Glanz ihres Angesichts und die Schwärze der Haare machten den tiefsten Eindruck auf ihn. Als er sie aber grüßte und sie seinen Gruß nicht erwiderte, sagte der Alte: „Dieses Mädchen ist tot; ihre Augen sind herausgenommen und Quecksilber an ihre Stelle gegossen worden, so daß, so oft sie eine Luft anweht, man glaubt, sie bewegen sich.“ Musas Auge fiel dann auf zwei Statuen, welche vor dem Mädchen standen; die eine war weiß, die andere schwarz, die eine hatte ein Schwert in der Hand, die andere eine Lanze. Zwischen den beiden Statuen lag eine goldene Tafel auf den Stufen des Thrones mit einer silbernen Inschrift. Musa fand folgendes darauf:

„Im Namen Gottes, des Ewigdauernden, des Einzigen und Mächtigen, der allein durch die Dauer ausgezeichnet ist, während alle seine Diener vergehen, der den Tag und die Nacht leitet! O Wanderer, der du hierher kommst, denke nach über das, was du hier siehst vom Wechsel der Zeit, laß dich nicht verblenden von der Weit, sie ist trügerisch und treulos gegen ihre Anhänger. Ich habe mich auf sie verlassen und mich ihr ganz hingegeben, und doch, wie du siehst, hat sie mich verraten, so wie alle älteren Völker und vergangene Jahrhunderte; wenn du mich nicht kennst, so will ich dir sagen, wer ich war. Ich bin die Königin Tadmora, Tochter von Königen, welche so viele Länder beherrscht und so viele Menschen unterjocht; ich habe das größte Reich auf Erden besessen, ich war gerecht in meinen Urteilen und mild gegen meine Untertanen, aber auf einmal suchte mich und mein Volk der Tod heim. Es vergingen nämlich viele Jahre, und kein Tropfen Regen fiel vom Himmel und nichts Grünes wuchs auf der Erde, Nachdem wir unseren Vorrat verzehrt hatten, suchten wir uns Nahrung aus anderen Ländern zu verschaffen; aber die Leute, welche ausgegangen waren, um Lebensmittel zu holen, sagten, wenn sie sie mit Perlen aufgewogen und aufgemessen hätten, so wäre es ihnen auch nicht möglich gewesen, etwas herbeizuschaffen. Als uns nun keine Hoffnung mehr blieb, ergaben wir uns der Bestimmung und schlossen die Tore der Stadt. Wer nun herkommt, der nehme von diesen Gütern so viel er will, nur lasse er mir, was ich an meinem Körper an Kostbarkeiten trage, er fürchte Gott und entblöße mich nicht und lasse mir meine Ausstattung, dann wird euch auch Gott nicht mit Teurung und Hungersnot heimsuchen.“

Musa weinte heftig, schrieb alles ab, und sagte seinen Freunden: „Schafft Kamele herbei und beladet sie mit allen diesen Gütern.“ Da sagte der Vezier: „Sollen wir wirklich das schönste, was dieses Mädchen besitzt, zurücklassen? Wir wollen es lieber dem Fürsten der Gläubigen bringen.“ Musa antwortete: „Hast du das Verbot auf der Tafel nicht gelesen?“ Der Vezier erwiderte: „Und darum sollen wir diese kostbaren Perlen und Edelsteine hier lassen? Dieses Mädchen ist doch tot, was tut sie mit diesem irdischen Schmucke? Ein baumwollenes Kleid genügt ihr. Nimmst du ihn nicht, so nehme ich ihn und bringe ihn dem Fürsten der Gläubigen.“ Mit diesen Worten stieg er zu ihr hinauf; als er aber zwischen den beiden Statuen stand, schlug ihm die mit dem Schwerte den Kopf ab und die mit der Lanze spaltete ihm den Rücken. Da sagte Musa: „Gott habe kein Mitleid mit deiner Seele! Warum warst du so habgierig?“ Nachdem hierauf Musas Leute ihre Kamele mit Gold und Edelsteinen und anderen Kostbarkeiten beladen hatten, verließen sie die Stadt und reisten am Ufer des Meers einen ganzen Monat lang, bis sie an einen hohen Berg kamen, in welchem viele Höhlen ausgegraben waren. Auf dem Berge standen viele schwarze Menschen in Häute gekleidet, die kein Wort sprachen. Als sie Musas Truppen sahen, flüchteten sie sich in ihre Höhlen mit ihren Frauen und Kindern und sahen schüchtern zu Musa und seinen Leuten auf.

Musa fragte den Alten: „Wer sind diese Leute?“ Er erwiderte: „Es sind Leute, welche das besitzen, was du suchst.“ Musa stieg vor dem Berge ab, und kaum hatte er sich in sein Zelt begeben, da kam der König der Schwarzen, der allein unsere Sprache redete, und grüßte ihn und seine Leute und fragte sie: „Wer seid ihr? Was wollt ihr? Was hat euch hierher geführt?“ Musa antwortete: „Der Fürst der Gläubigen, Abdul Melik, der Sohn Merwans, hat von unserem Herrn Salomo, dem Sohne Davids (Friede sei mit ihm!), gehört und von dem großen Reiche, das ihm der erhabene Gott geschenkt; auch hat er vernommen, wie Salomo über Genien, Tiere und Vögel regierte und die Widerspenstigen in kupferne Flaschen einsperrte, die er versiegelt in den Abgrund des Meers warf, dessen Wellen die Ufer eures Landes bespülen. Der Fürst der Gläubigen hat uns daher hierher geschickt, um solche Flaschen aufzusuchen; und wir bitten dich nun, o König, uns behilflich zu sein, daß wir den Befehl des Fürsten der Gläubigen vollziehen können.“ Der König versprach ihnen seinen Beistand und führte sie in die für Gäste bestimmte Wohnung, ließ alles Nötige dahin bringen und erwies ihnen viel Ehre. Musa fragte dann den König: „Welchen Glauben habt ihr und was betet ihr an?“ Er antwortete: „Wir beten den Gott des Himmels an und glauben an Muhamed (Gottes Friede sei mit ihm!), der am Ende der Zeit wieder erscheinen wird.“ Musa fragte: „Wer hat euch dies gelehrt? Ich sehe doch keinen Menschen bei euch?“ Er antwortete: „An jedem Donnerstag steigt eine Feuersäule gegen den Himmel auf und wir sehen einen Mann auf dem Wasser gehen, welcher ruft: O ihr Söhne der Tiefe! Bekennet, daß es keinen Gott gibt, als den einzigen Gott, der keinen Gefährten hat, und daß Muhamed sein Diener und Gesandter ist. Wir beschworen ihn dann bei dem, den wir anbeten, er möge uns sagen, wer Muhamed sei, und er antwortete: Muhamed ist ein Prophet, der in späterer Zeit erscheinen und alle Religionen vernichten und Dienst des göttlichen Richters herstellen wird. Ich fragte ihn dann: Wer ist Gott, den du so beschreibst? Er antwortet: Sein Thron ist im Himmel und seine Herrschaft auf Erden; er ist einzig und mächtig, und dieser Mann lehrte uns die Grundpfeiler des Islams und das Gebet und Fasten.“ Musa freute sich sehr, als er vernahm, daß diese Bergbewohner Muselmänner waren; er blieb drei Tage in der ihm angewiesenen Wohnung, dann ließ er Taucher kommen und sagte ihnen, er wünsche einige der Salomonischen Flaschen zu haben. Sie tauchten ins Meer, brachten drei kupferne Flaschen herauf und überreichten sie Musa mit vielen anderen kostbaren Geschenken.

Musa trat dann mit den Seinigen den Rückweg nach Bagdad an, und als sie in der Nähe der Stadt waren, kamen ihnen die vornehmsten Bewohner derselben entgegen. Musa erzählte dem Fürsten der Gläubigen die Wunder, die er auf seinem Wege gesehen, sowie auch die Geschichte des Veziers, der wegen seiner Gier nach dem Gewande des Mädchens getötet worden, und überreichte ihm die Flaschen und die Geschenke des Königs der Schwarzen, worüber sich der Fürst der Gläubigen sehr wunderte. Als er eine dieser Flaschen öffnete, stieg ein Rauch gen Himmel, der sich zu einem sehr häßlichen Geiste gestaltete, und schrie: „Gnade, o Prophet Gottes! Ich will nicht mehr so sein.“ Der Kalif sagte: „Kehre wieder auf deinen Platz zurück.“ Der Geist ging wieder in die Flasche, und Kalif versiegelte sie und ließ sie in seine Schatzkammer bringen und rief: „Wahrlich, dem Suleiman ist eine große Herrschaft verliehen worden.“ Das ist's, was von der Geschichte der messingenen Stadt uns zugekommen. Aber nur Gott ist allwissend! Geschichte Niamahs und Nuams. Man erzählt (doch nur Gott weiß alles!): Einst lebte in Kufa ein sehr reicher und angesehener Mann, mit Namen Rabia, der Sohn Chaterns, welchem Gott ein Söhnchen geschenkt hatte, das er Niamah nannte. Als er eines Tages auf dem Sklavenmarkte bei einem seiner Freunde saß, wurde eine Frau mit einem kleinen wunderhübschen Töchterchen zum Verkauf ausgerufen. Rabia fragte: „Wie teuer beide? Und als man ihm antwortet: „Fünfzig Dinare“, sagte er dem Makler: „Hier ist das Geld, schreibe den Kaufkontrakt.“ Er gab ihm dann auch sein Maklergeld, führte die Frau und ihr Töchterchen in sein Haus und sagte einer seiner Cousinen, welche ihn fragte, was er mit dieser alten Sklavin wollte, er habe sie nur der Kleinen willen gekauft, welche gewiß einst alle Töchter Arabiens und Persiens an Schönheit übertreffen würde. Da sagte sie: „Du hast wohl getan.“ Sie fragte dann die Frau nach ihrem und ihres Töchterchens Namen, und sie antwortete: „Ich heiße Taufik und mein Töchterchen heißt Saad.“ Jene versetzte: „Du hast wahr gesprochen, denn du bist beglückt durch sie.“ Sie fragte dann ihren Vetter, wie er sie nennen wolle. Rabia antwortete: „Wie du willst.“ Da sagte sie: „So nenne sie Nuam.“ Rabia willigte ein und ließ dann Nuam und Niamah wie Bruder und Schwester beisammen leben, bis sie beide ein Alter von zehn Jahren erreicht hatten. Dann ging Rabia zu seinem Sohne Niamah und sagte ihm: „Mein Sohn, Nuam ist nicht deine Schwester, sondern deine Sklavin, die ich auf deinen Namen getauft, als du noch in der Wiege lagst; drum nenne sie von heute an nicht mehr deine Schwester.“ Niamah sagte: „Wenn dem so ist, so will ich sie einst heiraten.“ Nach einiger Zeit ging er zu seiner Mutter und erklärte ihr seinen Wunsch, Nuam zu heiraten. Die Mutter sagte: „Sie ist deine Sklavin.“ Er heiratete sie und lebte mehrere Jahre in Liebe zu ihr, denn Nuam war das schönste und angenehmste Mädchen in ganz Kufa; auch war sie belesen, spielte allerlei Instrumente und hatte eine schöne Stimme; kurz, sie übertraf in allem ihre Zeitgenossen. Eines Tages, als Niamah mit ihrem Gatten beim Weine saß, ergriff sie die Laute und sang voller Liebe:

„So lange du mein Herr bist, dessen Huld mich beglückt und mein Schwert, das mich gegen jeden Unfall schützt, liebe ich niemanden als dich und bedarf keines andern, wenn ich auch noch so hart bedrängt werde.“

Niamah war entzückt über diese Verse und sagte: „O Nuam, bei meinem Leben, singe noch mehr!“ Sie sang noch folgende Verse:

„Bei dem Leben dessen, der mein Herz besitzt, ich werde meinen Neidern und Tadlern zum Trotze nur dir gehorchen, ich werde jeder Ruhe und jeder Freude entsagen, und dir in meinem Inneren ein Grabgraben.“

Niamah sagte: „Dein Gesang ist göttlich.“ Während sie aber ganz selig beisammen saßen, ging der Statthalter Hadjadj im Schlosse damit um, sich Nuams zu bemächtigen, um sie Abdul Melik, dem Sohne Merwans, dem Fürsten der Gläubigen zu schicken; „denn“, sagte er, „der Kalif hat kein schöneres Mädchen in seinem Schlosse und keines, das besser singt.“ Er ließ daher seine alte Haushälterin rufen und sagte ihr: „Geh in die Wohnung Rabias und suche ein Mittel, seiner Sklavin habhaft zu werden, denn es gibt auf dem ganzen Erdboden keine ihresgleichen.“ Die Alte gehorchte Hadjadj, zog ein wollenes Kleid an und warf einen Rosenkranz von Perlen und Edelsteinen um den Hals.

Sie nahm dann einen Stock in die Hand und einen Wasserschlauch aus Jemen und ging zur Mittagsstunde, immer: „Preis sei Gott! Lob sei Gott! Gott ist groß!“ vor sich her murmelnd, vor die Wohnung Niamahs und klopfte an die Tür. Als der Pförtner öffnete und sie fragte, was sie wolle, sagte sie: „ Ich bin ein armes, frommes Weib; da jetzt Mittag ist, so wünschte ich in diesem gesegneten Hause zu beten.“ Der Pförtner sagte: „Hier ist kein Betort und keine Moschee, hier ist das Haus Niamahs.“ Sie versetzte aber: „Ich weiß wohl, daß hier Niamahs Haus ist, öffne nur, ich bin die Haushälterin aus dem Schlosse des Fürsten der Gläubigen.“ Der Pförtner wollte sie noch immer nicht hereinlassen, aber die Alte ließ ihn nicht los und sagte: „Eine Frau wie ich, die in allen Häusern der Fürsten und Großen Zutritt hat, soll nicht zu Niamah dürfen?“ Niamah, der dies hörte, kam heraus, lachte den Pförtner aus und führte die Alte ins Haus zu Nuam. Die Alte grüßte sehr freundlich und war erstaunt über Nuams Schönheit und sagte: „Gott beschütze dich, der ein so schönes und liebenswürdiges Paar, wie du und dein Gatte, vereint hat.“ Sie ging dann in eine Nische, hörte den ganzen Tag nicht auf zu knien und zu beten. Als die Nacht hereinbrach, sagte ihr Nuam: „Nun, Mutter, ruhe deine Füße ein wenig aus.“ Die Alte sagte: „O meine Herrin, wer nach jener Welt strebt, muß sich in dieser abmühen; wer hier sich keine Mühe gibt, wird die Ruheplätze jener Welt nicht genießen.“ Nuam unterhielt sich dann eine Weile mit der Alten, dann sagte sie zu ihrem Gatten: „O mein Herr, beschwöre diese Alte, einige Zeit bei uns zu wohnen, denn ihr Gesicht deutet auf Frömmigkeit.“ - „Nun“, erwiderte Niamah, „so räume ihr ein Gemach ein, in dem sie niemand stört, vielleicht wird uns Gott durch sie segnen und uns nie trennen.“ Am folgenden Tage ging die Alte, welche die Nacht betend zugebracht hatte, zu Nuam und Niamah, wünschte ihnen guten Morgen und sagte: „Ich empfehle euch Gott.“ Da sagte ihr Nuam: „Wo willst du hin? Mein Mann hat gesagt, ich soll dir ein Zimmer einräumen, wo du allein beten kannst.“ - „Gott erhalte ihn“, rief die Alte, „und bewahre euch auf immer seine Huld! Gebt nur eurem Pförtner Befehl, daß er mir nie den Eingang versperre; so Gott will, werde ich nun andere gesegnete Häuser besuchen und überall für euch beten.“ Als sie das Haus darauf verließ, weinte Nuam wegen der Trennung, denn sie wußte nicht, weshalb sie gekommen. Die Alte aber begab sich wieder zu Hadjadj, und als dieser sie fragte, wie es gehe, antwortete sie: „Ich habe die Sklavin gesehen, kein Weib hat je so eine Schönheit geborene Hadjadj sagte: „Bringst du die Sache zustande, so sollst du reichlich dafür belohnt werden.“ Die Alte erbat sich nur eine Frist von einem Monat.

Die Alte besuchte dann oft Niamahs Haus, in welchem man sie immer mehr verehrte und wo sie zu jeder Stunde allen Hausleuten willkommen war. Eines Tages, als sie allein mit Nuam war, sagte sie ihr: „O meine Herrin! Zwar bete ich für dich an jeder heiligen Stätte; es wäre mir aber lieb, wenn du mich einmal zu den Scheichs und frommen Frauen begleiten wolltest, daß auch sie um die Erfüllung deiner Wünsche den Himmel anflehen.“ Nuam sagte: „Bei Gott, ich wünsche sehr, einmal mit dir zu gehen.“ Sie begab sich hierauf zu ihrer Schwiegermutter und bat sie, sie möchte bei Niamah die Erlaubnis erwirken, mit der Alten und mit ihr auszugehen, um auf den heiligen Stätten mit den Derwischen zu beten. Niamahs Mutter sagte: „Bei Gott! Ich möchte auch mitgehen.“ Am folgenden Tage, als Niamah nicht zu Hause war, kam die Alte wieder und sagte zu Nuam: „Komm jetzt zu den Derwischen, du kannst wieder zu Hause sein, ehe dein Herr zurückkommt.“ Niamahs Mutter, welche fürchtete, ihr Sohn möchte es erfahren, wollte sich widersetzen; aber die Alte sagte: „Bei Gott! Ich lasse sie nicht niedersetzen, sie soll sie nur stehend sehen, und wir sind bald wieder hier.“ So überlistete sie die Alte und führte Nuam in Hadjadjs Schloß, sperrte sie in ein Gemach und benachrichtigte Hadjadj von ihrer Ankunft. Als Hadjadj sie sah, fand er, daß er noch nie ein schöneres Weib gesehen, denn erst zu spät bedeckte sie ihr Gesicht mit einem Schleier. Hadjadj verließ sie keinen Augenblick, ließ sogleich seinen Kämmerer kommen und befahl ihm, von fünfzig Reitern begleitet, die Sklavin auf einem leichten Dromedar nach Damaskus dem Fürsten der Gläubigen zuzuführen; auch übergab er ihm ein Schreiben, das er dem Kalifen aushändigen sollte.

Der Kämmerer setzte die über die Trennung von ihrem Herrn weinende Sklavin auf ein Dromedar und ritt mit ihr nach Damaskus. Er bat sogleich um Erlaubnis, vor dem Fürsten der Gläubigen zu erscheinen, und als er sie erhielt, überreichte er ihm den Brief Hadjadjs. Als der Kalif den Brief gelesen hatte, fragte er: „Wo ist die Sklavin?“ Der Kämmerer antwortete: „Hier ist sie!“ und stellte sie dem Kalifen vor, der ihr ein eigenes Gemach einräumen ließ. Der Kalif ging dann zu seiner Gattin und sagte ihr: „Hadjadj hat mir eine Sklavin von den Königstöchtern Kufas für zehntausend Dinare gekauft und mit diesem Schreiben hergeschickt.“ Sie antwortete: „Gott vermehre deine Huld!“ Bald danach ging die Schwester des Kalifen zu Nuam und sagte ihr: „Bei Gott! Wer dich in seinem Hause besitzt, ist nicht betrogen und hätte er hunderttausend Dinare für dich gegebener Da sagte Nuam: „O du, mit freundlichem Gesichte, wem gehört dieses Schloß? Welcher König wohnt darin?“ - „Weißt du nicht, daß es das Schloß meines Bruders, des Fürsten der Gläubigen ist?“ - „Nein, bei Gott! Meine Herrin, davon wußte ich nichts.“ - „Und hat der Mann, der dich verkauft und das Geld für dich genommen, dir nicht gesagt, daß der Fürst der Gläubigen dich gekauft?“ Als Nuam dies hörte, antwortete sie nichts, weinte heftig und dachte: Bei Gott! Die List ist gelungen; wenn ich auch spreche, so wird niemand mir glauben, vielleicht ist Gottes Hilfe nahe.“ Sie setzte sich dann, ermüdet von der Reise und von der Sonne verbrannt, auf ein Sofa und die Schwester des Kalifen verließ sie.

Am folgenden Morgen besuchte sie sie wieder und brachte ihr Kleider und einen Schmuck von Edelsteinen. Als bald darauf der Kalif kam und sich neben Nuam setzte, sagte ihm seine Schwester: „Betrachte einmal dieses Mädchen! Gott hat ihr die vollkommenste Schönheit und Anmut geschenkte Nuam bedeckte aber ihr Gesicht mit den Händen, obschon der Kalif es zu sehen wünschte. Dieser sagte zu seiner Schwester: „Ich will sie noch drei Tage verschonen, damit sie sich indessen mit dir befreundet Als hierauf der Kalif und seine Schwester sich entfernten, dachte Nuam über ihre Lage nach und über ihre Trennung von ihrem Gatten; sie aß und trank nicht und wurde bald fieberkrank und ganz entstellt. Als der Kalif dies hörte, war er sehr betrübt; er schickte ihr die erfahrensten Ärzte, aber niemand konnte sie heilen. - Was aber ihren Herrn Niamah angeht, so hatte sich dieser, als er nach Hause kam, auf sein Bett gesetzt und Nuam gerufen. Als sie nicht antwortete, stand er auf und rief seine Leute, aber niemand kam, denn alle Sklavinnen hatten sich aus Furcht verborgen. Er ging dann zu seiner Mutter, welche ruhig in ihrem Zimmer saß, und fragte sie: „Wo ist Nuam?“ Sie antwortete: „Mein Sohn, sie ist bei jemanden, wo sie sicherer ist, als bei mir; sie ist mit der frommen Alten gegangen, um die Derwische zu besuchen: Sie wird bald wiederkehrend Niamah sagte: „Pflegte sie je so etwas zu tun? Wann ist sie ausgegangen?“ - „Diesen Morgen.“ - „Wie konntest du ihr dies erlauben?“ - „Mein Sohn, sie hat es so gewollt.“ Da rief Niamah: „Es gibt keinen Schutz und keine Macht außer bei Gott, dem Erhabenen.“ Er ging dann zum Polizeiobersten und sagte ihm: „Du hast mir durch List meine Sklavin aus meinem Hause entführen lassen, ich gehe und beklage mich beim Fürsten der Gläubigen.“ Da fragte der Polizeioberste: „Wer hat sie genommen?“ Niamah antwortete: „Eine alte Frau, die ein wollenes Kleid und einen Rosenkranz trägt.“ - „Führe mich zur Alten und ich schaffe dir deine Sklavin wieder.“ - „Aber ich kenne die Alte nicht.“ - „Und wie soll ich das Verborgene kennen, das nur vor Gott offen liegt?“ So sprach der Polizeioberste, der wohl wußte, daß Hadjadjs Haushälterin die Sklavin entführt hatte. Da sagte Niamah: „Ich fordere meine Sklavin von dir, und Hadjadj soll zwischen uns richten.“

Er ging sogleich ins Schloß zu Hadjadj, dessen Kämmerer ihn alsbald meldete, denn sein Vater war einer der Angesehensten in Kufa, und als Hadjadj ihn fragte, was er wolle, erzählte er ihm seine Geschichte. Hadjadj ließ den Polizeiobersten kommen und sagte ihm: „Ich fordere von dir Niamahs Sklavin: Setze dich zu Pferd und frage der Sklavin auf allen Wegen nach.“

Hadjadj wendete sich dann zu Niamah und sagte ihm: „Wenn du deine Sklavin nicht wieder findest, so schenke ich dir zehn Sklavinnen aus meinem Schlosse und zehn aus dem Hause des Polizeiobersten; geh jetzt und suche die Sklavin auf.“ Niamah ging bestürzt weg, verzweifelte am Leben und brachte die ganze Nacht weinend auf der Straße zu. Am folgenden Morgen kam sein Vater zu ihm und sagte ihm: „Hadjadj hat sich durch List deiner Sklavin bemächtigt, es kann dir schwerlich mehr geholfen werden. „ Dies vermehrte noch Niamahs Gram; er wußte nicht mehr, was er sagte, erkannte niemanden mehr und wurde so krank, daß sein Vater an seinem Leben verzweifelte, denn die Ärzte erklärten: „Es gebe für ihn kein anderes Mittel, als seine Sklavin.“ Eines Tages hörte Rabia von einem persischen Wundarzte und Sterndeuter sprechen, er ließ ihn rufen und bat ihn, seinen Sohn zu untersuchen. Der Perser ergriff Niamahs Hand und sah ihm ins Gesicht, lachte und sagte zu seinem Vater: „Dein Sohn ist nur herzenskrank.“ Er erwiderte: „Du hast recht“, und erzählte ihm die ganze Geschichte. Da sagte der Perser: „Diese Sklavin ist in Baßrah oder Damaskus, und dein Sohn wird nicht genesen, bis er wieder mit ihr vereint wird.“ „Wenn du sie vereinen kannst“, sagte Rabia, „so sollst du dein ganzes Leben in Reichtum und Glück zubringend Der Perser versetzte: „Die Sache ist nicht so unmöglich.“ Er wendete sich dann zu Niamah und sagte: „Fürchte nichts, fasse nur Mut, es soll dir geholfen werden.“ Hierauf sagte er zu Rabia: „Gib viertausend Dinare her, dein Sohn soll mit mir nach Damaskus reisen, und bei Gott, ich kehre nicht ohne die Sklavin zurück.“ Er wendete sich dann wieder zu Niamah und sagte ihm: „Setze dich aufrecht, im Vertrauen zu dem erhabenen Gott, der dir deine Sklavin wieder geben wird; wir reisen noch heute ab, iß und trink und sei munter, um Kraft zur Reise zu gewinnen.“ Der Perser fing dann an, für das Nötige zur Reise zu sorgen, und seine Ausgaben beliefen sich auf zehntausend Dinare, die ihm Niamahs Vater auch noch gab. Er ließ dann Pferde und Kamele kommen; Niamah nahm von seinen Eltern Abschied, und sie reisten zusammen nach Haleb und von da nach Damaskus. Nach drei Tagen mietete der Perser einen Laden und stattete ihn mit kostbaren chinesischen Gefäßen und silbernen Deckeln aus und schmückte das Gesimse mit Gold und kostbaren Stoffen und stellte kristallene Flaschen aus, die allerlei Salben und Getränke enthielten, stellte einen Stuhl mit einem Astrolabium in den Laden und kleidete sich als Arzt. Er zog dann Niamah ein feines leinenes Hemd, zierliche Beinkleider und einen seidenen Schurz an und sagte ihm: „Nenne mich von nun an nicht anders als Vater, und ich nenne dich Sohn.“ Alle Bewohner Damasks versammelten sich bald um des Arztes Laden, die einen, um Niamah und die kostbaren Gerätschaften zu sehen, und die andern, um dem Perser ihre Krankheiten zu klagen und Arzneimittel zu kaufen, und da er eines jeden Krankheit erkannte, wurde er auch bald in den vornehmsten Häusern der Stadt bekannt.

Eines Tages saß er in seinem Laden, da kam ein altes Weib auf einem Esel mit einem silbernen Sattel, hielt den Esel vor dem Laden an und winkte dem Arzt, er möge ihr die Hand zum Absteigen reichen. Der Perser reichte ihr die Hand, sie stieg vom Esel ab und sagte: „Bist du der persische Arzt, der von Irak kommt?“ - „Ja, der bin ich.“ - „Ich habe eine Tochter, für die ich eine Arznei haben möchte. „ - „Wie heißt deine Tochter? Ich will ihren Stern beobachten und sehen, zu welcher Zeit die Arznei sie am besten heilt.“ - „Meine Tochter heißt Nuam.“

Als der Perser diesen Namen hörte, rechnete er mit den Fingern und sagte dann: „Ich kann ihr nichts verschreiben, bis ich weiß, woher sie ist, weil die Arzneimittel je nach dem Klima wechseln.“ - „Meine Tochter“, sagte die Alte, „ist in Kufa in der Provinz Irak aufgewachsen und zählt nun vierzehn Jahre.“ - „Und wie lange ist sie schon hier?“ - „Wenige Monate erst.“ Als Niamah dies hörte, zweifelte er nicht mehr, daß seine Sklavin die Kranke sei, und fiel in Ohnmacht. Jetzt erst bemerkte ihn die Alte und fragte den Perser, ob dieser junge Mann sein Sklave sei. Er antwortete: „Es ist mein Sohn“, und gab ihm die Arzneimittel an, die er für Nuam zusammenbinden sollte. Niamah schrieb schnell auf ein Stückchen Papier:

„Die Sehnsucht nach dem Lande, das du bewohnst, war heftig, meine Seufzer und mein Weheklagen nahmen immer zu!“ steckte das Papier zu den Kräutern, versiegelte es und schrieb darauf: „Ich bin Niamah, der Sohn Rabias aus Kufa“, und übergab es der Alten; diese warf ihm zehn Dinare zu und ging mit den Arzneimitteln ins Schloß, legte sie vor Nuam hin und sagte: „Wisse, meine Gebieterin, es ist ein sehr geschickter persischer Arzt hierhergekommen, dem ich deine Leiden beschrieben habe und der bald deine Krankheit erkannt hat; bei Gott, es gibt in Damaskus keinen besseren Arzt, als er, auch keinen schöneren Mann, als seinen Sohn und keinen hübscheren Laden, als der seinige.“ Nuam griff nach den Arzneien, und als sie den Namen ihres Herrn darauf geschrieben sah, wurde sie blaß und dachte: Gewiß hat der Eigentümer des Ladens von mir gehört. Sie sagte dann zur Alten: „Schildere mir einmal den Sohn des Arztes.“ - „Er heißt Niamah“, sagte die Alte, „hat ein Mal auf seinen rechten Augenbrauen, ist vollkommen schön und sehr vornehm gekleidete Nuam nahm dann die Arzneimittel ein, indem sie lächelnd sagte: „Das ist eine gesegnete Arznei“, und war sehr munter und fröhlich gestimmt. Bald darauf forderte sie zu essen und zu trinken, und die Alte ließ ihr von den Sklavinnen die besten Speisen reichen und sagte: „Das ist ein gesegneter Tag.“ In diesem Augenblicke trat der Kalif herein und freute sich sehr, Nuam aufrecht sitzend beim Essen zu finden. Die Alte wünschte ihm Glück zur Genesung Nuams und sagte ihm, daß sie dies einem sehr erfahrenen fremden Arzt verdanke. Der Kalif gab ihr tausend Dinare für ihn und verließ Nuam wieder, und die Alte ging in den Laden des Persers, überreichte ihm die tausend Dinare und sagte ihm, daß sie eine Sklavin des Kalifen wäre, auch übergab sie ihm ein Briefchen, welches Nuam in Eile geschrieben hatte. Der Perser gab den Brief Niamah; dieser öffnete ihn und fand folgende Zeilen darin:

„Von der ihres Glücks beraubten von ihrem Sterne betrogenen und von dem Geliebten ihres Herzens getrennten Sklavin. Dein Brief ist mir zugekommen, und ich antworte darauf: Mögen die Finger, die ihn geschrieben, mir erhalten bleiben, bis sie von den besten Wohlgerüchen tropfen, denn mir war bei dessen Empfang wie der Mutter Moses, als ihr Sohn ihr zurückgebracht wurde, oder wie Jakob, als er Josefs Gewand wiederfand.“

Als Niamah diesen Brief gelesen hatte, stürzten Tränen aus seinen Augen. Da fragte die Alte: „Warum weinst du? Gott lasse deine Augen nie Tränen vergießen!“ Der Perser sagte: „Warum soll mein Sohn nicht weinen? Er ist der Herr dieser Sklavin, er ist Niamah, der Sohn Rabias aus Kufa, und nur durch ihn ist sie wieder gesund geworden. Drum, meine Herrin, nimm du die tausend Dinare für dich, du sollst noch viel mehr haben, und blicke uns mit einem Auge des Erbarmens an. Wir erwarten nur von dir ein glückliches Ende in dieser schwierigen Sache.“ Sie fragte Niamah: „Bist du ihr Herr?“ „ Ja wohl“, antwortete jener. Da sagte sie: „Du sprichst wahr, denn sie denkt stets an dich.“ Als Niamah ihr hierauf seine ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende erzählte, versprach sie ihm, alles zu seiner Vereinigung mit Nuam aufzubieten. Sie ging dann wieder zu Nuam zurück, sah sie lächelnd an und sagte ihr: „Du hast recht, über deinen Herrn zu weinen und krank zu werden;“ Nuam sagte: „Nun ist das Geheimnis aufgedeckt;“.aber die Alte versetzte: „Ich werde auf Kosten meines Lebens euch wieder vereinigen. „ Sie ging dann wieder zu Niamah und sagte ihm: „Die Sehnsucht deiner Sklavin nach dir ist noch heftiger, als die deinige nach ihr, denn der Kalife will sie sich aneignen. Wenn du ein mutiges Herz hast, so sollst du bald zu ihr gelangen. Ich habe eine List ersonnen, wie ich dich ins Schloß bringe, denn sie kann nicht ausgehen.“ Niamah dankte ihr, sie verließ ihn und begab sich wieder zu Nuam und sagte ihr: „Dein Herr vergeht fast vor Liebe zu dir und vor Verlangen, was sagst du dazu?“ Nuam antwortete: „Auch ich vergehe fast vor Sehnsucht nach ihm.“ Die Alte nahm hierauf einen Bündel mit Frauenkleidern und weiblichen Schmuckgegenständen, ging zu Niamah und sagte ihm: „Laß uns allein in ein Zimmer gehen.“ Niamah ging mit ihr in ein Zimmer hinter dem Laden: Hier zog sie ihm Armbänder an, schmückte seine Haare, setzte ihm eine Sternbinde auf, zog ihm ein seidenes Kleid an und was sonst Frauen noch tragen; dann betrachtete sie ihn in dieser Verkleidung und sagte: „Gepriesen sei Gott, der beste aller Schöpfer; bei Allah! du bist schöner als deine Sklavin.“ Sie sagte ihm dann: „Geh einmal wie Frauenzimmer, setze den linken Fuß voran, ziehe den rechten langsam nach und bewege deinen Körper ein wenig.“ Als Niamah gehörig unterrichtet war, sagte sie ihm: Ach werde morgen Abend kommen und, so Gott will, dich ins Schloß führen, du wirst eine Menge Kämmerer und Diener sehen, verliere nur die Fassung nicht, schüttle mit dem Kopfe, sprich kein Wort, ich will schon mit Gottes Beistand ihre Reden abhalten.“

Am folgenden Morgen holte ihn die Alte ab und führte ihn ins Schloß. Als der Pförtner ihn am Haupttor anhielt, sagte sie: „Verruchter Sklave, was berührst du sie? Es ist Nuams Sklavin, die der Kalif sehen will.“ Sie führte ihn dann bis zur Türe, welche ins Innere des Schlosses führt, sagte ihm: „Jetzt, Niamah, stärke dein Herz und sei mutig! Geh zur sechsten Türe hinein, fürchte nichts, es ist die rechte; man wird viel um dich herum im Saale reden, halte dich nirgends auf und sprich kein Wort.“ Als aber Niamah weitergehen wollte, hielt ihn eine Wache an und fragte die Alte: „Was ist das für ein Mädchen?“ Die Alte antwortete: „Es ist eine Sklavin, die unsere Herrin kaufen will.“ Der Diener versetzte aber: „Es darf niemand herein ohne Erlaubnis des Kalifen, geh nur mit ihr zurück.“ Da erwiderte die Alte: „Nimm deinen Verstand in den Kopf, alter Graukopf! Wisse, daß der Kalif mit ganzem Herzen an Nuam hängt, die nun wieder hergestellt ist, versage dieser Sklavin den Eingang nicht, damit Nuam nicht böse werde, denn, bei Gott, wenn sie dir zürnt, so steht es in ihrer Macht, dir den Kopf abschneiden zu lassen. Geh nur, Sklavin!“ sagte sie dann zu Niamah, „höre ihn nicht an und sage Nuam nicht, daß der Hüter dich nicht hat hereinlassen wollen.“ Niamah bedeckte sein Haupt, ging ins Schloß, aber statt zur Rechten einzuschlagen, wendete er sich links, und statt zur sechsten Türe hineinzugehen, öffnete er die siebente Türe. Da kam er in ein Gemach, dessen Boden mit seidenen Teppichen belegt war und dessen Wände seidene, golddurchwirkte Vorhänge verzierten, und in welchem Weihrauchgefäße mit Aloe, Ambra und Moschus umherstanden. Während Niamah, in Gedanken vertieft, sich auf dem Divan niederließ, der am obern Ende des Gemaches stand, und nicht ahnte, was das dunkle Geschick über ihn verhängt, trat die Schwester des Kalifen mit einer Sklavin zu ihm herein und fragte ihn erstaunt: „Wer bist du und was führt dich hierher?“ Als Niamah verstummte, fuhr sie fort: „Bist du eine von des Kalifen Sklavinnen und zürnte er dir, so will ich dir seine Huld wieder verschaffend Als Niamah noch immer nicht antwortet, sagte sie zu ihrer Sklavin: „Stelle dich vor die Tür und lasse niemanden herein!“ Sie näherte sich dann Niamah, dessen Schönheit sie bewunderte, und sagte: „O Mädchen! Sage mir, wer du bist, wie du heißt und was dich hierher geführt, denn ich habe dich noch nie in unserem Schlosse gesehen.“ Als aber Niamah auch jetzt noch keine Antwort gab, geriet sie in Zorn, fuhr mit der Hand nach Niamahs Gesicht und wollte ihm seinen Schleier herunterreißen. Da rief Niamah: „Ich bin ein Sklave, kaufe mich und gewähre mir Schutz!“ Da sagte sie: „Sei ohne Furcht, sage mir nur, wer du bist und wer dich hierhergebracht. Da sagte Niamah: „O meine Herrin! Ich bin unter dem Namen Niamah aus Kufa bekannt und habe mich meiner Sklavin Nuam willen, welche durch List mir entrissen wurde, trotz aller Gefahr hierher begeben. „ Als sie dies hörte, rief sie ihre Sklavin und befahl ihr, Nuam zu rufen. Zu dieser war vorher die Alte gekommen und hatte sie gefragt, ob Niamah bei ihr wäre und als die Sklavin nichts von ihm wußte, sagte jene: „Gewiß hat er das rechte Zimmer verfehlt und ist in ein anderes gekommene Nuam rief: „Dann ist es um uns geschehend In diesem Augenblick trat die Sklavin herein und sagte Nuam, sie möchte zur Schwester des Kalifen kommen. Die Alte rief: „Unser Geheimnis ist entdeckt, gewiß ist Niamah in das Zimmer der Schwester des Kalifen gekommene Nuam ging zur Schwester des Kalifen, die ihr sagte: „Dein Herr ist bei mir, er scheint das rechte Zimmer verfehlt zu haben, doch fürchtet nichts.“ Diese Worte beruhigten Nuam, die dann zu ihrem Herrn hintrat.

Als Niamah seine Sklavin sah, sprang er auf und umarmte sie. Nach einer Weile sagte die Schwester des Kalifen: „Setze dich, Nuam, daß wir überlegen, wie wir glücklich aus unserer Not kommen, denn, bei Gott, es soll euch nichts Böses widerfahrend Sie hieß dann ihre Sklavin Speisen und Wein bringen und ließ die Becher unter ihnen herumgehen, bis sie allen Kummer vergaßen. Während des Trinkens fragte die Schwester des Kalifen Niamah: „Liebst du Nuam?“ Er antwortet: „Die Liebe hat mir die Kraft gegeben, mein Leben für sie zu wagen.“ Sie fragte dann Nuam: „Liebst du deinen Herrn?“ Sie antwortet: „Nur Liebe zu ihm hat meinen Körper geschwächt und mich ganz entstellte Da sagte jene: „Bei Gott, ihr seid ein hübsches Liebespaar, seid nur munter und frohen Mutes!“ Nuam ließ sich dann eine Laute bringen, stimmte sie und sang folgende Verse:

„Du rufst aus jedem Herzen die tiefsten Gefühle hervor, Geliebter, dessen Schönheit den leuchtenden Mond beschämt und den heranbrechenden Morgen. Sei mir hold, denn die Liebe beherrscht mich ganz; verlasse mich nicht, du bist ja edel.“

Nuam überreichte dann die Laute ihrem Herrn und bat ihn, auch einige Verse zu singen; worauf er begann:

„Der Mond wäre dir ähnlich, wenn er nicht zuweilen Flecken hätte, die Sonne würde dir gleichen, wenn sie sich nie verfinsterte. O Geliebte, der die Sonne zu dienen bereit ist, aus deinen Augen fahren Blitze, die mir das Gesicht rauben. „

Er trank dann den Becher aus, füllte einen anderen und überreichte ihn der Schwester des Kalifen; sie trank, nahm die Laute, stimmte sie und sang:

„Gram und Schmerz wohnen in meinem Herzen, und eine mächtige Glut tobt in meiner Brust. Vor vielen Leiden wurde ich krank, und mein abgemagerter Körper offenbart meine Leiden.“

Sie füllte dann den Becher wieder, gab ihn Niamah, welcher mit Begleitung der Laute noch folgende Verse sang:

„O Geliebte, der ich mein Herz geschenkt und von der ich es nicht losreißen kann, obgleich sie mich quält, die mein Leben mit sich nahm, als sie von mir schied, sei gnädig ehe ich sterbe, denn mein Tod ist nahe.“

Nachdem sie noch einige Zeit auf diese Weise sich belustigten, erschien der Fürst der Gläubigen; sie standen auf und verbeugten sich vor ihm. Als der Kalif Nuam mit der Laute in der Hand sah, sagte er: „Nun ist der Kummer und der Schmerz verschwundene Er bemerkte auch Niamah und fragte seine Schwester, wer sie sei? Sie antwortete: „Es ist eine Sklavin, an die Nuam gewöhnt ist, sie kann nicht essen und nicht trinken, wenn diese Sklavin nicht bei ihr ist.“ Sie rezitierte dann folgenden Vers:

„Es sind zwei Gegensätze, die ein schönes Ganzes bilden, die Schönheit des Einen tritt durch die des Anderen hervor.“

Da sagte der Kalif: „Bei Gott, sie gleicht ihr an Schönheit, morgen lasse ich ihr ein Gemach neben dem Nuams einräumen und aus Liebe zu Nuam ihr kostbare Kleider und Teppiche, und was sie sonst bedarf, gehen.“ Die Schwester des Kalifen setzte dann ihrem Bruder Speisen vor, er ließ sich neben Nuam nieder, füllte einen Becher und bat sie zu singen. Nuam begann:

„O Krone aller Könige der ganzen Erde, wessen Ruhm gleicht dem deinigen? O Einziger in Edelmut und Freigebigkeit, König aller Könige, der du unermüdlich spendest, ohne Dank zu verlangen, möge der Herr dich allen Feinden zum Trotz in fortdauerndem Sieg und Glück erhalten.“

Der Kalif rief, als er diese Verse gehört hatte: „Bei Gott, schön, Nuam, wie beredt ist deine Zunge!“ Nachdem sie nun so bei Wein und Gesang den größten Teil der Nacht zugebracht hatten und in der besten Laune waren, sagte dem Kalifen seine Schwester: „Höre, o Fürst der Gläubigen, eine Erzählung, die ich in Büchern glaubwürdiger Männer gelesen: Man behauptet (doch nur Gott weiß alles), es war in der Stadt Kufa ein junger Mann, welcher Niamah hieß; er hatte eine Sklavin, die er sehr liebte und von der er wieder geliebt wurde, denn sie wurden wie Geschwister zusammen erzogen. Als sie seine Gattin wurde, verfolgte sie das Schicksal mit seinen Unfällen und verhing Trennung über sie; sie wurde aus seinem Hause gestohlen und der Dieb verkaufte sie einem König für zehntausend Dinare. Aber ihr Herr liebte sie so sehr, daß er seine Heimat und seine Familie verließ und ihr nachreiste, bis er Mittel fand, sie wieder zu sehen.“

„Als Niamah mit der größten Gefahr endlich zu seiner Gattin gelangte und kaum neben ihr saß, da trat der König herein und gab ohne Zögern den Befehl, beide umzubringen: Was sagst du, o Fürst der Gläubigen, zu einer solchen Ungerechtigkeit?“ - Der Kalif antwortete: „Diese Geschichte ist wunderbar, der König hätte bei aller Macht doch gnädig sein sollen, er hätte bedenken sollen, daß die Liebe alles entschuldigt, auch hätte er nicht vergessen sollen, daß die Schuldigen in seinem Hause waren und nie seiner Strafe entgehen könnten; sodann hätte er ihm ja die Sklavin abkaufen können, darum hat er eine Tat begangen, die einem König nicht ziemt.“ Da sagte ihm seine Schwester: „Mein Bruder! Ich beschwöre dich bei dem Herrn des Himmels und der Erde, höre ein Lied von Nuam.“ Diese sang dann mit Erlaubnis des Kalifen folgende Verse:

„Das Schicksal war, wie immer, treulos, es macht das Herz krank und sorgenvoll, trennt die Liebenden, daß viele Tränen über die Wangen herabstürzen. Wir waren glücklich und das Glück vereinigte uns oft, nun vergieße ich aber blutige Tränen über meinen Verlust, bei Tag und bei Nacht.“

Der Kalife war entzückt über dieses Lied. Da sagte ihm seine Schwester: „Wer ein Urteil über sich selbst gesprochen hat, der muß es auch vollziehen. Du hast nun über dich selbst geurteilt.“ Dann sagte sie zu Niamah und Nuam: „Stehet auf!“ Als diese sich erhoben, fuhr sie fort: „ O Fürst der Gläubigen! Diese Geschichte ist Nuam widerfahren. Hadjadj hat sie gestohlen und dir geschickt, er hat in seinem Briefe gelogen, als er schrieb, er habe sie für zehntausend Dinare gekauft; und hier steht ihr Herr Niamah vor dir: Ich beschwöre dich nun bei Hamsa und Abbas (den Oheimen des Propheten), vergib ihnen ihre Schuld, vereinige sie wieder, vollbringe dadurch eine verdienstvolle Tat, die dir reichen Lohn bringen wird. Sie sind nun in deiner Macht, haben aber schon von deinen Speisen gegessen und von deinem Weine getrunken; ich bitte dich daher, schenke ihnen das Leben.“

Der Kalif sagte: „Du hast recht, ich habe geurteilt und darf von meinem Spruche nicht abgehen.“ Dann sagte er zu Nuam: „Ist dieser Mann dein Herr?“ Sie antwortete: „Ja, o Fürst der Gläubigen.“ Er fragte dann Niamah: „Wieso hast du ihren Aufenthalt erfahren, und wer hat dir diesen Ort beschriebene Er antwortete: „Fürst der Gläubigen, höre meine Worte: Ich schwöre dir bei den reinen Vätern und Ahnen, daß ich dir nichts verheimlichen Er erzählte ihm dann die ganze Geschichte, was der Arzt für ihn getan, wie ihn die Alte ins Schloß gebracht und er das rechte Zimmer verfehlt habe. Nachdem der Kalif seine Geschichte mit Erstaunen angehört hatte, ließ er den Perser rufen, ernannte ihn zum Schloßintendanten, schenkte ihm ein Ehrenkleid und eine hübsche Sklavin; „denn“, sagte er, „wer so zu raten weiß, muß bei uns bleiben.“ Er zeigte sich auch sehr großmütig gegen Niamah und die Alte, behielt sie sieben Tage in Freude und Festlichkeiten bei sich, dann ließ er sie nach Kufa reisen zu Niamahs Eltern, wo sie höchst glücklich beisammen lebten, bis der Zerstörer aller Vereinigungen und Freuden sie heimsuchte.

Schehersad begann nun mit folgenden Worten eine neue Erzählung: Geschichte Ala Eddin Abu Schamats. Man erzählt ferner, o König der Zeit: Es war einmal in Kahirah ein sehr vornehmer und redlicher Kaufmann, der viele Diener und Sklaven und Sklavinnen hatte und ein großes Haus ausmachte, denn er war der Oberaufseher aller Kaufleute der Stadt und Gott hatte ihn mit sehr vielen Reichtümern beschenkt. Dieser Kaufmann hatte eine Gattin, die er liebte und von der er wieder geliebt wurde; er lebte aber schon vierzig Jahre lang mit ihr, ohne ein Kind zu bekommen. Eines Tages, es war am Freitag, als er in seinem Laden saß und sah, wie die Kaufleute mit ihren Söhnen kamen, die ihnen den Laden öffneten, fühlte er sich sehr unglücklich; bald darauf ging er ins Bad, um die Freitagsreinigung vorzunehmen; da sah er, als er aus dem Bad kam, sein Gesicht im Spiegel, und als er mehr weiße Haare als schwarze in seinem Bart fand, wurde er dadurch an den Tod erinnert und rief aus: „Ich bezeuge, daß es keinen Gott gibt, außer dem einzigen Gott, und daß Mohammed sein Prophet.“ Des Abends ging er zu seiner Frau, welche ihn schon erwartete und sich ebenfalls gewaschen und geputzt hatte, und sie wünschte ihm guten Abend. Er aber antwortete: „Für mich gibt es nichts Gutes mehr“, und als seine Frau durch ihre Sklavin das Nachtessen auftragen ließ und ihn essen hieß, sagte er: „Ich esse nichts“, und trat den Tisch mit den Füßen weg. Als seine Frau ihn fragte, was ihn so böse mache? antwortete er: „Du bist schuld daran.“

„Was habe ich begangen?“ fragte die Frau. „Als ich heute meinen Laden öffnete, da sah ich, wie alle Kaufleute, der eine mit einem Sohn, der andere mit zwei Söhnen, kamen, die den Laden öffneten; da dachte ich, der Tod, welcher deinen Vater geholt hat, wird auch dich nicht zurücklassen, und ich erinnerte mich an den Eid, den ich dir in der Hochzeitsnacht schwören mußte, daß ich keine andere Gattin zu dir nehmen und dich nicht einmal durch eine abessinische Sklavin kränken, noch bei einer anderen eine Nacht zubringen wolle: nun bist du aber unfruchtbar und ich habe von dir ebensowenig als von einem Stein einen Erben zu erwarten.“ Seine Gattin erwiderte: „Ich bin nicht die Ursache unserer kinderlosen Ehe, frage einmal einen Arzt, vielleicht gibt er dir eine stärkende Arznei, die dir die Kraft gibt, Kinder zu zeugen.“ Der Kaufmann bereute es, seine Frau gekränkt zu haben, ging zu einem Arzt, grüßte ihn und klagte ihm seine Not. Der Arzt sagte, er wisse kein Mittel gegen eine kinderlose Ehe, er möge sich an einen anderen wenden. Der Kaufmann ging in der ganzen Stadt umher, um sich bei einem Arzt Rat zu holen, aber sie lachten ihn aus, und er kehrte wieder betrübt in seinen Laden zurück. Während er dasaß, kam der Aufseher der Makler, der Scheich Muhamed, welcher allerlei Heilmittel verfertigte und Opium und Haschisch zubereitete, zu ihm und fragte ihn, was ihn so verstimmt habe? Er erzählte ihm, was zwischen ihm und seiner Frau vorgefallen, wie er nun schon vierzig Jahre verheiratet sei, ohne ein Kind zu haben, und wie er nun vergebens alle Ärzte der Stadt um ein Mittel gegen Unfruchtbarkeit gebeten habe. Da sagte Muhamed: „Mein Herr, ich habe ein solches Mittel. Gib nur zwei Goldstücke her und eine chinesische Schüssel.“ Als der Kaufmann ihm gab, was er verlangte, kaufe er einen chinesischen Braten, nahm Zimt, Nelken, Ingwer, Pfeffer und andere Gewürze, stieß es zusammen, ließ es in feinem Öle kochen, tat dann einige Nieren hinzu, und einen Becher voll Sesamöl, knetete es mit Honig und griechischem Essig an, gab es dem Kaufmann und sagte ihm: „Lasse dir zum Nachtessen stark gewürztes Schaffleisch und eine Taube braten, dann nimm diese Arznei und trinke Zuckerwasser darauf.“ Der Kaufmann befolgte die Vorschrift des Maklers, und nach einigen Monaten erklärte ihm seine Frau, die Arznei habe gewirkt, und nach neun Monaten gebar sie einen sehr hübschen Knaben. Man erhob ein Jubelgeschrei und die Hebamme empfahl das Kind Gottes Schutz, indem sie den Namen Mohammeds und Alis über dasselbe sprach, Gottes Allmacht pries und ihm die Worte ins Ohr sagte, mit welchen man zum Gebete aufruft, dann wickelte sie es ein und reichte es der Mutter, welche es stillte. Am dritten Tag machte man Marzipankuchen, um ihn am siebenten Tage auszuteilen, und man streute auch Salz aus. Der Kaufmann kam dann zu seiner Frau, wünschte ihr Glück und fragte sie: „Wo ist das von Gott uns anvertraute Gut?“ Sie überreichte ihm ein Geschöpf des ewigen Herrschers, das schon aussah, als wäre es ein Jahr alt, wie der Mond strahlte und ein hübsches kleines Mal auf den Wangen hatte. Er fragte sie dann, welchen Namen sie ihm gegeben. Sie antwortete: „Wäre es eine Tochter, so hätte ich ihr einen Namen gegeben, da es aber ein Sohn ist, so muß der Vater ihm einen Namen geben.“ Da sagte nach damaliger Sitte, den Kindern aufs gute Glück einen Namen zu geben, einer der Anwesenden- „Mein Herr! nenne dein Kind Ala Eddin“ (Hoheit des Glaubens), und der Kaufmann nannte es Ala Eddin Abu Schamat (der mit einem Male). Das Kind wurde dann den Ammen übergeben und zweieinhalb Jahre lang gestillt. Nach dieser Zeit, als es schon laufen konnte, wurde es entwöhnt und in einem unterirdischen Zimmer geheim erzogen, aus welchem es erst als bärtiger Jüngling hervorkommen sollte, damit ihm kein böses Auge schade; nur ein Sklave und eine Sklavin wurde ihm zur Bedienung beigegeben. Als Ala Eddin sieben Jahre alt war, ließ ihn sein Vater beschneiden und gab ein großes Mahl. Dann ließ er ihm im Schreiben und im Koran Unterricht erteilen, und der Junge wurde sehr geschickt und gelehrt. Eines Tages , als der Sklave einen Tisch aus Alas Zimmer räumte, vergaß er die Falltüre zu schließen; Ala trat heraus und stürmte wie ein betrunkener Mameluck ins Gemach seiner Mutter, wo viele vornehme Damen beisammen waren. Die Damen bedeckten ihr Gesicht und sagten zur Mutter: „Gott strafe dich, du ... Gehört nicht Schamgefühl zum Glauben? wie bringst du uns auf einmal einen fremden Mamelucken herein?“ Sie antwortete: „Das ist mein Sohn, die Frucht meines Herzens, der Sohn Schems Eddins, des Obersten der Kaufleute, der Sohn der Amme, das Halsband, die Kruste vom Brot.“

Da sagten die Damen: „Warum haben wir nie etwas von deinem Sohn gehört?“ Sie antwortete: Sein Vater fürchtete das böse Auge, darum ließ er ihn in einem unterirdischen Gewölbe erziehen, und nun kommt er zum ersten Mal ganz unerfahren herauf, wahrscheinlich hat sein Diener vergessen, die Türe zu schließen, denn er sollte erst herauskommen, wenn ihm der Bart gewachsenen Als die Frauen dies hörten, wünschten sie ihr Glück, und der Junge ging fort in den Hof und stieg in ein offenes, an den Hof stoßendes Gemach. Als er Sklaven mit einem Maultier kommen sah, fragte er sie: „Wo war dieses Maultier?“ Sie antworteten: „Wir haben deinen Vater darauf aus dem Laden geholt.“ - „Und was hat mein Vater für ein Handwerk?“ „Dein Vater ist der Oberste der Kaufleute in ganz Ägypten und der Scheich der Araber.“ Ala ging dann wieder zu seiner Mutter, und fragte sie auch nach dem Geschäft seines Vaters, und sie gab ihm dieselbe Antwort wie die Sklaven und setzte noch hinzu: „Dein Vater ist so reich, daß seine Sklaven ihn nur bei Geschäften von tausend Dinaren zu Rat ziehen, alle eingeführten Waren müssen ihm vorgelegt werden, ebenso was ausgeführt werden soll.“

Da sagte Ala: „Gelobt sei Gott, daß ich der Sohn des Scheichs der Araber bin; aber warum, o Mutter! sperrt ihr mich in ein unterirdisches Gewölbe?“ Sie antwortete: „Mein Sohn, das haben wir nur getan, weil wir das böse Auge der Leute für dich fürchteten, denn das böse Auge ist sehr gefährlich und die meisten Leute sterben an den Folgen desselben.“ Da versetzte der Junge: „O meine Mutter! wie kann man dem Schicksal entfliehen? keine Vorsicht kann die Bestimmung abwenden, und gegen das Geschriebene gibt es keine Macht. Wenn mein Vater auch noch lang lebt, so wird er doch einst sterben, und wenn ich dann sage: Ich bin sein Sohn, werden die Ältesten und Kaufleute mir nicht glauben, denn sie werden sagen: Wir haben in unserem Leben nicht gehört, daß Schems Eddin einen Sohn habe. Das Vermögen meines Vaters wird dann in den öffentlichen Schatz kommen; Gott erbarme sich dessen, der gesagt hat.- „Mancher Edle stirbt, sein Vermögen geht zugrund und die gemeinsten Männer bemächtigen sich seiner Frauen.“ Drum, o Mutter! soll mein Vater mich auf den Bazar mitnehmen und mir einen Laden öffnen; ich werde mit Waren neben ihm sitzen und bei ihm den Handel lernen.“

Als Schems Eddin nach Hause kam und seinen Sohn bei seiner Mutter fand, fragte er sie: „Warum hast du ihn aus dem Gewölbe hervorgebrachte Sie erzählte ihm, durch welchen Zufall Ala sein Gemach verlassen und trug ihm auch dessen Bitte vor, worauf Schems Eddin seinem Sohn versprach, ihn am folgenden Tage mit Gottes Willen mit auf den Bazar zu nehmen und ihm bemerkte, daß er dann auch wie ein wohlgebildeter Mensch sich benehmen müsse. Ala konnte vor Freude über seines Vaters Versprechen die ganze Nacht nicht schlafen. Am folgenden Morgen führte ihn Schems Eddin ins Bad, zog ihm ein sehr wertvolles Kleid an, frühstückte mit ihm, dann bestiegen sie ein Maultier und machten sich auf den Weg nach dem Bazar. Als die Kaufleute ihren Aufseher mit dem schönen Knaben hinter sich kommen sahen, sagte einer zum andern: „Seht einmal diesen Graukopf, wie er noch einen Jungen nachführt“, und der schon genannte Scheich Muhamed sagte: „Der soll nicht mehr unser Vorgesetzter sein.“ Als daher Schems Eddin in seinen Laden kam, blieben alle Kaufleute zurück, während sonst ihr Aufseher die erste Sura des Korans mit den Kaufleuten las, und dann mit ihnen zu Schems Eddin ging, um ihm Guten Morgen zu wünschen. Schems Eddin wartete lange in seinem Laden, aber niemand kam zu ihm. Da ließ er den Aufseher Muhamed rufen und sagte ihm: „Warum versammelst du die Kaufleute nicht wie sonst?“ Er antwortete: „Ich kann ihre Unzufriedenheit nicht von dir abwenden; sie sind übereingekommen, dich abzusetzen, und wollen den Koran nicht mehr vor dir lesen, wegen dieses Knaben, der weder dein Sklave noch ein Verwandter deiner Gattin ist, und daher ein schlechtes Licht auf dich wirft.“ Schems Eddin schrie ihn an: „Schweig! Gott verdamme dich! der Junge ist mein Sohn, den ich aus Furcht vor dem bösen Auge in ein unterirdisches Gewölbe gesperrt; ich wollte ihn nicht eher herauslassen, bis er den Bart mit der Hand fassen konnte; aber seine Mutter bat mich, ihm einen Laden zu öffnen und ihn in meine Geschäfte einzuweihen.“ Als Muhamed dies hörte, holte er alle Kaufleute und las den Koran vor Schems Eddin und wünschte ihm und seinem Sohn noch viele glückliche Jahre. Dann sagten ihm die Kaufleute: „O Herr! selbst arme Leute, die einen Sohn bekommen oder eine Tochter, laden ihre Bekannten und Verwandten zu einer süßen Speise ein.“ - „Nun“, erwiderte Schems Eddin, „das soll euch auch werden und zwar in meinem Garten.“

Am folgenden Morgen schickte er Teppiche und allerlei Speisevorrat, wie Hammelfleisch, Schmalz und dergleichen in den Garten, ließ in zwei Gemächern des Gartenhauses Tische decken und sagte seinem Sohn: „Wenn alte Leute kommen, so empfange ich sie und führe sie ins obere Gemach, und die jungen Leute führst du an den anderen Tisch im unteren Zimmer.“ Da fragte Ala: „Wozu diese Abteilung? du hast doch sonst keinen besonderen Tisch für junge Leute und ältere Männer?“ - Schems Eddin antwortete: „Weil ich weiß, daß es Glattbartigen in Gegenwart von Männern nicht ganz wohl ist.“ Der Junge fand dies richtig. Bald kamen die Gäste, man aß und trank, belustigte sich, schlürfte Sorbette, ließ Räucherwerk aufsteigen, und die älteren Männer führten ein wissenschaftliches Gespräch. Unter diesen war ein Kaufmann, mit Namen Mahmud, aus Balch, der oft Waren von Schems Eddin kaufte. Er war in seinem Inneren ein Feueranbeter und gab sich nur zum Scheine für einen Muselmann aus. Sobald er Ala zu Gesicht bekam, gefiel er ihm so gut, daß er Schems Eddin um seinetwillen beneidete und auf allerlei Mittel trachtete, ihn in seine Gewalt zu bekommen. Während Ala sich einen Augenblick entfernte, ging er daher zu dessen jungen Freunden und sagte ihnen: „Wenn ihr Ala dahin stimmt, daß er mit mir reist, so gebe ich jedem von euch ein Kleid von großem Wert.“ Als Ala zurückkam, setzten sie ihn in ihre Mitte auf den obersten Platz und einer der Jungen sagte zu einem seiner Gefährten: „Wieso bist du zu deinem Vermögen gekommen?“ Er antwortete: „Als ich das Mannesalter erreicht hatte, bat ich meinen Vater, mir ein Geschäft zu übergeben; da sagte er mir: ich habe nichts, doch entlehne Geld von einem Kaufmann und handle damit! Ich ging zu einem Kaufmann und entlehnte tausend Dinare bei ihm, kaufte Waren dafür, brachte sie nach Damaskus und verkaufte sie dort für das Doppelte. Für den Erlös kaufte ich wieder andere Waren ein und verkaufte sie in Haleb mit doppeltem Gewinn, und so fuhr ich fort zu handeln, bis ich zu einem Vermögen gelangte von etwa zehntausend Dinaren.“ Jeder Junge erzählte dann etwas Derartiges, bis die Reihe an Ala kam. Da fragten sie ihn: „Und du Ala, was hast du getriebene Er antwortete: „Ich bin in einem Gewölbe erzogen worden, das ich erst diese Woche verließ, und bin noch nicht weiter als von unserem Haus in den Laden gekommene Da sagten ihm die Jungen: „Du bist gewohnt, zu Hause zu bleiben und kennst die Freuden der Reise nicht, das Reisen paßt nur für Männer.“ Ala Eddin erwiderte: „Ich brauche nicht zu reisen, doch hat die Ruhe auch keinen Wert.“ Darauf sagte einer seiner Gefährten zum andern: „Er gleicht einem Fisch, der abstirbt, wenn er das Wasser verläßt.“ Dann sagten sie ihm: „Kaufmannssöhne können sich mit nichts rühmen, als mit Reisen, die viel Gewinn bringen.“ Diese Worte machten auf Ala einen schmerzlichen Eindruck; er verließ seine Gefährten mit traurigem Herzen und weinenden Augen, bestieg sein Maultier und ritt nach Hause zu seiner Mutter. Als diese ihn sehr verstimmt fand, fragte sie ihn, was ihm zugestoßen. Ala teilte seiner Mutter das Gespräch der Kaufleute mit und erklärte ihr seinen Entschluß, auf Reisen zu gehen.

Da fragte ihn seine Mutter: „Wohin willst du gehen?“ - „Nach Bagdad, denn dort gewinnt man viel an hiesigen Waren.“ - „Das sollst du, mein Sohn, und wenn dein Vater dir keine Waren mitgeben will, so werde ich dafür sorgen.“ Ala sagte: „Die beste Wohltat ist die, welche schleunigst geübt wird, soll mir Gutes erwiesen werden, so ist jetzt die Zeit dazu.“ Da schickte seine Mutter sogleich nach Packern, öffnete ein Magazin und ließ ihm zehn Ballen Waren zusammenpacken. Als Schems Eddin gegen Abend nach Hause kam, und die Ballen umherliegen sah, fragte er seine Frau, woher diese kommen. Da erzählte sie ihm, was zwischen ihrem Sohn und den jungen Kaufleuten vorgefallen. Schems Eddin sagte zu seinem Sohn: „Gott verdamme den Aufenthalt in der Fremde! Die Alten haben schon gesagt: Hütte dich vor der Fremde, und entferne dich auch keine einzige Meile weit von deiner Heimat.“ Aber Ala sagte: „Wenn du mich nicht mit Waren nach Bagdad reisen läßt, so ziehe ich meine Kleider aus und umhülle das Gewand eines Derwisch und streiche so im Lande umher.“ Da sagte Schems Eddin: „Ich bin keineswegs arm, ich habe Waren, die für jedes Land passen;“ er zeigte ihm hierauf vierzig Ballen, auf welchen geschrieben stand: tausend Dinare Wert, und erlaubte ihm, sie noch zu den zehn Ballen seiner Mutter zu nehmen. Dann sagte er: „Reise in Gottes Namen, aber ich warne dich vor dem Löwenwald, der sehr gefährlich ist, und vor dem Tal der Beni Kilab, wo ein Straßenräuber haust;“ aber Ala erwiderte: „Der Lebensunterhalt kommt von Gott, und ist er mir bestimmt, so kann mir nichts zukommen.“ Ala ritt dann, von seinem Vater begleitet, über den Viehmarkt, da stieg ein Karawanenführer von seinem Maultier herunter, küßte Schems Eddin die Hand und sagte: „Bei Gott, du hast uns schon lange nichts zu tun gegebener Schems Eddin antwortete: „Jede Zeit hat ihr Glück und ihre Leute, d. h. meine Zeit ist vorüber, ich gleiche den Alten, von dem ein Dichter sagte:

„Ein Alter ging gebeugt daher, und sein Kinn reichte bis zu den Knien. Da fragte ich: Warum bist du so gebeugt? Er antwortete, indem er seine Hände aufhob: Ich habe meine Jugend auf der Erde verloren und ich suche sie nun überall.“

„Doch statt meiner macht jetzt mein Sohn eine Reise.“ Der Führer sagte: „Gott erhalte ihn dir!“ Schems Eddin schloß dann einen Kontrakt mit ihm, empfahl ihm seinen Sohn und schenkte ihm hundert Dinare für seine Kinder. Dann kaufte er sechzig Maultiere nebst einer Lampe und eine Decke für das Grabmal des heiligen Abd Alkadir und sagte zu seinem Sohn: „Ich verlasse dich nun bald, hier ist dein Vater statt meiner, gehorche ihm in allem, was er dir sagt.“ Sie feierten dann in jener Nacht noch das Fest eines Heiligen; und am folgenden Morgen gab Schems Eddin seinem Sohn zehntausend Dinare und sagte ihm: „Wenn du bei deiner Ankunft in Bagdad die Waren gut absetzen kannst, so tue es, wo nicht, so warte und lebe einstweilen von diesem Gelde.“ Die Maultiere wurden dann beladen, man nahm voneinander Abschied, und Ala verließ mit seinem Führer die Stadt. Mahmud aus Balch, der von allen unterrichtet war, hatte sich aber auch reisefertig gemacht und zwei Zelte außerhalb der Stadt aufgeschlagen, auch hatte Schems Eddin ihm seinen Sohn empfohlen und ihn angewiesen, demselben die tausend Dinare zu bezahlen, die er ihm noch schuldig war.

Mahmud sagte dem Koch Alas, er brauche nichts zu kochen und schickte selbst die nötigen Speisen und Getränke für Ala und seine Leute. Am folgenden Tag setzen sie ihre Reise miteinander fort. Mahmud hatte vier Häuser, eins in Kahirah, eins in Damaskus, eins in Haleb und eins in Bagdad. Als sie daher die Wüste durchzogen hatten, eilte Mahmud nach Damaskus voraus und schickte Ala seinen Sklaven entgegen, um ihn in seine Wohnung zu laden. Ala sagte: „Ich will meinen Führer Kemal Eddin fragen.“ Dieser riet Ala, die Einladung nicht anzunehmen, und schon am folgenden Tag reisten sie miteinander nach Haleb.

Mahmud ließ Ala wieder einladen, und Kemal Eddin riet ihm abermals, nicht zu gehen, Ala ließ sich aber nicht abhalten, er umgürtete sein Schwert und ging zu Mahmud. Dieser kam ihm entgegen, grüßte ihn und ließ eine große Mahlzeit bereiten. Sie aßen und tranken und wuschen ihre Hände. Mahmud neigte sich dann über Ala her, um ihn zu küssen, und sagte ihm: „Ich liebe dich wie meinen Sohn, ich will dich zu einem großen Herrn machen, wenn du mit mir nach Balch gehst und nie mehr zu deinem Vater zurückkehrst.“ Aber Ala stand entrüstet auf, zog sein Schwert und sagte: „Wehe dir, du Greis! Gott erbarme sich des Dichters, der da gesagt hat:

„Bewahre dein Alter vor jedem Schandflecken, denn das Weiße (graues Haar) nimmt am leichtesten jeden Schmutz an.“

„Sieh, bei Gott! ich hätte meine Waren dir lieber für Silber, als anderen für Gold verkauft, aber nun, Verworfener! werde ich nichts mehr mit dir zu tun haben.“ Hierauf verließ ihn Ala, kehrte zu Kemal Eddin zurück und sagte ihm: „Mahmud ist ein lasterhafter Mann, ich werde nicht mehr mit ihm umgehen.“ Kemal Eddin erwiderte: „Habe ich dir nicht geraten, von ihm zu bleiben? Doch, mein Sohn, wir können uns jetzt nicht ohne Gefahr von ihm trennen, wir müssen uns hier an seine Karawane anschließen.“ Aber Ala bestand darauf, ihn sogleich zu verlassen, und reiste allein mit Kemal Eddin fort. Als sie in ein Tal kamen, da wollte Ala lagern. Kemal Eddin riet ihm, schnell weiterzuziehen, um die Stadt noch vor Torschluß zu erreichen, denn sobald die Sonne unterging, wurden damals die Tore von Bagdad geschlossen und erst wieder mit Sonnenaufgang geöffnet, aus Furcht vor den Ketzern, die sie einnehmen und die wissenschaftlichen Werte in den Tigris werfen wollten. Ala sagte aber: „O mein Vater! ich bin nicht des Gewinnes wegen mit diesen Waren hierher gekommen, sondern um die Bewohner dieses Landes kennenzulernen. Ich will lieber erst morgen früh in Bagdad einziehen, damit die Leute der Stadt auch meine Waren sehen und mich kennenlernend Kemal Eddin warnte ihn noch vor den umherstreichenden Beduinen, aber Ala sagte: „Bist du der Herr oder der Diener?“ und ließ die Waren von den Maultieren abladen und Zelte aufschlagen. Als er aber um Mitternacht heraustrat, sah er in der Ferne etwas glänzen; er fragte den Führer, was das wäre, dieser sah scharf hin und bemerkte arabische Schwerter und Lanzen; es war eine Horde Beduinen mit ihrem Anführer Scheich AdjIan, welcher immer näherkam, und bald hörte Ala, wie sie untereinander sagten: „O Nacht der Beute!“ Kemal Eddin schrie zuerst: „Packe dich, du elender Beduine!“ aber alsbald wurde er von Scheich AdjIan selbst an der Tür des Zelts durchbohrt. Dem Wasserträger, welcher dann schrie: „Wehe euch, erbärmliches Gesindel!“ wurde ein Hieb auf die Schulter versetzt, der ihn zu Boden stürzte. Dann gingen die Beduinen herein und heraus und verschonten niemanden von Alas Leuten, luden die Waren auf Alas Maultiere und gingen fort. Ala, der dies alles sah, dachte: mein Oberkleid und mein Maultier könnte mich noch in Gefahr bringen; er zog es daher aus und wendete sich gegen die Tür des Zeltes; da fand er einen See vom Blut der Erschlagenen, und er wälzte sich mit seinem Beinkleidern darin herum, so daß er wie ein Erschlagener aussah, der in seinem Blute lag.

Scheich AdjIan fragte dann die Beduinen, ob diese Karawane von Bagdad komme oder dahin zöge; und als man ihm antwortete, sie komme von Ägypten und gehe nach Bagdad, sagte er: „Kehrt noch einmal zu den Erschlagenen zurück, denn ich glaube, der Herr der Karawane ist noch nicht tot.“ Die Beduinen kehrten zurück, und als sie Ala vor dem Zelt fanden, sagte ihm einer von ihnen: „Ah, du hast dich tot gestellt! nun sollst du aber den Tod von mir empfangene Er zog schon sein Schwert gegen Ala, da rief dieser den heiligen Abd Elkader an, und sogleich sah er, wie eine Hand das Schwert des Beduinen von ihm abwendete und auf Kemal Eddin hinlenkte, worauf die Beduinen mit ihren Maultieren sich entfernten, Als Ala sie wie Raubvögel mit ihrer Beute davoneilen sah, machte er sich auf und lief fort, aber der Häuptling der Beduinen sagte zu seinen Leuten: „Ich sehe wie etwas sich bewegt.“ Da trat einer derselben hervor und sah wie Ala fortlief, setzte ihm nach und rief ihm zu: „Deine Flucht nützt dir nichts; ich komme dir schon nach.“ Er schlug sein Pferd und folgte ihm, Ala lief fort, bis er an einen Wasserbehälter kam, an dessen Seite eine Zisterne war, er legte sich auf die Mauer derselben und stellte sich schlafend, und rief Gottes und der heiligen Nefiseh Schutz an, und siehe da, ein Skorpion stach den Beduinen, der ihn verfolgte, so daß er von seinem Pferd herunterfiel und seine Kameraden zu Hilfe rief. Als diese ihn fragten, was ihm widerfahren, erzählte er es ihnen; sie hoben ihn auf sein Pferd, gingen fort und ließen Ala auf der Zisterne liegen. Mahmud, der sich seinerseits auch auf den Weg gemacht hatte, sah, als er ins Löwenthal kam, Alas Leute tot und freute sich sehr darüber. Dann kam er an den Behälter, wo Ala lag und da sein Maultier durstig war, lief es hin, um zu trinken; da sah es Alas Bild im Wasser und erschrak; als Mahmud sich umsah, bemerkte er Ala, der auf dem Rande der Zisterne ohne Oberkleid eingeschlafen war. Mahmud fragte ihn: „Wer hat dich in diese traurige Lage versetzt?“ Ala antwortete: „Die Beduinen.“ Da sagte Mahmud: „Betrübe dich nicht über den Verlust deiner Waren, freue dich, mit heiler Haut davongekommen zu sein, wie der Dichter sagt:

„Sind die Häupter meiner Leute dem Verderben entronnen, so hat das verlorene Gut keinen größeren Wert, als der Abschnitt der Nägel.“

Ala stand auf und ritt mit Mahmud in sein Haus nach Bagdad. Mahmud ließ Ala ins Bad führen und sagte ihm: „Dein Geld und deine Waren haben dein Leben gerettet; wenn du mir gehorchst, so gebe ich dir noch einmal so viel.“ Er führte ihn dann in einen geräumigen von Gold strahlenden Saal mit vier Erhöhungen und ließ einen Tisch bringen, mit den köstlichsten Speisen und Getränken beladen, Als aber Mahmud mit den schönsten Versprechungen sein früheres Anerbieten wiederholte, sagte Ala: „Lebst du noch immer in deinem Wahn? Das kann nie sein; nimm dein Maultier und deine Kleider wieder und öffne mir die Türe, daß ich gehe.“ Als Mahmud ihm öffnete, ging er wieder halb nackt fort, so daß alle Hunde hinter ihm her bellten. Da er die Tür einer Moschee offenfand, ging er hinein und verbarg sich im Gang, da sah er zwei Sklaven mit zwei Laternen vor zwei Herren hergehen, deren einer ein schöner Greis und der andere ein junger Mann war; dieser sagte zu jenem: „Ich beschwöre dich bei Gott, mein Onkel, gib mir meine Base wieder.“ Der Alte erwiderte: „Ich habe dich oft genug gewarnt, und doch bist du immer wieder auf die Scheidung zurückgekommen.“ Als sich hierauf der Alte umsah und einen jungen hübschen Mann hinter sich erblickte, grüßte er ihn und Ala erwiderte seinen Gruß.

Der Alte sagte dann zu Ala: „Wer bist du?“ - „Ich bin Ala, der Sohn Schems Eddins aus Kahirah, ich bat meinen Vater, mich reisen zu lassen und mir Waren mitzugeben, und er gab mir fünfzig Ballen Waren und zehntausend Dinare. Hiermit reiste ich bis in den Löwenwald, da kamen Beduinen und nahmen mir alles weg; ich kam nun in diese Stadt, und wußte nicht, wo ich übernachten sollte, drum trat ich in diese offene Moschee.“ Der Alte sagte ihm: „Mein Sohn! was sagst du dazu, wenn ich dir ein Kleid für tausend Dinare, ein Maultier für tausend Dinare und noch tausend Dinare Geld schenke?“ Ala versetzte: „Und welchen Dienst forderst du für diese große Gabe?“ - „Höre mich“, antwortete der Alte, „dieser Mann, der hier bei mir ist, ist mein Neffe; er ist das Ebenbild seines Vaters, weshalb ich ihn wie meinen Sohn liebe und ihm meine Tochter Subeida, welche mein Ebenbild, sehr schön und liebenswürdig ist, zur Frau gab, obschon sie ihn gar nicht liebte. Nun schwor er dreimal, daß er sich von ihr scheiden lasse, worauf seine Cousine sich alsbald von ihm trennte und doch schickte er wieder alle Leute an, um mich zu bewegen, sie ihm wieder zu geben. Ich sagte ihm aber: dies darf nur auf gesetzlichem Wege geschehen; ich will zuerst sie einem Fremden geben, damit dir niemand etwas vorzuwerfen habe. Da du nun hier fremd bist, so will ich dich mit nach Hause nehmen und den Ehekontrakt mit meiner Tochter schreiben lassen; du kannst diese Nacht ihr Gatte bleiben, mußt dich aber morgen von ihr scheiden lassen und ich gebe dir, was ich dir versprochene Ala dachte: Bei Gott, besser in einem Haus auf einem Brautbett zu schlafen, als hier in dieser Moschee oder auf der Straße; er ging daher mit dem Alten und seinem Neffen zum Kadhi. Als der Kadhi fragte, was sie wollten, sagte der Alte: „Ich will meine Tochter diesem Manne als rechtmäßige Frau geben, jedoch mit der Bedingung, daß er zehntausend Dinare als Morgengabe verspreche; läßt er sich aber nach der ersten Nacht von ihr scheiden, so gebe ich ihm ein Kleid für tausend Dinare, ein Maultier für tausend Dinare und tausend Dinare Geld.“ Als der Kontrakt unter diesen Bedingungen geschlossen war, steckte ihn der Alte zu sich und ging mit Ala in sein Haus, wo er ihm ein schönes Kleid reichen ließ. Dann führte er ihn vor die Wohnung seiner Tochter, ließ ihn an der Türe warten, traf hinein und sagte ihr: „Nimm hier den Ehekontrakt, den ich für dich mit einem schönen Jüngling, der Ala heißt, geschlossen, und gib wohl acht darauf.“

Nun hatte der Neffe eine Wirtschafterin, die oft zu Subeida kam und der er schon viel Gutes erwiesen hatte; dieser sagte er: „O meine Mutter, wenn Subeida den schönen Jüngling sieht, wird sie mich nicht mehr als Gatten wollen, drum denke eine List aus, um ihn von ihr fern zu halten.“ - „Bei dem Leben deiner Jugend“, rief die Wirtschafterin, „er darf ihr nicht nahe kommen.“ Sie begab sich sogleich zu Ala und sagte ihm: „Mein Sohn! ich rate dir, dich der Frau nicht zu nähern, laß sie allein schlafen, ich bin sehr besorgt um deinetwillen.“ „Weshalb?“ fragte Ala Eddin; die Frau antwortete: „Weil sie aussätzig ist und deine schöne Jugend anstecken könnte.“ Sie ging dann zu Subeida und sagte ihr dasselbe von Ala, worauf Subeida antwortete: „Ich mag diesen Mann nicht, er soll nur für sich bleiben und morgen weitergehend Hierauf rief sie eine Sklavin und ließ Ala den Speisetisch vorsetzen. Als er mit der Mahlzeit zu Ende war, las er mit einer wohlklingenden Stimme eine Sura aus dem Koran. Subeida hörte ihm im Nebenzimmer zu und fand seine Stimme so lieblich, daß sie bei sich selbst dachte: Gott verdamme die Alte, die mir diesen Mann als elend und aussätzig schilderte; es ist gewiß eine Lüge, ein kränklicher Mensch singt nicht so schön. Sie ergriff dann eine indische Laute und sang mit einer Stimme, die den Vogel in der Luft aufhielt:

„Ich liebe einen Jüngling mit schwarzen, schmachtenden Augen; die Zweige des Ban träumen von ihm, wenn er geht; aber er verschmäht mich und beglückt andere mit seiner Nähe. Doch Gott verleiht solche Gnade wem er will.“

Als Ala diese Verse hörte, sang er folgende:

„Meinen Gruß der in Seide Gekleideten, den Rosen, die in den Gärten ihrer Wangen blühen.“

Subeida, bei der diese Worte noch mehr Liebe erweckten, hob den Vorhang auf, und Ala Eddin rezitierte folgende Verse:

„Sie erschien wie der Mond, und bewegte sich wie ein Banzweig, sie duftete Ambra aus und blickte wie eine Gazelle drein; es war mir, als wenn Trauer in mich verliebt wäre, der bei ihrer Trennung mein Herz besiegen würde.“

Als sie aus ihrem Gemach hervortrat und sich Ala nähern wollte, rief dieser ihr zu: „Bleib fern von mir, daß du mich nicht ansteckst!“ Da entblößte sie einen Arm so weiß wie Silber und sagte: „Entferne du dich, du bist aussätzig und kannst mich anstecken.“ - „Wer hat dir gesagt, daß ich aussätzig sei?“ - „Die Alte.“ - „Nun, mir hat sie auch gesagt, du wärest aussätzig.“ Ala zeigte ihr dann auch zwei Arme wie das weiße Silber, umarmte sie und brachte eine Nacht voller Liebesfreude bei ihr zu. Als der Morgen heranbrach, sagte Ala: „Wehe mir! nun nimmt der Rabe der Trennung alle Freude weg, ich darf nun nimmer länger bei dir verweilen, denn ich habe deinem Vater zehntausend Dinare als Morgengabe versprochen, und wenn ich sie nicht bringe, wird man mich einsperren; ich habe aber keinen halben Dirham im Vermögen, woher soll ich zehntausend Dinare nehmen?“ Da sagte Subeida: „Ist das Eheband in deiner oder in ihrer Hand?“ „Es ist wahr, doch ich besitze nichts. Es wird schon gehen, fürchte nichts! nimm einmal diese hundert Dinare; wenn ich mehr hätte, so würde ich dir mehr geben; aber mein Vater hat aus Liebe zu seinem Neffen mir alles weggenommen, bis auf meinen Schmuck, und hat es ihm gegeben. Wenn nun in der Frühe“, fuhr Subeida fort, „der Gerichtsdiener kommt und dir mein Vater und der Kadhi befiehlt, mir einen Scheidebrief zu geben, so frage sie: nach welcher Schule muß man seine Frau am Morgen nach der Hochzeit verstoßen? Dann machst du dem Kadhi ein Geschenk von zehn Dinaren und küssest ihm die Hand und beschenkst auch die Gerichtsassessoren. Wenn sie dich fragen, warum läßt du dich nicht scheiden und nimmst tausend Dinare, ein Maultier und ein Kleid, so wie es bedungen worden? so antworte: Mir ist jedes Haar meiner Gattin tausend Dinare wert, ich werde mich nie von ihr scheiden lassen und nichts annehmen, und wenn dann mein Vater sagt: so bezahle die Morgengabe, antworte, du seiest in Not. Während sie so miteinander sprachen, klopfte ein Gerichtsdiener an die Türe und sagte: „Mein Herr läßt dich auf Verlangen deines Schwiegervaters rufen.“ Ala schenkte ihm fünf Dinare und sagte?: „Nach welchem Gesetzte heiratet man abends und muß sich morgens wieder scheiden lassen?“ - „Du hast Recht“, sagte der Diener, „und wenn du das Gesetz nicht kennst, will ich dich verteidigend Als sie dann miteinander auf den Gerichtshof kamen, da sagte der Kadhi zu Ala: „Bezahle die Morgengabe, die du schuldig bist.“ Er antwortete: „Gewähre mir die gesetzliche Frist.“ Der Kadhi sagte: „Diese ist drei Tage.“ - „Das ist nicht genug“, versetzte Ala, „gestatte mir zehn Tage.“ - „Du sollst sie haben“, erwiderte der Kadhi, „aber dann mußt du entweder die Morgengabe bezahlen oder deine Frau entlassen.“

Ala ging hierauf weg, kaufte Fleisch, Reis und Schmalz, und was er sonst brauchte, ging zu Subeida und erzählte ihr, was vorgefallen. Subeida sagte ihm: „Zwischen heute und morgen können Wunder vorfallen, wie ein Dichter gesagt:

„Die Nächte gingen mit Ereignissen schwanger und können allerlei Wunder gebären.“

Sie bereitete dann die Speisen zu und richtete den Tisch her. Als sie gegessen und getrunken und sich belustigt hatten, sagte Ala: „Steh jetzt auf und laß mich eine schöne Arie hören.“ Subeida nahm die Laute und brachte Töne hervor, die Felsen entzückten, als wenn die Saiten David angerufen hätten. Als sie hierauf in ein rascheres Tempo überging, wurde an die Tür geklopft. Ala ging an die Tür und fand vier als Derwische gekleidete Männer, welche ihm sagten: „Wir sind hier fremd und möchten diese Nacht bei dir ausruhen und morgen wieder gehen; Gott wird dich dafür belohnen; wir hören gern singen und jeder von uns weiß viele Kasidetten und Lieder und andere Gedichte auswendig.“ Ala öffnete mit Subeidas Einwilligung die Türe, hieß die Fremden sitzen und nahm sie gut auf. Nach einer Weile sagten sie ihm: „Mein Herr! wir wollen nicht dem Morgen gleichen, der manches nächtliche Vergnügen stört.“ „Was meint ihr damit?“ fragte Ala Eddin. Sie antworteten: Ein Dichter hat gesagt:

„Wir wünschen nichts als eure Gesellschaft, das Essen ist nur ein Merkmal der Tiere.“

„Wir haben hier singen hören und nun hat der Gesang aufgehört; ist die Sängerin wohl eine weiße oder eine schwarze Sklavin, oder ein Mädchen von guter Familie?“ Ala antwortete: „Sie ist meine Gattin“, und erzählte ihnen hierauf, wie es ihm mit ihr gegangen und wie er seinem Schwiegervater zehntausend Dinare versprechen mußte, die er in zehn Tagen zahlen sollte. - Da sagte ihm einer der Derwische: „Gräme dich nicht und sei nur frohen Muts, ich bin der Oberste eines Stifts und gebiete über vierzig Derwische; ich will dir schon zehntausend Dinare zusammenbringen, daß du die Morgengabe bezahlen kannst. Doch laß deine Gattin noch etwas spielen, daß wir uns daran ergötzen, denn Musik ist dem einen wie ein Mittagessen, dem anderen wie eine Arznei und dem dritten wie ein Fächer.“ Diese vier Männer waren: der Kalif Harun Arraschid, sein Vezier Djafar, der Dichter Abu Nuwas und Masrur, das Schwert der Rache. Der Kalif hatte nämlich, als er nicht schlafen konnte, zu seinem Vezier gesagt: „Wir wollen ein wenig in der Stadt herumgehen, denn meine Brust ist beklommene sie hatten sich daher als Derwische verkleidet und waren unerkannt an diesem Hause vorübergekommen, wo sie die Musik hörten, und beschlossen, die Nacht hier zuzubringen, die ihnen auch bei heiterem Gespräch in vollem Anstand angenehm vorüberging. Des Morgens legte der Kalif hundert Dinare unter den Teppich und entfernte sich mit den andern. Als die Frau den Teppich aufhob und die hundert Dinare fand, gab sie sie ihrem Gatten und sagte ihm: „Nimm dies Geld, das die Derwische, ohne daß ich es merkte, unter den Teppich gelegt.“ Ala nahm es und kaufte Fleisch, Reis und Schmalz und was er sonst für die nächste Nacht brauchte, zündete Wachslichter an und sagte zu Subeida: „Die Derwische haben noch nichts von den zehntausend Dinaren gebracht, das sind prahlerische Menschen.“ Auf einmal wurde an die Tür geklopft. Ala ging hinunter und öffnete, führte die vier Gäste wieder herauf und fragte sie, ob sie die zehntausend Dinare gebracht haben. Sie antworteten: „Noch war es nicht möglich, doch sei unbesorgt, morgen werden wir unsere chemischen Zubereitungen beginnen; laß uns jetzt wieder eine Arie hören, um unser Herz zu laben, denn wir sind große Musikfreunde.“ Subeida spielte etwas auf der Laute, daß Steine dabei hätten tanzen mögen, und auch diese Nacht verging wieder bei Gesang, Musik und munteren Gesprächen. Als das Morgenlicht heranbrach, legte der Kalif wieder hundert Dinare unter den Teppich. In der zehnten Nacht kam der Kalif nicht. Am folgenden Morgen schickte er aber zu dem Obersten der Kaufleute und ließ sich fünfzig Ballen ägyptische Waren bringen, jeden für tausend Dinare; dann ließ er einen seiner Sklaven rufen, gab ihm ein Kleid, zwei goldene Waschbecken und Kannen und einen Brief und sagte ihm: „Nimm dies alles, geh in das Stadtviertel N.N. zu dem Obersten der Kaufleute und frage ihn: wo wohnt mein Herr Ala Eddin Abu Schamat? man wird dir dort seine Wohnung angeben.“ Subeidas Vetter war eben zu ihrem Vater gegangen und hatte ihm gesagt: „Laß uns jetzt zu Ala gehen, um deine Tochter von ihm scheiden zu lassen.“ Sie gingen miteinander nach der Wohnung Ala Eddins und sahen fünfzig Maultiere mit Waren beladen und einen Sklaven, der auf einem Maultier ritt. Da fragten sie ihn: „Wem gehören diese Waren?“ Er antwortete: „Meinem Herrn Ala, sein Vater hat ihn mit Waren hergeschickt, die ihm die Beduinen geraubt haben, drum schickt er ihm jetzt andere Waren nebst einem Maultier mit fünfzigtausend Dinaren beladen, und einem Päckchen, worin ein kostbares Kleid und zwei goldene Waschbecken, und einen Zobelpelz.“ Da sagte Subeidas Vater: „Ala ist mein Verwandter, ich will euch sein Haus zeigen.“

Ala saß eben höchst betrübt in seinem Hause, und als an die Türe geklopft wurde, sagte er zu Subeida: „Gewiß hat dein Vater dem Richter oder der Polizei geschriebenen Sie erwiderte: „Geh hinunter und sieh!“ Er öffnete die Türe und sah seinen Schwiegervater und ein Maultier, auf dem ein schöner brauner Sklave saß. Als dieser abstieg und Ala die Hand küßte, fragte er:“ Wer bist du?“ Er antwortete: „Ich bin der Sklave meines Herrn Schems Eddin, Oberaufseher der Kaufleute Ägyptens; er schickt mich mit diesem Brief zu dir.“ Ala öffnete den Brief, welcher folgende Zeilen enthielt: „Nach dem herzlichen Gruß und Glückwunsch von Schems Eddin an meinen Sohn Ala Eddin; wisse, mein Sohn, ich habe gehört, daß deine Leute getötet und dein Gut geplündert worden, ich schicke dir daher andere fünfzig Ballen und ein Maultier, ein schönes Kleid und ein goldenes Waschbecken und einen Zobelpelz; sei nur ganz beruhigt, betrachte das verlorene Gut als ein Lösegeld für deine Person und gräme dich nicht weiter darüber. Deine Mutter und alle Hausgenossen sind wohl und grüßen dich vielmal. Ich habe auch vernommen, mein Sohn, daß man dich mit der Frau Subeida verheiratet und dir zehntausend Dinare als Morgengabe auferlegt hat; du erhältst daher durch den Sklaven Selim Fünfzigtausend Dinare, bezahle die Morgengabe davon und lebe vom übrigen!“ Ala wendete sich, als er den Brief gelesen hatte, zu seinem Schwiegervater und sagte ihm: „Mein Herr, hier sind zehntausend Dinare als Morgengabe deiner Tochter, nimm auch die Waren, die mir mein Vater schickt, und handle damit, du sollst den Gewinn für dich behalten, wenn ich nur das Kapital wieder erhalte.“ Jener erwiderte aber: „Ich nehme nichts, bei Gott, und was die Morgengabe betrifft, so magst du dich darüber mit meiner Tochter verständigen.“ Sie ließen dann die Waren in Ala Eddins Haus bringen. Als Subeida fragte, wem diese Ballen gehören, erzählte ihr ihr Vater alles Vorgefallene und Ala Eddin öffnete eine Kiste und gab ihr die versprochene Morgengabe. Der Neffe sagte hierauf zu seinem Onkel: „Wirst du Ala nicht nötigen. seiner Frau den Scheidebrief zu geben?“ Der Alte antwortete: „Daran ist nicht mehr zu denken: er hat das Recht in seiner Hand, denn schon hat er die Morgengabe bezahlte Der junge Mann ging betrübt nach Hause, wurde krank und starb. Ala kaufte, nachdem die Waren untergebracht waren, allerlei Speisen und Wachslichter und ordnete wieder alles, wie in den früheren Nächten. Er sagte dann zu Subeida: „Siehst du diese Lügner von Derwischen, die haben ihr Versprechen nicht gehalten.“ Sie antwortete: „Du bist der Sohn des Oberaufsehers der Kaufleute und hattest doch kein halbes Silberstück in deiner Hand, was kannst du von diesen Derwischen verlangend „Nun“, versetzte er, „Gott hat gemacht, daß wir ihrer jetzt nicht mehr bedürfen, wenn sie aber wiederkommen, so öffne ich ihnen die Türe nicht.“ „Warum nicht?“ fragte Subeida, „sie haben uns doch Glück gebracht und jeden Abend hundert Dinare unter den Teppich gelegt.“ Als des Nachts die Lichter angezündet waren, sagte Ala zu Subeida: „Komm, spiele wieder etwas auf der Laute.“ Kaum begann sie zu spielen, da wurde an die Türe geklopft und als Ala Eddin öffnete, so waren es die Derwische. Er rief ihnen zu: „Willkommen, ihr Lügner, kommt herauf und nehmet Platz!“ Sie setzten sich, aßen, tranken und vergnügten sich, dann beteuerten sie ihre Teilnahme an seiner Lage, fragten ihn, wie es ihm denn mit seinem Schwiegervater gegangen? und versicherten ihn, sie seien nicht imstande gewesen, das Geld herbeizuschaffen. Ala erzählte den Leuten, was er von seinem Vater aus Kahirah durch den Sklaven Selim erhalten, wie dadurch zwischen ihm und seinem Schwiegervater Friede geworden, und wie er nun im unangefochtenen Besitz seiner Gattin bleibe. Während hierauf der Kalif sich einen Augenblick entfernte, neigte sich Djafar zu Ala hin und sagte ihm: „Betrage dich nur mit Anstand!“ Ala Eddin versetzte: „Habe ich mich etwa gegen den Fürsten der Gläubigen vergangene Djafar erwiderte: „Der Mann, der eben hinausgegangen, ist der Kalif, der Fürst der Gläubigen, ich bin Dj afar, und hier ist Masrur, das Schwert der Rache, und der Dichter Abu Nuwas. Nimm nur deinen Verstand zusammen und bedenke einmal, wie weit von Bagdad nach Kahirah ist; hat man nicht fünfundvierzig Tage daran zu reisen? Du aber hast deine Waren erst vor zehn Tagen verloren, wie konnte dein Vater in dieser kurzen Zeit Nachricht davon haben, neue Waren packen und sie wieder herschicken?“ - „Du hast recht“, sagte Ala; „aber, mein Herr! woher kamen sie denn?“ - „Vom Kalifen“, antwortete Djafar. Bei diesen Worten kam der Kalif wieder ins Zimmer; Ala stand auf, küßte ihm die Hand und sagte: „Gott erhalte dich lange, o Fürst der Gläubigen, und entziehe mir nie deine Gnade und dein Wohlwollen!“ Der Kalif bat dann Subeida, wieder etwas zu spielen, als Lohn für ihr Heil. Subeida nahm die Laute und spielte so schön, daß selbst Felsen von ihr entzückt waren. Am folgenden Morgen ließ der Kalif Ala in den Divan rufen. Ala ging zum Kalifen, der auf seinem Thron in dem Divan saß und sprach folgende Verse:

„Jeden Morgen begrüße dich neues Glück, o Hochverehrter, den Feinden zum Trotz. Mögen alle deine Tage weiß und die deiner Feinde schwarz sein.“

Der Kalif bewillkommte Ala, ließ einen Kaftan bringen, den er ihm als Ehrenkleid schenkte, ernannte ihn zum Oberaufseher der Kaufleute und wies ihm einen Platz im Staatsrat an. Ala Eddin überreichte dem Kalifen zehn Schüsseln und sagte ihm: „Der Prophet hat auch Geschenke angenommen, drum bringe ich dir diese Schüsseln mit dem was drin ist, als Geschenk“, und der Kalif nahm sie an. Als Alas Schwiegervater Ala in seinem Kaftan sah, sagte er: „O König der Zeit! was bedeutet dieser Kaftan?“ Der Kalif antwortete: „Ich habe ihn zum Oberaufseher der Kaufleute ernannt, und du bist abgesetzt, die Ehrenstellen werden von mir verliehen und sind nicht lebenslängliche Subeidas Vater versetzte: „Er gehört ja zu uns, du hast wohlgetan, möge Gott unsere Besten immer aus den Unsrigen nehmen! Wie mancher Junge ist herangewachsen, dem die Alten die Hand küssen!“ Der Kalif schrieb dann einen Firman für Ala und schickte ihn dem Polizei. obersten; dieser gab ihn dem Ausrufer, der ihn bekannt machte. Er lautete: „Niemand anders, als Ala, ist Oberaufseher der Kaufleute. sein Wort werde gehört und befolgt, und ihm selbst erweise man Achtung und Ehrfurcht!“ Am folgenden Morgen mietete Ala einen Laden und ließ durch einen Sklaven seine Waren verkaufen, er selbst aber eilte nach dem Divan.

Da kam jemand zum Kalifen und sagte: „Du mögest leben für deinen Gesellschafter, der zu Gottes Barmherzigkeit übergegangen ist!“ Der Kalif fragte: „Wo ist Ala?“ Ala, der eben in den Divan trat, näherte sich dem Kalifen, und dieser bekleidete ihn wieder mit einem Kaftan, ernannte ihn zu seinem Gesellschafter und setzte ihm ein Gehalt von tausend Dinaren fest. Nachdem Ala einige Zeit den Dienst eines Gesellschafters beim Kalifen versehen hatte, kam eines Tages ein Emir, mit einem Schwert in der Hand, in den Divan und sagte: „O Fürst der Gläubigen! du mögest leben für den Obersten der Sechzig, denn er ist tot.“ Der Kalif sagte: „Gebt Ala einen Ehrenkaftan, er werde Oberst der Sechzig, und da der Verstorbene weder Kinder noch Frau hinterlassen hat, so schenke ich ihm auch alles, was er besessenen Als hierauf der Divan aufgehoben wurde, ritt Ala in Begleitung des Obersten der Leibwache des Kalifen mit vierzig Soldaten, die jedesmal dem Obersten der Sechzig als Ehrenwache beigegeben wurden, nach Hause und wurde auch von demselben als Sohn adoptiert. Eines Tages, als Ala vom Divan nach Hause ritt und der Oberst mit seinen Wachen ihn verließ, ging er in das Gemach seiner Frau; sie stand, wie gewöhnlich auf, um ein Licht anzuzünden. Als sie aber draußen war, hörte Ala, welcher sitzenblieb, auf einmal ein lautes Geschrei; er lief schnell hinaus, um zu sehen, wer so geschrieen, und siehe da, es war Subeida, die er leblos auf dem Boden fand. Da Alas Haus dem seines Schwiegervaters gegenüber war, rief er ihm zu: „Du mögest leben für deine Tochter Subeida!“ Der Alte kam herüber und rief: „Mögest du leben, mein Sohn!“ Dann sagte er: „Mein Sohn! die Ehre, die man dem Toten noch erweisen kann, ist die, ihn würdig zu beerdigen.“ Sie wählten dann eine Grabstätte und suchten einander gegenseitig zu trösten. Ala zog Trauerkleider an, blieb aus dem Divan und weinte und seufzte immerfort. Da sagte der Kalif: „Laß uns heimlich zu ihm gehen, um zu sehen, wie er sich befindet.“ Als Ala den Kalifen kommen sah, stand er auf, ging ihm entgegen und küßte ihm die Hände. Der Kalif sagte ihm: „Mein Herz ist mit dir, o Ala, warum kommst du nicht mehr in den Divan? warum gibst du dich so der Trauer über deine Gattin hin? Fasse einmal den Gedanken, daß sie zu Gottes Barmherzigkeit übergegangen und daß dafür nichts mehr zu tun ist.“ Ala versetzte: „O König der Zeit! ich werde bis zu meinem Tode sie nicht vergessen und will auch einst ihr Grab teilen.“ Der König bat ihn dann, nicht länger aus dem Divan zu bleiben. Am folgen Morgen ritt daher Ala wieder aus, begab sich zu dem Kalifen und verbeugte sich vor ihm. Der Kalif erhob sich vom Thron, um ihn zu bewillkommnen, und wies ihm wieder seinen frühern Platz an. Nach der Sitzung sagte ihm der Kalif: „Ala, du bist diesen Abend mein Gast.“ Der Kalif ging dann in seinen Harem, rief seine Sklavin Kut Alkulub und sagte ihr: „Ala hatte eine Gattin, welche ihm allen Kummer verscheuchte, die ist nun tot, ich wünsche daher, daß du ihm etwas auf der Laute vorspielst, um ihn zu erheitern.“

Als Ala des Abends ins Schloß kam und Kut Alkulub ihm vorspielte, fragte ihn der Kalif, was er von diesem Spiel halte? Ala antwortete: „Das Spiel Subeidas sei ergreifender gewesen.“ Da sagte der Kalif: „Diese Sklavin hat dir aber doch auch gefallene - „Ihr Spiel ist sehr angenehme, antwortete Ala. Nun versetzte der Kalif: „Bei dem Leben meines Hauptes und dem Grabe meiner Ahnen, du mußt sie mit allen ihren Dienerinnen von mir als Geschenk annehmen.“ Ala glaubte, der Kalif scherze nur mit ihm, aber am folgenden Morgen ging der Kalif zu Kut Alkulub und sagte ihr: „Ich habe dich und alle deine Dienerinnen Ala geschenkte Kut Alkulub freute sich sehr darüber, denn sie hatte Ala gesehen und liebte ihn.

Der Kalif ging dann vom Serail in den Divan, rief zwei Diener und sagte ihnen: „Nehmet Kut Alkulub und ihre Dienerinnen mit allem, was ihr gehört, und tragt sie in einer Sänfte in Alas Haus!“ Als Kut Alkulub in Alas Haus war, sagte sie ihren zwei Kammerfrauen: „Eine von euch setze sich auf das Sofa zur Rechten der Tür und eine zur Linken, und wenn Ala kommt, so küßt ihm die Hand und sagt ihm: „Unsere Herrin Kut Alkulub wünscht dich bei sich zu sehen, denn der Kalif hat sie dir mit allen ihren Dienerinnen geschenkte Als Ala diese Damen aus dem Schloß des Kalifen sah, war er sehr erstaunt und dachte: Ist das nicht mein Haus? was gibt's wohl da? Die Damen küßten ihm die Hände und sagten: „Wir sind Kammerfrauen des Kalifen und wiederholen, daß der Kalif dir Kut Alkulub geschenkt hat, die dich nun bittet, zu ihr zu kommen.“ Ala antwortete: „Sagt ihr, sie sei willkommen, doch werde ich nie ihre Wohnung betreten, solange sie darin ist, denn was dem Herrn ziemt, gehört dem Diener nicht. Sagt ihr auch, daß sie von mir das selbe Monatsgeld haben soll, das sie vom Kalifen erhaltenen Eines Tages blieb Ala wieder vom Divan weg, da sagte der Kalif zu Djafar: „Ich habe Ala, um ihn zu trösten, Kut Alkulub geschenkt, warum bleibt er jetzt vom Divan weg?“ Djafar antwortete: „O Fürst der Gläubigen! mit Recht sagt man: Wer eine Geliebte wiederfindet, vergißt seine Freunde.“ Der Kalif ging mit seinem Vezier wieder zu Ala, dieser stand auf und küßte dem Kalifen die Hand. Als der Kalif Ala noch sehr traurig fand, fragte er ihn: „Was bedeutet diese Trauer? hat dir Kut Alkulub keinen Trost gewährt?“ Ala antwortete: „Was dem Herrn gehört, ziemt dem Diener nicht; darum bin ich nicht in ihr Gemach gegangen und weiß gar nichts von ihr.“

Der Kalif ging erstaunt zu Kut Alkulub, und nachdem er sich von der Wahrheit der Aussage Alas überzeugt hatte, ließ er sie wieder in den Serail bringen und kehrte, nachdem er Ala Eddin gebeten, wieder in den Divan zu kommen, ins Schloß zurück. Am folgenden Morgen begab sich Ala wieder in den Divan und nahm seinen Platz als Sultan der Sechzig ein; da befahl der Kalif seinem Schatzmeister, dem Vezier zehntausend Dinare zu geben, und befahl diesem, auf den Sklavenmarkt zu gehen, um Ala eine Sklavin für zehntausend Dinare zu kaufen. Der Vezier gehorchte und ging mit Ala auf den Markt, wo gerade, so wollte es die göttliche Fügung, auch der Emir Chalid, der Polizeioberste, eine Sklavin suchte; dieser hatte nämlich eine Frau, welche Chatun hieß, und einen sehr häßlichen Sohn, mit Namen Habsalam; letzterer war schon zwanzig Jahre alt und konnte noch nicht auf einem Pferd reiten. Indessen wünschte doch Chatun sehr, ihrem Sohn eine Frau zu geben; da er aber so häßlich war, daß ihn keine Jungfrau und keine Witwe heiraten wollte, sagte sie zu ihrem Gatten: „Wir wollen für Habsalam eine Sklavin kaufen.“ Als Djafar und Ala auf den Sklavenmarkt kamen und eine sehr schöne und wohlgewachsene Sklavin an der Hand ihres Maklers sahen, sagte diesem der Vezier: „Rufe sie einmal für tausend Dinare aus.“ Der Makler kam dann vor Chalid damit vorüber, und Habsalam fand sie so reizend, daß er seinen Vater bat, sie ihm zu kaufen. Chalid fragte die Sklavin, wie sie heiße, und sie antwortete. „Mein Name ist Jasmin.“ Chalid sagte zu seinem Sohn: „Da sie dir so gut gefällt, so gebe ich tausend und ein Dinar.“ Als der Makler wieder zu Djafar kam, bot dieser zweitausend, und so oft Habsalam einen Dinar mehr bot, stieg Djafar um tausend Dinare. Dies betrübte Habsalam sehr; er fragte den Makler: „Wer überbietet mich so? Der Makler antwortete: „Der Vezier Djafar, der sie für Ala kauft.“ Als endlich Djafar zehntausend Dinare bot, schlug sie ihr Herr los und nahm das Geld. Ala führte Jasmin in sein Haus und sagte ihr: „Ich schenke dir deine Freiheit im Angesicht Gottes;“ schrieb dann einen Ehekontrakt und heiratete sie als ein freies Mädchen. Habsalam aber ging sehr bestürzt und liebeskrank nach Hause, warf sich aufs Bett und wollte nichts genießen. Seine Mutter Chatun besuchte ihn und fragte, was ihn so krank mache?“ Er antwortete: „Kauf mir Jasmin!“ „Recht gerne“, rief Chatun, „sobald deren vorüberkommen, kaufe ich dir.“ Da sagte Habsalam: „Ich meine nicht Jasmin zum Riechen, sondern eine Sklavin, welche so heißt.“ Chatun ging zu ihrem Gatten und sagte ihm: „Warum hast du meinem Sohn die Sklavin Jasmin nicht gekauft?“ Er antwortete: „Was dem Herrn gebührt, ziemt dem Diener nicht; es stand nicht in meiner Gewalt, sie zu kaufen; denn Djafar hat sie für Ala, den Sultan der Sechzig, gekauft.“ Habsalams Übel wurde immer bedenklicher; er nahm keine Nahrung an, und seine Mutter war so verzweifelt, da sie schon eine Trauerbinde umwand, als die Mutter des Diebs Ahmed sie besuchte. Dieser Ahmed war ein so gewandter Dieb, daß er dichte Mauern durchbrach und hohe überstieg und einem den Kohel aus den Augen zu stehlen verstand: er wurde aber einst doch auf einem Diebstahl ertappt und vom Polizeiobersten vor den Kalifen geführt, der ihn zum Tode verurteilte. Der Vezier Djafar bat aber um Gnade für ihn, und als der Kalif, der Djafars Bitte nie verwarf, ihm entgegnete: „Soll ich das Verderben über die Muselmänner loslassend antwortete er: „Sperre ihn ein; denn wer das erste Gefängnis gebaut hat, war ein kluger Mann, es ist das Grab der Lebendigen und die Freude der Feinde.“ Ahmed wurde eingekerkert und gefesselt, und man schrieb auf seine Ketten: „Bis zum Tode verurteilt, nicht zu entfesseln, bis er auf die Waschbank kommt.“ Ahmed bat seine Mutter, welche ihm Vorwürfe über seinen Lebenswandel machte, und zu essen und zu trinken brachte, sich an die Frau des Emir Chalid zu wenden, um durch die Vermittlung ihres Gatten vom Kalifen begnadigt zu werden.

Als daher die Alte Chatun mit einer Trauerbinde fand und von ihr Habsalams Krankheit und dessen unglückliche Liebesgeschichte vernahm, sagte sie: „Wie wäre es, wenn jemand ein Mittel fände, deinem Sohn seine Gesundheit wieder zu geben?“ - „Wie vermagst du das?“ - „Ich habe einen Sohn, der heißt Ahmed der Dieb und ist zu ewiger Gefängnisstrafe verurteilt. Ziehe nun deine schönsten Kleider an, und deinen kostbarsten Schmuck und geh deinem Gatten mit heiterem Gesichte entgegen; wenn er dann dich umarmen will, so erlaube es ihm nicht, sondern sage: Bei Gott, schön, wenn der Mann etwas von seiner Frau will, so dringt er in sie, bis sie es ihm gewährt; will aber die Frau etwas, so wird es ihr abgeschlagen. Wenn er dich dann fragt, welche Angelegenheit dir am Herzen liege? so antworte: Ich sage dir's nicht, bis du mir die Erfüllung meines Wunsches zuschwörst; wenn er dir dann bei seinem Haupte oder bei Gott schwören will, so sage nur, er soll bei seiner Scheidung von dir schwören; tut er dies, so sage ihm: Du hast im Gefängnis einen Hauptmann mit Namen Ahmed, der hat eine arme Mutter, die mich gebeten hat, du möchtest ihn doch loslassen und dem Kalifen vorstellen, damit er Buße tue.“

Als der Polizeioberste zu seiner Gattin kam, befolgte sie den Rat der Alten, und am folgenden Morgen ging er ins Gefängnis zu Ahmed und fragte ihn: ob er Buße tun wolle? Ahmed antwortete: „Ich kehre zu Gott zurück und flehe ihn im Herzen um Vergebung an.“ Chalid führte ihn gefesselt mich sich in den Divan und küßte die Erde vor dem Kalifen. Als dieser den Emir fragte, was er begehre? stellte er ihm den Dieb Ahmed vor und sagte: „Dieser Unglückliche hat eine arme, verlassene Mutter, die er bisher ernährt; sie kam daher zu deinem Sklaven und beschwor ihn, bei dir, o Fürst der Gläubigen, Fürbitte einzulegen, daß du ihn entfesseln lassest und wieder zum Hauptmann einsetzest; er wird sich gewiß bessern.“ Der Kalif fragte Ahmed: „Bist du noch am Leben?“ Er antwortete: „Das Leben des Unglücklichen ist zähe.“ - „Hast du dich gebesserte fragte der Kalif wieder. Er antwortete: „Ich habe mich zu Gott bekehrt.“ Da ließ der Kalif (um sein Wort nicht zu brechen) einen Juden rufen und Ahmed auf der Waschbank entfesseln; dann schenkte er ihm wieder eine Hauptmannsuniform und empfahl ihm, einen guten Lebenswandel zu führen. Ahmed küßte dem Kalifen die Hand, ging in seiner Uniform weg und wurde als Hauptmann ausgerufen. Als nach einiger Zeit Ahmeds Mutter zu Chalids Gattin kam, sagte ihr diese: „Ich sehe deinen Sohn frei umhergehen, bitte ihn nun, er möchte ein Mittel erfinden, die Sklavin Jasmin meinem Sohn Habsalam zu bringen.“ Die Alte ging zu ihrem Sohn, der eben betrunken nach Hause kam und sagte ihm: „Mein Sohn, du verdankst deine Befreiung aus dem Gefängnis nur der Frau des Polizeiobersten, suche daher ein Mittel, Ala umbringen zu lassen und seine Sklavin Jasmin ihrem Sohn Habsalam zu verschaffend - „Nichts ist leichter als dies“, versetzte Ahmed; „ich will noch diese Nacht dafür sorgen.“ Die Bestimmung wollte, daß jene Nacht gerade die erste des Monats war; diese pflegte der Fürst der Gläubigen bei der Frau Subeida zuzubringen, auch schenkte er gewöhnlich einem Sklaven oder einer Sklavin die Freiheit. Der Kalif war auch gewöhnt, ehe er schlafen ging, sein königliches Gewand, seinen Rosenkranz, Stab und Siegel und eine kostbare goldene Lampe mit drei Edelsteinen im Wohnzimmer zu lassen und den Agas anzuvertrauen. Der Dieb Ahmed wartete, bis die Nacht weit vorgerückt war und alle Leute schliefen; da nahm er ein Schwert in seine Rechte und. ein Fangeisen in seine Linke, stieg auf die Terrasse, die über des Kalifen Wohnzimmer ging, hob eine Platte auf und stieg hinunter.

Da die Agas schon schliefen, goß ihnen Ahmed noch einen Schlaftrunk ein, nahm das Kleid des Kalifen, seinen Rosenkranz, sein Tuch, sein Siegel und die Lampe mit Edelsteinen, stieg wieder auf die Terrasse und ging in Alas Haus, der diese Nacht das Hochzeitsfest mit seiner Sklavin feierte, hob eine marmorne Platte auf, machte eine kleine Höhle darunter, legte die gestohlenen Kleinodien des Kalifen, bis auf die Lampe, in den Saal, setzte dann die Platte wieder an ihre Stelle und ging mit der Lampe fort und dachte: wenn ich wieder trinke, so stelle ich die Lampe auf und beleuchte den Becher damit. Als der Kalif morgens aufstand, fand er die Agas schlaftrunken; er weckte sie auf und streckte seine Hand aus, um nach seinem Kleid zu greifen, fand aber weder Kleid, noch Stock, noch Siegel, noch Rosenkranz; da geriet er in heftigen Zorn, zog das Kleid des Unwillens an, welches rot war, und ging auf den Divan. Da kam der Vezier, küßte die Erde und sagte: „Gott wende alles Übel vom Fürsten der Gläubigen ab!“ - „Das Übel ist im Übermaß vorhandene, erwiderte der Kalif. - „Was ist geschehend - Der Kalif erzählte ihm von dem Diebstahl, der im Schloß begangen worden war. Da trat auch der Polizeioberste herein, von Ahmed begleitet. Der Kalif fragte jenen: „Was berichtest du mir über den Zustand Bagdads?“ Er antwortete: „In der ganzen Stadt ist alles in Ruhe und Frieden.“ - „Du lügst!“ schrie ihn der Kalif an, erzählte ihm seine Geschichte und sagte ihm: „Du mußt mir alles wieder verschaffen, oder sterben!“ Chalid versetzte: „Wie kann ich dies, o Fürst der Gläubigen! jedes Essigwürmchen, das sich im Palast findet, gehört hinein, kein Fremder kann hier Zutritt haben. Übrigens laß zuerst den Dieb Ahmed sterben, denn er kennt die Diebe und Verräter am besten und ist der Führer der Nachtwache. Ahmed trat hervor und sagte: „Der Kalif erlaube mir, für den Polizeiobersten Fürsprache zu tun: ich bürge dafür, daß sich der Dieb durch meine Nachforschungen finden wird; doch gib mir zwei Kadhis und zwei Zeugen mit, denn wer so etwas tut, fürchtet mich und den Polizeiobersten und noch andere nicht.“ Der Kalif sagte: „Zuerst muß in meinem Serail gesucht werden, dann in dem des Veziers, dann bei dem Sultan der Sechzig: denn gewiß hat eine mir nahe stehende Person diesen Raub begangen; aber bei dem Leben meines Hauptes! wer mich bestohlen hat, der muß getötet werden, und wäre es mein eigener Sohn!“ Ahmed ließ sich einen Firman geben, um die Häuser zu durchsuchen, und ging mit einem Stock in der Hand, von dem ein Dritteil aus Bronze, ein Dritteil aus Kupfer und ein Dritteil aus Eisen war, und untersuchte den Serail des Sultans und den des Veziers; dann ging er zu den Schloßverwaltern und Adjutanten, endlich kam er zu Ala, der eben seine Gattin Jasmin verlassen hatte. Als Ala die Türe öffnete und den Polizeiobersten mit seinem Gefolge sah, fragte er: „Was gibt es neues, Emir Chalid?“ Der Emir erzählte ihm, was vorgefallen und sagte „Verzeiht, mein Herr, ihr seid ein Emir, der gewiß keinen Diebstahl begeht, aber wir haben den Befehl vom Kalifen, alle Häuser zu durchsuchend Chalid trat hierauf mit den Kadhis, den Zeugen und Ahmed in Alas Gemach, wo des Kalifen Kleid verborgen war. Ahmed ließ mit Vorsatz den Stock auf die Marmorplatte fallen, unter welche er das Gestohlene verborgen hatte, so daß sie zerbrach, und da man etwas darunter schimmern sah, fragte er: „Was liegt da unten? Hier ist gewiß der ganze Diebstahl verwahrt.“ Als er hierauf die Platte weghob und das Kleid des Kalifen zum Vorschein kam, wurde Ala festgenommen und man riß ihm den Turban vom Haupt, und machte ein Verzeichnis von seinem ganzen Vermögen. Ahmed bemächtigte sich der schwangeren Sklavin Jasmin, gab sie seiner Mutter und sagte ihr: „Führe sie zur Frau des Polizeiobersten.“ Sobald Habsalam die Sklavin sah, wurde er wieder gesund, stand freudig auf und näherte sich ihr. Sie zog aber einen Dolch und sagte: „Entferne dich von mir, sonst töte ich dich und mich.“ Als seine Mutter sie deshalb schmähte, sagte Jasmin: „Du Hündin! Nach welcher Schule ist es einer Frau erlaubt, zwei Männer zu haben? Was haben Hunde im Lager der Löwen zu schaffen?“ Als Habsalam hierauf noch kränker als zuvor wurde, sagte seine Mutter zu Jasmin: „Du Hündin bringst mich um meinen Sohn! Stirb nur, denn Ala wird gewiß gehängt.“ Sie zog ihr dann ihre seidenen Kleider und ihren Schmuck aus, gab ihr grobe Beinkleider und ein haarenes Hemd, führte sie in die Küche, behandelte sie als gemeine Sklavin und sagte ihr: „Dein Lohn sei nun, daß du Holz spaltest, Zwiebeln schälst und Feuer unter die Pfanne legst.“ Jasmin erwiderte: „Ich will lieber jede Pein tragen und jeden Dienst versehen, als deinen Sohn anblickend Aber Gott flößte den übrigen Sklavinnen Mitleid für Jasmin ein, so daß sie manche Arbeit in der Küche für sie verrichteten.

Ala wurde inzwischen in den Divan geführt. Als der Kalif, der gerade auf seinem Thron saß, die Leute mit Ala und seinem Kleid kommen sah, fragte er: „Bei wem habt ihr es gefunden?“ Man antwortete: „Mitten im Hause Alas.“ Der Kalif war höchst erzürnt, und da er bei dem Kleid und den übrigen Effekten die Lampe nicht fand, frage er Ala: „Wo ist die Lampe?“ Ala antwortete: „Ich habe nichts gestohlen, nichts gesehen und weiß von nichts.“ Der Kalif schrie ihn an: „Treuloser! mußtest du mich verraten, der du doch mein Vertrauen besaßest und mir so nahe standest?“ Dann erteilte er den Befehl, ihn auf dem Hinrichtungsplatz zu hängen. Der Polizeioberste führte Ala auf die Straße, man rief vor ihm aus: „Das ist der Lohn, und zwar der geringste Lohn des Verräters gegen den rechtgläubigen Kalifen!“ und eine große Menschenmasse versammelte sich auf dem Hinrichtungsplatz. Sobald aber das Urteil über Ala gesprochen war, lief einer der Wasserträger des Schlosses zu dem Obersten der Leibwache, welcher auch Ahmed hieß, und sagte ihm, nachdem er ihm die Hände geküßt hatte: „Verehrtester Herr! du sitzest hier ganz ruhig und das Wasser steht schon zu deinen Füßen. Weißt du denn nicht, daß man deinen Schützling Ala hängen will?“ Ahmed fragte Hasan Schuman. was er in dieser Sache zu leisten vermöge. Dieser sagte: „Ala Eddin ist unschuldig, gewiß hat irgend ein Feind ihm diesen Streich gespielte Ahmed fragte: „Und was ist dein Rat?“ Hasan antwortete: „Wir müssen ihn mit Gottes Hilfe retten.“ Er ging hierauf ins Gefängnis und sagte dem Wächter: „Gib einen Gefangenen heraus, der den Tod verdiente Der Wächter lieferte ihm einen Mann aus, der die größte Ähnlichkeit mit Ala hatte. Als man Ala hängen wollte, trat Ahmed dem Henker auf den Fuß und sagte ihm: „Nimm diesen Mann und hänge ihn an Alas Stelle, denn es geschieht ihm Unrecht, darum will ich ihn retten, wie einst Ismael durch einen Widder gerettet worden.“ Der Henker tat dies und Ala ging mit Ahmed in sein Haus.

Ahmed fragte dann Ala: „Was hast du da für eine Tat begangen? Kennst du nicht die Worte des Mannes, der gesagt hat: Bist du auch ein Verräter, so verrate doch den nicht, der dir Sicherheit schenkt! Der Kalif hat dir doch das höchste Vertrauen geschenkt, wie verfuhrst du so gegen ihn?“ Ala antwortete: „Bei dem höchsten Namen, mein Oberster, ich bin unschuldig und weiß nicht, wer den Diebstahl begangene Ahmed versetzte: „Das muß ein bitterer Feind getan haben, dem aber einst gewiß seine Strafe nicht ausbleiben wird. - Indessen darfst du, mein Sohn, nicht länger in Bagdad bleiben, denn es ist nicht gut, Könige als Gegner zu haben; wer von ihnen aufgesucht wird, hat viele Mühe, verborgen zu bleiben; darum rate ich dir, mit mir nach Alexandrien zu gehen, es ist eine gesegnete, blühende Stadt.“ Als Ala zur Reise einwilligte, sagte Ahmed zu seinem Adjutanten Hasan: „Gib acht: wenn der Kalif nach mir fragt, so sage, ich mache eine kleine Lustreise.“ Sie reisten dann von Bagdad weg, und kaum waren sie in den Gärten und Weinbergen vor der Stadt, kamen zwei jüdische Steuereinnehmer auf Mauleseln geritten. Ahmed ging auf sie zu und sagte ihnen: „Gebt das Wachgeld, ich bin der Wächter dieses Tals.“ Obschon aber jeder von ihnen hundert Dinare hergab, erschlug sie Ahmed doch, nahm ihre Maulesel und ritt mit Ala nach Ajas; hier verkaufte Ala seinen Maulesel, empfahl dem Pförtner des Chans, wo sie abgestiegen waren, den Maulesel Ahmeds und mietete ein Schiff nach Alexandrien. Als sie durch die Straße der Stadt gingen, rief ein Makler einen dem Fiskus gehörenden Laden für neunhundertundfünfzig Dinare aus. Da Ala tausend Dinare bot, ging der Verkäufer den Handel ein und überlieferte ihm die Schlüssel. Ala öffnete den Laden und fand ihn mit Teppichen und Kissen bedeckt; er enthielt ein ganzes Arsenalmagazin: Segel, Stricke, Mastbäume, Anker, Kisten und Schränke, Säcke voll Steigbügel, Perlen, Panzer, Beile, Messer, Scheren und dergleichen, denn der frühere Eigentümer war ein Trödler.

Ahmed sagte dann zu Ala: „Mein Sohn! der Laden mit allem, was darin ist, ist dein Eigentum, bleibe nun hier und handle redlich und sei zufrieden, Gott wird dich segnen; ich gehe wieder nach Bagdad, um zu sehen, wer dir diesen Streich gespielt, und kehre, so Gott will, bald mit einem Sicherheitsschreiben vom Kalifen zu dir zurück.“

Nach drei Tagen schiffte sich Ahmed wieder nach Ajas ein, nahm dort sein Maultier und ritt nach Bagdad, wo er von Hasan hörte, daß er dem Kalifen während seiner Abwesenheit gar nicht eingefallen sei und sich Mühe gab, weiteres über den Diebstahl zu erfahren. Der Kalif hatte nach der vermeintlichen Hinrichtung Alas zu Djafar, seinem ersten Vezier, gesagt: „Sieh einmal, wie Ala Eddin gegen mich verfahren ist.“ Djafar erwiderte: Du hast ihn dafür zum Strick verurteilt, ist nicht das Urteil vollzogen worden?“ Da sagte der Kalif: „Ich will sehen, wie er am Galgen hängt.“ Er ging daher mit dem Vezier auf den Hinrichtungsplatz, fand aber den Gehängten größer, als Ala war. Als er Djafar darauf aufmerksam machte, erwiderte dieser: „Wenn man hängt, so streckt man sich.“

Der Kalif betrachtete den Gefangenen näher und sagte: „Ala hatte ein weißes Gesicht und dieses ist schwarze Djafar erwiderte: „Weißt du nicht, daß der Tod schwarze Flecken hervorbringt?“ Als aber der Kalif hierauf den Gehängten vom Galgen nehmen ließ und auf seinen beiden Fersen die Namen Abu Bekr und Omar fand, sagte er: „O Vezier! Ala war ein frommer Muselmann und dieser ist ein Ketzer.“ Djafar antwortete: „Gepriesen sei Gott, der die Geheimnisse kennt, der Gehängte sei nun Ala oder ein anderer, Gottes Wille ist geschehend Der Kalif ließ dann die Leiche beerdigen und fragte nicht mehr weiter nach Ala. Jasmin blieb als Sklavin im Hause des Polizeiobersten Chalid, dessen Sohn Habsalam bald vor Liebesgram starb. Nach einiger Zeit gebar sie einen Sohn, so schön wie der Mond; da sein Vater ihm keinen Namen geben konnte, nannte sie ihn Aßlan, stillte ihn zweieinhalb Jahre lang, dann entwöhnte sie ihn und ließ ihn im Hause umherlaufen. Eines Tages, während Jasmin in der Küche beschäftigt war, ging der Junge die Treppe hinauf, die ins Wohnzimmer führte, wo der Emir Chalid saß. Er nahm das Kind auf den Schoß und fand viel Ähnlichkeit zwischen ihm und Ala und pries den Herrn, der ihn geschaffen. Jasmin suchte überall ihr Kind; endlich stieg sie auch die Treppe hinauf, und sah ihr Kind auf Chalids Schoße, dem Gott viele Liebe für das Kind eingegeben. Als das Kind seine Mutter sah, wollte es zu ihr laufen, aber Chalid hielt es in seinen Armen fest und sagte zu Jasmin: „Tritt näher! wem gehört dieses Kind? Jasmin antwortete: „Es ist mein Kind und die Furcht meines Herzens.“ Chalid fragte: „Und wer ist sein Vater?“ „Ala Eddin“, versetzte Jasmin, „aber nun sei es -dein Kind.“ „Ala war ein Verräter“, versetzte Chalid. „Bewahre Gott“, erwiderte Jasmin, „ein treuer Mensch wie er, ist kein Verräter.“ „Nun“, sagte Chalid, „wenn das Kind heranwächst und dich fragt, wer sein Vater sei, so sage ihm: der Emir Chalid, der Oberste der Polizeiwache.“ Chalid ließ dann Aßlan, nachdem Jasmin ihn bis zum Knabenalter gepflegt hatte, beschneiden und gab ihm einen Lehrer. Nachdem Aßlan im Schreiben und Koranlesen gehörige Fortschritte gemacht hatte, führte ihn Chalid, den er stets Vater nannte, auch auf die Rennbahn und unterrichtete ihn in allen Kriegskünsten. Als Aßlan ein Alter von vierzehn Jahren erreicht hatte und als junger Emir gekleidet ausging, traf er mit dem Dieb Ahmed zusammen und befreundete sich bald mit ihm. Eines Tages ging er mit ihm in eine Weinschenke und Ahmed zog die mit Edelsteinen besetzte Lampe des Kalifen heraus und stellte sie vor sich hin, und berauschte sich. Aßlan bat den Hauptmann Ahmed, ihm diese Lampe zu schenken. Ahmed sagte, er könne diese Lampe nicht verschenken, weil sie einem Menschen das Leben gekostet. „Wem denn?“ fragte Aßlan. Ahmed antwortete: „Einem Fremden, den man zum Obersten der Sechzig gemacht, sein Name war Ala Eddin.“ - „Und wie ging das zu?“ fragte Aßlan wieder. Ahmed erzählte ihm hierauf die Geschichte Habsalams, dann die Jasmins, und schloß mit der ungerechten Hinrichtung Alas. Als Aßlan dies hörte, dachte er: Jasmin ist meine Mutter, und gewiß war jener Ala mein Vater? Er ging unruhig weg und begegnete dem Obersten Ahmed. Als dieser Aßlan sah, rief er erstaunt aus: „Gepriesen sei der, dem nichts ähnlich ist!“ Da fragte ihn sein Adjutant Hasan: „Worüber wunderst du dich so, mein Oberster?“ Er antwortete: „Über die Gestalt und das Gesicht Aßlans, der Ala so ähnlich sieht.“ Ahmed rief dann Aßlan zu sich und fragte ihn: „Wer ist dein Vater?“ Er antwortete: - „Der Emir Chalid.“ - „Und deine Mutter?“ - „Die Sklavin Jagmin.“ - „Sei frohen Herzens, niemand anders als Ala ist dein Vater; frage einmal deine Mutter.“ Aßlan ging zu seiner Mutter und fragte sie, wer sein Vater sei? und als sie antwortete: „Der Emir Chalid ist dein Vater“, versetzte er: „Nein, Ala ist mein Vater.“ Jasmin gestand ihm weinend, daß Ala wirklich sein Vater war, daß der Emir ihn aber als seinen Sohn erzogen, worauf er ihr erzählte, was er vom Hauptmann Ahmed gehört. Da sagte Jasmin: „Endlich ist die Wahrheit an den Tag gekommen und ha t die Lüge verdrängt; wenn du zum Obersten Ahmed kommst, so bitte ihn, dich mit deinem Vater zu vereinen.“

Aßlan ging sogleich zum Obersten Ahmed, küßte ihm die Hand und sagte ihm: „Ich habe mich überzeugt, daß Ala mein Vater war, und bitte dich nun, Blutrache an seinem Mörder zu nehmen.“ - „Wer hat deinen Vater gemordet?“ - „Der Dieb Ahmed.“ - „Wieso weißt du das?“ - „Ich habe bei ihm die Lampe gesehen mit den Edelsteinen, die dem Kalifen gehörte; ich bat ihn, mir sie zu geben, aber er wollte nicht und sagte, die hat schon ein Leben gekostet, und erzählte mir dann, wie er den Diebstahl begangen und das Gestohlene in meines Vaters Haus niedergelegt habe.“ - „Das beste ist“, sagte Ahmed, „wenn du den Emir Chalid in Kriegsrüstung ausgehen siehst, so bitte ihn, daß er dir auch eine militärische Uniform anziehe; wenn du dich dann vor dem Kalifen tapfer gezeigt hast und er dich fragt, was du wünschest, so sage, ich verlange, daß Blutrache an dem Mörder meines Vaters genommen werde, und wenn er dir sagt, dein Vater sei ja wohl, so erwidere ihm, Ala sei dein Vater und der Emir habe dich nur als Sohn erzogen; erzähle ihm dann, was zwischen dir und dem Dieb Ahmed vorgefallen, und beschwöre ihn, eine Untersuchung anzuordnen, ich werde dann die Untersuchung selbst leiten.“ Aßlan ging nach Hause zum Emir, der sich eben rüstete, um in den Divan des Kalifen zu gehen, da bat er ihn, daß er auch ihn als Krieger kleide und mitnehme. Chalid begab sich mit Aßlan zum Kalifen. Dieser ritt zur Stadt hinaus, die Zelte wurden aufgeschlagen, die Krieger stellten sich in Reihen und Ahmed nahm neben dem Emir Platz; die Ballspiele begannen und die Krieger schleuderten sich gegenseitig die Kugeln zu. Es hatte sich aber unter die Kämpfer ein Spion eingeschlichen, der dem Kalifen nach dem Leben trachtete und ihm eine Kugel ins Gesicht schleudern wollte; Aßlan fing sie auf, wendete sie vom Kalifen ab und warf sie dem, der sie geschleudert hatte, zwischen die Schultern zurück, so daß er zu Boden fiel. Der Kalif rief: „Gott segne dich, Aßlan!“ Man stieg dann ab und ließ sich auf Stühlen nieder und der Kalif ließ den Verräter vor sich kommen, der nach ihm geworfen, und fragte ihn, was ihn dazu bewogen habe, nach ihm zu werfen? Er antwortete: „Ich bin dein Feind und ein Feind deines Glaubens.“ Nachdem der Kalif den Befehl zu dessen Hinrichtung gegeben hatte, sagte er zu Aßlan: „Bitte dir etwas von mir aus!“ Aßlan erwiderte: „Ich wünsche, daß du den Tod meines Vaters rächest.“ - „Hier steht ja dein Vater ganz wohl.“ - „Wen hältst du für meinen Vater, o Fürst der Gläubigen?“ - „Wen anders, als den Emir Chalid?“ - „Der ist es nur durch die Erziehung, aber Ala ist mein wirklicher Vater.“ - „Dein Vater war ein Verräter, er hat mein Kleid, und was dabeilag, gestohlene - „O Fürst der Gläubigen, Gott bewahre! mein Vater war kein Dieb; als dir dein Kleid gestohlen worden, hast du alles, was dabei war, wieder erhalten?“ - „Bis auf eine Lampe.“ - „Die habe ich bei Ahmed, dem Dieb, gesehen, und als ich sie von ihm forderte, gab er sie mir nicht, denn er sagte: die hat schon ein Leben gekostet; dann erzählte er mir, wie der Sohn des Emirs krank war aus Liebe zur Sklavin Jasmin, wie er dann durch dessen Mutter befreit worden, das Kleid und die Lampe gestohlen und jenes in Alas Haus verborgen. Darum, o Fürst der Gläubigen, räche den Tod meines Vaters an seinem Mörder!“ Der Kalif ließ sogleich Ahmed den Dieb von Wachen umgeben, dann fragte er: „Wo ist Ahmed, der Oberste?“ Als dieser sich näherte, sagte ihm der Kalif: „Untersuche den Dieb Ahmed!“ Der Oberste streckte seine Hand in des Diebes Tasche und zog die Lampe heraus; der Kalif sagte: „Tritt näher, Verräter! woher hast du diese Lampe?“ Der Dieb antwortete: „Ich habe sie gekauft.“ „Du lügst“, schrie ihn der Kalif an und ließ ihn prügeln, bis er alles eingestand, und machte ihm Vorwürfe, daß er durch solche Schandtat Ala Eddin ins Verderben gestürzt. Der Kalif ließ dann auch den Emir Chalid festnehmen. Dieser sagte aber: „O Fürst der Gläubigen! mir geschieht Unrecht, denn du hast mir befohlen, Ala zu hängen, und ich wußte nichts von den Intrigen, welche zwischen dem Dieb, seiner Mutter und meiner Gattin stattfanden.“ Er ba t dann auch Aßlan, sein Fürsprecher beim Kalifen zu sein. Der Kalif fragte dann: „Wo ist Aßlans Mutter hingekommene Chalid antwortete: „Sie ist bei mir.“ Da sagte der Kalif: „Ich befehle deiner Gattin, daß sie ihre Kleider und ihren Schmuck Jasmin anziehe und sie wieder zur Herrin mache; man erbreche dann das Siegel vor Alas Haus und gebe seinem Sohn sein ganzes Vermögen.“ Dann sagte der Kalif zu Aßlan: „Hast du noch etwas zu wünschen?“ Er sagte: „Ich wünsche, daß du mich mit meinem Vater vereinigest.“ Der Kalif sagte weinend: „Ich habe den Befehl erteilt, deinen Vater zu hängen; aber bei dem Leben meiner Ahnen, wer mir die Nachricht bringt, daß Ala noch lebt, dem gebe ich, was er begehrte Da trat Ahmed, der Oberste, hervor, küßte die Erde vor dem Kalifen und sagte: „Versprich mir Sicherheit, o Fürst der Gläubigen.“ Als der Kalif sie ihm gewährte, sagte er: „Ich verkünde dir, daß der treue, redliche Ala noch lebt, bei dem Leben deines Hauptes, ich habe ihn durch einen anderen ausgelöst, ihn nach Alexandrien gebracht und ihm dort einen Krämerladen geöffneten - „So mache dich gleich auf den Weg“, sagte der Kalif, „und bringe ihn wieder hierher.“

Der Kalif ließ dann Ahmed tausend Dinare geben, mit denen er sich auf den Weg nach Alexandrien machte. - Ala Eddin hatte indessen nach und nach alles, was im Laden war, bis auf ein kleines Säckchen verkauft. Als er es öffnete, fand er eine Perle an einer goldenen Kette, so groß, daß sie eine ganze Hand ausfüllte. Sie hatte fünf Seiten, mit Inschriften, so fein wie die Spuren von kriechenden Ameisen. Da dachte er: Gott weiß, ob nicht dieses Amulett einen Schatz enthält. Doch rieb er an allen fünf Seiten und entdeckte nichts. Nach einer Weile kam ein Franke vorüber, der, sobald er das Amulett im Landen hängen sah, sich zu Ala vor seinen Laden setzte und ihn fragte, ob er dieses Amulet verkaufe. Ala sagte: „Was ich im Laden habe, ist mir feil.“ Da fragte der Franke: „Willst du mir es für achtzigtausend Dukaten verkaufend Ala antwortete: „Biete mehr!“ Da sagte der Franke: „Willst du mir es für hunderttausend Dukaten verkaufend Ala Eddin erwiderte: „Der Verkäufer sei billig und der Käufer pünktlich, gib das Geld!“ - „Gut“, versetzte der Franke, „aber ich kann so viel Geld nicht herbringen; es gibt so viele Diebe und Gauner in Alexandrien; komm mit mir auf mein Schiff, da gebe ich dir noch ein Stück Tuch, ein Stück Atlas, ein Stück Samt und ein Stück Angorawollenzeug.“

Ala schloß den Laden, gab seinem Nachbarn die Schlüssel zu demselben und sagte ihm: „Ich gehe mit dem Franken auf sein Schiff, um Geld zu holen, behalte du die Schlüssel einstweilen, und wenn ich lange ausbleibe und der Oberst Ahmed kommt, der mir diesen Laden gekauft hat, so gib ihm die Schlüssel und sage ihm, wo ich bin.“ Er ging dann mit dem Franken aufs Schiff, dieser ließ ihm einen Stuhl reichen und das Geld geben nebst den fünf Stoffen, die er ihm versprochen hatte. Dann sagte er ihm: „Mache mir die Freude und labe mich zuerst mit einem Bissen oder einem Trunk.“ Als Ala Eddin um einen Trunk bat, stellte ihm der Franke einen Schlaftrunk vor. Ala trank davon und fiel rückwärts hin. Sogleich wurden die Anker gelichtet, die Segel gespannt, und der Wind trieb das Schiff ins Weite. Der Hauptmann des Schiffs ließ dann Ala aus der Kajüte auf das Verdeck bringen und ihm ein Gegenmittel für den Schlaftrunk reichen; er öffnete seine Augen und fragte: „Wo bin ich?“ Der Kapitän antwortete: „Du bist mein Gefangener, und hättest du einen höhern Preis verlangt, so würde ich ihn dir auch gegeben haben. - „Wer bist du denn?“ fragte Ala. „Ich bin der Kapitän dieses Schiffes und ich will dich der Geliebten meines Herzens nach Genua bringen.“ In diesem Augenblick kam ein Schiff mit 40 moslimischen Kaufleuten vorüber, der Kapitän steuerte darauf zu, enterte es und machte sie zu Gefangenen und schleppte alles mit nach Genua. Als das Schiff vor einem Palast von Genua landete, kam ein verschleiertes Mädchen zum Kapitän, fuhr dann in den Hafen und sagte ihm: „Gib das Amulett!“ Der Kapitän gab es ihr und feuerte die Kanonen zur glücklichen Ankunft ab. Kaum hatte der König von Genua des Hauptmanns Ankunft erfahren, als er ihm entgegenging und ihn fragte, wie seine Reise abgelaufen? Der Hauptmann sagte: „Gut, ich habe ein Schiff gekapert, in dem einundvierzig muselmännische Kaufleute sind.“ Auf Befehl des Königs führte der Hauptmann dann die Muselmänner, unter welchen auch Ala Eddin war, in Ketten ans Land. Der König und der Hauptmann bestiegen ihre Pferde und trieben sie vor sich her in den Divan. Da fragte der König einen Gefangenen nach dem andern, wo er herkomme, und sobald er antwortete, „aus Alexandrien“, erhielt der Scharfrichter den Befehl, ihm den Hals abzuschneiden. Schon waren vierzig Muselmänner hingerichtet und Ala, der ihre letzten Seufzer anhören mußte und noch allein übrig war, dachte bei sich selbst: Gottes Mitleid sei mit mir, sonst ist es auch um mich geschehen. Der König fragte auch ihn, wo er herkomme, und als er antwortete: „aus Alexandrien“, sollte auch er geköpft werden. Der Scharfrichter hatte schon sein Schwert gezogen, da kam eine alte Nonne vor den König und sagte: „O König, habe ich dich nicht gebeten, wenn der Kapitän mit Gefangenen kommt, unserem Kloster einige Gefangene zu schicken, daß sie den Dienst in der Kirche versehen?“ Der König, der vor ihr aufgestanden war, erwiderte. „O Mutter, wärest du nur etwas früher gekommen; doch nimm den einzigen, der noch übrig bleibt.“ Sie wendete sich dann zu Ala und sagte ihm: „Willst du Kirchendiener werden, gut, wo nicht, so wird der König dich umbringen lassen.“ Ala sagte. „Ich will dienen.“ Sie führte ihn dann vom Divan weg in die Kirche. Da fragte Ala: „Welchen Dienst habe ich zu verrichtend Sie antwortete: „Du mußt morgens früh aufstehen, fünf Maultiere nehmen, damit in den Wald gehen, trockenes Holz hauen und es in die Küche des Klosters bringen; dann legst du die Teppiche und Matten zusammen, kehrst aus und wäschst den Boden, dann breitest du die Teppiche wieder aus, nimmst einen halben Sack Weizen, siebst, mahlst und knetest ihn und machst Zwieback für das Kloster. Du nimmst dann den sechsten Teil eines Sacks Linsen, siebst sie, mahlst sie und kochst sie. Du füllst hierauf die vier Springbrunnen, gehst mit einem Faß herum und füllst die dreihundertundsechsundsechzig Wasserbehälter der Novizen. Dann machst du die Gläser rein, füllst sie mit Öl und zündest sie an, wenn die Glocke läutet; du nimmst hernach dreihundertdreiundzwanzig Schüsseln, bröckelst Zwieback hinein , gießt Linsensuppe darüber und bringst jedem Klosterbruder eine Schüssel voll und machst sie ihm kalt.“ Als die Alte ausgeredet hatte, sagte Ala: „Führe mich zum König zurück, er soll mich lieber töten lassen.“ Die Alte erwiderte: „Wenn du deinen Dienst nicht gut verstehst, werde ich allerdings den König bitten, dich hinrichten zu lassen.“ Ala Eddin mußte seinen Schmerz ertragen und sich auch noch von zehn schwachen blinden Männern zu den gemeinsten Dienstleistungen brauchen lassen. Als die Alte ihn fragte, warum er seine Arbeit nicht verrichtet habe, sagte er: „Wie viele Hände habe ich denn? ich kann nicht alles versehen.“ Die Alte erwiderte: „Nimm diesen Stock (er war von Kupfer und hatte oben ein Kreuz) und gehe auf die Straße, und wenn dir der Gouverneur der Stadt begegnet und du sagst ihm: Ich lade dich zum Dienst der Kirche ein, nimm dieses Maultier und belade es mit dürrem Holz aus dem Wald, so muß er dir auch gehorchen, sonst töte ihn nur auf meine Verantwortung. Auch wenn du dann den Vezier siehst, so klopfe nur vor seinem Pferd mit diesem Stock auf die Erde und sage ihm: Ich lade dich zum Dienst der Kirche ein, er muß dann Weizen nehmen, ihn sieben, mahlen, kneten und backen; erschlage nur in meinem Namen jeden, der dir nicht gehorchte Ala befolgte den Befehl der Alten und trieb siebenzehn Jahre lang Vornehme und Geringe zur Arbeit an. Eines Tages, als er in der Kirche saß, kam die Alte und sagte: Geh schnell hinaus!“ Er fragte: „Wohin soll ich gehen?“ Die Alte antwortete: „Bringe diese Nacht in einem Weinhaus zu oder bei einem deiner Freunde, denn die Prinzessin Johanna, Tochter des Königs dieser Stadt, will die Kirche besuchen; da darf niemand ihr im Wege sein.“ Ala stellte sich, als gehorche er, aber Satan schlich in seine Brust, und er dachte: „Ich möchte doch wissen, ob die Prinzessin wie unsere Frauen aussieht; ich gehe nicht, bis ich sie gesehen habe. Er verbarg sich dann in eine Zelle, aus welcher er die Kirche übersehen konnte, und als die Prinzessin kam, warf er einen Blick auf sie, dem tausend Seufzer folgten, denn er fand sie wie der Mond, wenn er zwischen Wolken hervorstrahlt und sich plötzlich unserm Auge zeigt.

Ala sah bei Johanna, als er nochmals zu ihr hinblickte, eine andere Dame, zu weicher sie sagte: „Deine Gesellschaft ist mir lieb, Subeida!“ und siehe da, es war Subeida, Alas Gattin, welche er längst schon tot glaubte. Die Prinzessin sagte ihr dann: „Spiele mir etwas vor!“ Aber Subeida erwiderte: „Ich werde nicht mehr spielen, bis du mir meinen Wunsch gewährst und dein Versprechen hältst.“ - „Was habe ich dir versprochene - „Du hast mir versprochen, mich mit Ala zu vereinigen.“ - „O Subeida, sei frohen Herzens und spiele etwas Heiteres über das Glück deiner Vereinigung mit deinem Gatten Ala.“ - „Wo ist er denn?“ - „In dieser Zelle hört er uns zu.“ Subeida spielt dann auf der Laute, daß die Steine tanzten. Ala konnte sich nimmer länger beherrschen, er trat aus der Zelle heraus, umarmte Subeida und stürzte mit ihr ohnmächtig zu Boden. Die Prinzessin bespritzte sie, bis sie wieder zu sich kamen, dann sagte sie: „Gott hat euch vereinten „Durch deine Güte“, antwortete Ala. Er sagte hierauf zu Subeida: „Bist du denn nicht gestorben, Subeida?“ Sie sagte: „Nein, mein Herr!“ ich bin nicht gestorben, sondern eine Djinn hat mich geraubt und sich in meiner Gestalt tot gestellt; sie hat sich von euch beerdigen lassen, hat aber das Grab bald wieder verlassen und sich in den Dienst der Prinzessin begeben. Als ich nun meine Augen öffnete und mich hier bei der Prinzessin befand, fragte ich, wozu ich hierher gebracht worden? Sie sagte: Es ist mir versprochen, daß ich deinen Gatten Ala heiraten werde; willst du mich zur Nebenbuhlerin, so bringe ich ihn hierher nach der Prophezeiung, die ich auf seiner Stirne gelesen; inzwischen sollst du durch dein Spiel auf allerlei Instrumenten noch zerstreuen, und so blieb ich denn bei ihr, bis uns Gott in dieser Kirche zusammengeführt hat.“ Die Prinzessin sagte dann zu Ala: „Willst du mein Gatte werden?“ Ala erwiderte: „Meine Herrin! du bist Christin und ich bin Muselmann.“ - „Bewahre Gott! ich bin schon achtzehn Jahre lang Muselmännin und kenne keinen Glauben, der dem Islamismus entgegen ist.“ - „Aber, meine Herrin, ich möchte wieder in mein Land zurückkehren.“ - „Wisse, ich habe deine Zukunft vorausgesehen und gewartet, bis alles erfüllt war. Ich wünsche dir Glück zu einem Sohne, welcher Aßlan heißt und nun achtzehn Jahre alt ist und deine Stelle (am Hofe) eingenommen hat. Wisse auch, daß die Wahrheit offenbar geworden, unser Herr hat den Schleier gehoben und den Dieb entdeckt, der den Kalifen bestohlen; es war der Verräter Ahmed; er ist schon eingesperrt. Wisse ferner, daß ich das Amulett in deinen Laden legen ließ und den Kapitän abschickte, der dich damit herbrachte. Dieser Kapitän liebt mich, aber ich sagte ihm, ich werde ihm kein Gehör geben, bis er mir das Amulett und dessen Eigentümer bringe; ich gab ihm daher hundert Beutel und ließ ihn als Kaufmann fortgehen; und als du auf den Befehl des Königs auf die Todesmatte geworfen wurdest, da war ich's, der dir diese Alte schickte.“

Ala dankte ihr und nachdem sie nochmals das islamitische Glaubensbekenntnis abgelegt hatte, fragte er sie nach der Bedeutung des Amuletts. Sie sagte: „Es kommt aus einem verzauberten Schatz und gewährt fünf Vorteile, die uns bald zustatten kommen werden. Meines Vaters Frau war eine Zauberin, die alle Mysterien lösen und alle verborgenen Schätze sich zueignen konnte, unter welchen sie auch dieses Amulett fand. Als ich vierzehn Jahre alt war, las ich das Evangelium und fand darin den Namen Mohammeds (Gottes Friede sei mit ihm!), so wie auch in der Tora, in den Psalmen und im Koran, und ich glaubte an Mohammed und überzeugte mich, daß nur seine Religion die wahre ist. Als meine Herrin krank wurde, schenkte sie mir das Amulett und lehrte mich dessen fünf Vorteile. Vor ihrem Tode ließ sich mein Vater von ihr die Zukunft voraussagen, und da sie ihm prophezeite, er werde von einem Gefangenen aus Alexandrien getötet werden, erteilte er dem Kapitän den Befehl, wenn er Muselmänner gefangennehme, die Alexandrier zu töten. Er befolgte des Königs Befehl und tötete so viele Menschen, als er Haare auf dem Kopfe hat. Als meine Herrin tot war, wollte ich auch mein gutes Glück sehen und wissen, wer mich heiraten werde; da erfuhr ich, daß ich einen gewissen Ala Eddin, einen treuen und zuverlässigen Mann heiraten sollte, und nun sehe ich, daß alles in Erfüllung geht. Auch dein Wunsch, in deine Heimat zurückzukehren, wird dir gewährt; komm nur mit mir!“ Ala ging mit Johanna in ihren Palast und verbarg sich in einem kleinen Kabinett. Johanna begab sich dann zu ihrem Vater, der ihr heiter entgegenkam und ihr sagte: „Meine Tochter! ich habe heute einen guten Fang gemacht, komm, wir wollen miteinander trinken.“ Johanna setzte sich zu ihm an den Weintisch und schenkte ihm solange ein, bis er nichts mehr von sich wußte, dann mischte sie einen Schlaftrunk in den Wein und sobald er davon trank, fiel er um. Da holte sie Ala aus dem Kabinett und sagte zu ihm.- „Räche dich an deinem Widersacher, ich habe ihn berauscht und eingeschläfert.“ Ala fesselte den König und gab ihm ein Arzneimittel gegen den Schlaftrunk.

Als der König zu sich kam und Ala und Johanna auf seiner Brust sah, sagte er zu dieser: „Warum, meine Tochter, verfährst du so mit mir?“ Sie antwortete: „Ich war deine Tochter, bin aber Muselmännin geworden, habe die Wahrheit eingesehen und sie angenommen und den Irrtum aufgegeben. Ich sage los von dir für diese und die zukünftige Welt; willst du Muselmann werden, gut; wo nicht, so mußt du sterben.“ Ala Eddin richtete diese Worte an den König, und da er sich weigerte,' den Islamismus anzunehmen, zog Ala ein Messer aus der Tasche und schnitt ihm den Hals ab. Er schrieb dann auf ein Papier, wie sich die Sache zugetragen, und legte es auf des Königs Stirne. Johanna nahm aus dem Schloß, was am kostbarsten und am leichtesten zu tragen war, und ging mit Ala in die Kirche. Sie zog hierauf das Amulett hervor und rieb an der Seite, auf der eine Sänfte gezeichnet war, und sogleich erschien ihr eine Sänfte. Johanna bestieg die Sänfte mit Ala und Subeida und beschwor sie bei dem heiligen Namen und Talisman des Amuletts, sich zu erheben. Sogleich stieg die Sänfte mit ihnen in die Höhe und trug sie in ein Tal, wo sie sich mit ihnen herunterließ, sobald Johanna die Seite des Amuletts, auf welcher der Thron bezeichnet war, gegen die Erde wendete. Johanna rieb dann die Seite, auf der ein Zelt gezeichnet war, und es errichtet sich ein Zelt vor ihnen. Da aber das Tal, wo sie waren, kein Wasser hatte, drehte sie vier Seiten des Amuletts gegen den Himmel und rief: Es erscheine Wasser! und es strömte ein großes Wasser mit tobenden Wellen vor ihnen. Nachdem sie sich darin gewaschen und davon getrunken hatten, hob Johanna die Seite, auf der ein Tisch gezeichnet war, gen Himmel, und sogleich kam ein gedeckter Tisch mit den herrlichsten Speisen aus der Höhe. Während sie aber recht vergnügt bei Tische saßen, sah Johanna einen furchtbaren Staub vor sich, und eine zahlreiche Reiterschar sprengte auf sie zu; es war ihr Bruder, der sie verfolgte, sobald er Alas Briefchen auf der Stirn seines Vaters gefunden hatte. Da sagte die Prinzessin zu Ala: „Wie bewähren sich deine Füße im Kampfe?“ Er antwortete: „Wie ein Pfahl in Kleie, ich verstehe nichts vom Kriege.“ Johanna zog das Amulett wieder heraus Und rieb die Seite, auf der ein Pferd und ein Reiter gezeichnet waren. Da stieg ein Reiter aus der Wüste heraus, der solange auf den Feind schlug, bis er ihn teils tötete, teils in die Flucht trieb. Johanna fragte dann Ala: „Willst du nach Kahirah oder nach Alexandrien?“ Er antwortete: „Nach Alexandrien.“ Sie bestiegen den Thron wieder und in einem Augenblick waren sie in Alexandrien. Ala ließ Johanna in einer Höhle zurück, holte ein Oberhemd und einen Schleier aus der Stadt und führte sie in das Gemach seines Ladens. Er verließ sie, um etwas zu essen zu holen, dann kam der Oberste Ahmed und brachte ihm Nachricht von seinem Sohn Aßlan und vom Befehl des Kalifen. Ala erzählte ihm dann auch alles, was ihm widerfahren, nahm ihn mit in seinen Laden und am folgenden Morgen verkaufte Ala seinen ganzen Laden und legte den Erlös zu seinem übrigen Vermögen. Als Ahmed ihn dann zur Rückkehr nach Bagdad bewegen wollte, sagte er: „Ich muß zuerst nach Kahirah gehen und meine Eltern begrüßen.“ Da setzten sie sich zusammen in die Sänfte und fuhren nach der glücklichen Stadt Kahirah und ließen sich im Quartier Asfar, wo Ala Eddins Haus stand, herunter und klopften an die Tür. Alas Mutter fragte: „Wer ist an der Tür, nachdem wir alle Teuren verloren?“ Ala sagte: „Ich bin's.“ Da kamen seine Eltern herunter, umarmten ihn und führten ihn mit seinen Frauen und Ahmed in das Haus. Nachdem Ala drei Tage bei seinen Eltern zugebracht hatte, setzte er sich mit ihnen auf die Sänfte und sie reisten alle zusammen nach Bagdad. Sobald der Oberste Ahmed dem Kalifen die Ankunft Alas meldete, ließ er den Dieb Ahmed rufen und sagte zu Ala: „Ich schenke dir deinen Feind.“ Ala zog sein Schwert und hieb ihm den Hals herunter. Der Kalif gab dann Ala ein großes Fest, ließ den Ehekontrakt zwischen ihm und der Prinzessin Johanna schreiben und ernannte Aßlan zum Obersten der Sechzig und schickte beiden kostbare Ehrenkleider. So lebte Ala mit allen Seinigen vereint im höchsten Glück, bis der Tod sie voneinander trennte. - Hierauf begann Schehersad eine andere Erzählung, wie folgt: Geschichte Hatims aus dem Stamme Tai. Man erzählt: Als Hatim der Taite starb, wurde er auf dem Gipfel eines Berges beerdigt, und man baute auf seinem Grab zwei Wasserbehälter mit steinernen Figuren, welche Mädchen mit herabfallenden Haaren vorstellten, und am Fuße des Berges floß ein Bach. Sooft Wanderer dort lagerten, hörten sie die ganze Nacht durch ein Geräusch und Gemurmel, und des Morgens sahen sie nichts als die steinernen Mädchen.

Eines Tages, als Dsul Kelaa, einer der Könige Himiars, seinen Stamm verließ und die Nacht auf diesem Grabmal zubrachte, sagte man ihm. „Das ist Hatims Grab, hier sind die zwei Behälter mit den steinernen Mädchen, und sooft Wanderer hier übernachten, vernehmen sie einen großen Lärm und großes Geschrei.“ Der König sagte scherzend: „Nun, Hatim, diese Nacht sind wir deine Gäste, aber wisse auch, daß wir recht ausgehungert sind.“ Er schlief hierauf ein wenig ein, erwachte aber bald wieder, rief seine Leute zu sich und bat sie, ihm sein Kamel zu bringen; aber das Kamel war so in Zuckungen verfallen, daß sie es schnell schlachten mußten, um es noch essen zu dürfen. Als sie Dsul Kelaa fragten, was das bedeute? sagte er ihnen: „Mein Auge war geschlossen und doch sah ich Hatim mit einem Schwert auf mich zukommen und hörte, wie er mir sagte: warum besuchst du mich, wenn ich nichts zu geben habe? Hierauf schlug er mein Kamel mit dem Schwert, und hättet ihr es nicht geschlachtet, so wäre es gestorbene Am folgenden Morgen bestieg Dsul Kelaa das Kamel eines seiner Freunde und nahm denselben hinter sich. Gegen Mittag begegnete ihnen jemand, der auf einem Kamel ritt und ein anderes an der Hand führte; sie fragten ihn: „Wer bist du?“ Er antwortete: „Ich bin Adi, der Sohn Hatims; wo ist der König Dsul Kelaa?“ Als man ihm den König zeigte, sagte Adi: „Nimm dieses Kamel statt des deinigen, das mein Vater für dich geschlachtet hat.“ Der König fragte erstaunt: „Wer hat dir das gesagt?“ Adi antwortete: „Mein Vater hat mich im Traum besucht und mir gesagt: sieh, Adi, der König Dsul Kelaa wollte mein Gast sein, da habe ich ihm sein Kamel geschlachtet, drum bringe du ihm jetzt ein anderes für seine Reise, denn ich habe nichts.“ Der König nahm das Kamel, setzte darauf seine Reise fort und bewunderte Hatims Freigibigkeit selbst nach seinem Tode.

Hierauf begann Schehersad folgende Geschichte: Geschichte Maans. Maan, der Sohn Saides, war einst auf der Jagd sehr durstig, denn seine Leute hatten kein Wasser bei sich; da kamen drei Mädchen mit Wasserschläuchen und gaben ihm zu trinken.

Maan wollte sich von seinen Dienern etwas geben lassen, um es den Mädchen zu schenken; da sie aber nichts hatten, schenkte er jeder von ihnen zehn Pfeile aus seinem Köcher, deren Spitzen von Gold waren. Da sagte eine: „So benimmt sich gewiß nur ein recht vornehmer Herr, drum soll auch jede von uns dir einige Verse dichten.“ Die erste begann hierauf:

„Vergoldet sind deine Pfeile, weil auch deine Feinde dich freigebig finden sollen; sie geben den Verwundeten die Mittel zur Heilung und den Sterbenden zur Bestattung.“

Die zweite sprach:

„Selbst im Kriege kennt deine Großmut keine Grenzen; sie umfaßt Feinde und Freunde; deine Pfeile sind mit Gold belegt, damit auch Besiegte mit deiner Gabe sich noch freuen.“

Die dritte sprach:

„Aus Edelmut schleuderst du den Feinden Pfeile mit goldenen Spitzen zu, damit der Verwundete, wenn er sich pflegt, sie verkaufe, und der Erliegende Leichenkleider dafür anschaffe.“

Man erzählt ferner: Maan ging einst in zahlreicher Gesellschaft auf die Jagd. Da sahen sie eine Herde Gazellen und teilten sich, um sie zu verfolgen. Maan jagte lange einer Gazelle nach, aber als er sie gefangen und geschlachtet hatte, kam jemand auf einem Esel aus der Wüste geritten. Maan ritt dem Fremden entgegen, grüßte ihn und fragte ihn: „Woher kommst du? Er antwortete: „Aus einem schlechten Land, das schon viele Jahre unfruchtbar war; dieses Jahr war es ergiebig und ich säte Gurken, die vor der gewöhnlichen Zeit hervorkamen; ich nahm daher die besten zusammen und machte mich auf den Weg zum Emir Maan, dessen Güte und Freigibigkeit so sehr berühmt ist.“ - „Und was hoffst du von ihm zu erlangen?“ - „Ich werde ihn um tausend Dinare ansprechend - „Wenn er aber sagt. das ist zu viel?“ - „Nun, so bitte ich um fünfhundert.“ - „Wenn er auch das zu viel findet?“ - „So begnüge ich mich mit hundert.“ - „Und wenn er auch nicht so viel gibt?“ - „Mit fünfzig Dinaren.“ - „Und verweigert er auch diese Summe?“ - „Nun doch dreißig.“ - „Wenn er aber auch das zu viel findet?“ „Nun, so begebe ich meinen Esel unter seinen Schutz und kehre bestürzt nach Hause zurück.“ Maan lachte und trieb sein Pferd, bis er wieder zu seinen Leuten kam, und sagte zu seinem Kammerherrn: „Wenn ein Araber mit einem Esel voll Gurken kommt, so führe ihn zu mir.“ Nach einer Weile aber kam der Araber; er erkannte aber Maan nicht mehr, wegen der Pracht und Herrlichkeit, in welcher er ihm erschien, und der Menge Gefolge und Diener, die ihn umgaben, denn er saß als Herrscher auf seinem Thron, und zur Rechten und zur Linken standen Wachen. Nachdem der Araber gegrüßt hatte, fragte ihn der Emir, was ihn herführe? Er antwortete: „Ich bringe einige frühreife Gurken und setze meine Hoffnung auf den Emir.“ - „Was erwartest du dafür?“ - „Tausend Dinare.“ - „Das ist zu viel.“ - „Fünfhundert Dinare.“ - „Ist auch zu viel.“ - „Dreihundert Dinare.“ - „Noch immer zu viel.“ - „Zweihundert.“ „Gebe ich auch nicht.“ - „So schenke mir hundert Dinare.“ - „Du forderst immer noch zu viel.“ - „Aber doch fünfzig.“ - „Auch nicht.“ - „So gib mir wenigstens dreißig.“ - Als Maan diese abschlug, sagte der Araber: „Bei Gott, der Mann, dem ich begegnet bin, hat mir Unglück gebracht.“ Maan lachte und schwieg. Da erkannte ihn der Araber und sagte: „Nun, mein Esel ist an deiner Tür angebunden.“ Man lachte wieder, bis er rückwärts fiel, dann rief er seinem Verwalter und sagte ihm: „Gib dem Araber tausend, und fünfhundert, und dreihundert, und zweihundert, und hundert, und fünfzig, und dreißig Dinare und laß den Esel angebundene Der Araber erstaunte, als man ihm zweitausendeinhundertundachtzig Dinare bezahlte! (Gottes Erbarmen sei mit ihnen insgesamt!)

Es wird ferner erzählt: Es war eine Residenz im griechischen Reich, in welcher ein Palast war, der immer verschlossen blieb, und sooft ein König abgesetzt wurde und ein neuer an die Regierung kam, legte er ein neues Schloß vor den Palast; so kamen vierundzwanzig Schlösser vor dessen Tür. Als einst ein Fremder, der nicht aus der königlichen Familie war, König wurde, wollte er alle diese Schlösser öffnen, um zu sehen, was seine Vorgänger im Palast aufbewahrt hatten. Die Großen des Reichs hielten ihn lange davon ab und boten ihm alle ihre Kostbarkeiten, wenn er die Schlösser unberührt lassen wollte.

Der König ließ sich nicht abhalten, und als er öffnete, fand er im Palast Statuen von Arabern mit ihren Pferden und Kamelen, sie hatten weit herabhängende Turbane auf dem Haupt, waren von Schwertern umgürtet und mit langen Lanzen bewaffnet. Er fand auch ein Buch, in dem geschrieben war: „Wenn diese Tür geöffnet wird, so wird diese Gegend von Arabern, die wie diese Statuen aussehen, erobert werden, drum seid sehr vorsichtiger Dies war gerade das Jahr, in welchem Tarif, der Sohn Siads, unter dem Kalifate des Omejjaden Welid, Sohn des Abd Almelik, Spanien eroberte, und der König wurde auf die schlimmste Weise getötet und sein Königreich wurde ausgeplündert, seine Frauen und Kinder wurden gefangen, und alle Schätze fielen als Beute in die Hände der Araber. Es waren dabei mehr als hundertundsiebzig Kronen aus Perlen, Hyazinthen und anderen kostbaren Steinen. Ein Saal, in welchem Reiter mit ihren Lanzen herumspringen konnten, war voll mit goldenen und silbernen Gefäßen. Man fand darin auch den Tisch, der dem Propheten Salomon, dem Sohne Davids (Gottes Friede sei mit ihm!), gehörte; auch ein chemisches Pulver, mit dem man einen Drachmen zu tausend, und alles Silber in das reinste Gold verwandeln konnte. Man brachte alles dem Melid und die Araber ließen sich in diesem Land nieder und es bildet noch immer eines der größten Länder. Geschichte Hischams, Sohn des Abd Almelik. Man erzählt: Als Hischam einst auf der Jagd war, setzte er mit seinen Hunden einem Reh nach (er sah es bald nicht mehr) und fragte einen jungen Araber, der Schafe hütete: „Hast du kein Reh gesehen, das mir eben entwischt ist?“ Der Junge antwortete, indem er den Kopf zu Hischam aufhob: „Warum verkennst du den Wert des Bessern und siehst mit Geringschätzung auf mich herab und sprichst so unhöflich mit mir? Deine Worte sind die eines Tyrannen, und dein Benehmen ist das eines Esels.“

Hischam sagte: „Kennst du mich nicht? wehe dir!“ Der Junge antwortet: „Ich kenne dich als einen ungebildeten Mann, weil du mich anredest, ohne mich vorher zu grüßen.“ - „Wehe dir!“ rief Hischam, „ich bin Hischam, der Sohn Abd Almeliks.“ Der Araber erwiderte: „Gottes Gnade bleibe fern von dir! wie viel sind deine Worte, und wie wenig deine edlen Taten!“ Aber noch ehe der Araber ausgeredet hatte, umgaben Hischam seine Truppen von allen Seiten und riefen: „Friede sei mit dir, o Fürst der Gläubigen!“ Der Kalif sagte: „Laßt nun diese Worte und bemächtigt euch dieses Jungen!“ Der Araber wurde sogleich festgenommen, aber er kehrte sich nicht an die Menge Veziere und Kammerherrn und Großen des Reichs; er senkte den Kopf auf die Brust und ging ruhig vor Hischam her, ohne ein Wort zu sprechen, ja ohne ihn zu grüßen. Da sagte ihm einer der Diener: „Du Hundsbeduine! warum grüßest du den Fürsten der Gläubigen nicht?“ Der Araber wandte sich zornig zu ihm und sagte: „Du Eselsdecke, ich habe einen weiten Weg gemacht, bin viele Stufen heraufgestiegen und mit Schweiß bedeckten Hischam, dessen Zorn immer heftiger wurde, sprach: „Deine Hoffnung ist zerronnen, dein Leben abgelaufen, der Tag deines Todes ist nahe.“ Der Araber erwiderte aber: „Ist mir eine längere Zeit zugemessen, so kannst du sie nicht abkürzen; deine Drohungen schaden mir daher nicht wenig und nicht viel.“ Als hierauf ein Kammerherr ihm sagte: „Wie erkühnst du dich, dem Kalifen so zu antwortend sagte er: „Wehe dir! weißt du nicht, wie der erhabene Gott gesagt: Ein Tag wird kommen, wo jeder Mensch für seine Seele kämpfen wird?“ Hischam, dessen Wut immer stieg, sagte hierauf dem Scharfrichter: „Bring mir den Kopf dieses Jungen, denn seine Worte überschreiten jede Grenze.“ Der Scharfrichter ergriff den Jüngling, legte ihn auf die Todesmatte und sagte: „O Fürst der Gläubigen, hier steht dein eingebildeter Sklave, der nun dem Grabe zugeht, ich bin nicht schuld an dem Blute, das ich vergieße, befiehlst du, daß ich diesem Jüngling den Hals abschlagen Der Kalif antwortete: „Ja.“ Der Scharfrichter fragte zum zweitenmal und seine Frage wurde wieder bejaht; als der Scharfrichter zum drittenmal fragte und der Araber nicht zweifelte, daß er hingerichtet werden sollte, lachte er, daß man seine Stockzähne sehen konnte. Hischam sagte, außer sich vor Zorn: „Ich glaube, du bist verrückt: du siehst, daß du von der Welt scheiden mußt, und verspottest dich selbst?“ Der Araber erwiderte: O Fürst der Gläubigen! wenn mein Tod verschoben werden soll, so schadet mir dein Mordbefehl nicht wenig und nicht viel; doch da du mich immer hinrichten lassen kannst, so höre erst die Verse, die mir eben eingefallen sind.“ Hischam erwiderte: „Laß sie hören, aber schnell!“ Da rezitierte der Araber:

„Ich habe vernommen, daß das Schicksal einst einem Falken einen Spatz in die Klauen trieb, und dieser Spatz sprach zum Falken, der eilig mit ihm davonflog: bin ich nicht zu gering daß du mich auffrißt? du kannst doch an mir dich nicht sättigen; der stolze Falke lächelte vor Erstaunen und ließ den Spatz fliegen.“

Hischam lächelte und sagte: „Bei meiner Verwandtschaft mit dem Gesandten Gottes, hättest du gleich anfangs ein solches Wort gesprochen, ich würde dir alles bis auf das Kalifat gegeben haben!“ Er rief dann einem Diener zu: „Stopfe ihm den Mund mit Perlen voll und mache ihm noch andere schöne Geschenke!“ Der Araber ging reich beschenkt nach Hause.

Schehersad begann in der nächsten Nacht folgende Erzählung: Geschichte Ibrahims, des Sohnes Mahdis. Man erzählt: Als Mamun, der Neffe Haruns, Kalif wurde, huldigte ihm Ibrahim, Haruns Bruder, nicht; er ging nach Rei und warf sich dort zum Kalifen auf. Sein Neffe Mamun suchte ein Jahr elf Monate und zwölf Tage lang ihn durch Güte zum Gehorsam zurückzuführen; dann zog er mit Reitern und Fußvolk nach Rei, und Ibrahim blieb nichts übrig, als nach Bagdad zu fliehen und dort sich zu verbergen, aber Mamun versprach hunderttausend Dinare dem, der ihn entdecken würde.

Ich fürchtete mich sehr, erzählt Ibrahim selbst, und wußte nicht, was tun. Ich verließ gegen Mittag mein Haus, ohne zu wissen, wo ich hingehen wollte; da kam ich in eine Straße, die keinen Ausgang hatte, und sah einen schwarzen Sklaven vor der Tür seines Hauses stehen; ich näherte mich ihm und fragte ihn, ob er einen Platz habe, wo ich mich eine Weile verbergen könnte? Er sagte: „Ja“, führte mich in ein reinliches Haus, schloß die Türe und ging fort. Ich vermutete, er habe mich erkannt und von dem Preise gehört, der auf mich gesetzt war, und gehe jetzt, mich zu verraten und ich wurde so unruhig, wie ein Topf über dem Feuer. Während ich so über meinen Zustand nachdachte, kam er wieder mit einem Träger, der allerlei Lebensmittel brachte, und sagte mir: „Ich gebe mein Leben für das deinige hin.“

Da ich hungrig war, bereitete ich mir einen Topf voll Speisen zu, dergleichen ich nie gegessen. Dann näherte er sich mir und sagte: „Ich bin nicht würdig, daß du dich mit mir unterhältst, willst du jedoch deinem Sklaven solche Ehre erweisen, so mag deine hohe Einsicht darüber entscheidend Ich sagte ihm, denn ich zweifelte noch, ob er mich erkannte: „Woher weißt du, daß meine Unterhaltung angenehm ist?“ Er antwortete: „Unser Herr, der Sultan Gottes, ist zu berühmt (als daß ich es nicht wüßte), du bist ja mein Gebieter, Ibrahim Mahdi, auf den Mamun einen Preis von hunderttausend Dinaren gesetzt. Als ich dies hörte, sah ich, welch einen großen, würdigen Mann ich vor mir hatte, und gewährte ihm seinen Wunsch. Die Trennung von meinem Sohn fiel mir eben ein und ich sprach folgende Verse:

„Vielleicht wird der, welcher Joseph seine Leute zuführte und ihn im Gefängnis tröstete, uns erhören und wieder vereinigen, denn der Herr der Weiten ist allmächtig.“

Als der Sklave dies hörte, fragte er, ob er auch, was ihm gerade einfällt, rezitieren dürfe? Ich sagte ihm: „Ja“, und er sprach:

„Wir klagten unsern Freunden die Länge unserer Nächte; sie aber sagten: bei uns sind sie sehr kurz; schnell schließt der Schlaf ihre Augen, während die unsrigen immer offen bleiben. Uns Unglücklichen in der Liebe bringt die Nacht nur Trauer, während ihnen ihr Herannahen willkommen ist. Ginge es ihnen wie uns, so gliche auch ihr Nachtlager dem unsrigen.“

Ich sagte: „Bei Gott! das ist schön, nun habe ich alle Furcht verloren.“ Dann rezitierte er auf mein Verlangen noch folgende Verse:

„Sie warfen uns vor, daß wir nur gering an Zahl, aber ich antwortete: freilich, der Edlen gibt es nicht viele, doch was schadet es, daß wir wenige nur und unsere Nachbarn zahlreich sind, wenn niemand auf ihren Schutz zählen kann, während unsere Gäste geehrt werden? Wir sind ein Stamm, der den Tod als keine Schmach betrachtet, wie die Stämme Amer und Salul. Unsere Liebe zum Tode bringt uns ihm näher, während ihre Feigheit ihnen ein langes Leben sichert.“

Ich war erstaunt, so viel Bildung bei einem solchen Mann zu finden, und warf ihm einen Beutel mit kostbaren Münzen zu, den ich bei mir hatte, indem ich ihm sagte: „Gott schütze dich! ich verlasse dich jetzt; du kannst dieses Geld zu wichtigen Dingen für dich verwenden, ich werde mich dir noch dankbarer zeigen, wenn ich einmal nichts mehr zu befürchten habe.“ Aber er gab mir den Beutel zurück und sagte: „Arme Leute meinesgleichen haben keinen Wert in deinen Augen, aber wie soll ich für die Gunst des Schicksals, das dich bei mir einkehren ließ, Bezahlung annehmen? Bei Gott, wenn du in mich dringst, so mache ich meinem Leben ein Ende.“ Hierauf nahm ich den schweren Beutel wieder und steckte ihn in meinen Ärmel und wendete mich der Türe zu. Da sagte er: „Mein Herr, hier bist du am sichersten und es fällt mir nicht schwer, dich zu verpflegen; bleibe bei mir, bis dir Gott helfen wird.“ Ich blieb noch einige Zeit bei ihm, ohne daß er zugab, daß etwas von meinem Beutel genommen wurde. Dann verkleidete ich mich als Frauenzimmer und ging verschleiert aus und trug Frauenstiefelchen. Da begegnete mir, als ich ängstlich über eine Brücke ging, die mit Wasser bespritzt war, einer meiner frühem Diener; er erkannte mich und rief: „Nun wird Mamuns Verlangen gestillte, und faßte mich an; aber ich stieß ihn mitsamt seinem Pferd in den Kot, und während die Leute sich zu ihm hindrängten, lief ich davon und kam an eine Tür, vor welcher eine alte Frau stand. Ich sagte ihr: „Schone mein Blut und nimm mich bei dir auf, ich bin in Gefahr.“ Sie erwiderte: „Fürchte nichts“, führte mich in ein Zimmer, legte Divane zurecht und gab mir zu essen. Auf einmal kam der Mann, den ich umgeworfen hatte, mit verbundenem Kopf, ohne Pferd und das Blut lief ihm über seine Kleider herunter. Als die Alte ihn fragte, was ihm geschehen, erzählte er ihr, was zwischen ihm und mir auf der Brücke vorgefallen war. Er suchte dann einen Lumpen und verband den Kopf und legte sich krank in sein Bett. Als die Alte wieder zu mir kam, sagte sie: „Ich glaube, du bist der Held dieses Abenteuers; doch fürchte nichts.“ Ich blieb hierauf noch drei Tage bei ihr, während derer sie mich mit der größten Ehrerbietung bewirtete. Am vierten Morgen aber sagte sie mir: „Ich fürchte, der Mann möchte einmal heraufkommen und dich finden, drum suche zu entkommend Ich bat sie, mich bis zur Nacht bei sich zu lassen, und da sie es bewilligte, ging ich abends, als Frauenzimmer gekleidet, von ihr weg und begab mich zu einer frühern Sklavin. Als sie mich sah, weinte sie, bezeigte mir ihre Teilnahme und pries Gott über meine Rettung; dann ging sie weg unter dem Vorwand, auf dem Markt zu meiner Bewirtung etwas einzukaufen. Auf einmal kam Ibrahim Al-Moßuli mit seinen Sklaven und Wachen, geführt von der Sklavin, in deren Haus ich war. Ich wurde in dem Aufzug, wie ich war, ins Schloß des Kalifen geführt; Mamun ließ den großen Divan versammeln, und als ich vor ihm erschien und ihn grüßte, sagte er: „Gott grüße dich nicht!“ Da sagte ich: „O Fürst der Gläubigen! gewiß kann mein Richter die Strafe über mich verhängen, aber verzeihen ist Gott gefälliger; möge deine Großmut die anderer Herrscher verdunkeln, so wie mein Verbrechen jedes andere übersteigt. Willst du dich rächen, so tust du es mit Recht; verzeihst du aber, so bist du gnädig.“ Ich trug dann noch folgende Verse vor:

„Groß ist mein Verbrechen, aber noch größer ist deine Gnade, drum verschaffe dir dein Recht, oder lasse deine Milde walten; wenn nicht edel gehandelt habe, so handle du so!“ Mamun wurde gerührt und ich bemerkte, daß er zur Milde gestimmt war. Er sagte dann zu seinem Vetter und den übrigen Anwesenden: „Was ratet ihr mir zu tun?“ Alle rieten zum Tode, nur waren sie nicht einig, wie ich sterben sollte. Mamun fragte dann Ahmed, den Sohn Chalids, um Rat, und dieser antwortete: „O Fürst der Gläubigen! läßt du ihn umbringen, so haben ähnliches schon manche vor dir getan; verzeihst du aber. so hast du ebenfalls viele Beispiele der Gnade vor dir.“

Als der Kalif diese Worte Chalids hörte, schüttelte er sein Haupt und sprach folgende Verse:

„Meine Stammgenossen haben meinen Bruder erschlagen, schieße ich einen Pfeil ab gegen sie, so trifft er mich selbst.“

„Nur der gemeine Mensch ist unversöhnlich in seiner Rache, wenn ihm sein Feind in die Hände gefallen ist.“ Hierauf nahm ich den Schleier von meinem Haupt, pries laut Gottes Größe und sagte dem Kalifen: „Gott wird einst auch dir gnädig sein, o Fürst der Gläubigen! denn mein Verbrechen ist so unaussprechlich groß, daß deiner Großmut nicht genug Dank gezollt werden kann.“ Mamun rief mir zu: „Fürchte nichts, mein Vetter!“ Aber nicht nur das Leben schenkte mir Mamun, sondern er ließ mir auch mein Vermögen wieder geben und machte mir noch viele Geschenke. Dann sagte er: „O mein Oheim! Abu Ishak und Abbas haben mir geraten, dich umbringen zu lassen.“ Ich erwiderte: „Abbas und Abu Ishak haben dir als Freunde geraten, doch du hast gehandelt, wie es dir ziemt und meine Furcht in Hoffnung verwandelt.“ Mamun sagte: „Ich habe meinen Groll durch deine Begnadigung erstickt und dir verziehen, denn ich wollte dir die Bitterkeit deiner schadenfrohen Feinde ersparen.“ Dann fiel er betend nieder, und als er wieder den Kopf aufhob, sagte er: „Weißt du, mein Oheim, warum ich niederfiel?“ Ich sagte: „Um Gott zu danken, daß du deinen Feind besiegt.“ - „Nein“, versetzte er, „um ihm zu danken, daß er mir Gnade eingeflößt.“ Ich erzählte ihm dann das verschiedenartige Benehmen des schwarzen Sklaven, des Soldaten, seiner Frau und der Sklavin, die mich verraten. Mamun ließ letztere kommen, welche zu Hause saß und ihren Lohn erwartete, und fragte sie, was sie bewogen habe, so gegen ihren Herrn zu handeln? Sie antwortete: „Die Habsucht.“ Mamun fragte sie, ob sie einen Sohn oder Gatten habe, und als sie diese Frage verneinte, ließ er ihr hundert Peitschenhiebe geben und sie auf ewig einsperren. Dann ließ er den Soldaten und seine Frau und den Sklaven kommen. Er fragte ersteren, was ihn zu seiner Tat bewogen? Er antwortete: „Habgier.“ Da sagte Mamun: „Du sollst Schröpfer werden“, und er wurde sogleich in den Laden eines Schröpfers geschickt. Seiner Frau aber erwies Mamun viele Ehre und nahm sie ins Schloß; denn er sagte: „So eine verständige Frau ist in wichtigen Dingen gut zu gebrauchend Dem Schwarzen sagte er endlich: „Du hast dich so bieder gezeigt, daß du die höchste Verehrung verdienst; ich schenke dir das Haus des Soldaten und noch tausend Dinare dazu.“

Schehersad begann in der nächsten Nacht mit folgender Geschichte: Geschichte Schaddads und der Stadt Irem, die pfeilerreiche. Man erzählt: Der König Schaddad beherrschte die ganze Weit, und sein Volk, die älteren Aaditen, waren von Gott mit sehr großen und starken Körpern begabt, so daß sie sagten: „Wer ist stärker als wir?“ Drum heißt es auch im Koran: „Sahen sie denn nicht ein, daß Gott, der sie geschaffen, stärker als sie?“ Gott schickte ihnen dann den Propheten Hud, der sie zum Gehorsam und zur Verehrung Gottes aufrief. Schaddad sagte aber zu Hud: „Wenn ich an deinen Gott glaube, was werde ich davon haben?“ Hud (Friede Gottes sei mit ihm!) antwortete: „Er wird dir in der zukünftigen Weit ein Paradies schenken mit Schlössern von Gold, Hyazinthen, Perlen und allerlei Edelsteinen.“ Da sagte Schaddad: „Ich kann mir in dieser Welt schon ein solches Paradies schaffen, und bedarf deiner Versprechungen nicht.“ Der Priester Kaab berichtet: Gott habe Moses in der Tora diese Geschichte erzählt und ihm über den Garten Irem, mit den Pfeilern, folgendes mitgeteilt: Schaddad gab hundert seiner stärksten Emire den Befehl, ein weites, ebenes Land aufzusuchen, mit viel Wasser und gesunder Luft, um dort eine goldene Stadt zu bauen. Die Emire reisten weg, jeder von tausend Mann begleitet, und suchten im Lande Jemen, bis sie an den Berg Aden kamen; da fanden sie ein quellenreiches Land, wie es der König wünschte, in einer sehr gesunden Lage.

Sobald sie ihm Kunde davon gaben, schickte er Baumeister dahin, ließ eine viereckige Stadt bauen, die vierzig Pharasangen im Umfange hatte; man legte sehr tiefe Grundpfeiler, auf denen die Stadt sich bis zum Himmel erheben konnte, man nahm Steine von Jenem bis zur Oberfläche der Erde, dann gebrauchte man rote Backsteine zu den Mauern, die fünfhundert Ellen hoch und zwanzig Ellen breit waren. Schaddad schickte dann auch nach allen Fundgruben und baute in der Stadt dreihunderttausend Schlösser, jedes ruhte auf tausend Pfeilern von verschiedenem Smaragd und Rubinen mit Gold belegt und die Pfeiler, auf denen die Schlösser mit ihren reichgeschmückten Gemächern ruhten, waren hundert Ellen hoch. er ließ dann Kanäle graben und die Ufer mit Datteln und anderen Bäumen bepflanzen; hernach wurden vier Tore an die Stadt gesetzt, jedes hundert Ellen hoch und zwanzig breit, alles aufs feinste ausgeschmückt, denn der Bau dauerte fünfhundert Jahre. Als die Stadt vollendet dastand, ließ Schaddad von Osten und Westen allerlei Teppiche, Vorhänge und seidene Betten in die Schlösser bringen, auch allerlei Speisen und Getränke, Früchte und Süßigkeiten, Wachslichter, Weihrauch, Aloe, Ambra und Kampfer: dann ließ er zehntausend schöne und reichgeschmückte Mädchen in die Stadt ziehen, mit zahlreichem Gefolge und Dienerschaft. Schaddad besah nun die Stadt und sie gefiel ihm so gut, daß er sagte: „Nun habe ich schon, was mir Hud erst nach dem Tode verhieß.“ Aber als er sein Schloß beziehen wollte, da befahl Gott einem seiner Engel, sie zu vertilgen. Der Engel schrie sie grimmig an und in einem Augenblick war ihr Leben ein Raub des Todesengels, wie es im Koran heißt: „Und Gott vernichtete das alte Volk Aads.“ Gott verbarg auch die Stadt vor den Augen aller Menschen; doch sieht man in jener Wüste bei der Nacht noch Spuren davon. Einst ging einer der Gefährten des Propheten, sein Name war Abdallah, in jene Gegend, um ein verirrtes Kamel zu suchen, und er sah die Mauern der Stadt Irem mit den goldenen Schlössern und Pfeilern; er gab Moawiah Kunde davon, dieser ließ Nachsuchungen anstellen, aber man konnte nie etwas finden.

Hierauf erzählte Schehersad folgendes: Geschichte des Ishak Al Moßuli. Ishak Al Moßuli erzählt: Ich verließ eine Nacht den Kalifen Mamun, um nach Hause zu gehen, da sah ich an einer Mauer einen großen Korb mit vier Handhaben hängen, der mit Seide ausgefüttert war, ich dachte: das bedeutet etwas; nachdem ich eine Weile darüber nachdachte, hieß mich mein Verstand, in meiner Trunkenheit, mich hineinzusetzen. Sobald aber die, welche Wache hielten, mich bemerkten, zogen sie den Korb hinauf und vier Mädchen sagten zu mir: „Geh nur fröhlich mit uns, du bist willkommen.“ Ein Mädchen mit einem Wachslicht ging mir voran ins Haus und führte mich in einen Saal mit Teppichen und Divanen, dergleichen ich nur im Palast des Kalifen gesehen. Als ich eine Weile dasaß, wurden von einer Seite des Saales Vorhänge aufgehoben, es traten Dienerinnen mit Wachslichtern heraus und andere mit Kohlenpfannen, voll Weihrauch und Aloe, und in ihrer Mitte befand sich ein Mädchen wie der aufgehende Mond. Sie bewillkommte mich, hieß mich sitzen und fragte mich, was ich wollte. Als sie hörte, wie ich hergekommen, sagte sie: „Es geschieht dir nichts, ich hoffe, du wirst mit dem Ausgang zufrieden werden.“ Sie fragte mich dann, was ich für ein Geschäft treibe?“ und ich sagte ihr, ich sei ein Kleiderhändler aus Bagdad. Sie bat mich dann, ihr einige Gedichte vorzutragen; ich sagte aber: „Ich weiß wenig Gedichte, bin auch zu schüchtern, ich möchte lieber dich zuerst hören.“ Da rezitierte sie Verse von den besten alten und neuen Dichtem; ich hörte zu und wußte nicht, was mir besser gefiel, ihre eigene Schönheit, oder die Gedichte, die sie so schön vortrug. Sie sagte dann: „Lege jetzt deine Befangenheit ab und rezitiere auch etwas.“ Ich rezitierte einige alte Verse, die ihr wohl gefielen, und sie sagte: „Ich hätte nicht gedacht, bei Handelsleuten so etwas zu finden.“

Sie ließ dann Speisen bringen, zerschnitt sie und legte sie mir vor. Auch wurden allerlei Wohlgerüche im Saale verbreitet und die feinsten Früchte, die man nur beim Sultan findet, aufgetragen und auch Wein herumgereicht. Dann sagte sie: „Jetzt unterhalte mich auch und erzähle mir etwas Schönes.“ Ich erzählte ihr manche alte Geschichte, die ihr so viel Freude machte, daß sie sagte: „Ich wundere mich sehr, wie ein Kaufmann Erzählungen weiß, die eines Königs würdig sind.“ Ich sagte: „Ich hatte einen Nachbarn, der Gesellschafter von Königen war und von dem ich sie gehört.“ Sie lobte mein Gedächtnis, erzählte auch etwas, und so wechselten wir miteinander beim Duft des Aloeholzes, bis der größte Teil der Nacht vorüber war, und ich befand mich in einer Lage, um die mich selbst Mamun würde beneidet haben, wenn er sie gekannt hätte. Sie sagte dann: „Du gehörst gewiß zu den feinsten und gebildetsten Männern; es ist nur schade, daß du keine Verse singen kannst.“ Ich sagte: „Bei Gott!“ ich war früher sehr geübt darin, habe aber den Gesang wieder aufgegeben; doch lechzt noch mein Herz danach und ich wünschte sehr, einige Lieder zu hören, um die Nacht dabei zu durchwachen.“ Sie sagte: „Mir ist, als wünschtest du, daß eine Laute gebracht werde.“ Ich erwiderte: „Du bist gütig, und ich werde dir sehr verbunden sein.“ „Nun“, versetzte sie, „du bist mein Gast und ich darf dir nichts versagen.“ Sie ließ sich eine Laute bringen, und ihr Spiel war ebenso kunstvoll, als ihre Stimme wohlklingend und ausgebildet. Als sie ein Lied gesungen hatte, fragte sie mich: „Weißt du, von wem diese Verse und die Melodie dazu sind?“ Ich sagte: „Nein.“ Da versetzte sie: „Das Gedicht ist von N. N., und die Musik von Ishak Al Moßuli.“ Ich sagte: „O möchte ich dein Lösegeld werden, ist das von Ishak?“ Sie erwiderte: „Ishak ist der Meister in dieser Kunst, und wie wäre es erst, wenn du diese Melodie von ihm selbst hörtest?“ - „Gepriesen sei Allah!“ rief ich hierauf, der diesem Manne mehr (Talent) verliehen, als jedem andern.“ So fuhren wir dann in unserer Unterhaltung fort, bis die Morgenröte heranbrach; da kam eine Alte, welche ihre Amme zu sein schien, und sagte:“Nun ist's Zeit.“

Das Mädchen stand auf und sagte mir: „Verrate nicht, was hier im Vertrauen vorgefallen!“ Ich sagte: „O könnte ich für dich sterben! du brauchst mir dies nicht anzuempfehlen.“ Ich verließ sie und folgte einer Sklavin, die mir die Tür öffnete, ging nach Hause, betete und schlief. Bald kam aber ein Bote von Mamun und ich mußte den ganzen Tag bei ihm zubringen. Abends erinnerte ich mich der verflossenen Nacht und dachte: ich wäre ein Tor, wenn ich mir nicht wieder eine solche Nacht zu verschaffen suchte. Ich setzte mich wieder in den Korb und wurde wieder wie am vorigen Abend hinaufgezogen. Das Mädchen erschien und sagte: „Du bist pünktlich.“ Ich erwiderte: „Mir selber erschien ich nachlässige Wir brachten dann die Nacht wieder mit Rezitationen, Gesängen und Erzählungen zu. Als die Morgenröte leuchtete, ging ich nach Hause, betete das Morgengebet und schlief. Da kam wieder ein Bote von Mamun, um mich zu holen, und ich brachte den Tag bei ihm zu. Des Abends sagte mir der Kalif: „Bleib hier und erwarte mich, bis ich wiederkommen Sobald er aber weg war, dachte ich mit so vielem Entzücken an die vergangenen Nächte, daß ich, des Kalifen Befehl nicht achtend, schnell aufsprang und nach dem Korbe lief. Als ich wieder hinaufgehoben wurde, sagte mir das Mädchen: „Nun, Freund, du scheinst unser Haus zu deiner Herberge machen zu wollen?“ Ich erwiderte: „O könnte ich mein Leben für das deinige geben! doch das Recht der Gastfreundschaft dauert drei Tage, kehre ich wieder, so hast du das Recht, mein Blut zu vergießen.“ Wir unterhielten uns dann wieder, wie in den frühern Nächten. Als die Zeit zum Weggehen nahe war, dachte ich: Mamun wird mich gewiß fragen, wo ich gewesen, und nicht ablassen, bis ich ihm alles erzähle; ich sagte daher meiner Wirtin: „Ich sehe, daß du eine Freundin von Gesang bist; ich habe einen Vetter, schöner und gebildeter als ich, und niemand kann besser, als er, Ishaks Lieder singen; darf ich ihn dir nicht bringen?“ Sie sagte: „Bist du ein Schmarotzer und wirst zudringlich?“ Ich antwortete: „Du hast zu gebieten.“ Da sagte sie. Wenn dein Vetter so ist, wie du ihn schilderst, so will ich ihn kennen lernen.“ Als dann der Tag graute, verließ ich sie wieder und ging nach Hause. Aber bald stürmten Mamuns Diener in mein Haus und schleppten mich fort.

Mamun saß aufgebracht in seinem Divan und sagte als ich hereintrat: „Ishak, wirst du mir ungehorsame Ich antwortete: „Nein, bei Gott!“ - „So erzähle die Wahrheit!“ - „Recht gerne, doch allein.“ Mamun entfernte die Anwesenden durch einen Wink, und ich erzählte ihm mein Abenteuer, sagte ihm auch, daß ich dem Mädchen versprochen habe, ihn zu ihr zu bringen. Mamun sagte: „Du hast wohl getan“, denn sein Herz entbrannte schon so sehr vor Sehnsucht nach ihr, daß er kaum die Nacht erwarten konnte, bis ich ihn an den Korb begleitete. Als wir an die Mauer kamen, fanden wir zwei Körbe und wir wurden beide hinaufgehoben. Das Mädchen kam uns freudig entgegen und grüßte uns. Sie erzählte dann manches und rezitierte Gedichte und Mamun fand Wohlgefallen an ihr und auch sie schien sehr vergnügt; dann ließ sie Wein bringen, ergriff die Laute und sang etwas. Sie fragte mich hierauf: „Ist dein Vetter auch Kaufmann?“ Ich sagte: Aa.“ Bald aber hatte Mamun so viel Wein getrunken, daß er, obschon ich ihn gebeten hatte, mich nicht bei meinem Namen zu rufen, in seinem Entzücken ausrief: „O Ishak, singe mir doch auch ein Lied.“ Das Mädchen erkannte dadurch mich und den Kalifen, und zog sich in ein Nebengemach zurück. Als ich gesungen hatte, sagte mir der Kalif: „Sieh einmal, wer der Herr dieses Hauses ist?“ Da sprang eine Alte herbei und sagte: „Es gehört Hasan, dem Sohne Sahals.“ Der Kalif befahl ihr, ihn zu holen. Als die Alte nach einer Weile mit Hasan kam, fragte ihn Mamun: „Hast du eine Tochter?“ Er sagte: „Ja, sie heißt Thadidja.“ - Ast sie verheiratet?“ - „Nein“ - „Nun, so halte ich um sie an.“ - „Sie ist deine Sklavin und steht dir zu Gebote.“ - „Ich nehme sie zur Gattin, lasse dir diesen Morgen noch dreißigtausend Dinare als Morgengabe bringen, und du führst mir sie noch diese Nacht zu.“ Als wir hierauf weggingen, verbot mir der Kalif, von der Sache etwas zu erzählen; ich schwieg auch bis zu Mamuns Tod. Ich hatte in meinem Leben nicht so viel genossen, als in diesen vier Tagen, des Tags in Mamuns, und des Nachts in Thadidjas Gesellschaft; aber, bei Gott! ich habe nie einen Mann wie Mamun gefunden, noch ein Mädchen, das Thadidja an Geist, Schönheit und Beredsamkeit gleichkäme.

Die nächste Nacht begann Schehersad folgende Erzählung: Geschichte des falschen Kalifen. Man erzählt: Als Harun Arraschid eines Nachts sehr übel gelaunt war, ließ er seinen Vezier Djafar rufen und sagte ihm: „Ich fühle mich so beengt, ich will heute nacht auf den Plätzen Bagdads umhergehen und sehen, was meine Untertanen treiben; doch darf uns niemand erkennen, wir wollen uns daher als Kaufleute verkleidend Sie legten sogleich ihre kostbaren Kleider ab und zogen Kaufmannskleider an, und der Kalif ging mit Djafar und Masrur, dem Scharfrichter, lange in der Stadt umher, bis sie endlich an den Tigris kamen; da boten sie einem Alten, der in einem Boot saß, einen Dinar an und baten ihn, sie auf dem Strome ein wenig spazieren zu fahren.

Der Alte erwiderte: „Wer kann dies jetzt wagen? Weißt du nicht, daß der Kalif jede Nacht in einem kleine Kahn umherfährt und vor ihm her ausgerufen wird: O ihr Leute, gut und schlecht, groß und klein, vornehm und gering, jung und alt, wer ein Schiff besteigt und den Tigris befährt, wird geköpft oder an den Mastbaum seines Schiffes gehängt. Mir ist sogar, als käme eben jetzt sein Kahn.“ Der Kalif sagte: „ O Alter, nimm hier zwei Dinare und führe uns in einen dieser Bogen, bis der Kahn des Kalifen vorüber ist.“ Der Alte nahm das Gold und sagte: „Gott wird helfen.“ Als er aber ein wenig mit ihnen ruderte, da kam ein Kahn daher mit vielen Wachslichtern und Fackeln, und der Alte rief außer sich: „Habe ich euch nicht gewarnt?“ Er rief dann: „ O Beschützer! entziehe uns deinen Schutz nicht!“ und führte sie schnell unter einen Bogen und legte ein schwarzes Tuch über sie. Sie konnten aber durchsehen und bemerkten, wie vorne auf dem Kahne ein Fackelträger stand mit einer goldenen Kohlpfanne, in welcher Aloe brannte. Der Fackelträger hatte ein Oberkleid von rotem Atlas, trug einen Turban von Moßul auf dem Haupt und einen grünen seidenen Beutel, der voll mit Aloe war, das er statt Holz in die Kohlpfanne warf, auf der einen Schulter und auf der anderen ein gelbes, gesticktes Tuch. Auf dem Hinterteil des Schiffs stand wieder so ein Fackelträger, zweihundert Sklaven standen zur Rechten und zur Linken und in der Mitte saß auf einem goldenen Thron ein Jüngling, schön wie der Mond, neben ihm ein Mann, der dem Vezier Djafar glich, und zu Häupten einen Diener, wie Masrur, mit gezogenem Schwert und zwanzig Gesellschafter. Als der Kalif dies sah, sagte er zu Djafar: „Wäre dies vielleicht einer meiner Söhne, Amin oder Mamun?“ Er betrachtete dann den vollkommen schönen Mann noch einmal und sagte zu Djafar: „Bei Gott! es fehlt ihm gar nichts von dem Aussehen des Kalifen, und der vor ihm Stehende ist ganz wie du, Djafar; der zu Häupten gleicht Masrur und seine Gesellschafter sind wie die meinigen; ich verliere ganz meinen Verstand darüber.“ Djafar sagte: „Bei Gott! auch ich, O Fürst der Gläubigen.“ Als der Kahn außer Gesicht war, trat der Alte mit seinem Kahn aus dem Bogen hervor und sagte: „Gelobt sei Gott, daß wir glücklich davongekommen sind und uns niemand bemerkt hat.“ Der Kalif fragte dann den Alten, ob dieser Kalif jede Nacht den Tigris befahre? Er antwortete: „Ja, mein Herr, das dauert schon ein ganzes Jahr.“ Der Kalif bat ihn dann, ihn die kommende Nacht wieder zu erwarten, versprach ihm fünf Dinare und gab sich für einen Fremden aus, der im Quartier Thandal wohne, und sich in Bagdad amüsieren wolle. Als der Alte einwilligte, kehrte der Kalif mit seinem Gefolge wieder in seinen Palast zurück und kleidete sich wieder als Kalif um. Jeder nahm seinen Platz ein, und es erschienen wie gewöhnlich alle Emire, Veziere Kammerherrn und Adjutanten. Als sich alle entfernt hatten, sagte der Kalif zu Djafar: „Komm, wir wollen wieder den anderen Kalifen sehen.“ Djafar und Masrur verkleideten sich wieder als Kaufleute und gingen wohlgelaunt mit dem Kalifen durch die geheime Türe an den Tigris, bestiegen den Nachen des Alten, der sie schon erwartete, und nach einer Weile kam der Kahn des zweiten Kalifen herangefahren. Sie sahen wieder zweihundert andere Mamelucken darin, und die Fackelträger riefen wieder wie gewöhnlich aus: „Niemand befahre den Tigris bei Todesstrafe!“ Als der Kalif dies hörte, sagte er zu Djafar: „So etwas hätte ich nie geglaubt, wenn man es mir erzählt hätte; doch ich sehe es ja mit eigenen Augen.“ Er gab dann dem Schiffer zehn Dinare und sagte zu ihm: „Führe uns dem Kalifen nach, denn da er im Lichte fährt, wir aber in der Dunkelheit sind, so können wir ihn beobachten, ohne von ihm gesehen zu werden.“

Der Schiffer segelte dem falschen Kalifen im Dunkeln nach, dessen Kahn erst bei den Gärten außerhalb der Stadt vor einem Zaune, wo zwei Diener mit einem gesattelten Maultier standen, stille hielt. Er bestieg dann das Maultier und ritt in der Mitte seiner Gesellschafter weiter. Die Fackelträger und Djausch (Polizeidiener) gingen laut lärmend vor ihm her, und die Dienerschaft war um ihn beschäftigt. Arraschid stieg auch ans Land mit Djafar und Masrur und drängte sich durch die Mamelucken des falschen Kalifen. Aber die Fackelträger, welche mit Erstaunen drei Kaufleute unter ihren Leuten bemerkten, fielen über sie her und führten sie zum falschen Kalifen. Als dieser sie sah, fragte er: „ Wie seid ihr hierhergekommen und was hat euch hierhergeführt zu einer solchen Stunde?“ Sie sagten: „O Herr, wir sind fremde Kaufleute und gingen, weil heute unser Geburtstag war, hier spazieren; da ergriffen uns deine Leute und führten uns zu dir.“ Der falsche Kalif sagte: „Seid nur ruhig, es soll euch nichts geschehen, weil ihr Fremde seid; wäret ihr aus Bagdad, so würden wir euch den Kopf abschlagen lassen. Er wendete sich dann zu seinem Vezier und sagte ihm: „Nimm diese Leute mit dir, sie sollen diese Nacht unsere Gäste sein.“ Sie gingen zusammen, bis sie vor ein großmächtiges Schloß kamen, das bis zu den Wolken reichte, und dergleichen kein Sultan besitzt. Als dessen Tor, welches von Ebenholz und mit Gold beschlagen war, sich öffnete, traten sie in einen Saal mit vielen Springbrunnen, Matten aus feinen Palmblättern, Kissen aus ägyptischen Stoffen, Vorhängen und Teppichen, die jeden in Erstaunen setzten.

Über der Tür waren folgende Verse:

„Heil und Friede diesem Palast, über den die Zeit ihre Reize ausgestreut: er enthält so viele Seltenheiten und Wunder, daß keine Feder sie beschreiben kann.“

Der falsche Kalif setzte sich auf einen goldenen Thron, mit einem grünen seidenen Teppich bedeckt und mit Edelsteinen besetzt; seine Gesellschafter setzten sich um ihn herum und das Schwert der Rache stand vor ihm. Der Tisch wurde sogleich gedeckt und die feinsten Speisen aufgetragen.

Nach dem Essen trug man die Tische weg, man wusch sich die Hände, es wurden Weingefäße, Kannen und Becher gebracht. Die Becher machten die Runde, bis die Reihe an Harun Arraschid kam; da dieser aber nicht trinken wollte, fragte der falsche Kalif Djafar: „Warum trinkt dein Freund nicht?“ Djafar antwortete: „Er hat seit einiger Zeit sich vom Weine enthaltene Da sagte der falsche Kalif: „Wir haben noch andere erlaubte Getränke;“ und befahl sogleich einem Diener, Apfelmost zu bringen, stellte ihn Harun Arraschid vor und sagte ihm: „So oft die Reihe -an dich kommt, kannst du dir davon einschenken.“ Die übrigen aber tranken Wein, bis er sich ihres Verstandes bemächtigte.

Im Laufe des Gesprächs sage Harun zu Djafar: „Bei Gott! ich habe keine so kostbaren Gefäße wie dieser Mann, ich möchte doch wissen, wer dieser Jüngling ist.“ Als dieser den Vezier mit Harun leise sprechen sah, sagte er: „Lispeln ist unanständige Djafar versetzte: „Hier ist nichts Unanständiges; mein Freund sagte nur, er habe den größten Teil der Welt durchreist und in Gesellschaften von Königen gelebt und nirgends eine so glänzende Einrichtung gefunden; doch pflegt man in Bagdad zu sagen, daß zum Wein auch Gesang gehöre.“ Der falsche Kalif lächelte und freute sich über diesen Wunsch, und mit einem Zepter, den er in der Hand hatte, schlug er auf ein Kissen. Da öffnete sich eine Türe, es trat ein Diener mit einem Thron von Elfenbein, mit Gold beschlagen, aus einem Nebenzimmer, und ihm folgte ein wunderschönes Mädchen mit einer indischen Laute in der Hand; sie setzte sich auf den Thron, neigte sich zärtlich über ihr Instrument und spielte in vierundzwanzig Tonarten, dann sang sie folgende Verse:

„Die Zunge der Liebe spricht zu dir aus meinem Herzen und sagt dir, daß ich dich liebe; und ich habe zu Zeugen die Glut meines gequälten Herzens, die wunden Augen und die fließenden Tränen. Ich kannte die Liebe nicht, bis ich dich liebte, doch ist der Mensch den göttlichen Beschlüssen untertan.“

Als der falsche Kalif diese Verse hörte, stieß er ein lautes Geschrei aus, zerriß sein Kleid von oben bis herunter und bedeckte sich mit dem Teppich, bis man ihm ein anderes, schöneres Kleid brachte. Dann setzte er sich nieder, und als der Becher an ihn kam, schlug er wieder mit den Zepter auf das Kissen; es öffnete sich eine Tür, ein Diener trat mit einem goldenen Throne heraus und ihm folgte ein Mädchen, noch schöner als das erste; sie setzte sich auf den Thron, nahm eine Laute in die Hand und sang zur Bestürzung aller Neider folgende Verse:

„Wie soll ich Geduld haben, wenn die Flamme der Sehnsucht in meinem Inneren brennt und eine ewige Sintflut aus meinen Augen strömt? Bei Gott, mein Herz ist von solchem Schmerz erfüllt, daß ich am Leben keine Freude mehr habe.“

Der falsche Kalif schrie wieder, zerriß sein Kleid, zog den Teppich über sich her, nahm ein anderes Kleid und klopfte, als der Becher an ihn kam, wieder mit dem Zepter, und abermals erschien ein Diener mit einem Thron und einem Mädchen mit einer Laute, welche folgende Verse sang:

„Kürzt die Trennung ab, denn mein Herz, ich schwör's euch, ist trostlos. Habt Mitleid mit einem Verwirrten, Bestürzten, in Trauer Versunkenen, mit einem von Verlangen nach euch schwer Gefesselten! Mächtige Liebeskrankheit hat ihn entstellt und er fleht Gott um eure Erwiderung an. Der große Schmerz hat mich geläutert und ich flehe Gott nur um eure Liebe an. O Mond, der du in meinem Herzen thronst, wie kann ich an anderen Sterblichen Wohlgefallen finden.“

Der junge Mann schrie wieder und zerriß sein Kleid; dann kam ein anderes Mädchen und sang:

„Wann wird diese Trennung enden und die vergangene Zeit mir wiederkehren? Einst umschloß uns ein Haus, da lebten wir selig, fern von Neid und Mißgunst. Aber das Schicksal wurde treulos gegen uns, es trennte uns und unsere Wohnung ist zur Einöde geworden. Wollt ihr, daß ich meiner Liebe entsage, ihr Tadler? Mein Herz erträgt euern Tadel nicht. Lasset euern Tadel und überlasset mich meiner Leidenschaft, mein Herz hört nicht auf an den Geliebten zu denken, o ihr, die ihr treulos und unbeständig waret, glaubet nicht, daß ich durch eure Trennung aufgehört habe, euch zu lieben.“

Der falsche Kalif schrie wieder, zerriß sein Kleid und fiel in Ohnmacht, und noch ehe man ihn mit dem Teppiche bedeckte, bemerkte Harun Arraschid an seinem Körper viele Wunden. Da sagte er zu Djafar: „Dieser Jüngling ist bei Gott sehr schön, aber er muß ein abscheulicher Verbrecher sein, ohne daß man es weiß, denn er trägt Zeichen vieler Prügel an sich.“ Als der falsche Kalif wieder ein anderes Kleid angezogen hatte und sich wieder zu seinen Freunden setzte, fragte er Djafar, was ihn eben sein Freund gefragt habe? Djafar antwortete: „Mein Freund sagt mir, er sei in vielen Ländern gereist und habe in Gesellschaft von Königen und anderen Vornehmen gelebt und nirgends gesehen, daß jemand so seine Kleider zerreiße, von denen jedes fünfhundert Dinare wert ist, das ist eine große Verschwendung.“ Der junge Mann versetzte: „Er kümmere sich nicht darum, das Geld ist mein Geld und die Kleider sind meine Kleider, und die zerrissenen machen einen Teil meiner Geschenke an meine Umgebung und Diener aus, denn jedes zerrissene Kleid ist für einen meiner anwesenden Gesellschafter, dem ich dazu noch fünfhundert Dinare schenke.“

Djafar dichtete hierauf folgende Verse:

„Der Edelmut hat in deiner Hand seine Wohnung gebaut, all dein Gut ist den Menschen preisgegeben, und ist die Freigibigkeit in seiner Hand verschlossen, so sind gleichsam deine Finger die Schlüssel zu ihrem Schloß.“

Als der junge Mann Djafars Verse hörte, ließ er ihm tausend Dinare und ein Kleid geben, dann machten die Becher wieder die Runde unter den Gästen. Das sagte der Kalif zu Djafar: „Frage ihn einmal, was die Spuren von Schlägen an seinem Körper bedeuten, wir wollen sehen, was er antwortete Djafar entgegnete: „Übereile dich nicht, mein Herr, habe Geduld und sei für dein Leben bedachte Aber der Kalif schwur bei seinem und seines Urgroßvaters Abbas Leben, er müsse ihn fragen, oder er werde seinem Atmen ein Ende machen. Der junge Mann, der sie eifrig sprechen hörte, wendete sich zu Djafar und sagte ihm: „Was hast du mit deinem Freunde? Bei Gott! ich will die ganze Wahrheit wissen.“ Djafar sagte: „Mein Herr! mein Freund sah Spuren von Schlägen an deinem Körper und er sagte: Bei Gott! sonderbar, der Kalif ist geschlagen worden; er wollte nun wissen, wie das zuging?“ Der junge Mann lächelte und sagte: „Meine Geschichte ist wunderbar; wenn man sie mit einer Nadel in die Tiefe des Auges zeichnete, könnte sie jedem zur Belehrung dienen.“ Er seufzte dann und sprach folgende Verse:

„Meine Geschichte umfaßt alle Wunder; bei der Liebe, meine Wege sind mir eng geworden; wollt ihr wissen, so schweigt und horcht auf, meine Worte sind bedeutungsvoll und verkünden nur Wahres. Mich hat die Liebesglut verzehrt, denn meine Mörderin übertrifft alle Sterne. Ihr Aug ist schwarz, ihre Wangen sind Rosen, tötend ist für mich der Bogen ihrer Augenbrauen. Mein Herz sagt mir, daß einer von euch unser Herr, der Kalif, der Sohn der Edlen, ist; der andere der verehrte Djafar, der mit recht Herr und Sohn eines Herrn genannt wird; und der dritte Masrur, das Schwert der Rache. Ist, was ich sage wahr, so habe ich meinen Zweck erreicht und meine Freude ist willkommen.“

Djafar schwor, sie seien es nicht, aber der junge Mann sagte lächelnd: „Ich bin nicht der Fürst der Gläubigen, habe aber diesen Namen angenommen, um meinen Zweck zu erreichen bei den Leuten dieser Stadt; mein Name ist Mohamed Ali, der Sohn Mohameds, des Juweliers; mein Vater war ein sehr vornehmer Mann und hinterließ mir bei seinem Tode ein ungeheures Vermögen. Als ich eines Tages, von meinen Leuten umgeben, in meinem Laden saß, da kam eine Dame, auf einem Maulesel reitend, mit drei Sklavinnen wie der Mond, stieg vor meinem Laden ab, setzte sich zu mir und fragte mich, ob ich Mohamed, der Juwelier, sei? Ich antwortete: „Ich bin dein ergebenster Sklave.“ - „Hast du schöne Edelsteine?“ - „Meine Herrin! ich will dir alles vorlegen lassen, gefällt dir etwas, so macht es deinen Sklaven glücklich, wo nicht, so bin ich trostlos.“

Ich hatte hundert Schnüre von Edelsteinen und legte sie ihr alle vor, aber es gefiel ihr nichts und sie sagte: „Du mußt noch schönere haben.“ Nun hatte ich noch eine Schnur Diamanten, die mein Vater für hunderttausend Dinare gekauft hatte, so groß, wie man sie bei den höchsten Sultanen nicht findet; ich sagte es ihr, und sie wünschte sie zu sehen.“ Als sie dieselbe sah, sagte sie: „Das ist, was ich schon mein ganzes Leben wünsche. Wie teuer sind sie?“ - „Mein Vater hat sie für hunderttausend Dinare gekauft.“ - „Nun, du sollst noch fünfzigtausend Dinare daran gewinnen.“ - „Der Schmuck und sein Eigentümer stehen dir zu Diensten.“ - „Deine Güte soll nicht unbelohnt bleiben; im Namen Gottes, mach dich auf, mein Herr, und komm mit uns, um dein Geld zu holen, dieser Tag ist für uns so rein, wie Milch.“ Ich schloß meinen Laden und folgte dem Mädchen, das seinen Maulesel wieder bestieg, in ein prachtvolles Haus, das den höchsten Wohlstand verriet. Das Haustor hatte folgende Inschrift in Gold und Azur:

„O Haus, Trauer finde keinen Zugang zu dir, und das Schicksal bleibe stets deinem Herrn gewogen; du bist eine Freudenstätte für jeden Gast, der an anderen Orten sich beklommen fühlt.“

Die Dame stieg ab, ging hinein und hieß mich sitzen, bis der Geldwechsler käme. Ich setzte mich vor die Türe; nach einer Weile kam aber eine Sklavin heraus und sagte: „Mein Herr! komm herein in den Gang, es paßt sich nicht, daß du so vor der Türe sitzt.“ Ich setzte mich auf eine Bank im Hausgang. Da kam wieder ein Mädchen und sagte. „Komm und setze dich an die Türe des Saals, bis man dir dein Geld gibt.“ Ich setzte mich, wo sie mich hinwies; da sah ich einen goldenen Thron mit einem Teppich darauf und einem seidenen Vorhang davor. Dieser wurde aufgehoben und ich erkannte die Dame wieder, welche die Juwelen von mir gekauft; sie hatte den Schmuck am Hals, ihr Gesicht war freundlich strahlend wie der Mond, und so schön, daß ich ganz von Sinnen kam. Sobald sie mich bemerkte, stand sie auf, ging mir entgegen und sagte: „O Licht meiner Augen, wird ein hübscher Mann wie du sich der Liebenden nicht erbarmen? Wisse daß ich dich liebe und den Augenblick nicht erwarten konnte, bis ich dich bei mir sah.“ Sie neigte sich dann zu mir hin und erlaubte mir, sie zu küssen.

Als ich sie aber umarmen wollte, sagte sie: „O mein Herr! Willst du, daß ich auf eine ungesetzliche Weise mich dir hingebe? Gott verdamme jeden, der solche Schandtat begeht und böse Nachreden nicht fürchtet. Wisse, daß mich noch kein Mann berührt hat, obschon ich hier in der Stadt gar nicht unbekannt bin; weißt du, wer ich bin? mein Name ist Dunja, die Tochter Jahjas, und Schwester Djafars, des Barmekiden.“ Als ich bei diesen Worten mich durch ihr Entgegenkommen entschuldigte, fuhr sie fort: „Fürchte nichts, meine Absicht ist, dir Gutes zu erzeigen, ich bin Herrin meiner selbst, und der Kadhi soll als mein Sachwalter unsere Ehe schließen, wenn du mich heiraten willst.“ Sobald ich mich bereit erklärte, ihr Gatte zu werden, ließ sie den Kadhi und zwei Zeugen rufen und traf die nötigen Vorbereitungen zur Vermählung. Als sie erschienen, sagte sie ihnen: „Mohamed Ali wünscht mich zur Gattin zu haben und gibt mir diese Kette als Morgengabe, und ich nehme sein Anerbieten an.“ Der Ehekontrakt wurde sogleich geschrieben, es wurde Wein gebracht, die Becher gingen im Kreise umher, und als der Wein in unserem Kopf glühte, ließ sie eine Lautenspielerin kommen, welche folgende Verse sang:

„Alle Hoffnungen meines Herzens gehen nach dir, es wünscht nichts, als deine Liebe zu erhalten. O Freunde! wie wenig verdiene ich die Trennung von meinem Geliebten; habt Mitleid mit dem Liebeskranken!“ Die Sklavin entzückte uns durch ihren schönen Gesang, und auf Dunjas Befehl folgten ihr noch neun Sklavinnen, welche nicht minder schön sagen; zuletzt nahm Dunja die Laute und sang:

„Ich schwör bei deinem geschmeidigen Wuchs, daß mir die Trennung von dir eine Höllenqual wäre; drum, o holder Mond, Herr der Menschheit, beglücke mich mit deiner Liebe und laß mich bei klarem Wein eine selige Nacht in deiner Nähe zubringen.“

Hierauf nahm ich die Laute, spielte ein wenig und sang folgende Verse:

„Gepriesen sei der Herr, der dir die höchste Anmut verliehen, so daß ich dein Gefangener wurde; o du, dessen Blick jedem Sterblichen den Verstand raubt, schütze mich doch gegen den Zauber deiner Augen! Auf deinen Wangen ist Feuer und Wasser vereint und aus ihrer Mitte blühen frische Rosen empor. Du bist die Hölle und das Paradies meines Herzens, bist ihm zugleich süß, aber auch bitter.“

Diese Verse machten Dunja viele Freude; sie entließ dann die Sklavinnen, ich blieb allein bei ihr und brachte an ihrer Seite die schönste Nacht meines Lebens zu.

Über Nacht dichtete ich folgende Verse:

„O Nacht, daure ewig fort, ich will keinen Morgen, denn mir genügt das Licht ihres mir nahen Antlitzes. In ihren Umarmungen blüht das höchste Glück, dem wir ewige Dauer wünschten.“

Ich blieb dann einen ganzen Monat bei ihr, ließ meinen Laden geschlossen und sah meine Leute gar nicht. Eines Tages sagte sie mir: „O Licht meiner Augen! ich will heute ins Bad gehen, bleibe du hier, bis ich wiederkehren Ich sagte: „Recht gerne;“ aber erst als ich schwor, daß ich nicht von der Stelle weichen wollte, ging sie mit ihren Sklavinnen ins Bad. Kaum war sie ans Ende der Straße gelangt, so öffnete sich die Türe, es trat eine Alte herein und sagte mir: „Mein Herr! die Frau Subeida wünscht dich zu sehen, denn sie hat viel von deinem schönen Gesang gehört.“ Ich sagte: „Ich weiche nicht von hier, bis meine Gattin wiederkommt.“ Da erwiderte die Alte: „Mache dir die Frau Subeida nicht zur Feindin, komm und sprich sie, du kannst gleich wiederkehrend Ich ging sogleich der Alten nach zur Frau Subeida. Diese sagte mir: „Bist du der Geliebte der Frau Dunja?“ - „Ich bin dein Sklave.“ - „Man hat dich mit Recht als den schönsten Mann beschrieben, doch singe etwas, daß ich auch deine Stimme höre.“ - „Recht gern.“ Da ließ sie eine Laute bringen, und als ich einige Verse sang, sagte sie: „Gott erhalte deinen Körper gesund und schenke dir ein frohes Leben, denn deine Schönheit und Anmut sind vollkommen; doch gehe jetzt nach Hause, ehe die Frau Dunja wiederkehrt.“ Ich küßte die Erde vor ihr, und die Alte führte mich bis zur Türe.

Als ich aber nach Hause kam, war meine Frau schon zurück und lag schlafend auf dem Sofa. Ich setzte mich ihr zu Füßen und liebkoste sie; da öffnete sie ihre Augen, trat mich mit ihren Füßen vom Sofa herunter und sagte: „Du hast deinen Eid gebrochen und bist zur Frau Subeida gegangen;- bei Gott, wenn ich nicht einen Auflauf befürchtete, so würde ich ihr Schloß verwüsten.“ Dann rief sie einen Sklaven und sagte ihm: „Schlage diesem treulosen Lügner den Kopf ab! ich habe nichts mehr mit ihm gemein.“

Der Diener kam und verband mir die Augen und wollte mir den Kopf abschlagen; da liefen alle Sklavinnen, groß und klein, zu Dunja und sagten: „Er ist nicht der erste, der gefehlt hat, auch ist sein Verbrechen so groß nicht, daß er den Tod verdiene.“ Dunja besann sich ein wenig dann sagte sie: „Bei Gott“ so will ich ihm wenigstens ein Merkzeichen hinterlassend, und gab den Befehl, mich zu prügeln, - daher kommen die Male, die man noch auf meinen Rippen bemerkt - und ließ mich aus ihrem Palast werfen. Ich schleppte mich langsam bis zu meiner Wohnung, ließ einen Wundarzt kommen, dem ich meine Wunden zeigte. Dieser pflegte mich und gab sich viele Mühe, mich zu heilen. Als ich vollkommen genesen war, ging ich ins Bad, öffnete meinen Laden wieder, verkaufte alles, was darin war, und kaufte mir vierhundert Mamelucken, wie kein König sie beisammen hat, von denen ich jeden Tag zweihundert mit mir nehme; ich ließ mir auch einen Kahn für zwölfhundert Dinare bauen und nahm ein großes Gefolge von verschiedenem Range zu mir, gab mich für den Kalifen aus und ließ ausrufen: „Wer auf dem Tigris fährt, verliert sogleich den Kopf.“ Und so lebe ich schon ein ganzes Jahr, ohne etwas von Dunja zu hören. Er trug dann weinend folgende Verse vor:

„Bei Gott! ich werde sie nie vergessen und nie einer anderen mich nähern. Sie gleicht vollkommen dem Monde; gepriesen sei Allah, der sie geschaffen. Sie hat mir Trauer, Schlaflosigkeit und Liebeskrankheit verursacht und mein Herz durch ihre Reize in Verwirrung gebracht.“

Als Harun Arraschid dies hörte, rief er erstaunt aus: „Gepriesen sei der Herr, der nichts ohne Grund geschehen läßt!“ dann verließ er den jungen Mann und nahm sich vor, ihn reichlich zu beschenken. Sobald er mit Djafar und Masrur wieder ins Schloß kam, kleidete er sich um und sagte zu Djafar:-“Bring mir den jungen Mann her, bei dem wir die Nacht zugebrachte Als Djafar zu dem Jüngling kam und ihn einlud, sich zu Harun Arraschid zu begeben, ging er erschrocken mit ihm, und als er vor den Kalifen kam, erkannte er ihn sogleich. Er trat verlegen vor ihn, verbeugte sich, grüßte ihn als Beschützer des Glaubens, wünschte ihm dauernden Ruhm und unausgesetztes Glück, frei von jedem Mißgeschick. Dann rezitierte er noch folgende Verse:

„Mögen deine Torre stets wie die Kaaba aufgesucht werden, und ihr Staub auf jeder Stirne sichtbar sein! In allen Ländern sage man: Dies ist die heilige Stätte, und du bist Ibrahim.“

Der Kalif lächelte ihm freundlich zu, erwiderte seinen Gruß, ließ ihn neben sich sitzen und sagte ihm: „O Mohamed Ali! ich wünsche noch einiges von deiner gestrigen Geschichte zu hören, denn sie ist wunderbare Der Jüngling rief: „Gnade, o Fürst der Gläubigen, reiche mir dein Tuch als Zeichen der Sicherheit!“ Der Kalif gewährte ihm sein Verlangen und ließ sich noch einmal das Nähere seiner Abenteuer mit Dunja erzählen; und da er daraus schloß, daß er Dunja noch heftig liebe, fragte er ihn: „Soll ich sie dir wieder verschaffen, armer Mann?“ - „O Fürst der Gläubigen!“ erwiderte der Jüngling, „du könntest dich zu keiner bessern Zeit und an keinem geeignetem Orte wohltätig erweisen.“ Der Kalif sagte dann zu Djafar: „Bring deine Schwester Dunja, Tochter des Veziers lahia, her!“ Djafar gehorchte, und als seine Schwester vor den Kalifen kam, fragte er sie, auf den Jüngling hindeutend, ob sie diesen Mann kenne? Sie antwortete: Woher sollen Frauen mit fremden Männern bekannt sein?“ Der Kalif erwiderte lächelnd: „Wir sind von der ganzen Geschichte genau unterrichtet; es kommt alles ans Licht, wenn es auch noch so tief verborgen liegt.“ Da sagte sie: „Es war so im Buche der Bestimmung geschrieben; ich bitte nun Gott und dich um Verzeihung für das Geschehene.“ Der Kalif lachte, ließ den Kadhi und Zeugen rufen und einen neuen Ehekontrakt schreiben, und machte Mohamed Ali zu einem seiner vertrauten Gesellschafter. Sie lebten glücklich miteinander zum Ärger aller Neider. Doch, nur Gott ist allwissend!

Nach einer kleinen Pause begann Schehersad die Geschichte Haruns mit dem Kadhi Abu Jusuf. Es wird ferner erzählt: Djafar brachte einst eine Nacht in Gesellschaft Haruns zu, da sagte ihm dieser: „Ich habe gehört, du habest die Sklavin N. N. gekauft, die ich schon längst besitzen möchte, denn sie ist sehr schön und liebenswürdig, verkaufe sie mir doch wieder!“ Djafar antwortete: „Sie ist mir nicht feil.“ - „So schenke mir sie.“ - „Ich verschenke sie auch nicht.“ - „Wenn du sie mir nicht verkaufst und nicht verschenkst, so lasse ich mich dreimal von Subeida scheiden.“ „Und wenn ich sie dir schenke, so lasse ich mich dreimal von meiner Gattin scheiden.“ Als sie aber aus ihrer Trunkenheit erwachten, merkten sie, daß sie sich in eine ernste Sache verwickelt hatten, und wußten nicht, wie sich wieder herauswinden. Das sagte Harun: „Das ist ein Fall, den nur Abu Jusuf lösen kann.“ Als darauf Abu Jusuf noch um Mitternacht gerufen wurde, stand er erschrocken auf und sagte: „Gewiß ist etwas Wichtiges im Islam vorgefallene Er bestieg schnell ein Maultier, hieß einen Jungen ihm mit Gerste folgen, um sie dem Tiere vorzulegen, während er sich beim Kalifen aufhalten werde. Als er zum Kalifen kam, stand dieser vor ihm auf und ließ ihn neben sich auf den Divan sitzen, was sonst niemand, außer ihm, durfte, und sagte ihm: „Ich habe dich wegen einer wichtigen Angelegenheit rufen lassen“, und erzählte ihm, was zwischen ihm und Djafar sich ereignet. Der Kadhi sagte: „O Fürst der Gläubigen! das ist die leichteste Sache von der Welt; Djafar soll dir die Hälfte der Sklavin verkaufen und die andere Hälfte schenken, dann seid ihr beide von eurem Eide freigesprochen.“

Der Kalif freute sich sehr mit dieser Lösung und sagte: „Ich liebe die Sklavin so sehr, daß ich sie sogleich hier haben möchte.“ Als die Sklavin erschien, sagte er: „Ich möchte sie gleich heiraten, ich habe keine Geduld zu warten, bis die gesetzliche Frist abgelaufen ist.“ - „Auch dafür weiß ich Rat“, sagte der Kadhi; „laß einen deiner Mamelucken kommen, der noch nicht frei ist.“ Als ein solcher erschien, sagte der Kadhi zu dem Kalifen: „Erlaube mir, die Sklavin mit ihm zu verheiraten; er soll aber, sobald die Ehe geschlossen ist, ihr einen Scheidebrief geben; du kannst sie dann sogleich heiraten, weil nach einer geschlossenen, aber nicht vollzogenen Ehe keine Frist vorhanden ist.“ Da der Kalif auf diese Weise gern seine Einwilligung gab, schloß der Kadhi den Ehekontrakt, sagte dann dem Mamelucken: „Du sollst hundert Dinare haben, gib der Sklavin einen Scheidebrief.“ Aber der Mameluck weigerte sich; man versprach ihm tausend Dinare, er sagte aber: „Hängt die Scheidung vom Kalifen, vom Kadhi oder von mir ab? ich lasse mich, bei Gott! nicht scheiden.“ Der Kalif geriet in heftigen Zorn, aber der Kadhi sagte: „Erschrick nicht, du kannst ihre Ehe ungültig machen: schenke nur den Mamelucken, der doch dein Eigentum ist, der Sklavin, so ist ihre Ehe gelöst.“ Da stand der Kalif auf und sagte: „Ein Mann deinesgleichen verdient zu meiner Zeit Kadhi zu sein.“ Er ließ dann Schüsseln voll Gold holen, legte sie vor ihn hin und fragte ihn, ob er etwas bei sich habe, um dieses Gold hineinzutun? Da erinnerte sich der Kadhi des Gerstensacks, ließ ihn sich bringen und trug ihn mit Gold gefüllt fort. Am folgenden Morgen sagte er zu seinen Schülern: „Wer nichts gelernt hat, der lerne etwas, seht einmal, wieviel Gold ich für die Lösung von drei Fragen erhalten habe.“ Und du, gebildeter Leser! denke über diese anmutige Geschichte nach, du findest manches Schöne darin; du siehst, was sich der Vezier Djafar gegen den Kalifen erlauben durfte, wie gelehrt der Kalif, und wie noch gelehrter sein Kadhi war. Gottes Erbarmen sei mit ihnen! Geschichte Chalids, des Emirs von Baßrah. Einst kamen mehrere Leute und schleppten vor Chalid einen jungen, schönen Mann, der sehr vornehm aussah und dessen Benehmen viele Bildung, Würde und Anstand verriet. Chalid fragte sie, was sie von diesem jungen Manne wollten? Sie sagten: „Er ist ein Dieb, den wir gestern in unserem Hause gefangener Als Chalid ihn betrachtete und von so feinem und ehrwürdigem Aussehen fand, befahl er ihnen, ihn loszulassen, näherte sich ihm und fragte ihn, ob er wirklich ein Dieb sei? Er antwortete: „Es ist so, wie sie sagen: Ich bin heute ein Dieb gewesen.“ - „Und was hat dich dazu bewogen? du bist ja so wohlgestaltet und siehst so vornehm aus?“ - „Die Begierde nach Geld und der Ratschluß Gottes, gepriesen sei er!“ - „Möchte doch deine Mutter einen solchen Sohn nie geboren haben! dein schönes Gesicht, deine vornehme Erziehung und deine feine Bildung hätten dich doch vom Stehlen abhalten sollen!“ - „ Laß dies, o Emir! und vollziehe nur das Gebot Gottes, wie ich es verdient habe; denn Gott tut niemand Unrecht.“

Chalid dachte eine Weile über diesen Vorfall nach, dann ließ er den Jüngling nähertreten und sagte: „Dein eigenes Geständnis läßt mich vermuten, daß du kein gewöhnlicher Dieb bist, sondern daß du etwas anderes im Sinne gehabt; erzähle mir nur dein Abenteuer.“ Der Jüngling versetzte: „O Emir! laß dir nichts anderes in den Sinn kommen, als was ich dir selbst gestanden; ich weiß nichts zu erzählen, als daß ich in das Haus dieser Männer gegangen bin und Geld gestohlen habe; sie haben mich aber ertappt, mir es wieder weggenommen und mich hierher geführt.“ Chalid ließ den Jüngling einsperren und in ganz Baßrah ausrufen: „Wer dem Diebe N. N. die Hand abhauen sehen will, soll sich morgen früh hier einfinden.“

Als der Jüngling in Ketten im Kerker lag, seufzte er und rezitierte folgende Verse:

„Chalid hat mir gedroht, er werde mir die Hand abhauen lassen, wenn ich ihm meine Geschichte nicht erzähle; ich sagte aber: Weit entfernt, daß ich die Liebe bekenne, die mein Herz verbirgt; lieber soll man wegen meines Geständnisses mir die Hand abhauen, wenn nur ihr Ruf rein bleibt.“

Die Wächter, welche diese Verse hörten, gingen zu Chalid und gaben ihm Nachricht davon. Chalid ließ ihn, ' sobald die Nacht heranbrach, zu sich kommen und fand in seinem Gespräche so viel Geist und Bildung, daß er ihn liebgewann und ihm Speisen reichen ließ. Nachdem er sich eine Weile mit ihm unterhalten hatte, sagte er: „Ich weiß, daß du etwas Anderes, als einen Diebstahl bezwecktest; wenn daher morgen der Richter und das Volk sich versammeln, so leugne den Diebstahl und bringe etwas vor, das die Strafe von dir abwendet, nach dem Willen des Gesandten Gottes, welcher gesagt hat: Wendet in zweifelhaften Fällen die gesetzliche Strafe nicht an!“ Hierauf ließ er ihn wieder ins Gefängnis zurückführen.

Am folgenden Morgen versammelten sich alle Leute, um die Hand des Diebes abhauen zu sehen; ganz Baßrah war auf den Beinen, und auch der Emir Chalid erschien zu Pferd mit den angesehensten Männern der Stadt. Dann kamen die Richter, und endlich wurde der Jüngling herbeigeholt, der beschämt den Blick auf seine Fesseln richtete. Niemand blieb ungerührt bei diesem Anblick, und die Frauen erhoben ein lautes Wehegeschrei. Chalid ließ die Frauen zum Schweigen bringen und sagte zum Jüngling: „Diese Leute behaupten, du seiest in ihr Haus gedrungen, um sie zu bestehlen; hast du vielleicht weniger als den vom Gesetz bestimmten Wert gestohlene Er antwortete: „Ich habe mehr gestohlene - „Du hast vielleicht irgend einen Anteil an dem, was du gestohlene - „Nein, ich habe gar kein Recht darauf.“ Chalid, über den Eigensinn des Jünglings ergrimmt, schlug ihn mit der Peitsche ins Gesicht, und rezitierte den hierher passenden Vers:

„Der Mensch verlangt, daß seine Wünsche in Erfüllung gehen, aber es wird ihm nur gewährt, was Gott will.“

Er ließ dann einen Metzger rufen, um ihm die Hand abzuschneiden. Dieser hatte schon das Messer ergriffen und die Hand nach dem Jüngling ausgestreckt, als ein schmutzig gekleidetes Mädchen aus den Reihen der Frauen hervortrat und über den Jüngling herfiel; dann entschleierte sie ein Gesicht wie der Mond, und es entstand unter dem Volk ein mächtiger Lärm, der beinahe einem Aufruhr glich. Sie rief dann mit lauter Stimme: „Ich beschwöre dich bei Gott, o Emir! übereile dich nicht mit der Vollstreckung deines Befehls, bis du dieses Briefchen gelesen.“ Sie überreichte ihm hierauf ein Briefchen, welches folgende Zeilen enthielt:

„O Chalid! dieser Mann ist ein Sklave seiner Leidenschaft; die Pfeile meiner Blicke haben ihn dahingestreckt, er ist liebeskrank und für sein Übel gibt es kein Heilmittel, ich will gestehen, was er verleugnet, um den Ruf seiner Geliebten zu schonen; laß ab von dem unglücklichen Jüngling, der so edel liebt und kein Dieb ist.“

Als Chalid diesen Brief gelesen hatte, seufzte er, zog sich von seinem Gefolge zurück und ließ das Mädchen zu sich kommen. Auf sein Verlangen erzählte sie ihm, daß dieser Jüngling sie liebe und von ihr wieder geliebt werde, und daß er sie des Nachts besuchen wollte und einen Stein in das Haus warf, um ihr ein Zeichen von seiner Nähe zu geben; „aber das Geschick wollte, daß mein Vater und meine Schwestern hörten, wie der Stein ins Haus fiel und herbeikamen. Als er sie aber kommen hörte, packte er schnell Waren zusammen, um für einen Dieb gehalten zu werden; auch in deiner Gegenwart gab er sich lieber für einen Dieb aus, als mich zu verraten, so groß ist sein Edelmut.“ Chalid rief den Jüngling zu sich und küßte ihn, dann ließ er auch den Vater des Mädchens rufen und sagte ihm: „Wir wollten diesem Jüngling die Hand abhauen, aber Gott hat mich davon zurückgehalten; nun schenke ich ihm zehntausend Dinare, weil er seine Hand opfern wollte, um deine und deiner Tochter Ehre zu schonen. Auch deiner Tochter schenke ich zehntausend Dinare und wünsche, daß du sie ihm zur Frau gibst.“ - „Dein Wunsch werde erfüllt, o Emir!“ rief der Vater des Mädchens: „Ich gebe meine Einwilligung zu dieser Ehe.“ Da sagte Chalid zum Jüngling, nachdem er Gott gelobt und eine schöne Anrede gehalten hatte: „Ich gebe dir das hier anwesende Mädchen mit ihrer und ihres Vaters Einwilligung zur Gattin, und schenke ihr zehntausend Dinare als Morgengabe.“ Der Jüngling dankte Gott und dem Emir und führte seine Geliebte in sein Haus, und alle Leute gingen freudig auseinander. So war der Anfang dieses Tages traurig, das Ende aber sehr erfreulich.

Sodann erzählte Schehersad die Geschichte des trägen Abu Muhamed. Harun Arraschid saß einst auf seinem Thron, da brachte ein Diener eine goldene Krone, mit allerlei Edelsteinen verziert, küßte die Erde vor ihm und sagte: „Mein Herr! die Gebieterin Subeida verbeugt sich vor dir und läßt dir sagen, daß, wie dir wohl bekannt, sie eine goldene Krone bestellt habe, und nun bedarf sie eines großen Steines für die Spitze derselben, denn sie hat in ihren Schatzkammern keinen passenden finden können.“ Der Kalif befahl seinen Kammerherrn, einen großen Edelstein aufzusuchen; sie konnten aber keinen finden, der für Subeidas Krone groß genug gewesen wäre. Als sie dies dem Kalifen berichteten, rief er bestürzt aus. „Wie, ich bin Kalif und besitze keinen Edelstein für Subeidas Krone? Wehe euch! sucht einmal bei den Juwelieren!“ Diese sagten aber den Kammerherren: „Der Kalif findet einen solchen Edelstein nur bei einem Mann aus Baßrah, welcher Abu Muhamed, der Müßiggänger, genannt wird.“ Masrur wurde sogleich mit einem Schreiben an den Statthalter von Baßrah gesendet, worin der Kalif ihn aufforderte, ihm Abu Muhamed zu schicken. Sobald der Statthalter von Baßrah das Schreiben des Kalifen gelesen hatte, schickte er mehrere aus seinem Gefolge mit Masrar zu Abu Muhamed. Masrur klopfte an dessen Tür und sagte dem Diener, der herauskam: „Melde deinem Herrn, der Fürst der Gläubigen lasse ihn zu sich rufen.“ Sobald de - r Diener dies seinem Herrn berichtete, kam er heraus und verbeugte sich vor Masrur und den Dienern des Kalifen und sagte: „Ich bin bereit, zu gehorchen; kommt nur ein wenig herein!“ Masrur weigerte sich lange, indem er sagte: „Wir müssen eilen, denn der Fürst der Gläubigen erwartet uns.“ Aber Abu Muhamed drang in ihn, ihm in sein Haus zu folgen bis er das Nötige zur Reise vorbereitet haben werde. Als Masrur eingetreten war, befahl Abu Muhamed einem Diener, ihn ins Bad zu fahren, das im Hause war. Masrur trat in ein Bad, dessen Wände und marmorierter Boden mit Gold und Silber verziert waren, und dessen Wasser mit Rosenwasser gemischt war. Mehrere Sklaven bedienten ihn aufs sorgfältigste und brachten ihm, als er aus dem Bad kam, seidene Kleider mit Gold durchwirkt. Als er dann ins Schloß zurückgeführt wurde, das mit seidenen Vorhängen und golddurchwirkten Divanen ausgestattet war, bewillkommte ihn Abu Muhamed und bat ihn, sich an seine Seite zu setzen. Die Diener brachten sogleich auf seinen Befehl einen gedeckten Tisch, der Masrur in ein so großes Erstaunen setzte, daß er ausrief: „Bei Gott! einen solchen Tisch habe ich bei dem Fürsten der Gläubigen nicht gesehen!“ Die köstlichsten Speisen wurden in chinesischen vergoldeten Gefäßen aufgetragen. Masrur ließ sich alles wohl schmecken und des Abends erhielt er und seine Gesellschafter jeder tausend Dinare. Am folgenden Morgen reichte man ihm grüne Kleider mit Gold durchwirkt, und Abu Muhamed erwies ihm wieder so viel Ehre, daß er sich bereden ließ, die Abreise noch um einen Tag zu verschieben. Am dritten Morgen aber richteten die Diener ein Maultier her und legten ihm einen mit allerlei Edelsteinen besetzten goldenen Sattel auf. Da dachte Masrur: „Der Kalif wird sich gewiß wundern, wenn ein Mann in einem solchen Aufzug ihn besucht und ihn fragen, woher ihm so viele Reichtümer zugekommen.“ Masrur und Abu Muhamed nahmen dann vom Statthalter Abschied, reisten von Baßrah nach Bagdad und begaben sich zum Kalifen. Abu Muhamed grüßte den Kalifen und sagte: „Ich habe als ergebener Diener einige Geschenke mitgebracht; wenn du es erlaubst, so lasse ich sie hertragen.“ Als der Kalif eine bejahenden Wink gab, ließ Abu Muhamed eine Kiste bringen, worin goldene Bäume waren mit Blättern aus Smaragd und Früchten aus Rubin und weißen Perlen, nebst anderen Geschenken.

Er ließ dann eine zweite Kiste hertragen, in welcher ein seidenes, golddurchwirktes Zelt war, reich mit Perlen, Rubinen und Smaragden besetzt. Die Pfeiler des Zeltes waren aus indischem Aloeholz und der Saum des Zeltes war mit Diamant und Smaragd verziert. Abu Muhamed sagte, dem Kalifen die Geschenke hinreichend: „Glaube nicht, daß ich dir diese Geschenke aus Furcht bringe, sondern weil ich dachte, sie ziemen dem Fürsten der Gläubigen besser, als einem gewöhnlichen Mann; wenn es dir beliebt, so zeige ich dir, daß ich ebenso mächtig als reich bin.“ Der Kalif sagte: „Tu dies, wir wollen sehen.“ Da bewegte Muhamed seine Lippen und hob sie gegen die Zinnen des Hauses, und sie neigten sich sogleich zu ihm herunter; dann ließ er sie wieder an ihren Platz treten. Er winkte hierauf mit den Augen, und es erschienen Gemächer mit verschlossenen Türen; Muhamed redete sie an und Vögelstimmen antworteten ihm. Der Kalif sagte erstaunt: „Wie kamst du zu all diesem? Man nennt dich doch nur den trägen Abu Muhamed? auch habe ich gehört, dein Vater sei Schröpfer in einem Bad gewesen und habe dir nichts hinterlassen.“

Abu Muhamed antwortete: „Höre meine Geschichte, o Fürst der Gläubigen! Mein Vater war allerdings Schröpfer in einem Bad, und ich war in meiner Jugend der trägste Mensch auf Erden. Meine Trägheit war so groß, daß, wenn ich an einem Ort lag und die Sonne mich beschien, ich die Mühe scheute, aus der Sonne in den Schatten zu gehen. So lebte ich fünfzehn Jahre lang, bis mein Vater starb. Er hinterließ mir gar nichts und meine Mutter mußte mich bedienen und mir zu essen und zu trinken bringen, ich aber blieb stets auf einem Fleck liegen. Eines Tages kam meine Mutter zu mir, mit fünf Drachmen Silber in der Hand, und sagte: „Mein Sohn! ich habe gehört, der Scheich Abu Muzfir reist nach China - dies war ein guter Mann und liebte die Armen sehr - stehe nun auf! wir wollen ihm einiges Geld bringen und ihn bitten, daß er uns dafür etwas in China kaufe, woran wir mit Gottes Gnade einiges gewinnen.“ Ich weigerte mich, aufzustehen; da schwor sie, daß, wenn ich nicht mitkomme, sie mich gar nicht mehr besuchen und mir nicht mehr zu essen und trinken geben würde, so daß ich vor Hunger sterben müßte. Da ich wußte, daß meine Mutter wegen meiner ihr bekannten Trägheit so geschworen hatte, sagte ich ihr: „Nun, so setze mich aufrecht!“ Nachdem sie mich aufgehoben hatte, sagte ich ihr: „Ziehe mir meine Kleider an“, und sie tat es; so ging ich dann stolpernd fort bis ans Ufer des Stroms; da grüßten wir den Scheich Abu Muzfir, und ich sagte ihm: „Mein Herr, nimm dies Geld und kaufe dafür etwas in China, vielleicht wird mir Gott Gewinn daran verleihend Abu Muzfir fragte seine Gefährten, ob sie diesen Mann kennen? sie sagten: „Ja, er ist unter dem Namen Abu Muhamed der Träge bekannt, doch haben wir ihn nie ausgehen sehen.“ Abu Muzfir nahm das Geld und reiste im Namen Gottes mit seinen Geführten nach China. Er vollendete in drei Tagen seine Geschäfte und schickte sich schon zur Rückkehr an, da sagte er seinen Gefährten: „Haltet ein! ich habe den Auftrag des trägen Abu Muhamed vergessen, kommt zurück, daß wir etwas für ihn kaufen.“ Seine Gefährten beschworen ihn bei Gott, nicht zurückzukehren und an die große und gefahrvolle Reise zu denken; aber er bestand darauf, wieder ans Land zu gehen, bis sie sich erboten, ihm das Geld des Trägen mehrfach zu verdoppeln. Sie reisten dann weiter und kamen an eine vielbewohnte Insel, ankerten daselbst, stiegen mit ihren Waren ans Land und tauschten andere Gegenstände dafür ein. Als sie wieder aufs Schiff zurückkehren wollten, sah Abu Muzfir einen Mann mit vielen Affen vor sich, worunter sich einer befand, dem alle Haare ausgerissen waren; er sah auch, daß, so oft der Hüter das Auge von seiner Herde wegwandte, alle Affen über den mit ausgerissenen Haaren herfielen und ihn mißhandelten. Abu Muzfir bedauerte diesen Affen und sagte zu dessen Hüter: „Ich habe fünf Drachmen bei mir, die einem Waisen gehören, verkaufe mir ihn dafür.“ Der Hüter antwortete: „Ich verkaufe dir ihn, Gott segne dich!“ Abu Muzfir gab das Geld her, ließ den Affen im Schiff anbinden und reiste mit seinen Gefährten nach einer anderen Insel, wo sie wieder ankerten. Da kamen die Taucher, welche Perlen und Edelsteine aus dem Meer holten, um dafür Waren zu kaufen. Als der Affe sie untertauchen sah, machte er sich los und stürzte sich auch ins Meer. Abu Muzfir schrie: „Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! der Affe, der dem armen Waisen gehörte, ist verloren.“ Als aber die Taucher wieder heraufkamen, stieg auch der Affe empor und trug viele Edelsteine in den Händen, die er vor Abu Muzfir hinwarf. Dieser erstaunte sehr und sagte: „Hinter diesem Affen muß ein großes Geheimnis stecken.“ Sie reisten dann weiter nach der Insel Zing, die von Schwarzen bewohnt ist, welche Menschenfleisch fressen: Sobald die Schwarzen das Schiff sahen, kamen sie in Nachen heran, legten alle Leute, die auf dem Schiff waren, in Ketten und führten sie zu ihrem König. Dieser ließ einen Teil der Leute schlachten und ihr Fleisch verzehren, worüber die übrigen heftig weinten. In der Nacht kam aber der Affe und entfesselte Abu Muzfir. Als die anderen K aufleute dies sahen, sagten sie: „Vielleicht können wir nun durch dich befreit werden.“

Abu Muzfir sagte: „Ich verdanke meine Befreiung dem Affen des Trägen, wofür ich ihm tausend Dinare bestimme; wollt ihr das gleiche tun?“ Die Kaufleute riefen einstimmig: „Wir geben ebenso viel.“ Der Affe entfesselte hierauf einen nach dem andern; sie gingen zusammen auf das Schiff, das sie unbeschädigt wiederfanden, und reisten nach Bagdad. Sobald Abu Muzfir seine Freunde wieder sah, erkundigte er sich nach dem trägen Abu Muhamed; und während ich im Schlaf erwachte, kam meine Mutter zu mir und sagte: „Stehe auf! Abu Muzfir ist zurückgekehrt.“ Ich sagte: „Hebe mich auf, wenn Gott beschlossen hat, daß ich an das Ufer des Stroms gehen soll.“ Als sie mich aufrichtete, ging ich, über den Saum meines Kleides stolpernd, zu Abu Muzfir. Er sagte: „Willkommen sei mir der, dessen Geld durch Gottes Willen mich und meine Gefährten gerettet; nimm diesen Affen, den ich für dich gekauft, und erwarte mich bei deiner Mutter!“ Ich ging damit zu meiner Mutter und sagte: „Bei Gott! das ist eine kostbare Ware, sooft ich mich schlafen lege, weckst du mich', damit ich Handel treibe, sieh nun einmal mit eigenen Augen diese Ware an!“ Kaum hatte ich mich niedergelassen, da kam Abu Muzfir mit seinen Sklaven und bat mich, mit ihm in sein Haus zu gehen. Hier ließ er von seinen Sklaven das Geld herbeiholen und sagte: „Gott hat dir durch deine fünf Drachmen reichen Segen gespendeten gab mir dann die Schlüssel zu zwei Kisten und befahl seinen Sklaven, sie hinter mir her in mein Haus zu tragen. Meine Mutter freute sich sehr, als ich mit dem Geld nach Hause kam, und bat mich, nunmehr meine Trägheit aufzugeben. Der Affe saß stets neben mir auf dem Divan, wenn ich aß oder trank; aber vom Morgen bis Mittag blieb er aus und kam dann wieder mit einem Beutel von tausend Dinaren, Ich wurde sehr reich, kaufte viele Güter, baute Gärten an und verschaffte mir viele Sklaven. Eines Tages, als der Affe neben mir saß, sah er sich oft um, rechts und links; ich dachte: Was mag wohl die Ursache davon sein? Da ließ Gott den Affen in einer klaren Sprache mir zurufen: „O Abu Muhamed!“ Als ich ihn sprechen hörte, wollte ich davonlaufen; er rief mir aber zu: „Fürchte dich nicht, ich bin kein Affe, sondern ein widerspenstiger Geist; ich kam zu dir, weil du so elend warst; nun aber weißt du gar nicht, wie reich du bist; ich wünsche nur noch, daß du ein Mädchen heiratest, so schön wie der Mond.“ Ich fragte: „Wie soll das zugehen?“ Er antwortete: „Morgen früh ziehe kostbare Kleider an. laß deinem Maultier einen goldenen Sattel auflegen, reite auf den Markt der Getreidehändler und frage nach dem Laden des Scherif, setze dich zu ihm und halte um seine Tochter an; entgegnet er dir: Du hast weder Geld noch Adel, so gib ihm tausend Dinare; fordert er mehr, so biete so viel, bis er nach deinem Gelde lüstern wird.“ Ich versprach dem Affen zu gehorchen, und begab mich am folgenden Morgen, wie er es wünschte, von zehn Mamelucken begleitet, in den Laden des Scherif.

Als der Scherif mich fragte, was ich von ihm wolle, antwortete ich: „Ich wünsche deine Tochter zu heiraten.“ Da sagte er:'„Du bist von gemeiner Herkunft und hast kein Vermögen.“ Ich überreichte ihm aber einen Beutel mit tausend Dinaren und sagte: „Hier ist mein Adel und meine Abkunft; der Prophet Gottes (Friede sei mit ihm!) hat gesagt: Geld ist der beste Adel auch hat ein Dichter gesagt:

„Wenn ein reicher Mann unwahr spricht, so sagt man: Du hast Recht, es ist wahr; spricht aber ein Armer die Wahrheit, so wird er ein Lügner genannt. Überall verschafft Geld den Menschen Ehre und Schönheit; es dient als Zunge dem, der sprechen will, und als Pfeil dem, der Krieg zu führen wünscht.“

Der Scherif verbeugte sich und sagte: „Wenn es denn sein soll, so fordere ich nur noch zweitausend Dinare mehr.“ Ich erwiderte: „Recht gerne“, und schickte die Mamelucken fort, um das übrige Geld zu holen. Der Scherif stand dann auf, ließ den Laden schließen, nahm mehrere Freunde vom Markt mit nach Hause, schrieb den Ehekontrakt und sagte mir: „In zehn Tagen kannst du die Ehe vollziehend Ich ging vergnügt nach Hause und erzählte dem Affen, als ich allein bei ihm war, das Resultat meines Versuchs bei dem Scherif und er bezeugte mir seine Zufriedenheit damit. Als die zur Hochzeit festgesetzte Zeit kam, sagte mir der Affe: „Ich muß dich nun um etwas bitten, ehe deine Gattin zu dir kommt; gewährst du mir's, so sollst du haben, was du willst.“ Da ich ihm die Erfüllung seines Wunsches zusagte, fuhr er fort: „Im oberen Teil des Gemachs, wo du mit der Tochter des Scherif die Hochzeitnacht feiern wirst, ist eine Schatzkammer, mit einem messingnen Ring an der Tür. Nimm die Schlüssel, die unter dem Ringe liegen, und öffne die Tür; da findest du eine eiserne Kiste mit vier Fahnen an den Ecken, auf denen allerlei Talismane gemalt sind; du wirst in der Kiste eine messingne Schüssel mit Gold gefüllt, und einen weißen Hahn mit gespaltenem Kamm sehen, und neben derselben elf Schlangen. Nimm schnell das Messer, das neben der Kiste liegt, schlachte den Hahn, zerschneide die Fahnen, leere die Kiste aus und geh wieder zur Braut: das ist mein Wunsch.“ Ich versprach ihm, zu gehorchen, ging zur Hochzeit und fühlte mich höchst glücklich, als ich mit meiner Braut allein war, denn sie war eine ausgezeichnete Schönheit. Um Mitternacht, als meine Braut schlief, nahm ich die vom Affen bezeichneten Schlüssel und öffnete die Schatzkammer, dann ergriff ich das Messer, schlachtete den Hahn, zerriß die Fahnen und warf die Kiste um.

Da erwachte meine Frau, und als sie den Hahn geschlachtet und die Kiste umgestürzt sah, schrie sie: „Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! Bei Gott, nun hat mich der widerspenstige Geist in seiner Gewalt!“ und kaum hatte sie diese Worte gesagt, so wurde sie weggeschleppt. Sie stieß ein so lautes Geschrei aus, daß der Scherif herbeigelaufen kaum und sagte: „O Abu Muhamed! ist das unser Lohn? handelst du so gegen uns? Schon sechs Jahre will ein böser Geist meine Tochter entführen und ich hielt ihn durch meine Talismane davon ab. Nun hast du nichts mehr hier zu schaffen, geh nur deines Weges!“ Ich ging nach Hause und suchte den Affen, fand aber keine Spur von ihm; da dachte ich: gewiß ist er der widerspenstige Geist, darum riet er mir, die Talismane zu zerstören, die ihn aus der Nähe meiner Gattin verbannten. Ich zerriß meine Kleider, schlug mich ins Gesicht und fand die Erde zu eng für mich. Den ganzen Tag lief ich in der Wüste herum, ohne zu wissen, wohin. Des Abends sah ich zwei Schlangen, eine braune und eine weiße, die miteinander kämpften; da hob ich einen Stein auf und tötete die braune Schlange, welche die böseste war. Hierauf verschwand die weiße Schlange, kam dann mit zehn anderen Schlangen wieder, welche die tote Schlange zerrissen, bis nichts als der Kopf an ihr blieb, und dann wieder weggingen. Bald darauf hörte ich, ohne jemanden zu sehen, folgenden Vers rezitieren:

„Fürchte das Schicksal und seine Tücke nicht, Gott wird dir schon wieder Glück und Freude bringen.“

Diese Worte machten einen tiefen Eindruck auf mich; und alsbald hörte ich hinter mir eine Stimme, welche folgende Verse rezitierte:

„Muselmann, der du den Koran gelesen, freue dich, du bist nun in Sicherheit; fürchte keinen Satan mehr, denn wir sind ein rechtgläubiges Volk.“

Ich sagte: „Bei dem, den du anbetest, sprich, wer bist du?“ Da verwandelte sich die Stimme in eine menschliche Gestalt und sprach: „Fürchte nichts! wir sind rechtgläubige Geister, du kannst, da du uns Gutes erwiesen, von uns fordern, was du begehrst.“ Ich erwiderte: „Mir ist das größte Unglück widerfahrend Sie versetzte: „Mir ist, du seiest der träge Abu Muhamed.“ Ich sagte: „Der bin ich.“ „Nun“, versetzte sie, „ich bin der Bruder der weißen Schlange, deren Feind du getötet hast. Wir sind vier Geschwister und wir alle sind dir zu Dank verpflichtet und wir werden dir behilflich sein, daß du deine Gattin wieder erhältst, welche der böse Geist, der als Affe bei dir war, entführt hat.“

Auf den Ruf des Geistes sammelte sich eine ganze Herde Geister um ihn, die er nach dem Aufenthaltsort des Affen befragte. Da sagte einer: Ach weiß, daß er sich in der kupfernen Stadt aufhält, wo nie die Sonne scheint.“ - „So mache dich auf, Abu Muhamed!“ sagte der Geist, „einer unserer Sklaven wird dich dahin tragen und dir sagen, wie du dich deiner Frau bemächtigen kannst. Doch der Sklave ist ein widerspenstiger Geist, du darfst den Namen Gottes nicht vor ihm aussprechen, sonst entflieht er und du bist verloren.“ Ein Sklave nahm mich sogleich auf den Rücken und flog mit mir so hoch hinauf, daß mir die Sterne wie Berge vorkamen, und ich hörte, wie die Engel im Himmel Gott priesen. Ich unterhielt mich auch gut mit dem Sklaven, der mir alles Wunderbare in der Luft zeigte, und der Name Gottes kam mir nicht über die Lippen. Auf einmal kam ein Mann im grünen Gewande mit schwarzen Haarlocken, leuchtendem Gesicht und einem blitzenden Schwert in der Hand auf mich zu und sagte: „Abu Muhamed, sprich: Es gibt keinen Gott außer dem einzigen Gott, sonst erschlage ich dich mit diesem Schwert.“ Schon zerriß es mir das Herz, daß ich Gottes Namen nicht erwähnen sollte, ich rief daher: „Es gibt keinen Gott, außer Allah.“ Da schlug der Mann den Sklaven mit dem Schwert, er zerrann und wurde zu einem Haufen Asche, ich aber fiel in ein mächtig tobendes Meer. Zu meinem Glück segelte ein Schiff, mit fünf Menschen darin, an mir vorüber, das mich aufnahm, aber ich verstand die Sprache dieser Leute nicht. Sie fuhren den ganzen Tag fort; gegen Abend warfen sie das Netz aus und fingen einen Fisch, von dem sie nur ein Stück gebraten zu essen gaben. Am folgenden Tag kamen wir in eine Stadt; ich wurde vor den König geführt, der mir Geschenke machte und mich zum Vezier ernannte. Ich fragte nach dem Namen dieser Stadt und man sagte mir: „Sie heißt Hunad und gehört zu China.“ Der König ließ mir dann durch seinen früheren Vezier die Stadt zeigen, deren ältere Bewohner, weil sie ungläubig waren, in Stein verwandelt wurden, und ich bewunderte die vielen Obstbäume, die so herrliche Früchte trugen.

Als ich einen Monat in dieser Stadt zugebracht hatte und am Ufer eines Flusses stand, kam ein Reiter auf mich zu und fragte mich: „Bist du der träge Abu Muhamed?“ Als ich seine Frage bejahte, sagte er: „Fürchte nichts! du warst unser Wohltäter, ich bin der Bruder der Schlange, die du gerettet, und du befindest dich nicht weit von dem Ort, wo deine Frau sich aufhält.“ Er zog dann seine Kleider aus und reichte sie mir, ließ mich hinter ihn auf sein Pferd sitzen und ritt mit mir in eine Wüste. „Hier“, sagte er, „steige jetzt ab und geh zwischen diesen beiden Bergen weiter, da wirst du die kupferne Stadt sehen; gehe aber nicht hinein, bis ich wiederkehre und dir sage, was du tun sollst.“ Ich ging bis dicht vor die Stadt und bewunderte ihre Mauern von Eisen und Kupfer, fand aber kein Tor, obschon ich die ganze Stadt umkreiste. Auf einmal kam der Reiter wieder und gab mir ein mit Talismanen beschriebenes Schwert, das mich unsichtbar machte. Als er mich hierauf wieder verließ, vernahm ich ein großes Geschrei und sah eine Menge Leute, welche die Augen auf der Brust hatten. Sie fragten mich, wie ich hierher gekommen? und als ich ihnen die Wahrheit erzählte, sagten sie: „Wir sind Freunde der Schlange, deine Braut ist in dieser Stadt, doch wissen wir nicht, was der böse Geist mit ihr begonnen. Steige nur in den Strom, den du vor dir siehst, und folge ihm in die Stadt.“ Ich warf mich ins Wasser, das durch einen unterirdischen Kanal in die Stadt lief; und als ich unter einem seidenen Baldachin wieder herauf kam, sah ich meine Frau auf einem goldenen Thron sitzen. Sie grüßte mich und fragte, wie ich hierher gekommen, und nachdem ich ihr alles erzählt hatte, sagte sie: „Wisse, der versuchte Geist hat mir aus heftiger Liebe gestanden, wie man ihm beikommen kann; er hat mir eine Säule gezeigt, in welcher ein Adler mit allerlei Talismanen eingegraben sein soll: wer den nimmt, kann alle Geister beherrschen und die ganze Stadt zu Grund richten. Nimm also diesen Adler, und die Geister werden alle deine Befehle vollziehen. Ich tat, wie sie mir befahl, und als die Geister mich fragten, was ich wünsche sagte ich: „Leget den widerspenstigen Geist, der diese Frau entführt hat, in Ketten.“ Als dies geschehen war, entließ ich sie, indem ich ihnen sagte: „Wenn ich eurer bedarf, so rufe ich euch wieder. Ich begab mich dann mit meiner Frau wider auf den unterirdischen Kanal bis ich zu den Geistern kam, die mir den Weg gezeigt hatten. Diese führten uns ans Meer, wo ein Schiff wartete; wir reisten mit günstigem Wind nach Baßrah zurück, und der Scherif freute sich nicht wenig, als meine Frau wieder zu ihm zurückkehrte. In meinem Haus angelangt, beräucherte ich den Adler mit Moschus, da erschienen viele Geister und fragten, was ich wünsche? Ich befahl ihnen, alle Schätze aus der kupfernen Stadt herzubringen: Gold, Silber und Edelsteine. Als dies geschehen war, befahl ich ihnen, mir den Affen zu bringen. Sie schleppten ihn nach einer Weile, im erbärmlichsten Zustand, zu mir her und ich sagte ihm: „Weil du mir treulos warst, du Verruchter! sollst du nun auf ewige Zeiten in eine kupferne, mit Blei versiegelte Flasche gesperrt werden.“ Ich lebe nun höchst vergnügt mit meiner Gattin,- und so oft ich Geld oder sonst etwas brauche, wende ich mich an meine Geister, die mir alles sogleich bringen. So viel, o Fürst der Gläubigen! verdanke ich der Güte des erhabenen Gottes. Der Kalif war höchst erstaunt über diese Erzählung und machte Abu Muhamed kostbare Gegengeschenke. Geschichte des Barmekiden Djafar. Der Barmekide Djafar saß eines Tages beim Wein mit seinen Freunden, welche alle in farbigen Oberkleidern erschienen, die einen rot, die anderen gelb und die dritten grün. Djafar gab dem Kammerherrn den Befehl, außer seinem Gesellschafter Abd Almelik, dem Sohn Salihs, der noch erwartet wurde, keinen Menschen mehr zu ihm hereinzulassen. Als aber die Becher die Runde machten und die Laute herbeigeholt wurde, kam ein Mann, welcher auch Abd Almelik hieß, an die Tür Djafars. Dieser Abd Almelik war aber ein sehr ernster und strenggläubiger Mann, den der Kalif oft ersucht hatte, ihm Gesellschaft zu leisten und mit ihm zu trinken, dem er sogar bedeutende Summen deshalb angeboten hatte, ohne ihn dazu vermögen zu können. Der Kammerherr, welcher glaubte, dies sei der Mann, für den Djafar eine Ausnahme gemacht hatte, der aber gekommen war, um mit Djafar über irgendein Anliegen zu sprechen, führte ihn in den Trinksaal. Als aber Djafar ihn sah, kam er fast außer sich vor Scham und dachte sich wohl, daß der Kammerherr durch den Namen dieses Mannes irregeleitet worden. Abd Almelik, dem es auch auffiel, in einen Trinksaal geführt zu werden, freute sich, als er Djafars Verlegenheit merkte, sagte aber: „Ihr habt nichts zu befürchten, reicht auch mir ein farbiges Kleid.“ Ein Diener gab ihm ein gefärbtes Oberhemd, er zog es an, setzte sich, unterhielt sich mit Djafar und machte allerlei Scherze. Dann forderte er auch Wein und man füllte ihm einen großen Becher. Da sagte er: „Nur sachte, ich bin daran nicht so gewöhnt.“ Er spaßte dann solange mit ihnen, bis Djafars Verlegenheit verschwand und er sich über die Verwechslung des Kammerherrn freute.

Djafar fragte ihn dann, was ihn eigentlich herführte? Er antwortet: „Ich habe um drei Dinge zu bitten, die du dem Kalifen vortragen sollst; das erste ist: daß eine Schuld von einer Million Drachmen für mich bezahlt werde; zweitens wünsche ich eine Statthalterschaft für meinen Sohn, und drittens möchte ich ihn mit der Tochter des Kalifen verheiraten, welche seine Cousine, und der er ebenbürtig ist.“ Djafar sagte: „Gott gewährt dir alle drei Wünsche. Dein Geld wird sogleich in deine Wohnung gebracht, deinem Sohn aber verschaffe ich die Statthalterschaft von Ägypten und die Tochter des, Kalifen, gegen eine Morgengabe von so und so viel, du kannst nun in Gottes Namen ruhig nach Hause gehen.“ Als Abd Almelik nach Hause kam, fand er das gewünschte Geld schon auf seinem Tisch. Am folgenden Morgen ging Djafar zum Kalifen, erzählte ihm, was zwischen ihm und Abd Almelik vorgefallen, und verließ ihn nicht eher, bis er ihm einen Firman für Abd Almeliks Sohn, als Statthalter von Ägypten, überreichte, und Kadhi und Zeugen kommen ließ, um den Ehekontrakt zwischen diesem und seiner Tochter zu schreiben.

Man erzählt ferner: Djafar stand mit dem Statthalter von Ägypten in so feindseligem Verhältnis, daß sie einander gegenseitig auswichen und einer des anderen Sturz wünschte. Einst schrieb einer einen Brief im Namen Djafars an den Statthalter von Ägypten, dessen Inhalt war:

„Der Träger dieses Briefes ist einer meiner besten Freunde, der nach Ägypten reist; ich wünsche, daß du ihn gut aufnehmest, u.s.w.“

Dieser Mann wußte nämlich nichts von der Feindschaft, die zwischen ihnen obwaltete. Der Statthalter freute sich darüber, doch war ihm dieser Brief sehr verdächtig, er erwies dem Überbringer zwar viel Ehre und sorgte für alle seine Bedürfnisse, aber er sandte doch den Brief seinem Agenten in Bagdad und beauftragte ihn, nachzuforschen, ob dieses Schreiben wirklich von der Hand des Veziers sei, oder nicht. Als des Statthalters Agent diesen Brief erhielt, ging er damit zu dem Agenten Djafars, erzählte ihm den Vorfall und zeigte ihm das Empfehlungsschreiben. Dieser brachte es Djafar, welcher es vor seinen Freunden und Adjutanten, die bei ihm waren, hinwarf und sie fragte, ob dies seine Hand sei? Sie betrachteten das Schreiben und erklärten es einstimmig für falsch. Dann sagte ihnen Djafar: „Der Überbringer dieses Briefs ist in Ägypten beim Statthalter, welcher Antwort über den wahren Zustand der Sache erwartet; was ratet ihr mir zu tun?“ Da sagte einer von ihnen: „Du mußt den, der den falschen Brief geschrieben, umbringen lassen, damit niemand mehr etwas ähnliches tue;“ ein anderer sagte: „Du mußt ihm die rechte Hand abhauen lassen, mit der er deinen Namen geschriebenen ein dritter sagte: „Er muß tüchtig durchgeprügelt und dann seines Weges geschickt werden.“ Der Humanste unter ihnen sagte: „Er soll zur Strafe aus Ägypten verbannt werden; es wird hart genug für ihn sein, diese weite Reise umsonst gemacht zu haben und beschämt zurückzukehren.“ Als sie alle ausgeredet hatten, sagte Djafar: „Großer Gott! unter euch allen ist kein einziger wohldenkender Mann. Ihr wißt, welche Feindschaft zwischen mir und dem Statthalter von Ägypten besteht, und wie jeder von uns zu stolz ist, die Hand zur Versöhnung zu bieten; nun hat uns Gott einen Mann beschieden, der uns eine Veranlassung zum Briefwechsel und zur Versöhnung gibt: wie sollte ich ihn so hart bestrafend Er ließ sich dann Tinte und Kalam bringen und schrieb auf die Außenseite des Briefs an den Statthalter von Ägypten:

„Gepriesen sei Gott! Wie konntest du an meiner Handschrift zweifeln? es ist meine Hand, und der Überbringer ist einer meiner teuersten Freunde, gegen den du gütig sein mögest, den ich dich aber bitte, nicht zu lange aufzuhalten, denn ich sehne mich sehr nach ihm und bedarf seiner hier.“

Als der Brief an den Statthalter zurückkam, war er außer sich vor Freude; er erwies dem Mann die größten Ehrenbezeugungen und machte ihm kostbare Geschenke. Als der Mann wieder reich begütert nach Bagdad zurückkam, begab er sich zu Djafar, weinte und küßte die Erde vor ihm. Djafar fragte ihn: „Wer bist du?“ Er antwortete: „Ich bin dein Sklave und dein Geschöpf, ich bin der Verfälscher deiner Unterschrift.“ Djafar nahm ihn aber freundlich auf, hieß ihn sitzen und fragte ihn, wie viel er vom Statthalter von Ägypten erhalten? Er antwortete: „Hunderttausend Dinare.“ Da sagte Djafar: „Das ist wenig, wir wollen dir diese Summe verdoppeln.“ Er rief sogleich seinen Schatzmeister und ließ ihm noch hunderttausend Dinare ausbezahlen.

Man erzählt ferner: Das Wunderbarste, was dem Kalifen Harun Arraschid begegnete, war folgendes: Als sein Bruder Hadi Kalif wurde und einen wertvollen Siegelring von ihm forderte, der seinem Vater Madhi gehört hatte, wollte er ihn, weil er ihn als das Symbol des Kalifats betrachtete, nicht hergeben. Da aber Hadi sehr in ihn drang, warf er ihn in den Tigris. Als dann Hadi starb und Harun Kalif wurde, ging er wieder auf denselben Platz, wo er den Ring weggeworfen hatte, nahm einen bleiernen Ring, warf ihn ins Wasser und befahl den Tauchern, ihm seinen Ring zu suchen; sie tauchten unter und brachten den ersten Ring heraus, und dies deutete auf Haruns Glück und auf die Dauer seines Reichs.

Notiz über die Barmekiden. Sobald Harun Kalif war, ernannte er den Barmekiden Djafar zu seinem Vezier und erwies ihm die ausgezeichnete Ehre, wie es wohl bekannt und in allen Büchern aufgezeichnet ist. Niemals stand ein Vezier so hoch, wie Djafar bei Harun Arraschid. Der Kalif nannte ihn stets Bruder und besuchte ihn oft in seinem Haus. Djafar war neunzehn Jahre lang Vezier und befolgte die Lehre seines Vaters Jahia, der ihm einst sagte: So lange dein Kalam donnert, laß ihn Wohltaten regnen. Man gibt verschiedene Ursachen über seine Hinrichtung an, doch wird Haruns Eifersucht als die triftigste angegeben. Der Kalif hatte nämlich eine Schwester, welche das schönste Geschöpf ihrer Zeit war; er liebte sie leidenschaftlich und konnte sich ebensowenig von ihr, als von Djafar trennen. Er sagte daher zu Djafar: Ich will dir meine Schwester zur Gattin geben, damit wir gemeinschaftlich uns ihres Umgangs freuen. Da er aber bald bemerkte, daß seine Schwester Djafar leidenschaftlich liebe, verwandelte sich seine Liebe zu Djafar in Haß und er ließ ihn und alle seine Verwandten hinrichten.

Alsdann erzählte Schehersad die Geschichte Ali Schirs. Vor vielen Jahrhunderten lebte in Chorasan ein sehr reicher und angesehener Mann, mit Namen Muhamed Eddin. Er war schon sechzig Jahre alt, als ihm Gott noch einen Sohn schenkte, den er Ali Schir nannte. Als dieser das männliche Alter erreicht hatte, wurde Muhamed Eddin gefährlich krank. Er ließ Ali Schir zu sich rufen und sagte ihm: „Mein Sohn, ich bin dem Tode nahe und möchte dir nun meinen letzten Willen kund tun.“ Ali Schir fragte: „Was befiehlst du, mein Vater?“ - „Vor allen“, erwiderte der Sterbende, „meide schlechte Gesellschaft und schenke niemanden dein Vertrauen, denn selbst deine Freunde könnten dich verraten. Ein frommer Dichter hat gesagt:

„Es lebt kein Mensch in unserer Zeit, dessen Freundschaft wünschenswert; kein Vertrauter bleibt uns treu, wenn das Schicksal uns bedroht. Lebe einsam und baue auf niemanden, das ist mein Rat, er genüge dir.“

Ali Schir sagte: „Ich werde gehorchen, mein Vater! Was gebietest du noch?“ - „Sei mildtätig, solange du kannst, und versäume keine Gelegenheit, Wohltaten auszuüben, denn nicht zu jeder Zeit kann man dazu kommen. Ein Dichter hat gesagt:

„Nicht zu jeder Zeit bieten sich schöne Handlungen dar, darum hasche danach, wenn du es in Sicherheit kannst, und fürchte, das Schicksal möchte dir treulos werden.“

„Auch diesen Rat werde ich befolgen, hast du mir noch etwas zu sagen?“ - „Mein Sohn! bewahre dein Vermögen, es wird dich dann auch schützen, verschwende es nicht, sonst möchtest du der gemeinsten Menschen bedürfen, der Wert des Menschen besteht in seinem Besitz, wie ein Dichter gesagt:

„Ist mein Vermögen gering, so will niemand mein Freund sein; ist es groß; so drängt sich ein jeder um mich. Wie mancher geht nur meines Geldes willen mit mir um, wie mancher andere verläßt mich, sobald mein Geld dahin ist.“

„Dann, mein Sohn, befolge den Rat älterer Leute, übereile dich in nichts, habe Mitleid mit denen, die unter dir sind, so werden auch deine Oberen dich bemitleiden. Ein Dichter sagte:

„Bist du mächtig, so tue niemand Gewalt an, denn der Unterdrückte ist immer zur Rache vorbereitet; wenn dein Auge schläft, so wacht der, dem Unrecht geschehen, er verwünscht dich, und Gottes Auge schläft nie.“

Ferner hüte dich, Wein zu trinken; er ist die Quelle vielen Unheils; er unterdrückt den Verstand und verleitet zur Gemeinheit. Das ist mein letzter Wille; Gott wache statt meiner über dich.“ Hierauf fiel er eine Weile in Ohnmacht, dann rief er Gott um Verzeihung an, legte sein Glaubensbekenntnis ab und ging zur Barmherzigkeit Gottes über. Ali weinte und schluchzte, dann ermannte er sich und machte die Vorbereitungen zur Beerdigung; die vornehmsten Leute der Stadt folgten dem Leichenzug; der Koran wurde für ihn vor seinem Sarg gelesen, kurz, es wurde nichts unterlassen von allem, was einem angesehenen frommen Muselmann gebührt. Dann betete man für ihn und legte ihn in die Erde, und schrieb folgendes auf sein Grab:

„Du stammst von Erde her und erhieltst Leben und wurdest ein beredter Mann, dann bist du als Leiche zur Erde zurückgekehrt, als wärest du von jeher nur Staub geblieben.“

Ali Schirs Mutter betrauerte ihren Gatten, bis auch sie bald nach ihm starb, und Ali Schir ließ sie mit denselben Ehrenbezeigungen, wie sein Vater, bestatten.

Ein Jahr lang lebte nun Ali Schir seinem Handel und knüpfte mit niemanden Freundschaft an. Aber nach einem Jahr kamen schlechte Menschen zu ihm, die ihn zum Bösen verleiteten; er ging dem Vergnügen nach, wurde verschwenderisch und dachte: „Mein Vater hat dieses Vermögen für mich gesammelt, wem soll ich es hinterlassen? Bei Gott! ich will die Worte des Dichters beherzigen, welcher sagte:

„Wenn du dein ganzes Leben lang einsammelst, wann willst du das Gesammelte genießen?“ Ali Schir zehrte nun an seinem Vermögen Tag und Nacht. Aber bald ging es Ali, wie es in einem Sprichwort heißt:

„Wer immer ausgibt, ohne zu rechnen, wird arm, ohne es zu wissen.“

Ali Schir mußte bald seinen Laden und seine Häuser verkaufen, zuletzt auch seine Kleider, so daß ihm nur noch ein einziges übrig blieb. Eines Tages, als er nicht mehr so viel hatte, um davon zu frühstücken, da erwachte er aus seinem Rausch und empfand Reue. Er wollte zu seinen Freunden gehen, um ihre Hilfe anzusprechen, aber sie verbargen sich vor ihm, so daß er fast verhungerte.

Er ging hierauf nach dem Bazar und sah hier viele Leute zusammengerottet; er schwur bei Gott, nicht zu weichen, bis er gesehen, weshalb die Leute hier einen Knäuel bilden und erblickte eine Sklavin von schönem Wuchs und rosigen Wangen, wie sie ein Dichter schilderte:

„Sie ist aus der Form der Schönheit vollkommen hervorgegangen, weder zu lang, noch zu kurz, weder zu stark, noch zu mager; der Mond ist ihre Stirne, ein Banzweig ihr Wuchs, ihr Atem Moschus und ihr ganzer Körper aus Perlenwasser gegossen.“

Ali Schir fand diese Sklavin so schön, daß er schwur, nicht vom Platze zu weichen, bis er wisse, wer sie kaufe und was für sie geboten werde. Er stellte sich zu den übrigen Kaufleuten, so daß sie glaubten, es sei auch ein Käufer, weil sie wußten, wie viel er von seinem Vater geerbt und wie wohlhabend er war. Der Makler rief aus: „O ihr Kaufleute und reichen Herren, groß und klein, was bietet ihr für diese Sklavin, Herrin des Monds, leuchtende Perle, kostbaren Smaragd, Ziel des Verlangenden, Ergötzung des Sehnenden?“ Da bot ein Kaufmann fünfhundert Dinare, ein anderer fünfhundertundzehn; ein alter häßlicher Mann mit blauen Augen bot sechshundert; wieder einer sechshundertundzehn; worauf der Alte sogleich wieder tausend bot. Da schwiegen alle Kaufleute, und der Makler fragte ihren Herrn, ob er sie für tausend Dinare geben wolle? Er antwortete: „Ich habe geschworen, sie nur dem zu verkaufen, der ihr gefällt; frage sie, ob sie diesem Käufer gehören will.“ Der Makler zeigte ihr den Alten, und als sie ihn sah, sagte sie: „Dem will ich nicht verkauft werden. Ein alter Dichter sagte einst:

„Ich forderte einen Kuß von meiner Geliebten, aber sie sah mein graues Haar, und obgleich ich sehr reich war, wandte sie sich weg und sagte: Nein, bei dem, der den Menschen aus nichts geschaffen, ich habe keine Freude an einem weißen Bart, soll ich bei meinem Leben mir den Mund mit Baumwolle stopfen?“ Als der Makler diese Worte hörte, sagte er: „Bei Gott, du hast nicht Unrecht, du bist wohl tausend Dinare wert.“ Er sagte dann den Kaufleuten, daß sie den Alten nicht wolle. Da trat jemand hervor und sagte: „Ich gebe auch tausend Dinare.“ Als sie ihn betrachtete, fand sie, daß er einen gefärbten Bart hatte, und sprach folgenden Vers:

„Sage dem Unbesonnenen, der sich färbt: was bedeutet diese List? Du gehst mit einem Bart weg und kommst mit einem anderen wider, als wärest du irgend ein Schattenspieler.“

Der Makler sagte: „Bei Gott, du hast Recht.“ Da kam ein Halbblinder und sagte dem Makler: „Frage sie, ob sie mich zum Herrn will?“ - „Von einem solchen Mann“, antwortete die Sklavin, „hat ein Dichter gesagt:

„Lebe keinen lag in Gesellschaft eines Halbblinden, und sei gegen seine Bosheit auf deiner Hut, denn wäre etwas Gutes an ihm, so hätte sich nicht sein eigenes Auge von ihm getrennt.“

Der Makler zeigte ihr dann einen anderen Kaufmann und fragte sie, ob sie diesen wolle? Er war aber so klein, daß sein Bart ihm bis zu den Beinen herunter hing. Sie antwortete: „Von diesem sagt ein Dichter:

„Ich habe einen kleinen Freund mit einem Bart, den Gott ganz zwecklos hat wachsen lassen; er gleicht einer langen, kalten und finstern Winternacht.“

Der Makler sagte: „Nun, meine Dame, sieh dich einmal um, wer von den Anwesenden dir gefällt.“ Die Sklavin warf ihren Blick auf den ganzen Kreis, und als er auf Ali Schir fiel, fühlte sie tausendfaches Weh in ihrem Herzen, denn er glich einer Gazelle und war zarter, als ein Zephyr; sie sagte dem Makler, auf Ali hindeutend: „Ich will nur diesem jungen Mann mit schönem Gesicht und feinem Wuchs verkauft werden, von einem solche Mann hat ein Dichter gesagt:

„Sie haben dein schönes Gesicht gezeigt, dann tadeln sie die von demselben Verführte. Wollten sie meine Keuschheit, so hätten sie dein schönes Gesicht verhüllen müssen.“

„Nur ihm will ich verkauft werden“, fuhr sie fort, „seine Worte fließen wie ein Strom aus dem Paradies, sein Blick heilt jeden Kranken; auf ihn passen folgende Verse:

„Seine Küsse sind süßer Wein, sein Atem ist frisches Basilienkraut, seine Zähne sind Kampfer. Ridhwan hat ihn aus seiner Wohnung verjagt, aus Furcht, er möchte die Huri verführen. Man tadelt ihn wegen seines Stolzes, aber entschuldigt man nicht den Stolz des Mondes? Ich wich keinen andere, als den mit lockigen Haaren und rosigen Wangen.“

Als der Makler dies hörte, ging er zu ihrem Herrn und sagte: „Deine Sklavin hat mich ganz verrückt gemacht mit ihrer Schönheit, Beredsamkeit und Dichterkenntnis; sie ist mehr als tausend Dinare wert.“ Der Eigentümer versetzt: „Ich kann dir noch mehr von ihr sagen: sie kennt die sieben Schriftarten und ließt den Koran nach den sieben Lesarten; ihre Hände sind Gold und Silber; sie stickt seidene Vorhänge, an denen du zehn Dinare verdienst, und bringt jede Woche einen fertig; o welch ein Glück, eine solche Sklavin im Hause zu haben, doch verkaufe sie nur, wem sie will.“ Der Makler ging zu Ali Schir, küßte ihm die Hände und sagte: „Mein Herr, kaufe diese Sklavin, denn sie hat dich gewählten Ali Schir schlug den Kopf nieder, lachte über sich selbst und dachte: Bei Gott, ich habe noch nicht einmal gefrühstückt! ich schäme mich vor den Kaufleuten, zu sagen: ich habe nicht so viel. Die Sklavin sah ihn an und sagte zum Makler: „Stelle mich ihm vor, damit er Gefallen an mir finde, denn ich will nur ihm verkauft werden.“ Der Makler führte sie zu ihm und sagte: „Nun, mein Herr!“ Ali gab aber keine Antwort. Da sagte die Sklavin: „O mein Herr, Geliebter meines Herzens! warum kaufst du mich nicht? ich werde dich gewiß glücklich machen.“ Ali hob den Kopf zu ihr empor und sagte: „Kann man zu einem Kauf gezwungen werden? du bist mir zu teuer.“ - „Nun, mein Herr, so kaufe mich für neunhundert Dinare!“ - „Auch so viel kann ich nicht geben.“ Sie ging dann immer herunter, bis auf hundert Dinare. Aber Ali sagte: „Ich habe nicht einmal ganz hundert Dinare.“ - „Fehlt dir viel daran?“ - „Bei Gott, ich besitze keine weiße und keine rote Münze, suche dir einen anderen Käufer.“ - „So ergreife nur meine Hand, als wolltest du mich in einem Seitengäßchen untersuchen, und als er dies tat, zog sie einen Beutel von tausend Dinaren heraus und sagte ihm: „Bezahle neunhundert Dinare meinem Herrn und behalte hundert für uns.“ Ali tat so und führte die Sklavin in seine Wohnung. Als sie ein leeres Zimmer fand, ohne Bett, ohne Decke und ohne Gefäße, gab sie ihm tausend Dinare und sagte: „Gehe auf den Bazar und kaufe für dreihundert Dinare Bett und Hausgerätschaften.“

Als Ali wiederkam, sagte sie ihm: „Kaufe für drei Dinare Speisen und Getränke, dann ein Stück Seidenzeug zu einem Vorhang, Gold- und Silberfaden und Seide von sieben Farben.“ Sie legte dann die Divane und Teppiche zurecht. zündete Lampen an, setzte sich zu Tisch und unterhielt sich mit Ali bis tief in die Nacht.

Am folgenden Morgen nahm die Sklavin den Vorhang und stickte mit farbiger Seide und Goldfaden um den. Rand her allerlei Vögel, in die Mitte jede Gattung wilder Tiere, und arbeitete acht Tage lang daran. Als er fertig war, schnitt sie ihn zurecht, machte ihn rein und glatt, gab ihn ihrem Herrn und sagte: „Verkaufe ihn einem hiesigen Kaufmann; hüte dich aber, ihn einem Umherziehenden zu verkaufen, sonst ist unsere Trennung nahe; denn du hast Feinde, deren Augen auf uns geheftet sind.“ Ali verkaufte den Vorhang einem Kaufmann für vierzig Dinare, kaufte wieder Seidenzeuge, Seide, Goldfaden und Lebensmittel, und brachte das übrige Geld zurück. So verfloß ein ganzes Jahr. Als aber am Anfange des zweiten Jahres Ali den Vorhang, wie gewöhnlich, einem Makler zum Ausrufen gab, kam ein Christ vorüber, der Sechzig Dinare bot. Der Makler wollte ihn nicht geben, aber der Christ bot immer mehr, bis auf hundert Dinare, und bestach noch den Makler mit zehn Dinaren. Der Makler ging zu Ali und sagte ihm: „Dieser Christ will den Vorhang kaufen: was hast du von ihm zu befürchten?“ Auch alle Kaufleute drangen in ihn, bis er mit zitterndem Herzen den Vorhang dem Christen verkaufte, sein Geld nahm und wegging. Aber der Christ folgte ihm. Da fragte ihn Ali: „Was gehst du mir nach?“ Er antwortete: „Ich habe oben an dieser Straße etwas zu tun, Gott schütze dich vor jedem Mangel!“ Als Ali Schir vor sein Haus kam und den Christen noch auf seinen Versen sah, fragte er ihn wieder : „Was folgest du mir, Tropf?“ Der Christ antwortete: „Mein Herr! ich habe Durst, gib mir zu trinken.“ Ali dachte: Bei Gott, ich will den Christen nicht beschämen, der einen Trunk Wasser von mir fordert.

Ali ging ins Haus und holte einen Becher Wasser. Da fragte ihn die Sklavin: „Hast du den Vorhang verkauft?“ - „Ja.“ - „Einem hiesigen Kaufmann oder einem durchziehenden? Schon ahnet mein Herz die Trennung.“ - „Ich habe ihn einem hiesigen Kaufmann verkaufte - „Was willst du mit diesem Becher Wasser?“ - „Dem Makler zu trinken geben.“ Da rief sie: „Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen!“ und rezitierte folgenden Vers:

„Du, der du Trennung herbeiführst, sachte! Laß dich nicht durch Umarmung täuschen. Sachte, das Glück ist trügerisch und das Ende jeder Vereinigung ist Trennung.“

Ali ging indessen mit dem Becher hinaus; da er aber den Christen im Hausgang, der ins Wohnzimmer führte, fand, sagte er: „Du Hund kommst ohne Erlaubnis in mein Haus?“ Der Christ antwortete: „O mein Herr! es ist ja kein Unterschied zwischen der Haustür und dem Gang, ich werde nicht weiter vorgehen, du bist doch ein gütiger, wohltätiger Mann.“ Ali reichte ihm den Becher, der Christ trank ihn aus und gab ihn zurück, wich aber noch nicht von der Stelle. Da fragte ihn Ali: „Warum gehst du nicht deines Weges?“ - „Mein Herr! sei nicht wie die, welche, wenn sie einem Wohltaten üben, dieselben dann einem vorwerfen, wie ein Dichter sagt:

„Dahin sind diejenigen, weiche gütig sind gegen die Armen, die an ihrer Tür stehen, jetzt macht man ihnen einen Trunk Wasser zum Vorwurf.“

„Ich habe nun getrunken, ich möchte jetzt auch etwas zu essen, vielleicht hast du ein Stück Brot und Zwiebel.“ - „Gehe jetzt ungesäumt deines Weges, es ist nichts im Hause.“ - „Wenn du nichts im Hause hast, hier sind hundert Dinare, bringe etwas vom Markte. wäre es auch nur ein Laib Brot, daß wir Brot und Salz zusammen essen.“

Ali dachte: Dieser Christ ist verrückt; bei Gott, ich werde die hundert Dinare nehmen, ihm etwas bringen, das zwei Heller wert ist, und ihn auslachen. Der Christ wiederholte: „Bringe nur etwas, um den Hunger zu stillen, wäre es auch trockenes Brot und Zwiebel, ein Dichter hat gesagt:

„Der Hunger wird mit trockenem Brot gestillt, weshalb soll ich mich grämen? nur der Tod ist gerecht, der verfährt in gleicher Weise mit dem Kalifen und dem ärmsten Menschen.“

Ali sagte ihm dann: „Stehe auf, komm heraus, ich will schließen und dir etwas bringen.“ Der Christ ging heraus, Ali legte ein Schloß vor die Tür, steckte den Schlüssel zu sich, lief auf den Bazar und kaufte gebackene Käse, Honig, Bananen und Brot, und brachte es dem Christen. Dieser sagte: „Mein Herr! das ist so viel, daß zehn Menschen daran genug haben; vielleicht wirst du mit mir essen?“ Ali weigerte sich, mit ihm zu essen; aber der Christ sagte ihm:“Mein Sohn! kennst du nicht den Spruch der Weisen:

„Wer seinen Gast allein essen läßt, ist ein schlechter Mensch.“

Ali sah sich genötigt, mit dem Christen einiges zu essen, und als er aufhören wollte, nahm der Christ eine Banane, schälte sie, teilte sie in zwei Hälften und tat in die eine Hälfte ein feines Opiumpulver, das einen Elefanten eingeschläfert hätte, tauchte sie in Honig ein und sagte zu Ali: „Bei deinem Glauben, du mußt dies annehmen.“ Ali wollte ihn nicht falsch schwören lassen, verschlang die Banane und stürzte um. Der Christ machte sich schnell auf, wie ein kahler Wolf oder eine in die Enge getriebene Katze, nahm den Zimmerschlüssel und lief zu seinem gottlosen Bruder Raschid Eddin, der sich nur zum Scheine für einen Muselmann ausgab. Dieser war es, der zuerst die Sklavin für tausend Dinare kaufen wollte, und als er seinem Bruder erzählte, daß sie ihn verschmäht, sagte ihm dieser: „Warte nur, ich will sie schon durch List ohne Geld bekommen“, und tat hierauf, was wir eben erzählt haben. Raschid Eddin freute sich sehr, als sein Bruder zu ihm kam, bestieg sein Maultier und begab sich in Alis Wohnung mit seinen Dienern und Freunden. Er nahm auch einen Beutel von tausend Dinaren mit, um im Notfall die Polizei zu bestechen. Er öffnete das Zimmer und stürmte mit seinen Leuten über die Sklavin her, drohte ihr mit Schlägen, wenn sie den Mund öffne, schleppte sie mit Gewalt fort und ließ Ali im Gang liegen. Als Raschid sie in seinem Schloß hatte, sagte er ihr: „Nun, Dirne, ich bin der Alte, den du nicht wolltest, und nun habe ich dich ohne Geld.“ Sie erwiderte: „Gott wird dich alten Bösewicht schon dafür strafen, daß du mich von meinem Herrn getrennte Er aber sagte: „Du sollst nun sehen, was ich tue, du verliebte Dirne! Bei dem Messias und der Jungfrau, wenn du mir nicht gehorchst und meinen Glauben annimmst, so werde ich dich auf alle mögliche Weise peinigen.“ - „Und wenn du mich in Stücke reißest“, rief die Sklavin, „so werde ich meinen Glauben nicht aufgeben; vielleicht wird mir Gott bald Hilfe schicken, denn er kann alles, und Körperleiden sind leichter zu tragen, als Verrat gegen den Glauben.“ Raschid Eddin rief seine Diener herbei und ließ sie schlagen, bis sie keinen Klaglaut mehr von sich gab; ihr letztes Wort war: „Gott wird mir beistehen, er genügt mir.“ Als sein Zorn abgekühlt war, sagte er zu den Sklavinnen: „Schleppt sie an den Füßen in die Küche und gebt ihr nichts zu essen.“ Am folgenden Morgen ließ sie der Verruchte wieder vor sich führen, und als sie noch immer keine Christin werden wollte, ließ er sie wieder prügeln und fortschleppen, sie aber rief, als sie sich von den Prügeln erholt hatte: „Es gibt keinen Gott außer Gott, und Mohammed ist -Gottes Gesandter!“ und flehte des Propheten Fürbitte an.

Was aber den betrübten Ali Schir betrifft, so war er bis zum anderen Tag bewußtlos im Hausgang liegen geblieben. Erst nach und nach schwand die Wirkung des Schlafpulvers, er öffnete seine Augen und rief Sumurd; so hieß nämlich seine Sklavin. Als er ohne Antwort blieb, und das Zimmer leer fand, fiel ihm der Christ und die Warnung seiner Sklavin ein. Da weinte er und bereute seinen Ungehorsam, als es zu spät war. Er sprach dann folgenden Vers:

„O Liebesgram! kennst du keine Schonung? Soll mein Herz immer zwischen Qualen und Gefahren schweben? Bemitleidet doch einen Edlen seines Volkes, den die Liebe erniedrigt; einen Reichen, den wieder Armut drückt!“ Er zerriß dann seine Kleider, nahm zwei Steine in die Hände, ging in der Stadt herum und schlug sich damit auf die Brust und rief seine Sklavin bei ihrem Namen; alle Kinder sammelten sich um ihn, und wer ihn kannte, weinte mit ihm. So brachte er den ganzen Tag und den folgenden auf der Straße zu. Da sah ihn ein frommes altes Weib und sagte ihm: „Gott lasse dich genesen! Mein Sohn, seit wann bist du rasend?“ Er antwortete, folgende Verse rezitierend:

„Sie sagen, ich sei rasend vor Liebe, und ich antworte: Nur Rasende kennen die Freuden des Lebens. Lasset mein Rasen, bringt mir die, um derentwillen ich rase, und tadelt mich, wenn sie mich nicht heilt.“

Als die Alte merkte, daß er unglücklich liebte, sagte sie ihm: „Erzähle mir deine Geschichte, vielleicht kann ich dir helfen.“ Ali erzählte ihr alles, was zwischen ihm und dem Christen vorgefallen. Da sagte sie: „Kaufe einen Korb, wie die Goldarbeiter haben, und fülle ihn mit Ringen, Armbändern und allerlei Frauenschmuck; spare nur kein Geld, ich gehe damit herum, bis ich, so Gott will, Kunde von ihr erhalte. Ali küßte ihre Hände und holte, was sie ihm befohlen; sie zog ein geflicktes Kleid an, warf ein honigfarbiges Tuch um den Kopf, nahm einen Stock in die Hand und den Korb auf den Kopf und ging in der ganzen Stadt herum, bis sie Gott vor das Schloß des versuchten Naschid führte; da hörte sie ein lautes Schluchzen und Jammern. Die Alte klopfte an der Tür und sagte zur Sklavin, welche herunterkam und ihr öffnete: „Ich habe hier allerlei Schmuck im Korb, wollt ihr etwas kaufen?“ Die Sklavin sagte: „Ja“, führte die Alte hinauf in die Küche, hieß sie sitzen, und alle Sklavinnen setzten sich um sie herum. Als sie sie durchmusterte, bemerkte sie auch Alis Sklavin Sumurd unter ihnen, welche weinte. Da fragte die Alte, warum diese Sklavin sich in einem solchen Zustande befinde? Die Sklavinnen erzählten ihr alles und setzten hinzu: „Es geschah nicht durch unseren Willen, sondern unser Herr hat es uns befohlen, der jetzt auf einer Reise ist.“ Die Alte bat sie dann, sie möchten, da doch ihr Herr nicht zu Hause sei, Sumurd entfesseln und, bis ihr Herr zurückkomme, freilassen. „Du hast bei Gott recht“, erwiderten die Sklavinnen; sie entfesselten Sumurd und gaben ihr zu essen und zu trinken; die Alte aber seufzte: „O hätte ich doch ein Bein gebrochen und wäre nicht in dieses Haus gekommene Sie ging dann zu Sumurd und sagte ihr: „Gott wird dir bald helfen; ich komme von Ali Schir; sei bereit auf morgen, dein Herr wird unter der Bank am Schloß dich erwarten und durch einen Pfiff ein Zeichen geben, laß dich an einem Seil zum Fenster herunter, er wird dich auffangen und fortbringen.“

Hierauf ging die Alte zu Ali Schir und sagte ihm: „Morgen um Mitternacht stelle dich unter das Schloß des versuchten Raschid und pfeife, Sumurd wird sich herunterlassen, nimm sie auf und gehe mit ihr, wohin du willst.“ Ali dankte ihr und sprach folgende Verse:

„Gott segne die, welche mir der Geliebten Wohnort zeigt, denn sie bringt mir die süßeste Nachricht; doch weiß ich sie mit nichts anderem zu belohnen, als mit einem Herzen, das die Trennungsstunde zerrissen.“

Ali wartete ungeduldig, bis die bestimmte Stunde herannahte, dann setzte er sich auf die Bank vor dem Schloß, die ihm die Alte bezeichnet hatte, schlief aber ein (gepriesen sei der, welcher nie schläft), denn er hatte vor Kummer schon lange nicht geschlafen, Nun führte das Schicksal gerade diesen Abend an die Bank, auf der Ali lag, einen Dieb, der Ali seinen Turban vom Kopf nahm und ihn selbst aufsetzte. In diesem Augenblick sah Sumurd zum Fenster herunter, und da es sehr dunkel war, hielt sie den Dieb für ihren Geliebten, sie pfiff und der Dieb tat das gleiche. Sie ließ sich daher an einem Strick mit einem haarenen Sack voll Geld herunter, der Dieb fing sie auf und dachte: das ist ein wunderbares Abenteuer, und floh wie der Blitz mit ihr und dem Geld davon. Als er so schnell lief, sagte ihm Sumurd: „Die Alte hat mir gesagt, du seiest wegen der Trennung sehr krank, und nun läufst du wie ein Affe;“ aber der Dieb gab ihr keine Antwort. Sie griff ihm dann ins Gesicht und fand einen rauhen Bart, wie ein Panzer, als hätte er Federn geschluckt, die ihm zum Hals heraus wachsen. Sie erschrak und fragte: „Wer bist du?“ Der Dieb antwortete: „Ich bin einer der vierzig Kurden jener gefürchteten Räubergesellschaft Ahmed Danafs, die heute Nacht ihre Freude an dir haben wird.“ Als sie dies hörte, weinte sie und schlug sich ins Gesicht, denn sie sah wohl, das das Schicksal sie abermals hintergangen, und daß sie von einem Unglück ins andere gestürzt; doch ergab sie sich in Gottes Ratschluß und sagte: „Es gibt keinen Gott außer Gott!“ Djawan hatte nämlich zu Ahmed gesagt: „Ich kenne eine Höhle in der Nähe der Stadt, welche vierzig Menschen faßt, ich gehe in die Stadt voraus und stehle etwas und bewirte euch in der Höhle“, nach welcher er seine Mutter vorausgeschickt hatte. Hierauf traf er einen schlafenden Soldaten, dessen Pferd vor ihm angebunden war. Er schlachtete ihn und plünderte ihn aus und nahm das Pferd, kam dann vor das Schloß des Christen, wo er Sumurd auffing.

Er ritt jetzt mit Sumurd nach der Höhle zu seiner Mutter und sagte ihr: „Gib acht auf diese Sklavin, bis ich wiederkehren - Als der Kurde wegging, sagte Sumurd: „Was soll nun hier aus mir werden?“ Die Alte antwortete: „Warte nur, bis die vierzig Kurden kommen, die mein Sohn hierher bestellt hat, dann wirst du wie ein Schiff im Wasser schwimmen.“ Da sagte Sumurd zur Alten: „Komm heraus ins Freie, ich will dich in der Sonne vom Ungeziefer reinigen.“ „Recht gern“, sagte die Alte; „bei Gott, meine Tochter, du hast recht, ich war schon lange nicht im Bad, die Schweine ziehen immer mit mir herum, von einem Ort zum andern.“ Sumurd reinigte dann die Alte, bis sie einschlief. Da machte sich Sumurd auf, zog die Kleider des Soldaten an, umgürtete sein Schwert und setzte seinen Turban auf, so daß sie ganz wie ein Mann aussah, schwang sich auf sein Pferd, nahm den Sack mit Gold und rief: „O edler Beschützer, nimm mich unter deinen Schutz aus Rücksicht für den Propheten!“ Sie dachte dann: „Kehre ich in die Stadt zurück, so könnte einer von den Verwandten des Soldaten mich sehen, und das wäre schlimm“; sie ging daher in die einsame Wüste und ritt zehn Tage lang umher, während derer sie sich von den Pflanzen der Erde nährte. Am elften Tage kam sie vor eine schöne befestigte Stadt; schon hatte sich der kalte Winter von ihr gewandt und der Frühling mit seinen Rosen sie neu belebt.

An den Toren der Stadt fand Sumurd viele Truppen mit ihren Befehlshabern, auch waren alle Bewohner der Stadt auf den Beinen. Sie dachte: hier muß etwas Außerordentliches sich ereignen. Als sie näher kam, marschierten die Truppen ihr entgegen, die Reiter stiegen ab, küßten die Erde vor ihr und riefen: „Gott verleihe dir Sieg, verehrter Sultan, und segne deine Ankunft!“ Sumurd fragte erstaunt, was es gebe? Der Oberstkämmerer sagte: „Der Herr, der mit seiner Gnade nicht geizt, hat dich zum Sultan dieser Stadt erhoben. Wisse, daß wenn unser Sultan ohne Erben stirbt, so ziehen die Truppen drei Tage lang vor die Stadt, und wer zuerst von der Seite herkommt, wo du hergekommen, der wird Sultan, und gelobt sei Gott, der uns einen so hübschen, jungen Türken gegeben; denn auch einen Schlechtem, als du, hätten wir als Sultan anerkennen müssen.“ Die kluge Sumurd sagte ihnen: „Glaubt nicht, daß ich zur niedern Klasse der Menschen gehöre: ich bin von vornehmer Abkunft, habe mich aber mit meinen Leuten entzweit und sie verlassen; seht nur meinen Sack mit Gold, aus dem ich schon auf meiner ganzen Reise den Armen Almosen spende.“ Alle Leute freuten sich; auch Sumurd, denn sie dachte: bin ich einmal so weit, so werde ich mich auch wieder mit meinem Herrn vereinigen, so Gott will.

Sie zog dann an der Spitze der Truppen in die Stadt und stieg vor dem Schloß ab; da umarmten sie alle Fürsten und Großen, setzten sie auf den Thron und verbeugten sich vor ihr. Sie ließ dann die Schatzkammer öffnen und allen Soldaten Geschenke austeilen; man wünschte ihr Glück und ein dauerndes Reich, und schwur ihr Gehorsam. Alle Herzen verehrten sie wegen ihrer Freigibigkeit; sie hob die Zölle auf, schenkte allen Gefangenen die Freiheit, schaffte das Unrecht ab, so daß jedermann sie liebgewann. Sobald sie aber an ihren Herrn dachte und an die glücklichen mit ihm verlebten Tage, weinte sie und recitierte folgende Verse:

„Mein Liebesschmerz ist frisch, trotz der langen Trennung, meine Tränen mehren sich und verwunden mein Auge. Ich weine, weil Liebesglut mich schmerzt, denn Trennung tut dem Liebenden weh.“

Als Sumurd im Schloß war, bestimmte sie allen Sklavinnen und Favoritinnen einen guten Gehalt, lebte aber von ihnen getrennt, ließ sich nur von jungen Eunuchen bedienen und gab vor, sie wolle nur dem Gottesdienst leben. Sie fastete und betete viel, so daß alle Leute sie für sehr religiös hielten. So lebte sie ein ganzes Jahr, ohne etwas von ihrem Herrn zu vernehmen. Sie ließ dann die Veziere und Kammerherrn rufen und Baumeister und Feldmesser kommen, um unter dem Schloß eine Rennbahn zu bauen, die eine Meile lang und ebenso breit sein sollte. Als dieses in der kürzesten Zeit, nach ihrem Wunsche, vollendet war, ließ sie sich auf dieser Rennbahn ein großes Zelt errichten, ihren Thron dahin bringen und einen großen Tisch herrichten, zu dem sie agte: Ich wünsche, daß ihr am Neumond ausrufen lasset: Heute soll niemand in der Stadt seinen aden öffnen, alle Leute sollen an der königlichen Tafel speisen.“ Als der Neumond kam, vollzogen die Veziere den Befehl des Sultans und ließen ausrufen, daß, wer seinen Laden öffne und nicht an der Tafel des Sultans sich einfinde, gehängt würde. Die Leute kamen haufenweise herbeigeströmt, und Sumurd sah auf ihrem Thron zu, wie sie am Tisch saßen und allerlei Speisen aßen, so viel jeder Luft hätte; ihr Thron war so gestellt, daß jeder glaubte, der Sultan sehe nur auf ihn. Die Veziere sagten den Leuten: „Schämt euch nicht, esset nur, der König hat seine Freude daran.“ So sättigten sich alle und wünschten dem Sultan viel Glück und sagten beim Weggehen: „In unserm Leben haben wir keinen Sultan gesehen, der so die Armen liebt; Gott erhalte ihn lange!“ Als die Leute den Tisch verließen, begab sich auch Sumurd wieder ins Schloß und freute sich mit dem, was sie getan, und dachte: So Gott will, werde ich auf diese Weise Nachricht von meinem Herrn erhalten. Am folgenden Neumonden wurden wieder dieselben Anstalten getroffen. Als Sumurd die Gäste, einen nach dem andern, betrachtete, bemerkte sie den Christen, der den Vorhang von ihrem Herrn gekauft hatte, und durch den sie ihrem Herrn entrissen worden; sie dachte: Nun beginnt schon die Erfüllung meiner Wünsche. Der Christ streckte eben die Hand nach einer Schüssel Reis mit Zucker, die etwas weit von ihm stand, so daß er sich vordrängen mußte; da sagte ihm sein Tischgenosse: „Warum ist du nicht, was vor dir steht?“ Der Christ erwiderte: „Ich will von keiner anderen Schüssel.“ - „Nun, so iß davon“, versetzte sein Nachbar, „Gott lasse es dir übel bekommen!“ Ein Haschischfresser sagte: „Lasse ihn, damit ich auch mit ihm esse.“ Der andere erwiderte: „Diese Speise ist nicht für euresgleichen du verdammter Haschischfresser, das ist ein Gericht für Emire, lasset es stehen, bis es zu denen gelangt, für die es bestimmt ist.“ Der Christ hörte aber nicht darauf, sondern nahm schnell einen Bissen aus der Schüssel und warf ihn in den Mund, und wollte schon nach einem zweiten greifen, als Sumurd einige Soldaten rief und ihnen sagte: „Bringt mir den Mann her, der eine Schüssel mit Reis vor sich hat, und werft ihm den Bissen aus der Hand!“ Vier Soldaten vollzogen ihren Befehl und stellten ihn Sumurd vor. Als die Leute dies sahen, hörten sie auf zu essen; einer seiner Tischnachbarn sagte: „Es geschieht ihm recht, warum muß er nach einer Schüssel greifen, die nicht für ihn war;“ ein anderer sagte: „Ich habe mich mit der stehenden Mehlspeise begnügt!“ Der Haschischfresser sagte: „Gelobt sei Gott, daß ich noch nichts gegessen habe, ich wartete nur, bis er die Schüssel vor sich stellte, um mit ihm zu essen!“ Alle waren begierig zu sehen, was ihm geschehen würde. Sumurd sagte zu ihm: „Wehe dir, du Blauäugiger! Wie heißt du und wie kommst du hierher?“ Der Christ, welcher einen weißen Turban auf dem Haupt hatte, verleugnete seinen Namen und sagte: „Ich heiße Ali, bin ein Weber und in Handelsgeschäften hier.“ Sumurd ließ sich eine geomantische Tafel und eine kupferne Feder bringen, zeichnete einen Affen, blickte eine Weile darauf hin, hob dann den Kopf in die Höhe und sagte: „Du lügst, Hund! Du bist ein Christ, heißt Bersum und hast ein ganz anderes Geschäft vor; sage nur die Wah rheit, oder bei der Majestät des Herrn, ich lasse dir den Hals abschlagend Der Christ kam in Verlegenheit, und alle Anwesenden sagten: „Unser König kann wahrsagend Sie forderte dann den Christen noch einmal auf, die Wahrheit zu gestehen, und er sagte: „Gnade, o König, ich bin ein Christ.“

Sumurd befahl ihren Dienern, ihm die Haut abzuziehen, ihn mit Stroh auszustopfen und an das Tor der Rennbahn aufzuhängen; dann sollte er außerhalb der Stadt verbrannt, in eine Grube geworfen und mit allerlei Unrat bedeckt werden. Als dies im Angesicht aller Leute geschah, sagten sie: „Das ist recht, wie schlecht ist ihm der Bissen bekommen.'„ Ein anderer sagte: „Ich will von meiner Frau geschieden werden, wenn ich je wieder verzuckerten Reis esse.“ Niemand wagte sich dann mehr an den Platz, wo diese Schüssel stand, und bald darauf gingen alle Leute auseinander. Am dritten Neumond wurde der Tisch wieder gedeckt und mit allerlei Speisen beladen; Sumurd saß wieder auf ihrem Thron und die Truppen standen wie gewöhnlich vor ihr und fürchteten ihre Strenge. Die Bewohner der Stadt setzten sich um den Tisch herum, mehrere betrachteten die Stelle, wo die Reisschüssel stand, und einer sagte zum andern: „Hüte dich wohl, davon zu essen, du wirst sonst gehängt.“ Als alle Leute den Wink Sumurd erwarteten, um die Mahlzeit zu beginnen, sah sie vom Thron herab einen Mann mit Ungestüm herbeikommen; und siehe da, es war der Kurde, der sie gestohlen und den, Soldaten umgebracht hatte. Dieser Kurde ging nämlich, als er seine Mutter verließ, zu seinen Kameraden zurück und sagte ihnen: „Ich habe gestern Abend reichen Gewinn gemacht: ich habe einen Soldaten getötet und sein Pferd genommen, und noch in der Nacht einen Sack mit Gold erhalten und ein Mädchen, das auch so viel wert ist; ich habe alles in der Höhle bei meiner Mutter.“ Seine Freunde gingen gegen Ende des Tages ihm freudig in die Höhle nach, fanden aber die Höhle ganz leer; er fragte seine Mutter, wo die Beute hingekommen? und sie erzählte ihm, was vorgefallen. Da nagte er an seinen Händen vor Reue und sagte: „Bei Gott! ich werde dieser Dirne nachsetzen und sie ergreifen, und wäre sie in der Schale einer Pistazie verborgen, und meinen Rachedurst an ihr löschen. So reiste er dann umher, bis er in diese Stadt kam, und da er in der ganzen Stadt keinen einzigen Mann fand, so erkundigte er sich darüber bei den Frauen, welche an den Fenstern waren; und als man ihm sagte, daß jeden Neumond alle Männer beim König speisen, ließ er sich die Rennbahn zeigen und eilte dahin. Er fand keinen leeren Platz mehr, als den, wo der Reis aufgestellt war; er setzte sich dahin und streckte die Hand darnach aus; da riefen ihm die Leute zu: „Was willst du tun? du wirst gehängt!“ Der Kurde antwortete: „Ich will an dieser Schüssel mich satt essen“, und streckte die Hand darnach aus. Sein Nachbar, der Haschischfresser, wurde nüchtern, verließ seinen Platz, setzte sich weit weg und sagte - „Ich will nichts mit dieser Schüssel zu tun haben.“ Aber der Kurde schob mit der Hand eine Quantität heraus, welche die halbe Schüssel leerte.

Er nahm dann einen zweiten Bissen, trotz der Mahnung seines Nachbars, welcher ihn aufforderte, sich über die Geschichte dieser Schüssel belehren zu lassen. Der Haschischfresser sagte: „Lasse ihn, ich fühle schon den Geruch eines Gehängten.“ Dem Kurden aber rief er zu: „Iß, Gott mag dir es übel bekommen lassen!“ Als er aber den dritten Bissen nehmen wollte, sagte Sumurd ihren Adjutanten: „Bringt mir schnell den Mann her, noch ehe er den Bissen verzehrt.“ Sie eilten auf ihn zu und führten ihn vor Sumurd. Die Leute riefen alle: „Er verdient sein Schicksal: wir haben ihn gewarnt, er wollte aber keinen Rat annehmen: dieser Platz ist von Dämonen bewohnt und dieser Reis bringt jedem, der davon ißt, Unglück.“ Sumurd fragte den Kurden: „Wie heißt du? was ist dein Handwerk und was tust du hier?“ Er antwortete: „Ich heiße Osmann, bin ein Gärtner und suche etwas Verlorenes.“ Die Königin ließ sich die geomantische Tafel bringen, schrieb etwas darauf, schaute hinein, hob den Kopf in die Höhe und sagte: „Wehe, dir! du lügst, diese Tafel sagt mir: du heißest Djewan, du bist ein Dieb, ein Kurde, ein Mörder; sage die Wahrheit, du Schwein, sonst lasse ich dir den Kopf abhauen.“

Der Kurde wurde ganz blaß bei diesen Worten, doch lächelte er und glaubte, daß wenn er die Wahrheit gestehe, er davon käme. Er sagte: „O König! wenn ich aufrichtig bin und zu Gott mich belehre -“ Sumurd ließ ihn nicht ausreden und sagte: „Ich darf keine Schlange auf dem Wege der Muselmänner lassen, führt ihn weg, zieht ihm die Haut ab und verfahrt mit ihm, wie mit seinem Vorgänger.“ Als dies geschehen, war ließ sie die Mahlzeit fortsetzen. Der Nachbar des Gehängten drehte der Reisschüssel den Rücken und sagte: „Mein Auge darf das deinige nicht sehen.“ Als gegessen war, trennte man sich, Sumurd ging wieder in ihr Schloß und entließ die Mamelucken. Am vierten Neumond versammelten sich die Leute wieder in der Rennbahn und erwarteten Sumurd, die wieder ihren Thron einnahm und den Leuten zusah. Der Platz, wo die Schüssel stand, war so leer, daß noch vier Menschen hätten davor sitzen können. Als Sumurd dies mit Erstaunen bemerkte, trat ein Mann eilig herbei, und da er keinen leeren Platz mehr fand, setzte er sich dahin, wo die Schüssel mit Reis stand. Sumurd betrachtete ihn und erkannte den gottlosen Raschid Eddin. Sie dachte: Ach, wie will ich mein Herz kühlen!

Die Geschichte dieses Mannes ist wunderbar. Als er nämlich seiner Reise zurückkam und Sumurd und einen Sack voll Gold vermißte, zerriß er seine Kleider, schlug sich ins Gesicht, riß sich den Bart aus und schickte seinen Bruder Bersum aus, um ihr nachzuspähen. Als er auch von diesem nichts hörte, ging er selbst, um ihn aufzusuchen, und das Schicksal trieb ihn in die Stadt, wo Sumurd regierte, gerade am ersten Tage des Monats; er fand die Stadt leer und sah nur Frauen an den Fenstern, die ihm den Befehl des Sultans mitteilten und ihm rieten, auf die Rennbahn zu gehen. Als er aber die Hand ausstrecken und essen wollte, ließ ihn Sumurd ergreifen und vor sich führen. Sie sagte: „Wehe dir! wie heißt du? was ist dein Geschäft und warum bist du hierhergekommen?“ Er antwortete: „O Herr! ich heiße Rustum und bin ein armer Derwisch.“ Sie ließ sich wieder Tafel und Feder bringen, schrieb etwas, schaute hinein, hob dann den Kopf auf und sagte: „Du Hund! lügst vor Königen; du heißt Raschid Eddin und dein Geschäft ist, muselmännischen Sklavinnen aufzupassen und sie zu rauben; du stellst dich als Muselmann und bist innerlich ein Christ; sage nur die Wahrheit, sonst, bei der Majestät des Herrn! schlage ich dir den Hals ab.“ Raschid sagte stammelnd: „Du sprichst wahr, o König der Zeit!“ Sie ließ ihn dann hinstrecken und ihm auf jeden Fuß hundert Prügel geben und auf seinen Körper ebenso viele; die Haut abziehen und mit Werg ausstopfen, und ihn endlich außerhalb der Stadt verbrennen, in eine Grube werfen und mit Unrat zudecken. Nach der Mahlzeit ging sie wieder in ihr Schloß und sagte: „Gelobt sei Gott, daß ich mein Herz gekühlt an denen, die mir Böses getan.“ Dann fiel ihr aber ihr Herr Ali Schir ein; sie dachte: wie lange währt die Trennung! und weinte, bis sie in Ohnmacht fiel. Als sie wieder zu sich kam, flehte sie Gottes Gnade an und dachte: vielleicht wird Gott mich doch bald mit ihm vereinigen, denn er ist allmächtig, und rezitierte folgende Verse:

„Du bist mein einziges Verlangen, nach dir gehen alle meine Wünsche; deine Nähe ist mein Paradies. Bei dir ist ewige Wonne, fern von dir die Hölle. Ich werde nie aufhören, dich mit rasender Liebe im Herzen zu tragen. Ich gefalle mir in meiner Liebe, obschon die Tränen, die sie mir entlockt, alle meine Geheimnisse verraten. Ich will als Märtyrer durch das Schwert des Geliebten umkommen, das schon manche der Besten hinweggerafft. Heil dem Auge, das sich an deinem Anblick sättigen kann; mein Herz schmachtet darnach und ist vor Sehnsucht außer sich.“

Sumurd lebte noch einen ganzen Monat, sich des Tags mit den Regierungsangelegenheiten beschäftigend und des Nachts weinend und trauernd. Als wieder Neumond war, fanden die gewöhnlichen Festlichkeiten statt, und der Platz, vor welchem der Reis stand, blieb leer. Sumurd hatte die Augen nach der Rennbahn gerichtet, um zu sehen, wer kommen würde, und betete im Stillen: Gütiger Gott, der du Jakob seinen Sohn Joseph wiedergabst, schenke mir meinen Herrn Ali Schir wieder, du bist ja allmächtig. Kaum hatte sie so gebetet, da schlich ein schmächtiger Mann wie eine Jungfrau herbei; er war sehr blaß und doch der Schönste unter allen Männern; da er keinen leeren Platz mehr fand, setzte er sich vor die Reisschüssel. Sumurd faßte ihn genau ins Auge und erkannte ihren Herrn Ali Schir. Sie wollte vor Freude laut schreien, faßte sich aber aus Scham vor den Leuten und blieb ruhig auf ihrem Thron sitzen, so daß niemand etwas merkte. Die Ursache von Ali Schirs Ankunft war folgende: Als er auf der Bank erwachte, nachdem der Kurde Sumurd entführt hatte, fand er sich ohne Kopfbedeckung und merkte, daß ihm jemand im Schlaf seinen Turban gestohlen hatte; er sagten den Spruch, den jeder ohne Scham im Munde führen mag: „Wir sind Gottes und kehren zu ihm zurück.“ Er ging dann zur Alten, die ihm von Sumurd Nachricht gegeben, klopfte an ihre Tür, und als sie herauskam, weinte er vor ihr, bis er in Ohnmacht fiel. Als er wieder zu sich kam, erzählte er ihr, was ihm geschehen. Aber die Alte schmähte ihn, machte ihm Vorwürfe und schlug ihn, bis er aus der Nase blutete und wieder in Ohnmacht fiel.

Als Ali sich wieder erholte, sprach er folgende Verse:

„Wie bitter ist die Trennung den Liebenden und wie süß das Wiedersehenl Gott vereinige alle Liebenden, und beginne mit mir, denn ich bin dem Tode nahe.“

Die Alte bemitleidete ihn wieder und sagte: „Bleibe hier, bis ich Kundschaft einziehe.“ Sie blieb bis Mittag aus, kam wieder und sagte: „Ali, wenn du über den Verlust Sumurds sterben willst, so stirb nur, denn du siehst sie nie wieder; wisse, daß die Bewohner des Schlosses morgens das Fenster ausgehoben fanden, das auf die Straße geht und Sumurd mit einem Geldsack vermissen. Ich habe schon an der Tür des Schlosses den Polizeiobersten und die Pedellen gesehen; es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer Gott, dem Erhabenen.“ Als Ali Schir dies gehört, entbrannte eine mächtige Flamme in seinem Herzen, er wurde heftig krank und die Ärzte verzweifelten an seinem Leben. Aber die Alte brachte ihm Ärzte und kochte ihm ein ganzes Jahr lang Suppen, bis er sich wieder erholte. Am Anfang des zweiten Jahres sagte die Alte: „Mein Sohn, wenn du hier bleibst, wirst du deine Geliebte nie wieder finden: mache dich auf und reise umher, vielleicht kannst du etwas von ihr erfahrene Sie flößte ihm Lebensmut ein, führte ihn ins Bad, gab ihm Wein zu trinken und einen Hahn zu essen und pflegte ihn solange, bis er wieder ganz bei Kräften war; dann reiste er lange umher, bis er in die Stadt Sumurds kam. Schon streckte er die Hand aus, um zu essen; seine Tischnachbarn bemitleideten ihn und sagten: „Iß nicht von dieser Schüssel.“ Er erwiderte: „Laß mich nur essen, sie mögen mir tun, was sie wollen, vielleicht bekomme ich Ruhe von diesem qualvollen Leben.“ -Er aß drei Bissen nacheinander; Sumurd wollte ihn zu sich rufen lassen, aber sie dachte: er soll sich zuerst sättigen; alle Leute waren begierig zu sehen, was ihm geschehen würde. Als er sich satt gegessen hatte, sagte die Königin zu einem ihrer Verschnittenen: „Geh zu dem jungen Mann, der Reis gegessen, und sage ihm: der König will zu deinem Besten mit dir sprechen, und bringe ihn in artiger Weise hierher.“ Der Verschnittene ging zu ihm und sagte ihm: „Der König will mit dir sprechen, freue dich nur!“ Als Ali vor Sumurd geführt wurde, schrieen alle Leute: „Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer Gott, dem Erhabenen! wie wird es ihm wohl gehen?“ Doch sagte einer: „Es wird ihm gut gehen sonst hätte der König nicht gewartet, bis er sich satt gegessen.“ Ali verbeugte sich vor Sumurd und grüßte sie. Sumurd erwiderte freundlich seinen Gruß und fragte ihn: „Wie heißt du? was ist dein Geschäft und warum bist du hierher gekommen?“ Ali antwortete: „O König! mein Name ist Ali Schir; ich bin ein Kaufmann aus Torasan und suche meine Sklavin. Das ist meine Geschichte.“ Er weinte dann heftig bis er in Ohnmacht fiel. Sumurd ließ ihn mit Rosenwasser bespritzen, bis er sich wieder erholte; dann ließ sie sich wieder Tafel und Feder bringen schrieb etwas hinein und sagte: „Du hast wahr gesprochen, Gott wird dich bald mit ihr vereinen; verzage nicht.“ Sie befahl dann einem Diener, ihn ins Bad zu führen und nachher auf einem von des Königs Pferden ins Schloß zu bringen. Viele Leute sagten spottend untereinander: „Das ist schön, der Sultan ist mit einem Bettler zusammen.“ Manche sagten: „Gewiß, weil der Fremde so schön ist, ich wußte es gleich, sonst hätte er nicht gewartet, bis er sich gesättigt hat.“ Dann trennten sich die Leute und Sumurd konnte die Nacht nicht erwarten, um mit dem Geliebten ihres Herzens allein zu sein. Als endlich der Mond zu leuchten anfing, ließ sie ihn holen und empfing ihn auf dem Thron, vor welchem Wachslichter brannten und den die Sterne beleuchteten. Ali verbeugte sich vor ihr und wünschte ihr Glück. Sie aber wollte eine Weile Scherz mit ihm treiben. Sie sagten ihm: Aß etwas Hahn und Fleisch und trinke Wein mit Zucker, denn du bist müde; dann komm her.“ Als er gegessen und getrunken hatte, rief sie ihn zu sich und ließ sich ihre Füße von ihm kneipen. Dann forderte sie ihn auf, sich zu ihr auf den Thron zu setzen, und als er sich sträubte, umarmte sie ihn und sagte: „Ich bin deine Sklavin Sumurd.“

Am folgenden Morgen ließ Sumurd die Befehlshaber der Truppen und die Großen des Reichs versammeln und sagte ihnen: „Ich werde eine Reise nach dem Lande dieses Mannes machen, wählt einen Stellvertreter, der bis zu meiner Rückkehr über euch regiere.“ Als die Wahl vorüber war, begann sie sich zur Reise vorzubereiten, nahm Lebensmittel, Gold und allerlei Kostbarkeiten, reiste mit Ali Schir in seine Heimat, ging in sein Haus, teilte viele Geschenke aus und gab viele Almosen, gebar ihm mehrere Kinder und lebte höchst glücklich mit ihm, bis der Zerstörer aller Freuden, der alles trennende Tod, sie überfiel.

Geschichte Ibn Manßurs und der Frau Bedur. Der Kalif Harun Arraschid hatte einst eine schlimme Nacht; er fühlte sich so beklommen, daß er sich von einer Seite zur anderen herumwälzte und nicht einschlafen konnte. Da sagte er zu Masrur: „Verschaffe mir ein Mittel zur Erheiterung.“ Masrur sagte: „Willst du in den Garten gehen, der im Palast ist, und die Sterne aufgehen sehen und den Mond, der in ihrer Mitte sich im Wasser spiegelt?“ Der Kalif antwortete: „Dazu habe ich keine Lust.“ Da sagte Masrur: „Mein Herr! du hast dreihundert Mädchen in deinem Schloß: wenn du willst, so gebiete ich einer jeden, sich allein in ihr Gemach zurückzuziehen; du machst dann die Kunde bei ihnen und unterhältst dich dabei.“ Harun erwiderte: „O Masrur! das Schloß ist das meinige und die Mädchen sind mein Eigentum, das macht mir keine Freude.“ Da sagte Masrur: „So will ich deinen Gesellschaftern und den Dichtern befehlen, daß sie dir Gedichte rezitierend - Der Kalif versetzte: „Auch dafür habe ich jetzt keinen Sinn.“ - „Nun“, versetzte Masrur, „laß mir den Kopf abschlagen, vielleicht wird dir dann besser.“ Der Kalif lachte und sagte: „Sieh einmal, wer von den Gesellschaftern an der Tür ist.“

Masrur ging hinaus, kehrte wieder zurück uns sagte: „Ali, der Sohn Manßurs, der Schalk aus Damaskus, ist an der Türe.“ Der Kalif sagte: „Bring mir ihn her!“ Ali grüßte den Kalifen. Dieser erwiderte ihm seinen Gruß und sagte: „O Sohn Manßurs! erzähle mir doch eine deiner Geschichten.“ Ali sagte: „Soll ich etwas Überliefertes erzählen, oder etwas, das ich mit Augen gesehen?“ Der Kalif antwortete: „Erzähle lieber, was du selbst gesehen, denn etwas Anderes ist, was man gehört hat, und etwas Anderes, was man mit eigenen Augen sieht.“ Da erzählte Ali: Wisse, ich habe jedes Jahr einen Gehalt von Mohamed, dem Sohne Suleimans, Statthalter von Baßrah, zu beziehen. Als ich einst nach meiner Gewohnheit zu ihm reiste, fand ich ihn bereit, auf die Jagd zu reiten; er lud mich ein, mit ihm zu reiten, ich sagte aber, daß ich nicht reiten könne, und bat ihn, mich in dem für Gäste bestimmten Hause zu lassen; er empfahl mich den Kammerherren, die mich mit viel Auszeichnung bewirteten. Da dachte ich: Bei Gott; wunderbar! ich komme nun schon solange nach Baßrah und kenne nichts, als das Schloß des Statthalters und den Garten; wann werde ich so gut Zeit haben wie jetzt, umherzugehen und die Stadt zu sehen? Ich beschloß daher auszugehen, um auch zugleich mein Essen zu verdauen, zog daher meine schönsten Kleider an und ging allein in der Stadt herum, und du weißt, o Fürst der Gläubigen, daß Baßrah siebzig Quartiere hat, jedes siebzig Meilen groß; ich verirrte mich bald und wurde durstig. Auf einmal kam ich vor eine große Türe mit zwei messingnen Ringen und einem roten Vorhange, vor welcher ein paar Bänke, von Reben umschattet, standen, Ich setzte mich vor diese Tür und hörte eine rührende Stimme aus einer traurigen Brust folgende Verse rezitieren:

„Mein Körper ist ein Sitz der Krankheit und der Trauer geworden, wegen eines jungen Rehs, das fern von mir weilt. O ihr Zephyre der Wüste, die ihr meinen Schmerz aufwühlet, kehrt ein bei ihm, ich beschwöre euch, und machet ihm Vorwürfe, vielleicht wendet er sich mir wieder zu. Gebt ihm gute Worte, wenn er aufhorcht, erzählt von Liebenden, seid gütig gegen mich und fragt ihn auf mich anspielend: Warum soll ich schuldlos durch Trennung verderben? Nie war ich ihm ungehorsam, nie brach ich den Liebesbund; lächelt er, so fraget ihn: was würde es schaden, wenn du ihr Wiedervereinigung gewährtest? sie liebt dich, wie sie soll, und bringt ihre Nächte schlaflos in Tränen und unter Seufzen zu. Zeigt er sich gütig, so ist mein Wunsch erfüllt, findet ihr ihn aber zornig, so führt ihn irre und stellt euch, als kennt ihr mich nicht.“

Ich dachte: ich möchte wohl mit meinen Augen die Person sehen, die eine so schöne Stimme hat. Ich näherte mich der Tür und hob den Vorhang auf: da sah ich ein weißes Mädchen, schön wie der Mond, mit sich aneinander schließenden Augenbrauen, mit Augen und als, wie die einer Gazelle, Lippen wie Karneol. Ihr Mund glich Salomons Siegelring, ihre Zähne den klarsten Perlen, ihr Busen Granatäpfeln und ihre Brust dem Marmor eines Badehauses, wie ein Dichter sagte:

„Wenn sie sich nähert, bringt sie den Tod, und wenn sie den Rücken kehrt, verwunden ihre Pfeile jedes liebende Herz. Sie gleicht der Sonne und dem Mond, doch ist es nicht ihre Art, sich fern zu halten, in ihren Armen öffnet sich die Pforte des Paradieses und über ihrem Hals strahlt der Vollmond.“

Als das Mädchen mich erblickte, sagte es ihrer Sklavin: „Sieh, wer an der Tür ist.“ Die Sklavin kam zu mir und sagte: „O alter Mann, schämst du dich nicht, mit deinem grauen Haar in ein fremdes Haus einzudringen, um anderer Leute Frauen zu sehen?“ Ich antwortete: „Entschuldige mich, ich bin hier fremd und sterbe halb vor Durst.“

Da rief das Mädchen eine ihrer Sklavinnen und sagte ihr: „Gib ihm aus dem goldenen Becher zu trinken.“ Sie brachte mir einen goldenen Becher, mit Perlen und Edelsteinen besetzt, nach Moschus duftend und mit einem grünen seidenen Tuche zugedeckt. Ich trank langsam und warf dem Mädchen verstohlene Blicke zu, dann gab ich den Becher zurück und blieb stehen. Da sagte das Mädchen: „Was willst du noch?“ Ich erwiderte: „Ich denke über den Wechsel des Schicksals nach.“ - „Du hast recht: die Zeit übt Wunder; doch, was veranlaßt dich dazu?“ - „Ich dachte an den Besitzer dieses Hauses, der mein Freund war.“ - „Wie hieß er denn?“ - „Sein Name war Mohamed, der Sohn Alis, des Juweliers; er war ein sehr reicher Mann: hat er wohl Kinder hinterlassend - „Eine Tochter, welche Bedur heißt und sein ganzes Vermögen geerbt hat.“ - „Mir ist, als wärest du diese Tochter.“ - „Ja, die bin ich auch; doch hast du nun lange genug geschwatzt, geh jetzt deines Wegs.“ - „Gut; doch ich sehe schwere Sorgen auf deinem Gesicht: mache mich mit deinem Schicksal bekannt, vielleicht kann ich dir helfen.“ - „wenn du ein zuverlässiger Mann bist, so will ich dir mein Geheimnis vertrauen: doch sage mir zuerst, wer bist du denn?“ - „Meine Dame, ich bin AB, der Sohn Manßurs, der Schalk aus Damaskus, der Tischgenosse Harun Arraschids, der Fürsten der Gläubigen.“ Als sie meinen Namen hörte, stieg sie vom Sofa herunter, grüßte und bewillkommte mich und sagte: „Ich liebe und bin von meinem Geliebten getrennte - „Du bist ja so vornehm und hübsch, und liebst gewiß auch nur einen edlen Mann.“ - „Ich liebe Djubeir, den Emir der Söhne Scheiban, den schönsten und gebildetsten Mann seiner Zeit.“ - „Wechselt ihr keine Briefe miteinander und habt ihr keine Zusammenkünfte?“ - „Freilich! doch ist noch kein Ehekontrakt zwischen uns geschlossen.“ - „Und wie habt ihr euch denn entzweit?“ - „Eines Tages machte mir diese Sklavin hier die Haare, und als sie mir meine Zöpfe geflochten hatte, gefiel ich ihr so gut, daß sie über mich herfiel und mir die Wangen küßte. Djubeir trat plötzlich herein, und als er dies sah, ging er zornig weg, und seither läßt er nichts mehr von sich hören.“ - „Und was kann ich jetzt für dich tun?“ - „Bring ihm einen Brief von mir: wenn er dir eine Antwort gibt, so sollst du fünfhundert Dinare von mir haben; wo nicht, gebe ich dir hundert Dinare für deine Mühe.“ Als ich mich dazu bereit erklärte,- ließ sie sich von einer Sklavin Tinte und Papier bringen und schrieb folgende Verse:

„O Geliebter! wie lange soll noch dieser Zustand dauern? wo ist unsere frühere Liebe hingekommen? wie lange soll noch der Schlaf mich fliehen? wann werde ich dein altes Gesicht wiederfinden? Gewiß hast du den Verleumdern dein Ohr zugeneigt, aber hüte dich, ihren falschen Worten zu glauben. Bei deinem Leben! sprich, was hast du von ihnen gehört? du weiß es ja, sei nur gerecht! Bedenke, wie leicht jedes Wort verunstaltet werden kann; ist nicht selbst die Tora, das Wort Gottes, von einem ganzen Volke verfälscht worden? Wie oft haben sich schon falsche Gerüchte verbreitet! Hat Jakob geglaubt, Joseph habe gestohlen? Einst wird ein furchtbarer Tag kommen, wo du und ich und meine Verleumder alle zusammentreffen werden.“

Sie versiegelte den Brief und überreichte ihn mir. Ich ging zu Djubeir und wartete in seinem Haus, bis er von der Jagd zurückkam. Als ich ihn auf seinem Pferd sah, verblendete mich seine Schönheit ganz. Er kannte mich aber, grüßte und umarmte mich, und ich glaubte die ganze Welt zu umarmen; er führte mich dann in sein Haus und ließ mich auf sein Sofa sitzen. Nachdem wir ausgeruht waren, wurde ein Tisch, vom feinsten Holz aus Chorasan, mit allerlei Backwerk, Braten und süßen Speisen beladen, vor uns aufgestellt.

Als mich Djubeir zum Essen einlud, schwur ich: „Bei Gott, ich werde keinen Bissen essen, bis du mein Anliegen anhörst.“ Er fragte: „Und worin besteht es?“ Da überreichte ich im Bedurs Brief. Als er ihn gelesen und den Inhalt verstanden hatte, zerriß er ihn, warf ihn auf den Boden und sagte. „O Ibn Manßur! was du auch für ein Anliegen haben magst, ich will es dir gern gewähren, doch diesen Brief werde ich nicht beantwortend Ich stand zornig auf, aber er hielt mich am Kleid fest und sagte: „Ich will dich etwas fragen.“ - „ Was denn?“ - „Hat dir nicht die Schreiberin dieses Briefs fünfhundert Dinare versprochen, wenn du ihr eine Antwort bringst, und hundert Dinare für deinen Gang?“ - „Ja“ - „Nun, bleibe heute bei mit, iß und trink, du sollst von mir fünfhundert Dinare haben.“ Ich blieb bei ihm, wir aßen und tranken und unterhielten uns mit allerlei Erzählungen. Dann sagte ich: „Mein Herr! gibt es keinen Gesang in deinem Hause?“ Er erwiderte: „Bei Gott, du hast recht, wir trinken schon gar zu lange ohne Musik.“ Er rief hierauf eine Sklavin aus ihrem Gemache; sie kam mit einer fein polierten Laute in einem seidenen Sack, setzte sich, legte sie auf ihren Schoß, präludierte ein wenig und sang dann folgende Verse:

„Wer die Süßigkeit und das Bittere der Liebe nicht kennt, der weiß die Nähe des Geliebten von seiner Anwesenheit nicht zu unterscheiden. Wer nicht den rechten Pfad in der Liebe wandelt, dem sind sanfte und rauhe Pfade gleich. Ich habe mich der Liebe hingegeben, bis ich mit ihren Freuden und ihrem Leid vertraut wurde. Ich habe den Kelch der Liebe so weit geleert, daß ich vor Freien und vor Sklaven mich demütigte. Wie manche Nacht hat mein Geliebter bei mir zugebracht und mich aus seinem Munde Wonnetrank küssen lassen. Aber die Nacht unserer Vereinigung war so kurz, als hätte die Morgenröte den Abend berührt; dann hat das Schicksal gelobt, uns zu trennen und bald hat es sein Gelübde erfüllt. Doch wer kann sich der Bestimmung widersetzen? welcher Sklave kann den Befehl seines Herrn trotzen?“ Als die Sklavin diese Verse gesungen hatte, schrie ihr Herr laut auf und fiel in Ohnmacht. Die Sklavin sagte nur: „Möge dich Gott nicht strafen! wir trinken schon lange ohne Gesang und unser Herr bleibt ruhig. Nun gehe in dein Gemach, dort ist ein Bett für dich, unser Herr wird diese Nacht nicht mehr zum Bewußtsein zurückkehren.“

Ich schlief in meinem Zimmer bis zum folgenden Morgen, da kam ein Junge und brachte mir fünfhundert Dinare und sagte: „Hier ist, was mein Herr dir versprochen, du brauchst nicht zu dem Mädchen zurückzugehen, niemand hat uns gehört, und wir werden alles verschweigend Ich nahm den Beutel, ging fort und dachte: Das Mädchen erwartet dich, bei Gott! ich muß zu ihr und ihr erzählen, was zwischen mir und ihrem Geliebten vorgefallen, sie wird sonst über mich und alle meine Landsleute schimpfen. Als ich zu ihr kam, sagte sie, sobald sie mich sah: „Deine Sendung ist nicht gelungene - „Woher weißt du das?“ - „Soll ich dir noch mehr sagen? als du ihm den Brief gabst, zerriß er ihn, warf ihn weg und sagte dir, er wolle dir alles gewähren, nur diesen Brief nicht beantworten. Du standest dann zornig auf, er hielt dich aber zurück, bot dir fünfhundert Dinare an und hieß dich den Tag über bei ihm bleiben. Du unterhieltst ihn dann, eine Sklavin kam zuletzt und sang, bis Djubeir in Ohnmacht fiel.“ - „Warst du denn bei uns?“ - „Weist du nicht, was einmal ein Dichter sagte:

„Die Herzen der Liebenden sehen besser, als anderer Menschen Augen.“

Bedur fuhr dann fort: „O Ibn Manßur! es vergeht kein Tag und keine Nacht über etwas, ohne daß eine Veränderung damit vorgehe.“ Sie hob dann ihr Aug gen Himmel und sprach: „Mein Gott und mein Herr! verpflanze die Liebe, die ich für Djubeir fühle, in sein Herz.“ Hierauf gab sie mir hundert Dinare, ich verließ sie und ging zum Statthalter von Baßrah, der von der Jagd zurück war, nahm meinen Gehalt in Empfang und kehrte wieder nach Bagdad zurück. Als ich im folgenden Jahre wieder nach Baßrah kam und nach vollendetem Geschäft, nach Bagdad zurückreisen wollte, dachte ich: bei Gott! ich will doch einmal sehen, was zwischen Bedur und ihrem Geliebten sich ereignet hat; ich ging nach ihrem Haus, da fand ich vor der `Ihr rein gekehrt und gespritzt, ich sah schöne Teppiche und eine Menge Diener und dachte: gewiß hat der Gram das Mädchen getötet, und nun wohnt irgend ein Emir in ihrem Hause. Ich ging weg und begab mich nach Djubeirs Wohnung, da fand ich die Bänke zerstört und kein Diener war an der Türe, ich dachte: der ist gewiß auch gestorben, blieb eine Weile an der Türe stehen und sprach folgende Trauerverse:

„O meine Freunde! sie sind dahin und mein Herz folgt ihnen; o kehrten sie doch wider, das wäre ein Festtag für uns. Ich stehe vor eurer Wohnung und klage und weine; ich frage die trauernden Ruinen des Hauses: wo sind die, welche so selig in euren Mauern waren? Ziehe weiter (antworten sie), die Freunde sind ausgewandert und ruhen unter der Erde. Möge uns Gott ihre schönen Handlungen nach allen Seiten hin vorführen, und ihre Verdienste nie verhüllen!“ Während ich so die Bewohner dieses Hauses betrauerte, trat ein schwarzer Sklave zu mir heraus und sagte: „O hätte dich deine Mutter doch nie geboren! was betrauerst du dieses Haus so?“ Ich antwortete: „Es gehörte einem meiner Freunde.“ - „Wie hieß er denn?“ - „Djubeir; sage, was ist ihm denn geschehend - „Er ist ganz wohl, nur hat ihn Gott mit der Liebe eines Mädchens heimgesucht, welches Bedur heißt, und die Liebe hat ihn in einen harten Felsenstein verwandelt; wenn er hungert, fordert er nicht zu essen, und wenn er dürstet, sagt er nicht: gebt mir zu trinken.“ - „Fragt ihn einmal, ob ich ihn besuchen darf.“ - „Mein Herr! willst du einen verständigen Mann oder einen Verrückten besuchen?“ - „Ich muß jedenfalls zu ihm.“ Der Sklave führte mich zu Djubeir, ich redete ihn an, er blieb aber wie ein Stein und sprach kein Wort. Eine seiner Sklavinnen sagte mir dann: „Rede ihn in Versen an, sonst wird er dir nicht antwortend Ich richtete folgende Verse an ihn:

„Hast du Bedurs Liebe vergessen, oder tust du dir Gewalt an? Durchwachst du deine Nächte, oder schläft dein Auge? Wenn deine Tränen reichlich fließen, so wisse, daß deine Schuld die größere ist.“

Da öffnete er seine Augen, hieß mich willkommen und sagte: „Nun ist der Scherz Ernst gewordene Ich sagte: „Mein Herr! bedarfst du mein?“ Er antwortete: „Ich will dir einen Brief mitgeben: bringst du mir Antwort, so sollst du tausend Dinare; wo nicht, so gebe ich dir zweihundert Dinare für deinen Gang.“ Ich sagte: „Tue, was dir gutdünkt.“

Djubeir ließ sich von einer Sklavin Tinte und Papier bringen und schrieb folgende Verse:

„Ich beschwöre Euch bei Gott, habt Geduld mit mir, denn die Liebe hat mir den Verstand geraubt. Einst schätzte ich die Liebe gering und hielt sie für etwas Leichtes, nun hat sie sich meiner bemächtigt und treibt mich auf einem stürmischen Meer wild umher, und ich entschuldige ihre Opfer. Habt nun Mitleid mit mir und beglückt mich mit Eurer Nähe.“

Er versiegelte dann den Brief und überreichte nur ihn. Ich ging damit zu Bedur und hob den Vorhang wie früher ein wenig zurück; da sah ich zehn Jungfrauen wie der Mond und in ihrer Mitte war Bedur, welche man keinen Kummer mehr ansah. Als sie mich erblickte, bewillkommte sie mich und hieß mich hereinkommen; ich näherte mich ihr, grüßte sie und überreichte ihr Djubeirs Brief. Als sie ihn gelesen und verstanden hatte, sagte sie lachend: „Ein Dichter hat gesagt:

„Ich ertrage standhaft deine Liebe und warte mit Geduld, bis wieder ein Bote von dir zu mir kommt.“

„Nun, Ibn Manßur, ich will ihm antworten, damit er dir gebe, was er dir versprochene Ich dankte ihr, sie ließ sich von einer Sklavin Tinte und Papier bringen und schreib folgende Verse:

„Warum habt Ihr mich verlassen, als ich Euch treu war? Warum wart Ihr ungerecht, als ich gerecht war? Ihr allein habt die Trennung gewollt, als ich sorgsam die Liebe pflegte und Eure Ehre schonte. Nun habe ich mit eigenen Augen gesehen und auch von anderen gehört was mir an Euch mißfällt. Soll ich mich erniedrigen und Euch länger verehren? Wahrlich, hättet Ihr mich geehrt, so wäret Ihr auch von mir geehrt worden, nun will ich aber mein Herz von Euch abwenden und Eure Liebe ganz abschütteln.“

Ich sagte: „Bei Gott! Meine Herrin, dieser Brief wird ihm den Tod geben.“ Ich zerriß

ihn und bat sie, andere Verse zu schreiben. Sie schrieb:

„Ich bin getröstet und der Schlaf ergötzt mein Auge wieder, denn die Tadler haben mir alles berichtet; mein Herz hat Euch nun vergessen und meine Augenlider wollen nicht länger wachen.“

Ich sagte: „Bei Gott! meine Herrin, sobald er diese Verse zu Gesicht bekommt, wird die Seele aus seinem Körper entfliehen.“ Sie versetzte: „Nun, Ibn Manßur, so weit ist es gekommen.“ Ich erwiderte: „Er verdient noch mehr als dies, aber Verzeihung ist eine Tugend edler Menschen.“

Sie ließ sich dann wieder Tinte und Papier reichen und schrieb mit Tränen im Auge einen Brief, wie ihn niemand im Divane zu schreiben imstande wäre. Es waren auch folgende Verse darin:

„Wie lange noch so hochmütig und so ungerecht? Solltest du geheilt sein, während mein Herz mächtig pocht? Habe ich, ohne es zu wissen, gefehlt, so sage mir, was war mein Vergehen? Du bist mir teurer, als der Schlaf meinen Augen; hast du den Liebeskelch geleert, so tadle mich nicht, wenn du mich betrunken siehst.“

Als Bedur geschrieben hatte, versiegelte sie den Brief, ich sagte: „Dieser Brief muß jeden Kranken heilen“, nahm ihn und ging damit fort; da rief sie mir noch nach: „Sage ihm, ich werde diesen Abend sein Gast sein.“ Ich freute mich sehr und eilte zu Djubeir, dessen Augen stets nach der Tür gerichtet waren, weil er eine Antwort erwartete: Sobald er den Brief gelesen hatte, schrie er laut auf und fiel ihn Ohnmacht. Als er wieder zu sich kam, sagte er: „O Ibn Manßur! hat Bedur diesen Brief mit ihrer Hand geschreiben?“ Ich erwiderte: „Mein Herr! schreiben denn die Leute mit den Füßen?“ Und bei Gott, kaum hatte ich dies gesagt, so hörten wir schon das Geklirr ihrer Fußringe. Als Djubeir sie sah, sprang er auf und umarmte sie, als hätte er gar keinen Schmerz mehr. Dann setzte er sich nieder; sie aber blieb vor ihm stehen, und als ich sie fragte, warum sie nicht neben ihm Platz nehme, sagte sie: „Ich setzte mich nur unter einer Bedingung.“ Ich fragte, was das für eine Bedingung wäre? Sie erwiderte: „Das ist ein Liebesgeheimnis, das niemand wissen darf.“ Sie sagte dann Djubeir etwas ins Ohr, worauf dieser antwortete: „Recht gerne.“ Dann sprach er geheim mit einem seiner Sklaven, der sogleich wegging und bald wieder mit dem Kadhi und zwei Zeugen zurückkam. Djubeir holte einen Beutel mit tausend Dinaren und sagte zum Kadhi: „Schreibe den Ehe-Kontrakt zwischen mir und diesem Mädchen, hier sind tausend Dinare als Morgengabe.“

Der Kadhi fragte sie, ob sie einwillige, und als sie seine Frage bejahte, schrieb er den Kontrakt. Bedur nahm dann eine Hand voll Gold, gab es dem Kadhi und den Zeugen und reichte Djubeir das übrige Geld zurück. Ich blieb dann in angenehmster Unterhaltung bei ihnen, bis der größte Teil der Nacht vorüber war. Dann dachte ich: Hier sind zwei Liebende, die lange getrennt waren, ich will sie nun allein lassen. Als ich aber aufstand, hielt mich Bedur zurück und sagte: „Was ist dir eingefallen? Du hast gewiß gedacht, wir wollten allein sein, aber bleibe nur sitzen, wir wollen dir schon sagen, wenn du gehen sollst.“ Ich blieb noch bei ihnen bis nahe am Morgen. Dann hieß mich Bedur in ein Zimmer gehen, wo ein Bett für mich war, und ich schlief bis in den Tag hinein.

Als ich aufstand, kam ein Diener mit einem Waschbecken, ich wusch mich und betete das Morgengebet. Da kamen Djubeir und seine Frau aus dem Bad, das im Hause war, und preßten ihre Locken aus; ich wünschte ihnen guten Morgen und Glück zu ihrer Vereinigung und sagte: „Wer ein frommes Versprechen macht und es hält, dem geht es gut.“ Djubeir erwiderte: „Du hast recht und verdienst es.“ Er rief dann seinen Schatzmeister und ließ mir tausend Dinare geben. Ich sagte aber: „Ich werde nichts nehmen, bis du mir erzählst, warum du sie wieder so heftig geliebt, nachdem du solange von ihr getrennt bliebst.“ Er antwortete. „Wisse, wir haben ein Fest, man nennt es das Schifferfest, da fahren alle Leute im Nachen spazieren. Ich fuhr auch mit meinen Freunden aus, da sah ich einen Nachen mit zehn Mädchen darin wie der Mond; Bedur war in ihrer Mitte und hatte ihre Laute bei sich. Ich folgte ihrem Nachen und hörte, wie sie sang:

„Feuer ist kälter, als die Flamme meines Herzens, Felsen sind weicher, als das Herz meines Geliebten; ich wundere mich über seine sonderbare Natur: wie schlägt ein so hartes Herz in einem Körper, welcher sanfter ist als Wasser?“ Ich bat sie, diese Verse zu wiederholen, aber sie weigerte sich. Da sagte ich den Matrosen, sie sollten ihr Orangen nachwerfen, und sie taten dies in solchem Maße, daß ich befürchtete, ihr Nachen möchte untergehen; hierauf ging sie ihres Weges fort und meine Liebe zu ihr nahm zu.“ Ich wünschte ihnen dann noch einmal Glück zu ihrer Wiedervereinigung, nahm die tausend Dinare und kehrte in mein Heimat zurück.

Der Kalif war durch diese Geschichte zerstreut und sein Geist heiterte sich wieder auf.

In der nächsten Nacht begann Schehersad die

Geschichte der sechs Mädchen. Einst saß Mamun, der Fürst der Gläubigen, in seinem Schloß, von vielen Dichtern, Gesellschaftern und Staatsräten umgeben; da wendete er sich zu einem seiner Tischgenossen, sein Name war Mohamed, und sagte ihm: „Erzähle mir etwas, was ich nie gehört.“ Mohamed fragte: „Soll ich etwas erzählen, was ich selbst gesehen, oder was ich gehört habe?“ Mamun erwiderte: „Erzähle, was du gesehen, das ist doch besser, als was man nur gehört hat.“ Da begann Mohamed:

Ein reicher Kaufmann aus dem südlichen Arabien, der sich in Bagdad niederließ, hatte sechs Sklavinnen: die eine war weiß, die andere braun, die dritte stark, die vierte mager, die fünfte gelb und die sechste schwarz; alle aber hatten schöne Gesichtszüge und besaßen einen hohen Grad von Bildung und große Fertigkeit in Gesang und Musik. Eines Abends, als die alle beisammen waren, gegessen, getrunken, Verse rezitiert und gesungen hatten, sagte ihnen ihr Herr: „Ihr habt doch alle den Koran gelesen, seid in der alten Geschichte bewandert und kennt die besten Gedichte; bewähret nun eure Belesenheit dadurch, daß eine jede von euch ihre Vorzüge und die Mängel der anders Aussehenden hervorhebe und Belege dafür aus dem Koran, aus Dichtern und alten Sagen anführe.“ Da erhob sich die weiße Sklavin und sagte, zur schwarzen hinblickend: „Wehe dir! ich bin das helle Licht und der klare Mond. Meine Farbe ist die der weißen Rose, des freundlichen Tages, dar schimmernden Sterne. Auch hat der Prophet Gottes gesagt: Die, deren Gesicht weiß (unschuldig) ist, werden ewig in der Gnade Gottes verharren; die Muselmänner sind durch weiße Turbane von den Ungläubigen unterschieden, auch fällt der Schnee weiß vom Himmel herunter. Ich könnte noch unendlich viele Vorzüge der weißen Farbe herzählen, aber ich. gehe lieber zu deinen Mängeln über, du schwarzes Werk eines Schmieds, du Trennung bringender Rabe. Kennst du nicht die Worte des Dichters:

„Kostbar ist die weiße Perle, aber schwarze Kohlen haben nur geringen Wert; ein weißes Gesicht verkündet Glück und Freude, ein schwarzes deutet auf eine Höllennatur.“

„Du wirst auch wohl wissen, daß die Schwarzen von Cham abstammen, den Noah wegen seiner Unbescheidenheit verfluchte und nach Abessinien verbannte; auch stimmen alle Leute darin überein, daß die Schwarzen wenig Verstand haben, und es gibt ein Sprichwort, ein Schwarzer und ein Verständiger trifft nie zusammen.“ Auf den Wink ihres Herrn erhob sich dann die Schwarze und sagte, ihre Hand gegen die Weiße hinstreckend: „Weißt du nicht, daß Gott im Koran schwört: Bei der Nacht, wenn sie dunkelt; bei dem Tage, wenn er leuchtet: wäre die Nacht etwas Verächtliches, so hätte Gott nicht dabei geschworen und sie dem Tage vorgesetzt; ist nicht schwarzes Haar die Zierde des Mannes, während weißes nur freudenloses Leben und nahen Tod bringt? Wäre die schwarze Farbe nicht die kostbarste, so fände sie nicht mitten im Herzen und im Auge Platz. Ist ferner nicht die Nacht der Liebenden hold? ist das Wort Gottes nicht mit schwarzer Tinte geschrieben, und sind Moschus und Ambra nicht auch schwarz? Du rühmst dich deiner weißen, kalten, aussatzartigen Farbe, und denkst nicht daran, daß auch Schnee und Hagel die Pein der Hölle vermehren. Auch hat ein Dichter gesagt:

„Was ist kostbarer, als Moschus? was wohlfeiler, als Gips? das Weiße im Auge nützt gar nichts, nur das Schwarze hat hohen Wert.“

Der Kaufmann ließ die Starke aufstehen, welche ihren Arm und ihre Beine entblößte und, nach der Schmächtigen hindeutend, sagte: „Gepriesen sei Gott, der mich so fett geschaffen und in seinem edlen Buche den Vorzug des Fetten hervorgehoben, indem es heißt: „Und er (Abraham) brachte ein fettes Kalb.“ Ich gleiche einem Garten mit Pfirsichen und Granatäpfeln und allerlei Blumen, jedermann ißt lieber einen fetten als einen magern Vogel oder Hammel; soll ich lange mit der Magern rechten, mir ihren Spatzenbeinen und Ofengabeln, mit ihrem galgenholzigen Körper, aus dem überall Hörner hervorstehen?“ Der Kaufmann lachte und hieß sie sitzen; auf seinen Wink begann die Magere: „Gelobt sei Gott, der mir eine so reizende Gestalt verliehen! Ich habe nie gehört, daß jemand seine Geliebte einem Elefanten oder einem fetten Kamele verglichen, sondern dem Zweige des Ban, einem indischen Rohre oder einer durstigen Gazelle. Ich bin immer frisch und munter, bewege mich leicht, wie ein Spatz, und sättige mich mit wenigem. Doch du, Fettleibige, wärest freilich zum Schlachten gut, aber auch sonst zu nichts; du bist immer ernst und düster; gehst du, wirst du müde; sitzest du, kannst du nicht mehr aufstehen; bist du am Essen, wirst du nimmer satt; schläfst du, wirst du nicht mehr wach und schnarchst wie ein geschlachteter Ochs. Du gleichst, wie ein Dichter sagte:

„einem aufgeblasenen Schlauche, bist unbeweglich, wie ein Berg, und triffst du einmal im äußersten Westen auf, so hört man dich im feinsten Osten.“

Auf den Wunsch des Kaufmanns erhob sich dann die Gelbe und sagte, sich zur Braunen wendend: „Meine Farbe hat der Barmherzige über jede andere erhoben, indem es von ihr heißt: sie sei gelb, von einer Farbe, die jedes Auge erfreut. Meine Farbe ist die der Dinare, der Sterne, des Mondes, der Äpfel und des Safrans. Von mir hat ein Dichter gesagt:

„Meine Geliebte gleicht der strahlenden Sonne, ihre Farbe ist dem Auge angenehm, wie Dinare, ihr Anblick ist erfreulicher, als Safran.“

„Weißt du aber, wessen Farbe du an dir trägst? Die eines Büffelochsen, den jeder flieht, und anderer Dinge, die jeder verabscheut, eines giftigen Rosts, eines Wolfsknies, eines Sandhaufens. Du hast eine Zwitterfarbe, die niemand mag; es gibt weder braune Rosen noch braunes Gold.“ Endlich stand die Braune auf und rief: „Gelobt sei Gott, der mich nicht weiß, nicht schwarz und nicht gelb geschaffen; denn meine Farbe ist die beliebteste und die von Dichtern am meisten gepriesene; was wird bei Mädchen und Jünglingen mehr besungen, als ein braunes Mal auf den Wangen? Am wenigsten aber beneide ich dich, du gelbe Nachteule, du elfenbeinfarbiger Höllenfraß, du ekelhafter Brei. Von dir hat ein Dichter gesagt:

„Wenn ich eine Gelbe sehe, so glaube ich, sie sei krank, und soll ich mich ihr nähern, fühle ich mich so beklommen, als müßte ich ins Grab steigen.“

Der Kaufmann stellte dann wieder den Frieden unter ihnen her und schenkte jeder ein schönes Kleid und überschüttete sie mit Gold und Edelsteinen.

Als der Kalif diese Geschichte hörte, lachte er, bis er umfiel, dann ließ er durch Mohamed die sechs Sklavinnen für sechstausend Dinare kaufen. Aber bald nachher erhielt er vom Kaufmann folgende Verse:

„Sechs Schönheiten haben mein Herz gestohlen, und meine Freude ist mit ihnen dahin; sie waren mein Gehör; mein Gesicht, meine Nahrung, mein Schlaf, mein Leben; mein Bedauern ist so groß; daß ich mich nach dem Grabe sehne.“

Diese Verse rührten den Kalifen so sehr, daß er dem Kaufmann seine Sklavinnen wieder zurückschickte und ihnen kostbare Kleider und noch sechstausend Dinare dazu schenkte.

Hierauf erzählte Schehersad die

Geschichte Djaudars. Es lebte einst ein Kaufmann, welcher Omar hieß und drei Söhne hatte. Der eine hieß Salem, der andere Djaudar und der dritte Selim. Omar liebte Djaudar mehr als die beiden anderen Söhne; diese waren deshalb eifersüchtig auf ihren Bruder und haßten ihn. Als Omar das merkte, befürchtete er, es möchte Djaudar nach seinem Tode Unrecht geschehen, daher ließ er gerichtliche Teilungskommissäre und rechtskundige Männer zu sich rufen, holte all sein Geld und seine Waren herbei, teilte es in vier Teile, gab jedem seiner Söhne einen Teil und behielt für sich einen Teil, der nach seinem Tode seiner Frau zufallen sollte. Omar starb bald nach dieser Teilung. Salem und Selim forderten Djaudar vor Gericht und behaupteten, er habe einen Teil des Vermögens ihres Vaters für sich behalten. Djaudar berief die Zeugen, die bei der Teilung zugegen waren, und wurde freigesprochen; doch kostete ihn der Prozeß viel Geld und seine Brüder büßten noch mehr ein durch allerlei Bestechungen, die sie gegeben hatten. Bald darauf gingen sie zu einem anderen Gericht, teilten wieder viele Bestechungen aus und führten solange Prozeß mit Djaudar, bis sie endlich insgesamt ihr Vermögen eingebüßt hatten und alle drei arm wurden. Salem und Selim gingen dann zu ihrer Mutter, verspotteten und schlugen sie und nahmen ihr Geld. Sie kam zu Djaudar und klagte ihm, was seine Brüder ihr getan und verwünschte sie. Djaudar sagte: „Laß sie sein, Gott wird ihnen ihre Handlungen vergelten, wir haben lange Prozeß geführt, bis wir alle verarmten: soll ich jetzt deinetwillen einen neuen Prozeß anfangen? Das wird zu nichts führen; bleibe du bei mir und ich lasse dir den Laib Brot, den ich essen wollte: Gott wird mir deinetwillen helfen und mir Nahrung verschaffen. Djaudar kaufte sich ein Netz und fischte in Bulak, Altkahirah und anderen Orten, jeden Tag bald für zwanzig, bald für dreißig Drachmen Fische, dafür kaufte er zu essen für sich und seine Mutter und lebte recht vergnügt. Seine Brüder trieben aber kein Handwerk und keinen Handel, verschwendeten bald, was sie von ihrer Mutter genommen, und liefen nackt und hungrig als gemeine Bettler umher. Während Djaudar fischte, kamen sie zu ihrer Mutter, demütigten sich vor ihr und klagten ihr ihre Not. Da einer Mutter Herz immer weich ist, gab sie ihnen trockenes Brot, das sie hatte, oder übriggebliebene Speisen und sagte: „Esset geschwind und gehet wieder, ehe euer Bruder Djaudar zurückkommt, daß er mir nicht böse werde.“ Sie aßen immer schnell und machten sich wieder fort, bis eines Tages, als sie gerade aßen, Djaudar zurückkehrte. Die Alte wurde verlegen, als Djaudar ins Zimmer trat; sie fürchtete seine Heftigkeit und neigte beschämt ihr Haupt zur Erde; er aber war freundlich gegen seine Brüder, hieß sie willkommen, nannte diesen Tag einen gesegneten, umarmte sie und machte ihnen Vorwürfe, daß sie ihn solange nicht besucht. Sie sagten: „Bei Gott! wir hatten schon viele Sehnsucht nach dir, aber wir schämten uns zu kommen, wegen dessen, was zwischen uns vorgefallen. Wir bereuen schön längst unsere Handlungsweise und erkennen sie als ein Werk des Satans, den Gott verdamme. Was haben wir denn auf der Welt außer dir und unserer Mutter?“ Die Alte sagte zu Djaudar: „Mein Sohn, Gott lasse dein Gesicht hell strahlen und vermehre dein Wohl!“ Djaudar lud seine Brüder ein, bei ihm zu bleiben und Gottes Segen mit ihm zu genießen. Sie übernachteten bei ihm und frühstückten am anderen Morgen.

Djaudar ging dann mit seinem Netz auf Gott vertrauend vor das Tor; des Mittags gab ihnen seine Mutter zu essen und des Abends kam er mit Fleisch und Gemüse zurück, das sie miteinander verzehrten. So lebten sie einen Monat lang, Djaudar fischte und seine Brüder gingen ihrem Vergnügen nach. Eines Tages ging Djaudar, wie gewöhnlich, an den Fluß, warf aber das Netz dreimal aus und zog keinen Fisch herauf. Er dachte: an dieser Stelle gibt es keine Fische, ging weiter, warf von neuem das Netz aus und zog es wieder leer herauf. So ging er von morgens bis abends vom einem Ort zum andern, ohne den kleinsten Fisch zu fangen. Da sagte er: „Sonderbar; es gibt gar keine Fische mehr im Fluß!“ nahm das Netz auf den Rücken und ging traurig heimwärts wegen seiner Mutter und seiner Brüder, denen er nichts zu essen bringen konnte. Als er an einem Bäckerladen vorüberkam, an den sich die Leute mit dem Geld in der Hand hindrängten, ohne daß der Bäcker sie beachtete, blieb er seufzend stehen. Da fragte ihn der Bäcker: „Djaudar, brauchst du Brot?“ Djaudar schwieg. Der Bäcker, der seine Verlegenheit bemerkte, sagte: „Wenn du kein Geld hast, so tut das nichts; nimm nur, soviel du brauchst, ich borge dir.“ Djaudar versetzte: „Gieb für zehn Fadda Brot und nimm dieses Netz zum Unterpfand.“ Aber der Bäcker erwiderte: „Wovon sollst du dich ernähren, wenn ich das Netz habe? Nimm nur das Brot, hier hast du noch zehn Fadda dazu und bring mir morgen für zwanzig Fadda Fische.“ Djaudar nahm das Brot und das Geld, kaufte Fleisch und Gemüse dafür und brachte es nach Hause; seine Mutter kochte es und sie aßen zusammen und legten sich schlafen. Am anderen Morgen stand er früh auf und ging mit dem Netz fort. Seine Mutter sagte ihm: „Frühstücke zuerst!“ Er erwiderte aber: „Frühstücke du nur und meine Brüder“, und ging nach Bulak an den Nil, warf das Netz wieder dreimal aus, ohne etwas zu fangen; er ging an einen anderen Ort und lief den ganzen Tag herum, ohne einen Fisch zu sehen. Er nahm nun sein Netz auf den Rücken, ging bestürzt zum Bäcker und wollte sich bei ihm entschuldigen. Aber der Bäcker sagte: „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, nimm nur dein Brot; hast du heute nichts gefangen, so wirst du morgen um so mehr fangen; und wenn du auch morgen leer heimkehrst, so komme nur und hole dein Brot, ich borge dir.“ Aber auch am dritten Tage, als Djaudar an den Seen fischte, kehrte er ohne Fische heim, und ebenso die folgenden vier Tage. Da dachte er: Ich will nun einmal an den See Karun gehen und dort mein Glück versuchen. Als er dort war und eben das Netz auswerfen wollte, kam ein Abendländer auf einem Maulesel reitend; er selbst war königlich gekleidet, und alles Geschirr des Tiers, sowie der auf demselben liegende Quersack war mit Gold gestickt, er grüßte Djaudar und sagte ihm: „Wenn du mir einen Dienst tun willst, sollst du reichen Lohn dafür erhalten und mein Glücksgefährte werden.“ Djaudar sagte: „Mein Herr, ich bin zu allem bereit: was soll dich tun.“ Der Abendländer erwiderte: „Zuerst laß uns die ersten Verse des Korans beten“, und als dies geschehen war, zog er eine seidene Schnur heraus und sagte zu Djaudar: „Binde mich damit fest, wirf mich in den Teich und warte eine Weile; siehst du, daß ich eine Hand aus dem Wasser strecke, so fange mich mit deinem Netz; strecke ich aber zuerst einen Fuß aus dem Wasser, so wisse, daß ich tot bin; du kannst mich im Teich lassen; nimm nur dieses Maultier und den Sack, bring ihn einem Juden, Namens Schamia, der auf dem Bazar sitzt, er wird dir hundert Dinare geben; behalte sie für deine Mühe und sage niemanden etwas.“

Djaudar tat, wie der Abendländer ihm befohlen hatte, er band ihn, warf ihn ins Wasser und wartete eine Weile, bis seine Füße hervorkamen; dann setzte er sich auf das Maultier und ritt damit auf den Bazar zum Juden, der vor seinem Magazin saß. Dieser fragte: „Ist der Mann gestorbene Djaudar antwortete: „Er ist tot.“ Da sagte der Jude: „Den hat seine Habgier getötet.“ Er nahm Djaudar das Maultier ab, gab ihm hundert Dinare und empfahl ihm, das Geheimnis treu zu bewahren. Djaudar ging mit dem Geld zum Bäcker, kaufte das nötige Brot, gab ihm ein Goldstück und sagte: „Nimm davon, was ich dir schuldig bin, und halte mir das übrige zu gut.“ Der Bäcker sagte: „Ich habe ja nichts von dir gefordert, du hättest nicht so zu eilen brauchen.“ Er rechnete dann, was Djaudar ihm schuldig war, und sagte: „Du hast noch auf zwei Tage Brot bei mir gut.“ Djaudar kaufte hierauf Fleisch beim Metzger, dem er auch -ein Goldstück gab und den er auch bat, ihm das übrige zu gut zu halten und ging dann zum Gemüsehändler. Er kam gerade nach Hause, als seine Brüder von ihrer Mutter zu essen forderten und sie ihnen sagte: „Ich habe nichts; wartet, bis Djaudar nach Hause kommt.“ Freudig rief er ihnen zu: „Hier ist Brot, esset!“ und sie fielen darüber her wie Wölfe. Djaudar gab dann das übrige Geld seiner Mutter und beauftragte sie, seinen Brüdern davon zu geben, so oft sie hungern. Am folgenden Morgen ging er wieder an den See Karun mit dem Netz auf dem Rücken; als er es auswerfen wollte, kam ein anderer Abendländer auf einem Maultier, noch reicher ausgestattet als der Erste; er hatte auch einen Quersack auf dem Maulesel, in dem zwei Büchsen waren; er grüßte Djaudar und sagte ihm: „Ist nicht gestern abend ein Abendländer zu dir hergekommen auf einem Maulesel, wie dieser?“ Djaudar, aus Furcht, er möchte fragen, wo er hingekommen und dann glauben, er habe ihn ertränkt, leugnete es und sagte: „Ich habe niemanden gesehen.“ Der Abendländer fuhr dann fort: „Gestern war mein Bruder da, der mir vorangeeilt ist; hast du ihn nicht gebunden in den See geworfen? und hat er dir nicht gesagt: Wenn ich die Hand aus dem Wasser strecke, so zieh mich schnell mit dem Netz heraus, wenn aber zuerst mein Fuß aus dem Wasser hervorgeht, so bin ich tot, nimm dann den Maulesel und führe ihn zum Juden Schamia, der wird dir hundert Dinare geben? Nun ist sein Fuß aus dem Wasser gekommen und du hast wirklich den Maulesel dem Juden gebracht und hundert Dinare von ihm empfangene Djaudar erwiderte: „Da du doch alles dies so genau weißt, warum fragst du mich?“ Der Abendländer antwortete: „Ich wünsche, daß du mir dasselbe tuest, wie meinem Bruder.“ Hierauf zog er eine seidene Schnur heraus und sagte ihm: „Binde mich, wie meinen Bruder, und stürze mich in den See; geht es mir, wie meinem Bruder, so bringe den Maulesel dem Juden Schamia, er wird dir wieder hundert Dinare geben.“ Djaudar band ihn, warf ihn in den See und wartete eine Weile, bis er die Füße aus dem Wasser steigen sah. Da sagte er: „Auch der ist tot; so Gott will, werden alle Abendländer zu mir kommen, ich will sie alle binden und in den See werfen, und für jede Leiche hundert Dinare nehmen.“

Djaudar nahm den Maulesel und ging auf den Bazar; als der Jude ihn sah, sagte er: „Auch der ist tot?“ Djaudar antwortete: „Mögest du für ihn leben!“ Der Jude rief: „Das ist der Lohn der Habgierigen!“ nahm den Maulesel und gab Djaudar hundert Dinare. Dieser ging damit zu seiner Mutter und als sie ihn fragte, woher er so viel Geld habe, erzählte er ihr alles. Seine Mutter sagte ihm: „Mein Sohn, geh nicht mehr an den See Karun; ich fürchte, die Abendländer möchten dich ins Unglück stürzen.“ Er aber erwiderte: „Da ich sie nur auf ihr Verlangen in den See werfe, was kann mir geschehen? Das ist eine Arbeit, dir mir täglich hundert Dinare einbringt; bei Gott! ich höre nicht auf, an den See zu geben, bis von den Abendländern keine Spur mehr übrig bleibt.“ Am folgenden Tage ging er nochmals an den See: da kam wieder ein Abendländer auf einem Maulesel, noch reicher ausgestattet, als die beiden ersten und dieser hatte auch einen Quersack mit zwei Büchsen bei sich. Er ging auf Djaudar zu und sagte ihm: „Friede sei mit dir, o Djaudar, Sohn Omars!“ Djaudar dachte bei sich: „Es scheint, sie kennen mich alle“, und erwiderte den Gruß. „Sind Abendländer hier vorübergekommen?“ - „Zwei sind hergekommen und haben sich von mir fesseln und in den See werfen lassen, und sind darin umgekommen, und so wird es auch dir gehen.“ Der Abendländer lächelte und sagte: „O Armer! alles Lebende muß seiner Bestimmung folgen; verfahre mit mir, wie mit den beiden andern!“ „Gib die Schnur und lege deine Hände auf den Rücken, daß ich dich schnell binde, denn es ist schon spät, ich habe Eile.“ Der Abendländer legte seine Hände auf den Rücken, Djaudar band und stieß ihn in den See; er wartete eine Weile, und siehe da, der Abendländer hob die Hände aus dem Wasser und rief: „Rette mich mit deinem Netz!“ Djaudar warf sein Netz aus und zog den Abendländer, der in jeder Hand einen roten Fisch mit Korallen trug, ans Land. Als er das Ufer erreicht hatte, bat er Djaudar, die zwei Büchsen zu öffnen, und als Djaudar dies getan hatte, schloß er die zwei Fische hinein und machte die Büchsen wieder zu. Dann umarmte er Djaudar, küßte ihn auf der rechten und linken Wange und sagte ihm: „Gott beschütze dich vor jedem Übel! bei Gott! hättest du mir dein Netz nicht zugeworfen, ich wär ertrunken mit diesen beiden Fischen in der Hand.“ Djaudar sagte: „Mein Herr, ich beschwöre dich bei Gott, sage mir die Wahrheit, wer bist du und wer waren die beiden Abendländer, die vor dir gekommen und ertrunken sind? und wer ist der Jude auf dem Bazar? und was bedeuten diese beiden Fische?“ Der Abendländer antwortete: „Wisse, o Djaudar, die beiden Männer, die ertrunken sind, waren meine Brüder; der eine hieß Abd Assalam, der andere Abd Alahad, und mein Name ist Abd Assamd; auch der, den du für einen Juden hältst, ist unser Bruder und heißt Abd Arrahim, er ist aber kein Jude, sondern ein Muselmann und echter Malikite, wie wir; wir waren vier Söhne eines Zauberers, welcher Abd Allwudud hieß. Unser Vater hatte uns die Kunst, Geheimnisse zu lösen, verborgene Schätze zu entdecken und andere Künste gelehrt, unter anderen auch, die Geister zu beschwören und sie uns dienstbar zu machen.

„Als unser Vater starb, hinterließ er uns viele Schätze und Talismane, die wir miteinander teilten, als wir aber an die Teilung der Bücher kamen, da entstand ein Streit wegen eines Buches aus alter Zeit, das „Schriften der Alten“ hieß und mit keinen Schätzen zu bezahlen ist, weil es die verborgensten Zauberkünste enthielt; es war das Buch, das unser Vater gebrauchte und aus dem wir einiges auswendig gelernt hatten. Nun wollte jeder von uns dieses Buch haben, um sich darin zu belehren. Während wir so stritten, trat der Lehrer und Erzieher unseres Vaters in unsere Mitte, sein Name war: „der tiefste Wahrsager“ und sagte: „Gebet mir das Buch, ich werde gewiß keinem von euch Unrecht tun, ihr seid ja die Kinder meines Sohnes: Derjenige von euch, der die Schätze Schamardals öffnet, der soll es haben. Diese Schätze bestehen aus einem Schwert, einem Zirkel, einer Zeichnung der Himmelskugel und einem Augenschminkeschächtelchen. Durch das Siegel wird man Herr eines Geistes, welcher der lärmende Donner heißt, und durch welchen man sich die ganze Erde unterwerfen kann. Mit dem Schwert, aus dem ein tötender Blitz hervorstrahlt, kann man auf einmal eine ganze Armee schlagen oder in die Flucht treiben; mit der Himmelskugel kann man sich in der ganzen Welt umsehen, von Osten bis Westen, je nachdem man sie nach der einen oder der anderen Seite dreht, und alles so genau beobachten, als wäre man überall zugleich; auch kann man, wenn man sie gegen die Sonne dreht, jede beliebige Stadt samt ihren Bewohnern damit verbrennen. Das Schächtelchen endlich enthält ein Pulver: wenn man damit das Auge schminkt, so sieht man alle Schätze, die in der Erde verborgen sind. Wer mir also diese vier Kleinodien zu bringen vermag, der soll das Buch haben. Wisset aber, fuhr der Erzieher fort, daß diese Schätze unter der Obhut der Söhne des roten Königs stehen, die sich in den See Karun nach Ägypten geflüchtet, als euer Vater sie fangen wollte, er verfolgte sie zwar, konnte ihnen aber nicht beikommen, weil ein Talisman sie in diesem See schützt, weshalb er auch die Schätze nicht holen konnte und mir sein Mißgeschick klagte. Ich rechnete nun aus, daß die Söhne des roten Königs nur durch Hilfe eines Mannes, Namens Djaudar, gefangen werden können; wen er in den See wirft und auf ein Zeichen mit der Hand wieder mit dem Netz aus dem Wasser herauszieht, der ist der Glückliche. Wir beschlossen hierauf, nach Ägypten zu gehen; nur unser vierter Bruder hatte keine Lust, sein Leben solcher Gefahr auszusetzen; er verkleidete sich als jüdischer Kaufmann, um uns zu begleiten, den Maulesel der Ertrinkenden zu nehmen und dir hundert Dinare zu geben. Nun haben die Söhne des roten Königs meine Brüder getötet, ich aber habe sie gefangen, denn was du in diesen Büchsen siehst, sind keine Fische, sondern Geister in Gestalt von Fischen. Nun folge mir nach Fez und Miknas (Mequinez), wo die Schätze begraben sind, die ich nur mit deiner Hilfe öffnen kann: ich gebe dir, was du willst, und bleibe stets dein Freund; sobald ich die Schätze habe, schicke ich dich wieder frohen Herzens zu den Deinigen.“ Djaudar sagte zu Abd Assamd: „Ich habe eine Mutter und zwei Brüder am Hals, die ich versorgen muß; wer wird ihnen zu essen bringen, wenn ich weg bin?“ Abd Assamd antwortete: „Das ist ein schlechter Vorwand: wenn es dir bloß wegen des Geldes ist, so will ich dir tausend Dinare für deine Mutter geben, davon kann sie leben, bis du zurückkehrst, denn du wirst längstens vier Monate ausbleiben.“ Als Djaudar von tausend Dinaren hörte, sagte er: „Gib tausend Dinare, mein Herr, für meine Mutter und ich gehe mit dir.“ Abd Assamd gab das Geld sogleich her, und Djaudar ging damit zu seiner Mutter und erzählte ihr, was zwischen ihm und Abd Assamd vorgefallen. Seine Mutter sagte: „Mein Sohn, ich werde Verlangen nach dir haben und ängstlich um dich sein.“ Djaudar erwiderte aber: „Wen Gott beschützt, dem stößt nichts Übles zu; auch ist Abd Assamd ein guter Mann.“ - „Gott neige sein Herz dir zu“, rief seine Mutter; „geh mit ihm, mein Sohn! vielleicht belohnt er dich dafür.“ Djaudar nahm von ihr Abschied und gi ng wieder zu Abd Assamd, der ihn auf einem Maulesel reiten ließ.

Nachdem sie von Mittags bis zur Zeit des Nachmittagsgebets miteinander geritten waren, wurde Djaudar hungrig und sah, daß Abd Assamd nichts zu essen noch zu trinken bei sich führte. Er sagte ihm: „Mein Herr, es scheint, du hast Mundvorrat vergessene - „Bist du hungrig?“ - „O ja.“ Da stieg Abd Assamd von seinem Maulesel ab und sagte zu Djaudar, der auch abstieg: „Nimm den Quersack herunter.“ Djaudar nahm ihn vom Esel. Da fragte Abd Assamd: „Was wünschest du, mein Freund?“ - „Mir ist alles recht.“ - „Ich beschwöre dich bei Gott, sage, was du essen willst?“ - „Brot und Käse.“ - „Armer Mann, Brot und Käse ist eine zu geringe Kost für dich, fordere etwas Besseres! ißt du gerne Reis mit Honig und gebackene Hühner?“ - „Allerdings.“ Abd Assamd fragte ihn dann noch über vierundzwanzig Speisen, ob er sie gerne esse, so daß Djaudar dachte: der Mann ist toll, woher will er alles dies schaffen? er hat ja keine Küche und keinen Koch; er sagte: „Es ist genug, mein Herr, du machst mir ja nur Lust und ich sehe doch nichts.“ Abd Assamd antwortete hierauf: „Willkommen Djaudar!“ steckte seine Hand in den Sack zog einen goldenen Teller mit zwei gebratenen Hühnern heraus, die ganz warm waren, dann streckte er die Hand wieder hinein und holte eine Schüssel mit Braten heraus und so noch die vierundzwanzig verschiedenen Speisen, die er ihm genannt hatte, und forderte den verblüfften Djaudar zum Essen auf. Djaudar rief erstaunt: „Du hast in diesem Sack Köche und eine Küche verborgenen Abd Assamd sagte lachend: „In diesem Sack wohnt ein Diener, der uns jede Stunde tausend Gerichte bringt, wenn wir sie wollen.“ Sie aßen nun, bis sie satt waren. Abd Assamd warf das übrige weg, legte die Schüsseln wieder leer in den Sack und holte einen vollen Wassertrug heraus; sie tranken, wuschen sich und beteten; dann luden sie den Sack mit den zwei Büchsen wieder auf den Esel und ritten weiter. Abd Assamd fragte dann Djaudar: „Weißt du wohl, wie weit wir seit Mittag gekommen?“ - „Das weiß ich nicht.“ - „Bei Gott! wir haben einen Weg von einem Monat zurückgelegt; zwar geht ein Maulesel, der einem Geiste gehorcht, jeden Tag ein Jahr weit, aber dir zulieb lasse ich ihn langsamer gehen.“ Bei Sonnenuntergang hielten sie wieder stille, Abd Assamd holte das Nachtessen aus dem Quersack und des Morgens wieder das Frühstück; so reisten sie immer gen Westen, vier Tage lang, den ganzen Tag und die Hälfte der Nacht.

Am fünften Tag kamen sie nach Fez. Alle Bewohner der Stadt, die Abd Assamd begegneten, grüßten ihn und küßten ihm die Hände. Nach einer Weile blieb er vor einem Tor stehen und klopfte. Da trat ein Mädchen mit schmachtendem Aussehen, wie eine durstige Gazelle, aus dem Hof. Abd Assamd rief: „Öffne uns das Schloß, meine Tochter Rahmah.“ Sie erwiderte: „Bei meinem Haupte und meinen Augen, mein Vater!“ öffnete die Türe und ging ihrem Vater voran. Djaudar verlor fast den Verstand, als sie sich so hin und her wiegte und dachte: „Bei Gott, das muß eine Prinzessin sein.“ Rahmah nahm den Sack vom Maulesel und sagte: „Geh deines Weges, Gott segne dich!“ Da spaltete sich die Erde, der Maulesel stieg hinunter und die Erde schloß sich wieder. Djaudar rief: „Gelobt sei Gott, der uns glücklich vom Rücken dieses Tieres heruntergebracht.“ Abd Assamd sagte ihm: „Wundere dich nicht, ich habe dir gesagt, der Maulesel ist ein Geist, komm jetzt mit uns ins Schloß!“ Als Djaudar ins Schloß kam, war er höchst erstaunt über die vielen prachtvollen Divane und anderen mit Perlen und Edelsteinen besetzten Kostbarkeiten, Abd Assamd ließ dann von seiner Tochter Rahmah einen Bündel bringen, öffnete ihn und zog ein Kleid heraus, das tausend Dinare wert war, und sagte zu Djaudar: „Zieh es an, Djaudar, und sei uns hier willkommen.“ Djaudar zog das Kleid an und glich darin einem König von den Königen des Westens. Dann holte Abd Assamd aus dem Quersack vierzig Schüsseln mit verschiedenen Speisen und sagte zu Djaudar: „Komm her und iß, und wenn dir diese Speisen nicht schmecken, so sage uns nur, was dir beliebte Djaudar erwiderte: „Bei Gott, mein Herr, ich esse alles gern, frage mich nicht, gib mir, was du willst.“

Djaudar blieb nun zwanzig Tage in diesem Schloß, zog jeden Tag ein anderes Kleid an und aß immer aus dem Quersack. Abd Assamd brauchte nie auf den Markt zu gehen, um etwas zu kaufen, sogar allerlei frische Früchte konnte er aus dem Quersack holen. Am einundzwanzigsten Tage sagte Abd Assamd zu Djaudar: „Komm jetzt, das ist der Tag, an dem die Schätze von Schamardal geöffnet werden können.“ Sie gingen zusammen zur Stadt hinaus, das standen zwei Diener mit zwei Mauleseln, die ihrer harrten. Abd Assamd bestieg den einen und hieß Djaudar den anderen besteigen. Sie ritten bis Mittag, da kamen sie an einem Fluß und Abd Assamd sagte zu Djaudar: „Steige ab!“ Auch er stieg ab und winkte den Dienern; sie kamen und führten die Maulesel weg. Nach einer Weile brachte der eine ein Zelt und der andere Divane; sie schlugen alsbald das Zelt auf und ordneten die Teppiche und Kissen. Dann holte der eine die beiden Büchsen mit den Fischen und der andere den Quersack. Abd Assamd nahm einige Speisen heraus, und als er mit Djaudar gegessen hatte, murmelte er Beschwörungen über die Fische, worauf sie aus den Büchsen herausriefen.- „Jawohl, o Zauberer der Welt, habe Mitleid mit uns, was willst du von uns?“ Abd Assamd fuhr fort, Zaubersprüche herzusagen, bis die Büchsen in Stücke fuhren und zwei gefesselte Geister hervorkamen. Sie schrien: „Gnade, Zauberer der Welt, was willst du mit uns beginnen?“ „Ich werde euch verbrennen, oder ihr sollt mir helfen die Schätze Schamardals öffnen.“ - „Das kann nur durch den Fischer Djaudar, den Sohn Omars, geschehen.“ - „Gut, der ist schon bei mir und hört euer Versprechen.“ Als sie ihm dann versprachen, ihm zu helfen, ließ er sie frei.

Abd Assamd nahm dann ein Rohr, legte einige Täfelchen rotes Karneol darauf, holte einen Weihrauchkessel, legte Kohlen darauf und zündete durch ein einziges Blasen Feuer an. Hierauf legte er den Weihrauch zurecht und sagte zu Djaudar: „Ich werde jetzt meine Beschwörungen beginnen und darf dann nicht mehr sprechen, sonst werden sie ganz nutzlos, darum will ich, ehe ich den Weihrauch auf die Pfanne tue, dir sagen, was du tun mußt, um zum Ziel zu gelangen. Wisse, daß durch meine Beschwörungen dieser Fluß austrocknen wird, du wirst ein goldenes Tor sehen, so groß wie ein Stadttor, mit zwei Ringen von Edelsteinen; klopfe leise am Tor und warte ein wenig, klopfe dann etwas stärker und warte wieder, dann klopfe zum dritten Mal. Eine Stimme wird fragen: Wer klopft an dem Tor des Schatzes, ohne zu verstehen, wie man Geheimnisse löst? Antworte darauf: „Ich bin Djaudar, der Sohn Omars. Es wird dann ein Mann, mit einem Schwert in der Hand, zu dir herauskommen und dir sagen: Wenn du Djaudar bist, so gib deinen Hals her, daß ich dir den Kopf abschneide; streckte ihm nur den Hals hin, fürchte nichts, denn sobald er dich schlagen will, fällt er leblos hin und du empfindest nicht den mindesten Schmerz; widersetzest du dich aber, so tötet er dich. Du gehst dann weiter bis zu einem anderen Tor, klopfe daran, es wird ein Reiter herauskommen mit einer Lanze und dich fragen: wer hat dich hierhergebracht an einem Ort, den niemand betreten soll? Bei diesen Worten wird er die Lanze über dich schwingen; öffne ihm nur die Brust, denn sobald er dich schlägt, fällt er tot vor dir hin; tust du es nicht, so bringt er dich um.

„Du kommst dann“, fuhr Abd Assamd fort, „an eine dritte Tür; klopfe wieder, es wird ein Mann herauskommen mit einem Bogen in der Hand und wird einen Pfeil gegen dich schießen, öffne nur deine Brust, er sinkt leblos zu deinen Füßen. Dann trete vor das vierte Tor und klopfe, es wird ein reißendes Tier auf dich zukommen von ungeheurer Gestalt, um dich zu fressen; fürchte dich nicht, wenn es den Rachen aufsperrt, und entfliehe nicht, sondern strecke ihm deine Hand hin, denn sobald es dich beißen will, fällt es zu Boden und du bleibst unverletzt. Geh dann zur fünften Türe, da wird ein schwarzer Sklave herauskommen und dich fragen, wer bist du? Antworte: Ich bin der Fischer Djaudar, der Sohn Omars. Er wird dir sagen: So komme zur sechsten Türe. Du gehst hin und rufest: „O Jesus, bitte Moses, daß er mir die 'Für öffne! Die Türe wird sich öffnen und du wirst zwei Schlangen sehen, eine zur Rechten und eine zur Linken, die mit aufgesperrtem Rachen auf dich losrennen, strecke ihnen nur deine Hände hin, jede wird eine Hand beißen wollen und nur, wenn du dich fürchtest, werden sie dich töten. Dann klopfe an der siebenten Tür, da wird deine Mutter dir entgegenkommen und dir sagen: „Willkommen, mein Sohn, tritt näher, daß ich dich grüße! Sage ihr aber: Bleibe fern von mir und entkleide dich! Deine Mutter wird sagen. „Mein Sohn, ich habe dich ja gesäugt und erzogen, wie soll ich mich vor dir entkleiden? Antworte ihr: Wenn du dich nicht entkleidest, so bringe ich dich um; nimm bei diesen Worten das Schwert, das zu deiner Rechten an einer Schnur hängen wird, und schwinge es drohend über sie, und laß dich ja nicht durch Bitten und Tränen erweichen, bis sie sich entkleidet, dann wird sie sogleich vor deinem Augen niederstürzen. Wird auf diese Weise aller Zauber gelöst, so hast du nichts mehr zu befürchten, du wirst dann eine Schatzkammer mit Goldhaufen sehen, kehre dich nicht daran, sondern hebe am obern Ende der Schatzkammer einen Vorhang auf, da siehst du den Zauberer Schamardal auf einem goldenen Thron sitzen und auf seinem Haupt glänzt etwas wie der Mond, das ist die Himmelskugel; auch ist er mit einem Schwert umgürtet, hat ein Schächtelchen am Hals hängen und einen goldenen Siegelring am Finger, nimm diese vier Dinge und bringe sie mir, hüte dich aber, etwas zu vergessen von dem, was ich dir gesagt und sei furchtlos, sonst wirst du es bereuen.“ Er wiederholte ihm dann alles mehrere Male. Djaudar sagte: „Ich habe mir alles wohl gemerkt, aber wer kann diesen Talismanen entgegentreten und so schreckliche Dinge ertragen?“ Abd Assamd versetzte aber: „Fürchte dich nicht, es sind leblose Körper“, und er sprach ihm solange zu, bis er ausrief: „Nun, ich setze mein Vertrauen auf Gott.“ Abd Assamd warf dann den Weihrauch auf die Pfanne und rezitierte einige Zauberformeln, der Fluß trocknete aus und Djaudar klopfte an den verschiedenen Türen und überstieg alle Hindernisse, bis ihm seine Mutter begegnete und ihn beschwor, sie nicht zu zwingen, sich zu entkleiden. Als er ihr mit dem Schwert drohte, zog sie sich zur Hälfte aus und sagte: „O mein Sohn, es ist eine Sünde, mich ganz vor dir zu entblößen, sei nicht so hart, fordere dies nicht von deiner Mutter, laß dich erweichen!“ Djaudar sagte: „Das ist wahr, du hast recht, du brauchst dich nicht weiter zu entkleiden.“ Kaum hatte er das gesagt, schrie sie: „Er hat gefehlt, prügelt ihn!“ Da kamen schwarze Sklaven herbei, prügelten ihn, daß er in seinem Leben daran zu denken hatte, warfen ihn zur Tür hinaus und schlossen sie wieder. Abd Assamd nahm ihn zu sich und das Wasser kehrte, wie zuvor, in den Fluß zurück.

Abd Assamd brachte Djaudar durch Beschwörungen wieder zum Bewußtsein zurück, dann fragte er ihn, was er gemacht? Djaudar sagte: „Ich hatte alle Hindernisse besiegt, bis meine Mutter kam, mit der ich lange stritt, und die ich nötigte, sich bis auf ihre Beinkleider zu entkleiden; dann bat sie mich aber so sehr, sie nicht zu beschämen, daß ich nachgab und sie nicht ganz nackt sehen wollte. Darauf schrie sie: „Er hat gefehlt. Da kamen Leute, ich weiß nicht woher, und schlugen mich und stießen mich zur Tür hinaus; was nachher geschah, weiß ich nicht.“ Abd Assamd sagte: „Habe ich dich nicht gewarnt, ja nichts zu unterlassen von allem, was ich dir angegeben? Hättest du sie gezwungen, sich völlig zu entkleiden, so wären wir jetzt am Ziele. Du hast mir und dir selbst geschadet. Nun mußt du bis aufs nächste Jahr um diesen Tag bei mir bleiben.“ Er ließ hierauf die Sklaven das Zelt zerstören und die zwei Maulesel bringen, und kehrte mit Djaudar nach der Stadt Fez zurück, wo sie ein ganzes Jahr verweilten, in welchem Djaudar gut aß und gut trank und jeden Tag ein neues Kleid anzog.

Nach einem Jahr ritten sie wieder zusammen an den Fluß, die Sklaven schlugen ein Zelt auf und Abd Assamd machte Rauchwerk, schärfte Djaudar wieder alles ein, wie das vorige Jahr und sagte ihm: „Die Frau, die sich entkleiden soll, ist nicht deine wirkliche Mutter, es ist nur ein Talisman, der dich irre führen will, und fehlst du diesmal wieder, so kommst du nicht lebendig davon.“ Djaudar sagte: „Ich werde deine Ermahnung so wenig vergessen, als die erhaltenen Prügel, wenn ich diesmal fehle, so mag man mich verbrennend Er ging hierauf über den wieder ausgetrockneten Fluß, klopfte an den verschiedenen Türen und besiegte alle Hindernisse, bis seine Mutter wieder kam und ihn bewillkommte; er sagte aber: „Entkleide dich, Verruchte! wieso bin ich dein Sohn?“ Sie entkleidete sich zur Hälfte und bat wieder um Schonung, aber sich seiner Tracht Prügel erinnernd, unterdrückte er jedes Mitleid und drohte ihr solange, bis sie sich ganz zu entkleiden anfing, worauf sie leblos hinfiel. Djaudar trat dann in die Schatzkammer und kehrte sich nicht an den Haufen Gold, der dalag, sondern ging in das Nebengemach zum Zauberer Schamardal, nahm ihm die Himmelskugel, das Schwert, das Schächtelchen und den Ring, und ging damit heraus zu Abd Assamd. Auf den ganzen Weg vernahm er Musik und die Diener des Schatzes riefen ihm zu: Möge das, was du erlangt hast, dir Glück bringen! Abd Assamd ließ von seinen Beräucherungen und Beschwörungen ab, umarmte Djaudar und befahl den Dienern, das Zelt zu zerstören und die Maulesel zu bringen, und ritt mit Djaudar wieder nach Fez. In Fez angelangt, sagte Abd Assamd, nachdem sie zusammen sich an Speisen, die aus dem Quersack geholt wurden, gesättigt hatten, zu Djaudar: „Du hast meinetwillen deine Heimat verlassen und mich an das Ziel meiner Wünsche gebracht,- nun fordere von mir, was du willst.“ Djaudar sagte: „Ich möchte gern deinen Quersack haben.“ Abd Assamd gab ihm den Quersack mit den Worten: „Dieser Sack wird allerdings dir deine Nahrung gewähren, so oft du einen heiligen Namen nennst, mit der Hand hingreifst und sagst: Diener des Quersackes, bringe mir diese oder jene Speise! Doch ich habe dir versprochen, dich vollkommen glücklich in deiner Heimat zu machen, darum sollst du noch einen anderen Sack mit Gold und Edelsteinen gefüllt haben; werde Kaufmann und handle damit!“ Er ließ hierauf einen Sklaven mit einem Maulesel kommen, der einen Quersack voll Gold und Edelsteine trug, und sagte zu Djaudar: „Besteige diesen Maulesel! der Sklave, der den Weg kennt, wird vor dir hergehen bis an die Tür deines Hauses, dann nimmst du die zwei Säcke und er wird mir den Maulesel zurückbringen. Teile aber ja niemanden dein Geheimnis mit, ich vertraue dir meine Ehre an!“ Djaudar dankte ihm und ritt hinter dem Sklaven her.

Nachdem Djaudar einen Tag und eine Nacht lang hinter dem Sklaven geritten war, befand er sich an dem Siegestor von Kahirah, da saß seine Mutter und bettelte. Sobald er sie erblickte sprang er vom Maulesel herunter und umarmte sie, dann setzte er sie auf den Maulesel und ging neben ihr her bis zu ihrer Wohnung; hier hob er sie herunter und entließ den Diener und den Maulesel, welche Geister waren und zu ihrem Herrn zurückkehrten. Djaudar fragte dann seine Mutter: „Wie kommt es, daß du betteln mußtest, wo sind den die zwölfhundert Dinare hingekommen, die ich dir vor meiner Abreise gegeben?“ - „Deine Brüder haben mir sie weggenommen und gesagt, sie wollten damit etwas verdienen, sie haben aber das Geld verschwendet und mich aus dem Hause gejagt, so daß ich vor Hunger betteln mußte.“ - „Betrübe dich nun nicht mehr, ich habe viel Glück gehabt, hier ist ein Sack voll mit Gold.“ - „Du hast Glück, Gott sei dir ferner gnädig! Doch geh schnell und hole Brot, denn ich habe gestern nicht zu Nacht gegessen und bin sehr hungrig.“ - „Sogleich, meine Mutter, sollst du haben, was du verlangst; sag mir nur was du gern essen willst, ich brauche nichts zu kaufen und bedarf auch keines Kochs.“ - „Mein Sohn, ich sehe doch nicht, daß du etwas bei dir hast.“ - „Aus diesem Quersack kann ich allerlei Speisen holen.“ „Mir ist alles recht, man begnügt sich mit allem, wenn man nichts Anderes haben kann.“ - „Wenn sich aber allerlei vorfindet, so wählt man, was man gerne ist, drum sage mir, was du gerne wünschest.“ - „Frisches Brot und ein Stückchen Käse.“ - „Das ist zu gering für dich.“ - „Nun, Brot und Bohnen.“ - „Auch das ist nicht vornehm genug.“ - „Nun, da du doch meinen Rang kennst, so sage du, was mir ziemt.“ - „Dir ziemen gebratene Hühner, Reis mit Pfeffer, Honig, farcierte Rippen und süße Mehlspeise.“ - „Spottest du meiner? träumst du oder bist du verrückt? Woher sollen alle diese kostbaren Gerichte kommen? wer kann die zubereitend - „Bei meinem Leben, du sollst sogleich alle Speisen haben, die ich dir genannt.“

Djaudar nahm hierauf den leeren Sack, streckte die Hand hinein und holte alle Speisen hervor, die er genannt hatte. Seine Mutter wunderte sich und sagte: „Der Sack war doch ganz leer?“ Djaudar sagte ihr, er habe diesen Sack von Abd Assamd und ein Geist sei ihm dienstbar, der alle Speisen herbeischaffen müsse. Sie stellte dann selbst einen Versuch an und forderte eine farcierte Rippe, die sie sogleich im Sack fand. Als sie gegessen hatte, sagte ihr Djaudar: „Tu das übrige in andere Schüsseln, lege die leeren Schüsseln wieder in den Sack, bewahre ihn auf und entdecke niemanden das Geheimnis.“ Während sie so beisammen saßen, traten Salem und Selim herein, welche die Ankunft ihres Bruders mit einem Sklaven auf einem Maulesel, in einem Aufzuge, der seinesgleichen nicht findet, vernommen hatten. Sie bereuten es jetzt, ihre Mutter so mißhandelt zu haben, und fürchteten, sie möchte es Djaudar erzählen; doch wagten sie es, zu ihm zu gehen, weil sie wußten, daß, wenn sie sich entschuldigten, er so großmütig sein werde, ihnen zu verzeihen. Djaudar hieß sie sitzen, bewillkommte sie und ließ sie essen, bis sie satt waren.

Als sie genug gegessen hatten, wollten sie das übrige für das Nachtessen aufbewahren, aber Djaudar sagte ihnen: „Teilet es den Armen aus, ich will für heute Abend noch mehr als dieses herbeischaffend Sie nahmen nun die übriggebliebenen Speisen mit und gaben davon jedem Armen, der ihnen begegnete, bis sie nichts mehr hatten; dann brachten sie die leeren Schüsseln ihrer Mutter, die sie auf Djaudar Befehl wieder in den Sack steckte. Des Abends holte Djaudar wieder vierzig Speisen heraus und hieß seine Mutter den Tisch decken; ebenso am folgenden Morgen zum Frühstück und so zehn Tage lang. Am elften Tage sagte Salem zu Selim: „Wie ist unser Bruder auf einmal so reich geworden, daß er dreimal täglich wie ein Sultan speist und das übrige austeilt?“ Selim sagte: „Frage eher noch, woher diese Speisen kommen, da er doch nie etwas einkauft, auch nie ein Feuer bei ihm brennt.“ Salem versetzte: „Es ist wahrlich zum Erstaunen, wir müssen nun irgend eine List gebrauchen, um durch unsere Mutter zu erfahren, wie es damit zugeht.“ Sie begaben sich hierauf, in ihres Bruders Abwesenheit, zu ihrer Mutter und sagten, sie wären hungrig. Die Mutter ging in das Nebenzimmer und holte die warme Schüssel heraus. Da sagten sie: „O Mutter! diese Schüssel ist warm und du hast doch gar kein Feuer im Hause.“ Sie antwortete: „Ich habe sie aus dem Quersack geholt.“ - „Aus welchem Sack?“ - „Aus dem, welchem ein Geist dienstbar ist und den ein Zauberer aus dem Abendlande eurem Bruder geschenkt hat; saget aber niemanden etwas davon.“ - „Wir wollen es geheim halten, aber zeige es uns doch einmal, wie das zugeht.“ Als sie ihnen den Sack gezeigt hatte, sagte Salem zu Selim: „Wie lange sollen wir noch bei Djaudar uns wie Diener behandeln lassen und von Almosen leben? Wir wollen List gegen ihn gebrauchen und den Sack in unsere Gewalt bringen.“ Selim fragte: „Wie willst du dies anfangen?“ - „ Wir verkaufen ihn als Matrosen.“ - „Wie können wir dies?“ - „Du sollst es diesen Abend schon sehen, wir gehen zusammen zum Kapitän des roten Meers und laden ihn zu uns ein, er wird uns glauben, was wir ihm über Djaudar sagen.“ Als sie so beschlossen hatten, ihren Bruder zu verkaufen, gingen sie zum Kapitän uns Salem sagte ihm: „Herr! wir beide sind Brüder und haben noch einen dritten Bruder, der ein sehr verworfener Mensch ist, an dem gar nichts Gutes. Als unser Vater starb und uns Vermögen hinterließ, teilten wir es untereinander, aber unser Bruder hatte bald seinen Anteil in sündhafter Weise verschwendet; er klagte uns dann an, wir hätten ihm zu wenig gegeben und führte so lang Prozesse gegen uns, bis wir auch arm wurden; es wäre uns daher sehr lieb, wenn du ihn uns abkaufen wolltest.“ Da sagte der Präfekt: „Wenn ihr durch irgend eine List mir ihn hierherschaffen könnt, so schicke ich ihn gleich auf die See.“ - „Wir können ihn nicht hierherbringen“, erwiderte Salem; „doch sei du unser Gast und bringe nur zwei Männer mit dir; wenn unser Bruder dann schläft, so fallen wir alle über ihn her und knebeln ihn und führen ihn unter dem Schutz der Nacht aus der Stadt.“ Der Präfekt sagte: „Gut, wollt ihr ihn für vierzig Dinare verkaufend - „Recht gern“, antwortete Salem, und er bezeichnete ihm einen Platz, wo er nach dem Nachtgebet sich einfinden sollte. Die beiden Brüder gingen hierauf wieder zu Djaudar und Salem küßte ihm die Hand. Djaudar fragte: „Was hast du, mein Bruder?“ Salem antwortete: „Wisse, wir haben einen Freund, der uns oft schon eingeladen und uns tausend andere Gefälligkeiten erwiesen hat; als ich heute ihn sah und grüßte, lud er mich wieder ein; ich sagte ihm aber, ich könne meinen Bruder nicht allein lassen. Da sagte er: Bringe ihn mit dir. Ich erwiderte: Das wird er nicht wollen, sie du lieber mit deinen Freunden - es saßen deren einige bei ihm - unser Gast. Ich sagte dies, weil ich nicht glaubte, daß er meine Einladung annehmen würde, nun nahm er sie aber an und bat mich, ihn am Tor der kleinen Moschee zu erwarten; ich komme daher ganz beschämt zu dir und frage, ob du unser Herz stärken und sie als deine Gäste aufnehmen wirst, oder wenn du sie nicht in dein Haus nehmen willst, sie doch bei einem unserer Nachbarn bewirten läßt?“ Djaudar sagte: „Warum soll ich sie zu den Nachbarn schicken? Ist etwa unser Haus zu eng oder haben wir nicht für sie zu essen? Schäme dich, mich nur über so etwas zu fragen. Haben wir nicht die besten Speisen und Süßigkeiten und so viel, daß immer noch übrig bleibt? Du kannst Leute bringen, so viel du willst, und wenn ich nicht zu Hause bin, so wird meine Mutter dir Speisen in Masse bringen; geh also und hole deine Gäste. Gottes Segen mag über uns kommen!“ Salem küßte ihm die Hand und ging an das Tor der kleinen Moschee, wo nach dem Nachtgebet der Kapitän mit seinem Leuten sich einfand, und führte sie in Djaudars Haus. Djaudar stand auf, bewillkommte sie, hieß sie sitzen und ahnte nicht, was sie im Herzen gegen ihn verbargen. Er bot dann seine Mutter, das Nachtessen zu bringen, und sie holte vierzig Speisen, die ihr Djaudar nacheinander angab. Der Kapitän und seine Leute aßen nun, bis sie satt waren, und glaubten, das alles käme von Salem. Als der dritte Teil der Nacht vorüber war und sie auch süße Speisen gegessen hatten, legten sie sich schlafen. Sobald aber Djaudar einschlief, fielen sie über ihn her, und ehe er erwachte, stopften sie ihm den Mund zu und führten ihn zur Stadt hinaus nach Suez, wo er ein ganzes Jahr lang mit Fesseln an den Füßen, wie ein Sklave, die gemeinsten Arbeiten verrichten mußte. - Das ist, was Djaudar betrifft; seine Brüder aber gingen am folgenden Morgen zu ihrer Mutter und fragten sie, ob Djaudar noch nicht wache? - „Wecket ihn auf!“ - „Wo schläft er denn?“ - „Bei den Gästen.“ - „Nun, so ist er wahrscheinlich mit den Gästen fortgegangen, um neue Schätze zu entdecken, denn er findet Geschmack an der Fremde, und ich habe gehört, wie die Gäste, welche Abendländer waren, ihm zuredeten, mit ihnen zu gehen.“ - „Ist er denn mit Abendländern zusammengekommene - „ Waren denn nicht solche unsere Gäste.“ - „Nun, so wird er mit ihnen gegangen sein, Gott lenke ihn, er wird gewiß mit vielem Segen zurückkehren;“ doch fiel es ihr so schwer, von ihm getrennt zu leben, daß sie weinte. - „Du Verruchte, so sehr liebst du Djaudar, wenn wir aber noch solange abwesend bleiben, betrübst du dich nicht, und wenn wir bei dir sind, freust du dich nicht; sind wir nicht ebenso gut deine Kinder, als Djaudar?“ - „ Ihr seid auch meine Kinder, doch ihr habt mir nie Gutes erwiesen, von dem Tag an, wo euer Vater gestorben; Djaudar aber hat mich stets verehrt und gestärkt, er verdient, daß ich um ihn weine, denn ich sowohl, als ihr, haben ihm viel zu verdankend - Die beiden Brüder schmähten und schlugen ihre Mutter und gingen hierauf in das Kabinett, um den Quersack zu suchen; da stolperten sie über den anderen Quersack, der mit Gold und Edelsteinen gefüllt war und sagten: „O Verruchte! hier ist das Geld unseres Vaters.“ - „Nein, bei Gott! es gehört eurem Bruder Djaudar, der es aus dem Westen gebracht.“ - „Nein, es ist das Vermögen unseres Vater, das wir jetzt nehmen und unter uns teilen.“ Als die Teilung des Geldes vorüber war und sie miteinander über den Besitz des anderen Quersacks stritten, sagte ihre Mutter: „O meine Söhne! ihr habt den Sack mit Gold und Edelsteinen unter euch geteilt, diesen Sack könnt ihr nicht teilen, sonst ist er nichts mehr wert; laßt mir ihn also, ich will euch zu jeder Zeit die Speisen herausholen die ihr verlangt, und wollt ihr mich von eurem Geld kleiden, so bin ich zufrieden und wir können ruhig beisammen leben; wie leicht kann euer Bruder zurückkommen und euch zu schanden machen.“ Sie zankten aber die ganze Nacht fort, bis ein Kawas des Königs, der in einem der benachbarten Häuser zu Gast war, an einem Fenster, das in die Wohnung Djaudar ging, alles hörte. Der Kawas berichtete am folgenden Morgen dem König, Schems Addaulat, alles, was er gehört hatte; der König schickte sogleich nach Djaudars Brüdern und ließ sie foltern, bis sie alles eingestanden; dann ließ er ihnen beide Quersäcke wegnehmen und sie einsperren, ihrer Mutter aber ließ er jeden Tag aus seinem Schloß bringen, was sie bedurfte.

Djaudar machte, nachdem er ein ganzes Jahr in Suez zugebracht hatte, eine Seereise; da erhob sich ein mächtiger Sturmwind, der das Schiff in Klippen stieß, die es zerschmetterten. Alle, die auf dem Schiff waren, ertranken, nur Djaudar rettete sich ans Land.

Da kam er zu einem arabischen Stamm und erzählte dem Obersten desselben, was ihm widerfahren. Bei diesen Arabern befand sich aber ein Kaufmann aus Djiddah, der ihn bemitleidete. Er sagte zu Djaudar: „Bleibe bei mir als Gehilfe und reise mit mir nach Djiddah.“ Djaudar willigte ein und wurde von dem Kaufmann sehr würdig behandelt. Von Djiddah pilgerte der Kaufmann mit ihm nach Mekka.

Auf einmal, als Djaudar den Kreis um den Tempel machte, begegnete er seinem alten Freund Abd Assamd. Sobald dieser Djaudar sah, grüßte er ihn und fragte ihn, wie es ihm gehe? und als er von seinem Unglück hörte,' nahm er ihn mit in seine Wohnung, schenkte ihm ein unbeschreiblich schönes Kleid und sagte, nachdem er seine Geomancie zu Rat gezogen: „Die Zeit deines Unglücks ist zu Ende, deine Brüder sind längst in Ägypten eingesperrt, dir wird es aber gut gehen: bleibe nur bei mir, bis du die Pflichten der Pilgerfahrt vollbracht hast.“

Djaudar erwiderte dem Abd Assamd: „Ich will nur zu meinem Herrn gehen, bei dem ich diene, dann kehre ich wieder.“ Abd Assamd fragte: „Bist du etwas schuldig?“ „Nein“, antwortete Djaudar. „Nun“, sagte Abd Assamd, „so geh und verabschiede dich bei ihm, denn da du sein Brot gegessen, so hat er ein Recht, dies von dir zu verlangend Er ging zum Kaufmann und sagte ihm, er habe einen Freund getroffen, bei dem er bleiben wolle. Der Kaufmann sagte: „Wenn dein Freund mein Gast sein will, so bringe ihn mir her!“ Djaudar erwiderte: „Er ist ein wohlhabender Mann, hat viele Diener und bedarf keiner Einladung.“ Da gab ihm der Kaufmann für die Dienste, die er ihm geleistet, zwanzig Dinare. Djaudar nahm Abschied von ihm, ging mit dem Geld fort und schenkte es unterwegs einem Armen; dann kehrte er wieder zu Abd Assamd zurück und blieb bei ihm, bis alle Feierlichkeiten der Pilgerfahrt vorüber waren. Nun gab ihm Abd Assamd den Ring, den er unter den Schätzen Schamardals gefunden, und sagte ihm: „Dieser Ring führt dich an dein Ziel, ihm gehorcht ein Diener, welcher der zerschmetternde Donner heißt, er erscheint, sobald du den Ring reibst und du kannst ihm befehlen, was du willst.“ Abd Assamd rieb hierauf den Ring in Djaudars Gegenwart; da erschien sogleich ein Diener, welcher sagte: „Was wünschest du, mein Herr? Wenn du willst, so verwüste ich Städte oder mache sie blühend, ich bringe Könige um und schlage ganze Armeen.“ Abd Assamd antwortete: „Höre Donner! dieser Mann ist nun dein Herr, gehorche ihm!“ Er sagte dann zu Djaudar: „Bewahre diesen Ring wohl, denn du kannst durch ihn alle deine Feinde überlisten, unterschätze dessen Wert nicht.“ Djaudar sagte: „Mit deiner Erlaubnis möchte ich in meine Heimat zurückreisen.“ Abd Assamd erwiderte: „Reibe nur den Ring, sobald du ihn reibst, wird der Diener erscheinen, der dich, wen du es forderst, heute noch nach Ägypten bringt.“ Djaudar nahm hierauf Abschied von Abd Assamd, rieb den Ring, und als ihm der Diener erschien, sagte er: „Bringe mich heute nach Kahirah.“ Der Diener sagte: „Es sei dir gewährte, nahm ihn auf den Rücken, flog mit ihm von Mittags bis Mitternacht, ließ ihn im Hof seines Hauses herunter und verschwand wieder. Als Djaudar zu seiner Mutter kam, erzählte sie ihm weinend, wie seine zwei Brüder sie behandelt haben und wie sie die beiden Quersäcke verloren.

Djaudar, den das Schicksal seiner Brüder betrübte, sagte seiner Mutter: „Betrübe dich nicht über die Vergangenheit, ich will dir gleich zeigen, was ich vermag und wie ich meine Brüder hierherbringe.“ Er rieb den Siegelring, der Diener erschien und sagte: „Was verlangt mein Herr?“ Djaudar antwortete. „Ich befehle dir, meine Brüder aus dem königlichen Gefängnis hierher zu holen.“ Der Diener versank. in der Erde und stieg mitten im Gefängnis wieder herauf, in einem Augenblick, wo gerade Salem und Selim vor harter Bedrängnis sich den Tod wünschten. Sie fielen in Ohnmacht, als der Diener mit ihnen in die Erde hinunterstieg, und als sie wieder zu sich kamen, befanden sie sich in ihrem Haus, wo Djaudar bei seiner Mutter saß. Sobald Djaudar sie erblickte, grüßte und bemitleidete er sie, sie aber weinten und schlugen das Gesicht nieder. Djaudar sagte ihnen: „Weinet nicht, Satan hat euch durch Habgier dahin gebracht, daß ihr mich verkauft habt, doch haben Jakobs Söhne ihrem Bruder Joseph noch weit mehr Unrecht getan, als ihr mir, denn sie haben ihn in eine Grube geworfen, ich verzeihe euch; bekehret euch nur und betet zu Gott, daß er euch verzeihe: er ist der Vergebende, der Barmherzige.“ Er heiß seine Brüder nochmals willkommen und redete ihnen so sehr ans Herz, bis es ihnen leichter wurde; dann erzählte er ihnen, was er in Suez und auf der Reise gelitten, bis er Abd Assamd traf, der ihm den Ring geschenkt. Da riefen sie: „Verzeihe uns diesmal noch, o Bruder! begehen wir aber noch einmal ein Unrecht gegen dich, so tu uns, was du willst.“ Djaudar sagte: „Fürchtet nichts, doch erzählt mir, wie. der König gegen euch verfahrene Sie sagten: „Er hat uns eingeschüchtert, prügeln lassen und hat uns die beiden Quersäcke genommene Djaudar sagte: „Er wird schon aufmerksam.“ Er rieb hierauf den Ring, der Diener erschien, und Salem und Selim fürchteten sich sehr, weil sie glaubten, Djaudar werde ihm Befehl erteilen, sie umzubringen; sie umfaßten ihre Mutter und sagten: „Wir begehen uns unter deinen Schutz, bitte für uns.“ Djaudar aber sagte: „Fürchtet euch nicht, meine Brüder!“ Dann wendete er sich zum Diener und befahl ihm, alles, was in den Schatzkammern des Königs sei, zu bringen, besonders die beiden Quersäcke, die er von seinen Brüdern genommen. Der Diener flog sogleich ins Schloß, packte alles zusammen, was in den Schatzkammern des Königs war, und legte es vor Djaudar nieder. Dieser gab seiner Mutter den Quersack mit Edelsteinen aufzubewahren und legte den, welchem ein Geist untergeordnet war, vor sich nieder; dann sagte er dem Diener: „Baue mir diese Nacht ein hohes Schloß, streiche es mit Goldfarbe an und legte kostbare Divane hinein; du mußt aber, ehe der Tag anbricht, damit zu Ende sein.“ Er holte dann Speisen aus dem Sack, belustigte sich mit seinen Brüdern und schlief ein. Der Diener versammelte seine Genossen und befahl ihnen, ein Schloß zu bauen. Der eine mußte Steine hauen, der andere bauen, der dritte anstreichen, der vierte malen, der fünfte Divane herrichten, und ehe der Tag anbrach, war das Schloß vollendet. Der Diener kam, um es Djaudar zu melden, und ihn zu bitten, es anzusehen; Djaudar ging mit seiner Mutter und seinen Brüdern, und sah ein Schloß, desgleichen nirgends zu finden ist, und dessen Malereien sie in Erstaunen versetzten. Es befand sich auf offener Straße und er hatte nichts dafür ausgegeben. Er bat seine Mutter, hineinzuziehen und es zu bewohnen. Er rieb dann den Ring wieder, und als der Diener erschien, sagte er ihm: „Bringe mir vierzig weiße Sklavinnen und vierzig schwarze, vierzig Mamelucken und vierzig schwarze Sklaven.“ Der Diener schickte seine Genossen nach Indien, Sind und Persien, und sie brachten die hübschesten Sklaven und Sklavinnen und stellten sie Djaudar vor.

Djaudar befahl dann dem Diener, jedem ein kostbares Kleid zu bringen, und als dies geschehen war, ließ er auch Kleider für sich, seine Mutter und Brüder bringen. Er stellte die Sklavinnen, als sie angekleidet waren, seiner Mutter vor und sagte ihnen: „Das ist eure Herrin, küsset ihr die Hand und befolget alle ihre Befehle.“ Die Mamelucken aber küßten Djaudar die Hand, er glich einem Sultan und seine Brüder umgaben ihn wie Veziere und ein jeder von ihnen bewohnte mit seinen Sklaven und Sklavinnen einen Flügel des sehr geräumigen Schlosses. Das ist's, was Djaudar mit den Seinigen angeht. Der Schatzmeister des Königs aber, der am folgenden Morgen etwas aus der Schatzkammer holen wollte, fand sie ganz leer und schrie jämmerlich und fiel in Ohnmacht. Als er wieder zu sich kam, begab er sich zum König Schems Addaulat, und fragte ihm: „O Fürst der Gläubigen, deine Schatzkammer ist diese Nacht ausgeplündert worden.“ Der König sagte: „Was hast du mit den Schätzen getan, die ich gesammelte - „Bei Gott! ich weiß nicht, die Schatzkammer war gestern noch voll, und als ich heute hineinkam, war sie leer und doch waren alle Türen verschlossen, es war nirgends ein Einbruch zu sehen, kein Schloß war zerbrochen, ich weiß nicht, wie sie geleert worden.“ - „Sind auch die beiden Quersäcke weggekommen?“ - „Auch diese sind nicht mehr da.“ Der König verlor ganz den Verstand und sagte außer sich zum Schatzmeister: „Geh vor mir her in die Schatzkammer!“ Als der König selbst in die Schatzkammer trat und sie ganz leer fand, geriet er in heftigen Zorn und sagte: „Wer wagt es, meinen Schatz zu berühren und meiner Macht zu trotzen?“ Er versammelte nun seine Räte und die Anführer der Armeen und sagte ihnen: „Wisset, daß verflossene Nacht alle meine Schätze ausgeplündert worden sind; wer wagte es wohl, ein solches Verbrechen zu begehen?“ Da trat der Kawas, welcher den früheren Streit zwischen Salem und Selim mit angehört hatte, hervor und sagte: „O König! wisse, ich habe diese Nacht so wunderbare Dinge gesehen, daß ich die ganze Nacht nicht schlafen konnte.“ - „Was hast du gesehen?“ fragte der König. - „Ich habe die ganze Nacht bauen hören“, erwiderte der Kawas, „und als der Morgen anbrach, sah ich ein vollendetes Schloß; ich fragte, wem es gehöre? und vernahm, es gehöre Djaudar, dem Sohn Omars, der mit vielen Schätzen, Mamelucken und Sklaven von seiner Reise zurückgekehrt ist; er hat auch seine Brüder aus dem Gefängnis befreit und lebt in seinem Schloß wie ein Sultan.“ Der König sagte: „Seht einmal im Gefängnis nach, ob Salem und Selim wirklich entkommen sind.“ Man öffnete die Türe des Gefängnisses, und fand weder Selim noch Salem. Da sagte der König: „Gewiß hat derjenige, welcher Selim und Salem befreit, auch meine Schätze gestohlen, und beides kann kein anderer getan haben, als ihr Bruder Djaudar.“

Der König sagte dann dem Vezier: „Schicke einen Emir mit fünfzig Mann, um Djaudar und seine Brüder gefangen zu nehmen, laß auch alle ihre Güter versiegeln und hierher bringen. und recht schnelle Der Vezier sagte: „O König, mäßige deinen Zorn, Gott ist auch gnädig und straft nicht gleich die Menschen, die ihm widerspenstig sind; bedenke, daß wenn Djaudar sich, wie du hörst, in einer Nacht ein so großes Schloß hat bauen lassen, er so mächtig ist, daß niemand sich mit ihm messen kann; ich fürchte daher sehr für den Emir, es möchte ihm übel gehen; laß uns lieber erst den Stand der Dinge untersuchen und auf andere Mittel sinnen, zuletzt kann ja immer noch dein Wille geschehend Der König sagte: „So rate du, was ich tun soll.“ Der Vezier erwiderte: „Schicke ihm den Emir und lasse ihn zu dir einladen, ich werde ihn an dich fesseln, und sehen, ob er mutig und stark ist, dann suchen wir ihn zu überlisten, ist er schwach, so kannst du ihn festnehmen und nach deinem Willen mit ihm verfahrene Der König billigte diesen Vorschlag und schickte den Emir Othman zu Djaudar, um ihn im Namen des Königs einzuladen. Dieser Emir war aber dumm und hochmütig; als er an Djaudars Schloß kam, sah er einen Verschnittenen vor dem Tor auf einem goldenen Stuhl sitzen; dieser Verschnittene war der Diener des Ringes selbst, dem Djaudar befohlen hatte, sich in der Gestalt eines Verschnittenen vor die Türe zu setzen. Der Verschnittene stand nicht vor dem Emir auf und trat ihm nicht entgegen, obschon er von fünfzig Mann Soldaten begleitet war. Der Emir Othman sagte ihm: „Sklave, wo ist dein Herr?“ Er antwortete ihm sitzend: „Er ist im Schloß.“ Othman geriet in Zorn und sagte: „Du verruchter Sklave, warum bist du so unverschämt und stehst nicht auf, wenn du mit mir sprichst?“ Der Verschnittene antwortete: „Gehe deines Weges und spare die vielen Worte.“ Othman, außer sich vor Wut über diese Antwort, zog seine Keule und wollt nach dem Geist, den er für einen Sklaven hielt, schlagen; als der Verschnittene aber dies sah, nahm er ihm die Keule weg und versetzte ihm vier Hiebe. Die Soldaten, welche Othman begleiteten, zogen nun ihre Schwerter, um ihrem Herrn zu helfen, aber der Verschnittene schlug sie zurück, und verwundete jeden, der sein Schwert gezogen hatte, so daß sie alle die Flucht ergriffen, und aus dem Angesicht des Schlosses sich entfernten; der Verschnittene setzte sich dann wieder auf seinen Stuhl und kümmerte sich dann um nichts.

Als der Emir mit seinen flüchtigen Soldaten wieder zum König kam, sagte er ihm: „O König, ich habe in meinem Leben kein Schloß gesehen, wie das, welches Djaudar gebaut. Als ich an dessen Tor kam, sah ich einen Verschnittenen auf einem goldenen Stuhl sitzen; er war so stolz, daß er sich nicht von seinem Platz bewegte, als er mich kommen sah und auch sitzend mich anredete; da wurde ich aufgebracht, und zog mein Schwert gegen ihn, er nahm mir aber mein Schwert weg und schlug mich und meine Soldaten, so daß wir fliehen mußten.“

Der König geriet in heftigen Zorn, als er dies hörte, und sagte: „Lasset hundert Reiter gegen das Schloß ziehen!“ Es zogen hundert Reiter dahin, aber auch sie wurden vom Verschnittenen in die Flucht geschlagen; sie kehrten bestürzt zum König zurück und sagten: „O König der Zeit! der Verschnittene hat uns geschlagen und wir fürchteten uns so sehr, daß wir vor ihm entflohen.“ Der König schickte hierauf zweihundert Mann gegen Djaudars Schloß, und als auch diese ihre Niederlage dem König berichteten, sagte er zu seinem Vezier: „Nun mußt du mit fünfhundert Mann gegen dies Schloß ziehen und mir den Verschnittenen, Djaudar und seine Brüder hierherbringen.“ Der Vezier sagte: „Mein Herr, ich brauche keine Truppen, ich will lieber ganz unbewaffnet hingehen.“ Der König sagte: „Geh und tue, was du für angemessen hältst.“ Der Vezier warf seine Waffen weg, zog ein weißes Kleid an, nahm einen Rosenkranz in die Hand und ging allein nach Djaudars Schloß. Als der Verschnittene ihn sah, erhob er sich von seinem Stuhl und begrüßte ihn ganz ehrerbietigst mit den Worten: „Friede sei mit dir, Mensch!“ Der Vezier merkte aus dieser Anrede, daß der Verschnittene ein Genius sein müsse, und fragte, vor Angst zitternd: „Ist dein Herr Djaudar hier?“ - „Er ist im Schloß.“ - „Mein Herr, geh zu ihm und sagte ihm, der König Schems Addaulat läßt dich grüßen und zu einer Mahlzeit einladen.“ - „Warte hier, ich will mit ihm sprechen.“ Der Vezier blieb bescheiden vor dem Tor stehen und der Genius ging ins Schloß und sagte zu Djaudar: „Wisse, mein Herr, der König hat dir einen Emir geschickt, den ich geschlagen, und die fünfzig Mann, die er bei sich hatte, habe ich in die Flucht getrieben; dann schickte er hundert Reiter, dann zweihundert, die ich ebenfalls in die Flucht geschlagen; nun schickt er dir seinen Vezier ohne Waffen, um dich zu einer Mahlzeit einzuladen, was sagst du dazu?“ Djaudar antwortete: „Geh und bringe mir den Vezier hierher.“ Der Genius ging hinunter und sagte zum Vezier: „Mein Herr wünscht dich zu sprechen.“ Der Vezier trat ins Schloß und sah Djaudar auf einem Divan sitzen, prachtvoller als der des Königs; sein Erstaunen über die Pracht dieses Schlosses und dessen Verzierungen war so groß, daß ihm der König nur noch wie ein Bettler erschien. Er verbeugte sich vor Djaudar und grüßte ihn. Djaudar sagte: „Was ist dein Begehren?“ - „Der König läßt dich grüßen und wünscht dein edles Antlitz zu sehen; er hat auch schon ein Fest bereiten lassen, um dich zu empfangen, wirst du wohl ihm diese Freude gönnen?“ - „Wenn er mein Freund ist, so grüße ihn und sage ihm, er soll zu mir kommen.“ Der Vezier wollte wieder fortgehen, aber Djaudar rieb dann den Ring, und als der Diener erschien, sagte er ihm: „Bringe mir eines der schönsten Kleider!“ Als der Diener es brachte, gab es Djaudar dem Vezier mit den Worten: „Zieh es an und sage deinem Herrn, dem König, was ich dir aufgetragen.“ Als der Vezier in seinem neuen Kleid dem König erzählte, was er gesehen und was Djaudar ihm aufgetragen, brach jener auf und zog, von vielen Truppen begleitet, nach dem Schloß. Auch Djaudar hatte inzwischen dem Diener befohlen, den Hof des Schlosses mit Geistern in Gestalt kräftiger Soldaten mit allerlei Waffen und Kriegsrüstungen auszufüllen.

Als der König in den Hof des Schlosses kam und die aufgestellten Truppen sah, welche lauter große, starke Männer waren und die herrlichsten Waffen trugen, fürchtete er sich vor ihnen; er ging demütig in den Saal, wo Djaudar saß, von mehr Glanz umgeben, als irgend ein Sultan, grüßte ihn und wünschte ihm Glück. Djaudar stand nicht auf und hieß den König nicht sitzen. Dieser wurde daher sehr ängstlich, er wagte es weder, sich zu setzen, noch sich wieder zu entfernen, und dachte: wenn er sich etwas aus mir machte, so würde er mich nicht so stehen lassen, gewiß will er mich züchtigen wegen dessen, was ich seinen Brüdern getan. Djaudar redete ihn sitzend an: „O König, einem Mann, wie Ihr, ziemt es nicht, daß er die Menschen so unterdrücke und ihnen ihr Gut wegnehme!“ Der König sagte: „Verzeih mir! die Habgier hat mich dazu getrieben; die Bestimmung wollte es so; gäbe es keine Schuld, so gäbe es auch keine Großmut.“ Er entschuldigte sich dann solange und bat um Gnade, bis Djaudar ihm verzieh, ihn sitzen hieß und ihm einen Kaftan als Pfand der Gnade schenkte. Er befahl dann seinen Brüdern, den Tisch zu decken, und nachdem sie gegessen hatten, schenkte er dem ganzen Gefolge des Königs neue Kleider. Der König gab dann Befahl zum Aufbruch und verließ Djaudar. Im folgenden Tage besuchte er ihn wieder und so jeden Tag; auch hielt er alle Versammlungen in Djaudars Schloß und befreundete sich immer mehr mit ihm. Nach einiger Zeit aber sagte der König zu seinem Vezier: „Ich fürchte, Djaudar wird mich doch am Ende umbringen und mein Königreich an sich reißen.“ Der Vezier erwiderte: „Was dein Königreich betrifft, so kannst du ohne Furcht sein, denn Djaudar besitzt mehr als ein Königreich; was aber deine Furcht, umgebracht zu werden, angeht, so hast du ja eine Tochter, gib sie ihm zur Frau, dann seid ihr verschwägert und du hast nichts von ihm zu fürchten.“ - „Willst du Vermittler zwischen uns sein?“ - „Recht gerne; lade ihn zu dir ein, und wenn wir nachts beisammen wachen, so lasse deine Tochter im schönsten Aufzug an der `Ihr des Saals vorübergehen, und wenn er sie bemerkt und schön findet, so sage ich ihm, sie sei deine Tochter; er wird dann bei mir um sie werben und du stellst dich, als wüßtest du von der ganzen Sache nichts, und heiratet er sie, bildet ihr nur eine Familie, du hast nichts mehr von ihm zu fürchten und erbst nach seinem Tode alles, was er besitzt.“ - „Dein Rat ist vortreffliche Der König ließ sogleich eine Mahlzeit bereiten und lud Djaudar dazu ein, und nachdem sie bis abends in der höchsten Vertraulichkeit miteinander gezecht hatten, ließ er seine Tochter durch die Türe des Saales, herrlich geschmückt, vorübergehen; diese war so unvergleichlich schön und reizend, daß, sobald Djaudar sie erblickte, er ganz blaß war, einen tiefen Seufzer ausstieß, an allen Gliedern zitterte und ganz außer sich geriet. Der Vezier neigte sich zu ihm hin und fragte, warum er so seufze?“ „Wem gehört dieses Mädchen, das mein Herz geraubt und meinen Verstand?“ - „Es ist die Tochter deines Freundes; wenn sie dir gefällt, so will ich mit dem König sprechen, daß er dir sie zur Frau gebe.“ - „Tu dies, ich will eine so große Morgengabe herbeischaffen, als er verlangt, und dir schenken, was du willst.“ Der Vezier neigte sich dann zum König hin und sagte: „Dein Freund Djaudar ersucht mich, dich zu bitten, daß du ihm deine Tochter zur Frau gebest, er will jede beliebige Morgengabe entrichtend Der König antwortete: „Es sei als habe ich die Morgengabe schon erhalten, ich bin sein Diener und meine Tochter seine Sklavin; er erweist mir noch eine Gnade, wenn er sie annimmt.“

Am folgenden Morgen versammelte der König alle seine Freunde und hohen Beamten, ließ auch den Scheich des Islams kommen und einen Ehekontrakt zwischen Djaudar und seiner Tochter schreiben. Djaudar ließ den Quersack mit Edelsteinen holen, und schenkte ihn dem König als Morgengabe; Trommeln und Psalter ertönten in der ganzen Stadt, die Hochzeit wurde mit großen Festlichkeiten gefeiert, und der König und Djaudar waren von nun an ein Herz und ein Sinn. Bald starb aber der König und Djaudar wurde von den Truppen als Sultan ausgerufen. Er weigerte sich zwar, die Regierung anzunehmen, man drang aber so sehr von allen Seiten in ihn, bis er nachgab. Er ließ eine Moschee auf dem Begräbnisplatz des verstorbenen Sultans bauen, und stiftete das Nötige für deren Unterhalt, sie befindet sich im Quartier Bundukanijeh. Djaudars Palast aber war ein Quartier Jemanijeh, das später, als er hier auch eine Moschee bauen ließ, Djaudarieh genannt wurde. Djaudar ernannte Salem zu seinem Vezier der Rechten und Selim zu seinem Vezier der Linken. Nach Verlauf von einem Jahr aber sagte Salem zu Selim: „Wie lange wollen wir noch die Diener unseres Bruders bleiben? sollen wir nie selbst Herren werden?“ Selim sagte: „Ersinne eine L ist, wie wir ihn umbringen und ihm den Sack und den Ring nehmen.“ Salem sagte: „Das will ich, unter der Bedingung, daß ich dann Sultan werde und den Ring behalte; dafür sollst du den Quersack nehmen und mein Vezier zur Rechten sein.“ Nach weiterer Verabredung gingen sie zu Djaudar und sagen: „Wir wünschten, daß du uns auch einmal die Ehre erweisest, unser Gast zu sein.“ Djaudar fragte; „Zu wem von euch soll ich diesen Abend kommen?“ „Diesen Abend zu mir“, antwortet Salem, „und ein andermal zu Selim.“ Salem ließ eine Mahlzeit zubereiten und vergiftete die Schüssel, die er Djaudar versetzte, so daß gleich sein Fleisch und seine Knochen zerfetzt wurden. Er wollte ihm dann den Ring nehmen, da er aber nicht losging, schnitt er ihm den Finger ab, rieb den Ring, und als der Diener erschien, befahl der ihm, seinen Bruder Selim zu töten und ihn nebst dem vergifteten Djaudar den Großen des Reichs, welche in einem anderen Saal an der Tafel waren, vorzuwerfen. Als die Gäste die zwei Leichen sahen, fragen sie den Genius, wer den König und den Vezier umgebrachte Der Genius antwortete: „Ihr Bruder Salem.“ In diesem Augenblick trat Salem herein und sagte: „Esset nur weiter und seid vergnügt, ich besitze meines Bruders Ring, und Selim, dessen Verrat ich fürchtete, ist auch tot, ihr müßt mich nun als Sultan anerkennen, sonst lasse ich euch alle umbringend Aus Todesangst riefen nun alle: „Wir wollen dich gerne zum König erwählen.“ Er hieß sie dann weiter essen, was sie auch aus Furcht taten, dann ließ er seine Brüder beerdigen und zog mit großem Pomp in den Thronsaal und ließ sich huldigen. Endlich verlangte er auch, daß man den Ehekontrakt zwischen seiner Schwägerin und ihm schreibe. Man sagte ihm: „Warte, bis die gesetzliche Zeit vorüber ist!“ Salem erwiderte aber: „Ich kenne kein Gesetz, bei meinem Haupt, sie muß dies Nacht noch meine Gattin werden.“ Man schrieb den Ehekontrakt und benachrichtigte Djaudars Witwe davon. Diese empfing Salem und bewillkommnete ihn freundlich, reichte ihm aber vergiftetes Wasser, woran er starb. Sie nahm dann den Ring und zerbrach ihn, damit ihn niemand mehr besitze, zerriß den Quersack und ließ dem Scheich AI Islam und den Truppen Nachricht von Salems Tode geben, und forderte sie auf, einen anderen Sultan zu wählen. Das ist alles, was uns von der Geschichte Djaudars zugekommen.

Den König entzückte die wunderbare Geschichte Djaudars sehr und er sagte daher zu seiner Gattin: „O Schehersad, erzähle mir nun auch einige Parabeln von den Vögeln und Tieren.“ Schehersad erwiderte: „Recht gern, großer König!“ und begann:

Parabeln. Es war vor alten Zeiten ein Pfau, der mit seiner Gattin einen Wald, in welchem viele andere Tiere sich aufhielten, am Ufer des Meeres bewohnte. Des Nachts verbargen sie sich daher in einem der Bäume, aus Furcht vor wilden Tieren, und des Tages flogen sie umher, um Nahrung zu suchen. Sie lebten lange so fort, bis ihnen einmal der Gedanke kam, einen anderen Wohnort zu suchen, wo sie sicherer und ruhiger leben könnten. Da kamen sie auf ein fruchtbare Insel, die reich an Bäumen und Gewässern war, ließen sich da nieder und aßen und tranken. Auf einmal kam eine Ente zu ihnen, welche gar zu ängstlich aussah und furchtbar zitterte. Der Pfau dachte: der muß gar Schlimmes widerfahren sein; er stieg von seinem Baum herunter, grüßte sie und bat sie, ihm zu erzählen, was ihr begegnet. Nachdem sie seinen Gruß erwidert hatte, sagte sie: „Schütze mich gegen die Menschen und sei selbst auf deiner Hut! gelobt sei Gott, der mich von meiner Angst erlöst und mich zu euch geführt hat, wie sehr habe ich mich nach eurer Nähe gesehnt; laß nur auch dein Weibchen heruntersteigen, daß es höre, was mir zugestoßen.“ Das Weibchen kam auch herunter, bewillkommnete die Ente und sagte ihr: „Sei nur ohne Furcht, woher soll ein Mensch auf diese Insel, inmitten im tobenden Meer, kommen? sei nur ganz ruhig, es kann niemand zu uns gelangen; erzähle mir, was dir zugestoßen und warum du die Menschen so fürchtest?“ Da begann die Ente: „Wisse, o Pfau! ich bringe nun mein ganzes Leben schon in Sicherheit auf dieser Insel zu und wußte von nichts Bösem. Eines Nachts erschien mir im Traum ein Mensch, der sich mit mir unterhielt; darauf hörte ich eine Stimme, welche mir zurief: O Ente! hüte dich vor dem Menschen, laß dich nicht verführen durch seine süßen Worte, denn du hast nur Unglück von ihm zu erwarten, weil er gar zu listig ist. Nimm dich wohl in acht, denn wisse, daß der Mensch durch List die größten Meerungeheuer zu fangen versteht, mit seiner Flinte die Vögel in der Luft zu sich herunterzieht und den Elefanten in eine Grube stürzt. Niemand ist vor der List der Menschen sicher, kein Fisch, kein Vogel, kein wildes und kein zahmes Tier. Nachdem ich dies gehört hatte, erwachte ich voller Angst und Furcht und ich konnte, teure Schwester! mich den ganzen Tag nicht fassen und hatte kein Lust, weder zu essen noch zu trinken; so sehr setzte mich die Bosheit des Menschen in Schrecken. So lief ich unruhig umher, bis ich zur Höhle eines jungen gelben Löwen kam. Dieser freute sich über alle Maßen, als er mich ankommen sah, denn mein Farbe und schöne Gestalt gefielen ihm sehr gut; er hieß mich in seine Nähe kommen und fragte mich nach meinem Namen und Geschlecht. Ich sagte: „Ich heiße Ente und gehöre zum Geschlecht der Vögel.“ Ich fragte ihn, warum er solange hier bleibe? Er antwortete: „Mein Vater, der Löwe, der warnt mich schon so lange vor den Menschen, nun sah ich diese Nacht in einem Traum einen Menschen, mit dem ich mich sehr gut unterhielt; zwar hörte ich eine Stimme, welche mich vor ihm warnte, aber er gefiel mir so gut, daß ich, weil ich weiß, daß zuweilen Menschen hier vorüberkommen, hier warte, denn ihr möchte gar zu gern einen Menschen sehen.“ Als der Löwe zu reden aufgehört, sagte ich ihm: „Sei auf deiner Hut und suche den Menschen auszuweichen, dessen List allmächtige Ich warnte ihn dann solange, bis er sich endlich entschloß, mit mir wegzugehen. Als wir eine Weile miteinander umherliefen, sahen wir einen großen Staub, der uns immer näher kam, und endlich entdeckten wir einen umherirrenden Esel, der bald stampfte, bald in die Höhe sprang, bald schrie. Der Löwe rief ihn zu sich, und der Esel näherte sich ihm ehrfurchtsvoll und küßte die Erde vor ihm. Da sagte der Löwe: „Wie heißt du, blödsinniges Tier, und wieso kommst du hierher und was springst du so?“ Der Esel antwortete: „O Prinz! ich heiße Esel und komme hierher aus Furcht vor den Menschen. Denn der Mensch ist ein Unheil von den allergrößten, ein wahres Verderben der Tiere.“ - „Fürchtest du, daß ein Mensch dich töte oder zerreiße?“ - „Bei Gott, o Prinz! ich fürchte weder von ihm getötet, noch zerrissen zu werden; aber er gebraucht List, um auf mir zu reiten und mich zu beladen. Da hat er etwas, das er Decke nennt, das legt er auf meinen Rücken, dann hat er so ein Leder, das er Gurt nennt, damit umgürtet er mich, dann hat er etwas zum Sitzen, von ihm Sattel genannt, und einen Riemen, den er unter meinen Schweif legt; auch steckt er mir ein Stück Eisen, das er Zaum nennt, in den Mund und er macht einen Stachelstock, mit dem er mich antreibt, so muß ich dann laufen und tragen über meine Kräfte; stolpere ich, so schmäht er mich, schreie ich, so flucht er, und gehe ich ein wenig zu langsam, so schlägt er mir die Rippen auf, und wenn ich alt werde, so macht er mir so einen groben, hölzernen Sattel und übergibt mich den Wasserträgern, die mich mit Wasserschläuchen und großen Krügen beladen. So lebe ich bei den Menschen in Mühseligkeit und Elend und Erniedrigung, bis ich sterbe, da wirft man mich auf einen Schutthaufen den Hunden zur Speise hin. Gibt es wohl eine größere Qual, als die meinige?“ „Als ich“, fuhr die Ente fort, „diese Worte des Esels hörte, ergriff mich ein furchtbarer Schauder und eine noch größere Furcht vor den Menschen, und ich sagte zum Löwen: „Bei Gott! der Esel hat Ursache, den Menschen zu fürchten.“ Er fragte dann den Esel, wo er hingehe? „O Prinz!“ antwortete der Esel, „ich fliehe von hier, so schnell als ich kann, denn ich habe vor Sonnenuntergang in der Ferne einen Menschen erblickt.“ Während dieses Gesprächs, als gerade der Esel wieder von uns Abschied nehmen wollte, entdeckten wir einen dichten Staub, der Esel schrie laut auf, und blickte nach dem Staub hin. Auf einmal kam unter dem Staub ein schönes schwarzes Pferd hervor, das scheu und schüchtern umherlief. Als es in die Nähe des Löwen kam, empfing er es mit Achtung und fragte: „Wie ist dein Name, verehrtes Tier, und warum irrst du so umher?“ Das Pferd antwortete: „O Herr der Tiere! man nennt mich Pferd und ich bin hier auf der Flucht vor Menschen.“ Der Löwe rief ganz erstaunt: „Bei Gott, wunderbar! was sagst du mir da; das ist eine Schande für dich, du bist ja so stark, so groß und so dick, und doch fürchtest du dich vor den Menschen? Ich wünschte sehr, einem Menschen zu begegnen, ich hoffte mich an seinem Fleisch zu sättigen und an seinem Blut meinen Durst zu stillen, um dieser schwachen, zitternden Ente Ruhe zu verschaffen; nun aber zerschneiden mir deine Worte das Herz, du machst mir bang durch deinen Schrecken und nimmst mir die Luft, mich mit ihm zu messen; du bist doch viel größer und siehst stärker aus, als ich, ich dächte, daß du mit einem Tritt deiner Füße einen Menschen töten könntest.“ Das Pferd lachte und sagte: „Hüte dich wohl vor den Menschen und laß dich nicht durch sein unbedeutendes Aussehen betören; o Prinz! mir hilft weder Stärke, noch Größe, noch Breite; der Mensch macht aus List und Bosheit etwas, das man Pfahl nennt, und etwas, das Strick heißt, aus Palmfasern mit Filz geflochten und stark gedreht, den Pfahl befestigt er in dem Boden, und mit dem Strick bindet er meine Füße an. Mit einem anderen Strick, der in der Höhe an einen Pfosten gebunden wird, zieht er meinen Kopf aufwärts und so muß ich wie gekreuzigt auf den Füßen stehen und kann nicht liegen und nicht schlafen; will er auf mir reiten, so legt er mir etwas auf, das man Sattel nennt, woran spitzige Eisen befestigt werden, die Steigbügel heißen. Der Sattel wird mir durch zwei Riemen um den Leib geschnürt, dann bekomme ich auch noch ein Eisen in den Mund, Gebiß genannt, daran befestigt man Riemen, die man Zaum nennt und die der, welcher auf mir reitet, in die Hand nimmt, und so zieht er mich hin, wo er will, und spornt mich dabei, daß mir das Herz blutet. Frage nur nicht, o Prinz! nach allem, was ich von ihm in meiner Jugend dulden muß, und wenn ich gar alt werde und mager, so verkauft er mich einem Müller, wo ich im Kreise umhergehend, Weizen und Gerste mahlen muß, Tag und Nacht; und bin ich auch dazu nicht mehr tauglich, so werde ich geschlachtet, meine Haut und mein Schwanz wird dem Siebmacher verkauft, mein Fett wird geschmolzen und mein Fleisch wird auf allen Straße n ausgeschrien, und wenn es nicht gut abgeht, so mischt es der Metzger mit Esel- und Mauleselfleisch und kocht es mit Essig, um den schlechten Geruch zu vertreiben.“

Als der Löwe dies hörte, wurde er noch grimmiger, und er fragte das Pferd, wann es einen Menschen gesehen? Es antwortete: „Gegen Mittag sah ich einen Menschen, der meinen Spuren folgte.“ Während des Gesprächs entdeckten wir auf einmal wieder einen mächtigen Staub in der Ferne und es kam ein Kamel darunter hervor, das zitternd und bebend umhertrabte, bis es uns nahe kam. Der Löwe hielt es für einen Menschen und wollte schon darauf losspringen; da sagte ich ihm: „O Prinz! das ist kein Mensch, das ist ein Kamel, das auch vor den Menschen zu fliehen scheint, wie wir.“ Während ich dies dem Löwen sagte, trat das Kamel zu uns, verbeugte sich vor dem Löwen und grüßte ihn. Der Löwe erwiderte seinen Gruß und fragte es, wie es so hierhergekommen? Es antwortete: „Ich fliehe vor dem Menschen.“ - „Wie“, versetzte der Löwe, „ein Tier von so großer Gestalt, so lang und so breit fürchtet den Menschen? bei Gott! mit einem Tritt kannst du ihn ja umbringend - „O Prinz!“ antwortete das Kamel, „der Mensch ist so klug und so schlau und so fein, daß nur der Tod ihm beikommen kann. Da zieht er mir einen Ring durch die Nase, woran eine Schnur befestigt wird, und wirft mir eine Halfter um den Kopf und übergibt mich seinen jüngsten Kinde, das, trotz meiner Größe und Stärke mich hinführt, wo es will. Dann legt er mir die schwersten Lasten auf und unternimmt mit mir die größten Reisen, und gebraucht mich zu den schwersten Arbeiten, so daß ich weder bei Tag, noch bei Nacht Ruhe finde, und wenn ich alt werde und gebrechlich, duldet er mich nicht mehr in seiner Gesellschaft, sondern verkauft mich dem Metzger am Siegestor (in Kahirah). Dieser schlachtet mich, verkauft meine Haut dem Gerber und mein Fleisch den Wirten. Ich kann dir gar nicht alles sagen, o Prinz! was ich stets vom Menschen ertragen muß.“ Der Löwe fragte es dann, wann es den Menschen verlassen? Es antwortete: „Gegen Sonnenuntergang, und ich denke, er wird bald hier sein; schütze dich vor ihm und laß mich weiter fliehen in die Wüsten und Einöden.“ Der Löwe sagte: „Bleibe nur noch ein wenig, du sollst sehen, wie ich ihm die Knochen zermalme, wie ich ihn zerreiße, wie ich dich von seinem Fleisch nähre und von seinem Blut tränke.“ Aber das Kamel rief: „Bewahre Gott, o Prinz! daß ich länger säume, ich bin sogar um deinetwillen in großer Angst, wenn ein Mensch sich deiner Wohnung nähert.“ Auf einmal bemerkten wir wieder einen Staub und es trat ein kurzer, magerer Greis hervor, der in einem Korb allerlei Schreinerhandwerkszeug auf der Schulter, einen Baumzweig und acht Bretter auf dem Kopf trug, und kleine Kinder an der Hand führte. Ich fiel vor Furcht auf den Boden, als ich ihn herankommen sah, der Löwe aber trat ihm in den Weg, schüttelte seinen Schwanz und bereitete seine Klauen zum Kampfe vor. Der Mensch trat ihm freundlich entgegen, verbeugte sich vor ihm, lächelte ihm zu und sprach mit einer süßen Zunge: „O erhabener und mächtiger König! Gott schenke dir einen süßen Abend, vermehre deine Kraft und deinen Ruhm, verbreite deine Herrschaft und deine Macht, unterwerfe dir alle deine Feinde und weise dir das Paradies zur Wohnung an. Gewähre mir deinen Schutz und stehe mir bei, ich kann nur bei dir Hilfe finden.“

Der Löwe, gerührt von dem Flehen und Weinen des Schreiners, sagte ihm: „Ich verspreche dir meinen Schutz; sage mir, wer dir Gewalt angetan und wer du bist, denn ich habe in meinem Leben kein Tier deinesgleichen gesehen, so schön an Gestalt und so beredter Zunge; wie heißt du denn und wer mißhandelt dich?“ Der Schreiner antwortet: „O Herr der Tiere! ich heiße Schreiner und fürchte mich sehr vor dem Menschen, der morgen früh schon hier eintreffen wird.“ Als der Löwe dies hörte, war das Licht zur Dunkelheit vor ihm, er knurrte und schnaubte, Funken sprühten aus seinen Augen und er schrie: „Bei Gott, ich werde die ganze Nacht hier wachend zubringen.“ Dann bat er den Schreiner, er möchte ihm, da er doch mit seinen kurzen Füßen nicht mit wilden Tieren gleichen Schritt halten könne, sagen, wo er hingehe? Der Schreiner antwortete: „Ich gehe jetzt zum Luchs, dem Vezier deines Vaters, dem mächtigen, reißenden Tier, dem Herrn der Klauen und Zähne, der auch gehört hat, daß Menschen in seine Nähe kommen würden, und daher aus Furcht mich rufen ließ, damit ich ihm zum Schutz aus diesen Brettern ein Haus baue.“ Der junge Löwe beneidete den Luchs und sagte zum Schreiner: „Bei Gott! ich lasse dich nicht von der Stelle, bis du mir zuerst ein Haus bauest; nachher kannst du zum Luchs gehen.“ Der Schreiner sagte: er müsse zuerst zum Luchs und wolle nach vollendeter Arbeit bei diesem zu ihm zurückkehren; aber der junge Löwe drang in ihn, sprang auf ihn zu und faßte ihn zum Scherze mit der Tatze, da fiel der Schreiner mit dem Korb auf den Boden und alle Werkzeuge lagen auf der Erde zerstreut. Der Löwe sagte dann lachend: „Wie schwach bist du, du armer Schreiner; bei Gott, deine Furcht vor dem Menschen ist zu entschuldigen, denn du hast gar keine Kraft.“ Der Schreiner wurde sehr aufgebracht, doch verbarg er aus Furcht vor dem Löwen seinen Groll, stand wieder auf und sagte lächelnd: „Gut, ich will dir ein Haus bauen.“ Er nahm dann die Bretter, die er bei sich hatte, und nagelte sie zusammen, wie eine Kiste, und brachte eine große Öffnung an. Als er damit fertig war, sagte er zum Löwen: „Mein Herr! geh einmal in dieses Haus, daß ich dein Maß nehme.“ Der Löwe ging hinein, vor Freude ganz außer sich. Da aber die Kiste für ihn etwas eng war, sagte ihm der Schreiner, er müsse niederknien, dies tat der Uwe, bis nur sein Schweif noch heraushing; aber auch diesen legte der Schreiner zusammen und drückte ihn die Kiste, dann legte er schnell den Deckel auf die Öffnung und nagelte sie zu. Der Löwe schrie: „Was ist das für ein enges Haus? laß mich heraus!“ Der Schreiner antwortete lachend: „Aus dies ' er Kiste kommst du in deinem Leben nicht mehr heraus, es bleibt dir gar kein Weg zur Rettung offen, du bleibst nur im Käfig, du abscheulichstes aller Tiere; nun liegst du in der Schlinge, die du so sehr gefürchtet hast; die Bestimmung wollte es so durch mich, da hilft keine Vorsicht.“ Als der Löwe diese Worte vernahm, merkte er, daß der Schreiner ein Mensch war, vor dem man ihn wachend und träumend gewarnt hatte. Ich fing nun an“, fuhr die Ente fort, „auch für mich ängstlich zu werden, darum entfernte ich mich ein wenig, aber ich war noch Augenzeuge davon, wie der Mensch ein großes Loch in der Nähe der Kiste, in die er den Löwen gesperrt hatte, grub, die Kiste in die Grube warf, Holz auf dieselbe legte und es anzündete. Als ich dies sah, entfloh ich schnell und befinde mich nun schon zwei Tage auf der Flucht vor den Menschen.“

Der Pfau war sehr erstaunt über diese wunderbare Erzählung der Ente und sagte ihr: „O meine Schwester! hier sind wir sicher vor dem Menschen, wir befinden uns ja auf einer Insel, die von keinem Menschen betreten wird; wir wohnen schon lange in bester Ruhe hier, bleibe also bei uns, bis der erhabene Gott auf andere Weise uns vor unsern Feinden Ruhe schafft. Was willst du länger so umherziehen? ist etwas über unser Haupt beschlossen, so wird es uns überall erreichen; denn, ist unsere Todesstunde nahe, wer kann uns gegen sie schützen? Und niemand stirbt, bis seine Zeit abgelaufenen.“

Während sie so zusammen sparen, erhob sich wieder ein Staub; die Ente sprang ins Meer und schrie: Vorsicht! Vorsicht! laß mich dem Unheil entfliehen! Auf einmal legte sich der Staub und es kam ein Reh herbeigesprungen. Da sagte der Pfau zur Ente: „O meine Schwester, kehre nur wieder, das, wovor du dich fürchtest, ist ja ein Reh, das uns gewiß nichts zuleide tut, es nährt sich ja nur von Pflanzen, und gehört zu den vierfüßigen Tieren, wie du zu den Vögeln, sei also ruhig und mache dir keine Sorgen, denn Sorgen machen den Körper mager.“ Das Reh hatte inzwischen den Schatten des Baumes gesucht, wo der Pfau und die Ente sich aufhielten, und als es sie sah, grüßte es sie und sagte: „Ich habe in meinem Leben keine fruchtbarere Insel gesehen, die so reiche Weide hat, als diese; wie angenehm ist es hier zu wohnen, ich wünschte sehr, euch Gesellschaft leisten zu dürfen.“ Die Ente und der Pfau näherten sich ihm freundlich, grüßten es und sagten, sie haben sich schon lange nach einer so lieblichen Gesellschaft gesehnt; sie schlossen bald ein Freundschaftsbündnis und schwuren sich Treue, und aßen und tranken und wohnten vergnügt beisammen, bis eines Tages ein Schiff an der Insel vorbeikam, das auf dem Meer herumirrte. Die Schiffleute wählten diese Insel als Ankerplatz, stiegen ans Land und liefen auf der Insel umher. Als sie den Baum sahen, unter welchem das Reh, der Pfau und die Ente versammelt waren, liefen sie darauf zu; aber der Pfau entfloh schnell auf den Baum, das Reh suchte das Weite, nur die Ente, die bald vorwärts, bald rückwärts ging, wurde gefangen und trotz aller ihrer Vorsicht gegen die Bestimmung aufs Schiff geschleppt und geschlachtet. Als der Pfau sah, was der Ente geschehen, wollte er diese Insel verlassen, denn er rief aus: „Ich sehe überall nur Unheil; wie schön hätte ich in Freundschaft mit dieser Ente gelebt, wenn nicht das Schiff dazwischen gekommen wäre!“ Er flog dann umher, bis er wieder das flüchtige Reh traf; dies wünschte ihm Glück zu seinem Entkommen und erkundigte sich nach der Ente. „Meine treue Freundin“, sagte der Pfau, „ist gefangen worden, darum verlasse ich auch diese Insel, die mir wegen des Unglücks der Ente verhaßt geworden.“ Er weinte dann eine Weile und sprach folgenden Vers:

„Der Tag der Trennung hat mein Herz gebrochen, Gott breche auch dem Trennungstag das Herz! Wenn nur noch ein Tag der Vereinigung wiederkehrte, daß ich ihm berichte, was der Trennungstag getan.“

Das Reh wurde sehr betrübt, doch bewog es den Pfau, noch einige Zeit auf der Insel zu bleiben, und sie wohnten vergnügt und sicher beisammen und hatten keinen anderen Kummer, als den Verlust der Ente. Eines Tages sagte das Reh zum Pfau: „Du siehst, daß wir unsern Verlust nur den Menschen zu verdanken haben, die aus dem Schiff gestiegen sind, sei also stets auf deiner Hut gegen ihre List.“ Aber der Pfau erwiderte: „Ich weiß ganz bestimmt, daß nur die Vernachlässigung des göttlichen Lobes die Ente ins Verderben gestürzt, denn jedes Geschöpf ist verpflichtet, Gott zu preisen, und wer dies unterläßt, wird dafür bestrafte Das Reh dankte dem Pfau für diese Ermahnung und fing an, den ganzen Tag den Schöpfer zu loben und immer zu rufen: „Gepriesen sei der Richter, der Herr der Kraft und der Macht!“ Auch erzählt man: Vor alten Zeiten wohnte ein Einsiedler allein auf einem Berg, wo er kein lebendiges Wesen, als ein Paar Tauben, bei sich hatte, mit denen er sehr befreundet war, deren ganze Lebensweise er kannte und deren Lobeserhebungen er deutlich vernahm. Dieser Einsiedler teilte seine Nahrung mit den Tauben, die sich bald vermehrten, weil er oft für die Verbreitung ihrer Nachkommen betete. So lange der Einsiedler lebte, hörten die Tauben nicht auf, Gott zu preisen und zu rufen: „Gepriesen sei der Schöpfer, der jedem Geschöpf seinen Lebensunterhalt angewiesen, gepriesen sei der Erbauer des Himmels und der Gründer der Erde!“ Als aber Gott den Einsiedler zu sich nahm und die Tauben nicht mehr an ihr göttliches Lob ermahnt wurden, da hatte auch bald ihr Wohlstand ein Ende, sie wurden getrennt und zerstreut in Städten und Flecken, auf Bergen und in Ebenen.

So wird auch erzählt: Es wohnte einst auf einem Berg ein sehr verständiger, religiöser und tugendhafter Hirt, der von der Milch und Wolle seiner Herde lebte. Der Berg, den er bewohnte, war sehr waldig und beherbergte viele wilde Tiere, doch konnten sie weder dem Hirten, noch seiner Herde etwas zuleide tun; er lebte daher in größter Sicherheit und Sorgenlosigkeit auf diesem Berg, unbekümmert um weltliche Angelegenheiten und bloß in der Verehrung Gottes selig. Einst wurde er sehr krank, so daß er seine Höhle nicht mehr verlassen konnte; seine Herde ging indessen jeden Tag auf die Weide und kehrte abends zur Höhle zurück. Aber Gott wollte den Einsiedler prüfen, er schickte ihm daher einen Engel in der Gestalt einer sehr schönen Frau, die sich zu ihm setzte. Als der Einsiedler sie sah, zitterte sein ganzer Körper und er sagte ihr: „Was ruft dich hierher? Was haben wir miteinander gemein, daß du zu mir kommst?“ Sie antwortete: „O Mensch! siehst du nicht, wie reizend und schön ich bin und welchen Wohlduft ich verbreite? Weißt du nicht, wie sehr du einer weiblichen Pflege bedarfst?“ Warum willst du mich denn verstoßen? Was schadet dir meine Gesellschaft, da mir doch deine Nähe so teuer ist, daß ich dir alles gewähren und gar nichts versagen will? Wir haben ja hier niemanden zu fürchten, wir sind ja allein und du wohnst ja so einsam auf diesem Berg, daß es dir nur erwünscht sein kann, ein weibliches Wesen bei dir zu haben, das dich bedient; du wirst auch sehen, daß du durch meine Nähe gewiß bald wieder gesund wirst, und es tief bereuen, solange abgesondert von Frauenzimmern gelebt zu haben; komm zu mir und folge meinem Rat.“ Der Hirt antwortete: „Verlaß mich, du trügerisches Weib! ich mag deine Nähe und deine Liebe nicht; wer sich hier seiner Leidenschaft hingibt, dem bleibt jene Welt verschlossen; nur wer hier allen Freuden entsagt, dem werden die des Paradieses zu teil; wehe dem, der durch deine Nähe in Versuchung kommt und von deinen Liebkosungen sich täuschen läßt.“ - Darauf erwiderte der Engel: „O Frauenfeind, der du vom rechten Wege abirrst, sieh mich nur an und ergötze dich an meinen Reizen, wie schon andere weise Männer vor dir getan, die besser und erfahrener als du waren; laß ab von deinem Eigensinn, du wirst es sonst bereuen.“ Aber der Hirt versetzte: „Du bist ein trügerisches Weib, ich werde fortleben in meiner Enthaltsamkeit und Gott zu Hilfe rufen gegen jede Gemeinschaft mit dir; wie manchen Frommen magst du schon verführt haben, den dann ewiges Unheil traf. Laß mich also, du verworfenes Weib!“ Er warf dann seinen Mantel um sein Gesicht, daß er sie nicht mehr sah, und betete zum Herrn.

Als der Engel die unerschütterliche Frömmigkeit des Hirten sah, zog er sich zurück und stieg wieder in den Himmel. In der Nähe des Einsiedlers war ein Flecken, in welchem auch ein sehr frommer Mann wohnte. Dieser hörte nachts im Traum eine Stimme, welche ihm zurief: „Auf dem Berg in deiner Nähe hält sich ein gottesfürchtiger Einsiedler auf, besuche ihn und tue, was er dir sagt.“ Am folgenden Morgen machte er sich auf den Weg, um ihn aufzusuchen; des Mittags ließ er sich unter einem Baum neben einer Wasserquelle nieder, um ein wenig auszuruhen. Da kamen viele wilde Tiere und Vögel, um an der Quelle zu trinken, sie entflohen aber und kehrten wieder um, als sie den frommen Mann sahen. Da dachte er: Mein Aufenthalt hier verscheucht die Tiere und die Vögel, ich will ihnen nicht länger im Wege sein. Er stand daher auf und machte sich Vorwürfe, diese Tiere und Vögel, die doch auch Geschöpfe Gottes, wie er, seien, von der Quelle vertrieben zu haben, und ging gebeugt fort, bis er zum Hirten kam. Dieser bewillkommte und umarmte ihn und fragte, was ihn hierher gebracht, an einen Ort, der von keinem Menschen sonst betreten wird? Der gottesfürchtige Fremde antwortete: „Eine Stimme hat mir im Traume deinen Ort bezeichnet und mir befohlen, zu dir zu wandern und dich zu grüßen.“ Der Hirt freute sich mit dem Fremden, nahm ihn gut auf und lebte in seiner Gesellschaft, bis der Tod sie trennte; so belobte ihn Gott für seine Enthaltsamkeit und Selbstbeherrschung.

Der König sagte zu Schehersad: „Diese Erzählung läßt mich alles Unrecht bereuen, das ich in meinem Königreich ausgeübt, und den Tod so vieler Mädchen bereuen; erzähle mir nun wieder etwas von den Vögeln.“ da begann Schehersad: „Ich will dir von der Freundschaft zwischen einem Raben und einer Katze erzählen, woraus man sehen kann, wie ein treues und festes Zusammenhalten gegen jede Gefahr schützt.“